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1.2.8 Die psychologische Reduktion auf eine kollektive Zwangsneurose (Sigmund Freud)

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Sigmund Freud (1856–1939) betrachtete seine psychoanalytische Arbeit als Naturwissenschaft. Religion verstand er im Deutungshorizont von Darwin, Schopenhauer, Feuerbach und Marx. Darwins Hypothese, nach der die Menschen im Urzustand in kleinen Horden lebten, in der das dominante Männchen alle Frauen für sich beanspruchte, ergänzte er durch die Hypothese, dass die verdrängten Brüder sich schließlich zusammentaten, den Vater der Horde erschlugen, ihn verspeisten und so der Vaterhorde ein Ende machten. Aber dieser Mord schaffte ein Schuldbewusstsein. So wählten sie sich ein Totemtier als Vaterersatz und wiederholten fortan an diesem Totemtier den Vatermord, verstanden aber das Opfer dieses Tieres als Sühne für die Urschuld der Tötung des göttlichen Vaters. Der Totemismus gilt Freud als die älteste Erscheinungsform der Religion und alle Religionen gelten ihm als Versuche, das Problem des Vatermordes zu lösen.

Diese phantasievolle These aus seinem Buch »Totem und Tabu« (1913) erweiterte er später durch den Gedanken, dass jener Urvater das Urbild Gottes darstellt. Den biologischen Grund für Religion sah Freud in der Angst und in den Schuldgefühlen des hilflosen Kindes gegenüber dem übermächtigen Vater. In der Religion werde dieser »psychische Infantilismus« in organisierter Form festgeschrieben. Das hindere den Menschen daran, die Realität wahrzunehmen und erwachsen zu werden. So stellte sich ihm Religion als Illusion mit Anzeichen einer psychiatrischen Wahnidee dar, die er als eine allgemein menschliche und |26| universale Zwangsneurose charakterisierte. In seinen therapeutischen Maßnahmen und in einer entsprechenden Erziehung sah er die Möglichkeit, den Einzelnen von seinen persönlichen neurotischen Entwicklungsstörungen und die Gesellschaft von ihrer kollektiven religiösen Zwangsneurose zu befreien. Angesichts dieser blühenden Phantasie für die menschliche Urgeschichte, die sich als Wissenschaft ausgab, verwundert es nicht, wenn bereits der Satiriker Karl Kraus, der scharfzüngige Wiener Zeitgenosse Freuds, dessen psychoanalytisches Abenteuer als jene Krankheit diagnostiziert, die zu heilen sie verspricht.

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