Читать книгу Die Kunst des Humors - Helge Schönhusen - Страница 7
Humor ist eine ernste Angelegenheit
ОглавлениеWenn Sie spontan an Humor denken, haben Sie als erstes bestimmt die Lebenseinstellung im Sinn, mit der Sie sich nicht zu wichtig nehmen, nicht hilflos leiden und vor Angst erstarren, stattdessen heiter und entspannt auf verunglückte, peinliche und brenzlige Situationen reagieren oder jene unangenehmen Dinge locker hinnehmen, die Sie ohnehin nicht ändern können. Als nächstes fällt Ihnen sicher Ihre Freizeit ein: entspannte Treffen mit Freunden, gesellige Runden, Hobbys, Partys, Small Talk oder unbeschwerte Stunden mit der Familie am Abend, an Wochenenden, im Urlaub. Dort scherzen, albern, schmunzeln, gackern oder kichern Sie ab und zu, sofern sich die Gelegenheit ergibt und der Humor der Leute kompatibel zueinander ist. Man könnte sagen: Humor als ebenso geglückter wie glücklicher Ausnahmezustand.
Humor geht aber weit darüber hinaus, ist eine ernste Angelegenheit, mit der man nicht allein spaßen sollte. Denn Humor ist ein elementares Bedürfnisse in nahezu allen Bereiche des menschlichen Lebens, ähnlich unserem natürlichen Verlangen nach Essen, Trinken, Schlaf, Gemeinschaft und Kommunikation, nach Kleidung, Hygiene, Bildung, Erfolg, Kunst, Unterhaltung, Bewegung, Sex, Spaß und Sicherheit. Dieses beim Menschen so wacklige Geflecht aus Körper, Geist und Seele braucht Humor, um halbwegs im Lot zu bleiben. Humor stabilisiert die Beziehungen zwischen den Menschen und hilft, Druck aus ihrer Kommunikation zu nehmen, die Gemüter zu entspannen und zu erfreuen, in Harmonie anzugleichen, in guter Erinnerung zu bleiben.
Humor ist ein Rezept, mit dem ich mir einen bekömmlichen Tag bereite.
Von nett bis nützlich macht sich Humor daher in unseren E-Mails, Briefen, Glückwunsch-, Urlaubs- und Einladungskarten, ebenso in Reden, Vorträgen und Präsentationen oder beim Flirten, bei der Partnersuche, in der Partnerschaft. In heiklen Situationen kann uns Humor regelrecht retten: im Umgang mit Kollegen, Kunden, Vorgesetzten, Nachbarn, Schwiegermüttern, Fremden oder Ex-Beziehungen. Eventuell kommunizieren Sie im Internet über Chats, Foren, WhatsApp und Twitter, präsentieren sich bei YouTube, in sozialen Netzwerken, mit Blogs oder auf der eigenen Website mit Texten, Bildern und Videoclips. Mehr denn je ist eigener Humor dort gefragt. Vielleicht reden, schreiben oder moderieren, lehren, betreuen, verkaufen oder therapieren Sie berufsbedingt und sind immer auf der Suche nach lustigen Ideen und heiteren Pointen.
Manchmal ist ein Lächeln auch zu wenig, reicht Fröhlichkeit nicht aus, ist pure Freundlichkeit zu schlicht, wirkt naiv, zu defensiv, wird als Schwäche interpretiert, gegen uns ausgenutzt. Dann müssen wir punkten: mit ansprechenden Effekten, um Leute zu locken, uns wirkungsvoller zu verkaufen, in der Gemeinschaft zu behaupten, neue Kontakte zu knüpfen oder um uns pfiffig zu schützen, elegant zu wehren. Schon insofern hätte wohl jeder gern gewusst, was Humor zu leisten vermag, wie man ihn entwickeln und verbessern kann, wie er funktioniert.
Angesichts all dieser Gelegenheiten und Erfordernisse des gewagten Treibens, trüben Leidens und ewigen Scheiterns, genannt Leben, müssen wir Humor längst nicht als Ausnahmezustand hinnehmen. Ein sonniges Gemüt können wir auf Knopfdruck zwar nicht bestellen, da es stets mehrerer Knöpfe dazu bedarf, auf die wir nicht immer Zugriff haben, gute Laune lässt sich selten erzwingen. Und spontaner Humor gedeiht eben nur unter genannten komplexen Bedingungen, die erst mal zusammentreffen müssen. Das Wissen allerdings, wie Humor funktioniert, verbunden mit der Fähigkeit, ihn systematisch zu erzeugen, bietet uns deutlich mehr Möglichkeiten und Spielräume. Zurück wirkt das wiederum auf unsere Stimmung, auf die der anderen, auf deren Urteil, Einstellung und Verhalten und damit letztlich auf die jeweilige Situation.
Leider sieht unser Alltag meist anders aus: Mehr denn je hat er uns im Würgegriff, dass wir glauben, uns beim eigenen Humor bis an die Ohren zugeknöpft zeigen zu müssen. Immer kleinere Lücken zum Scherzen lässt uns das leistungsverdichtete Leben. Sollen wir tatsächlich zum Lachen in den Keller flüchten, wenn überhaupt Zeit dafür bleibt? Weil wir andernfalls nicht kompetent und seriös genug wirken, unsere freudlosen Mitmenschen weiter verunsichern, scheue Kunden vielleicht verschrecken, unzufriedene Chefs zusätzlich reizen oder all die mächtig ranklotzenden Kollegen von der gelobten Arbeit abhalten?
Mein Chef ist ein Tierfreund. Jeden Tag macht er uns zur Sau.
Vorgesetzte sind nicht selten der Meinung: wer lacht, habe noch Reserven. Und selbst diese gelte es auszuschöpfen: für wichtigere, ausschließlich wirtschaftliche Belange des gelobten, stets leistungshungrigen Arbeitgebers. Nur sollten wir bedenken, dass wir die überwiegende Zeit unserer wertvollen Wachphase des Tages mit den nicht immer geliebten Belastungen im Job zu verbringen gezwungen sind. Und dass wir währenddessen trotzdem leben, entspannt atmen, uns einigermaßen gut fühlen und mit Menschen angenehm kommunizieren sollten. Humor und Lachen sind dabei wesentliche Merkmale eines normalen, geistig und seelisch gesunden Lebens. Bislang zumindest und gerade während der Arbeit, ob im Homeoffice oder in der Bürokäfigmassenmenschhaltung. Alles andere wäre ein tragischer Irrtum, eine gefährliche Falle – Unsicherheit, Ängste, Depression und Burn-out lassen grüßen.
„Schon gehört? Untersuchungen haben ergeben, dass teure Espressomaschinen Blei freisetzen.“ „Ach daher diese bleierne Müdigkeit, sobald ich morgens im Büro meinen Kaffee trinke.“
Oder sollten wir das Humorthema besser den Medien überlassen, wo bezahlte Experten ihn im Dienste der Einschaltquoten kommerziell vereinnahmen? Der ganze gequälte Fremdhumor, den man uns aus dem Radio, Fernsehen und Internet heraus in die einsamen Wohnungswelten trötet, wird unsere seelischen Blessuren und Kommunikationsstörungen aber nicht aufhalten können. Nicht die Quoten-jagenden Medienmacher, nicht die werbenden Firmen, eigenen Chefs oder hochbezahlten Image- und Karriereberater – sondern Ärzte, Psychologen, Psychiater, Paartherapeuten, Soziologen, Lachforscher und Freunde würden uns empfehlen, uns mithilfe des eigenen Humors im Alltag einen echten Spaß-, Glücks- und Erfolgsvorsprung zu sichern.