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ОглавлениеNacht über der Stadt. Irgendwo im Westen des Großdeutschen Reiches, das nun so klein geworden war.
Schlaf ließ die meisten Einwohner vergessen, dass jeder Atemzug der letzte sein konnte.
Da plötzlich heulten die Sirenen: Fliegeralarm. Die Träume zerrissen, die Wirklichkeit hielt die Menschen umklammert mit Angst und Schrecken, mit Tod und Verderben.
Die alte Frau fuhr in ihrem Bett hoch, als habe sie auf dieses Warnzeichen gewartet.
„Fliegeralarm!“, schrie sie.
Aber der Mann neben ihr schlief weiter. Sein Atem rasselte schwer.
Sie war rasch aufgestanden und rüttelte ihn wach. „Hörst du, Franz?“
„Was?“, fragte er im Halbschlaf.
„Sie kommen wieder.“
Endlich wachte er auf und hörte nun auch die Sirenen. „Ach, jede Nacht dasselbe!“
„Nun zieh dich doch schon an!“
„Ich bin ja dabei“, brummelte er misslaunig.
„Aber rasch!“
Die beiden alten Leute brauchten kein Licht. Sie fanden sich auch im Dunkeln zurecht. Jeder Griff, jede Bewegung wirkte wie eingedrillt. Keiner hätte mehr sagen können, wie oft sie schon in den vergangenen Jahren aus dem Bett getrieben worden waren, in den letzten Monaten fast jede Nacht.
Draußen klopfte jemand laut an ihre Zimmertür.
„Fliegeralarm, Her Pilgram!“
„Ja, danke, wir haben es schon gehört“, antwortete die alte Frau.
„Und kommen Sie sofort in den Luftschutzkeller!“
„Ja, ja, Herr Schmeer“, rief der alte Mann ihm zu, “in ein paar Minuten.“
Der andere draußen war schon weitergeeilt. Es gab noch mehr Wohnungen in dem Miethaus, und er achtete immer streng darauf, dass alle rasch den Schutzraum aufsuchten, so wie es vorgeschrieben war.
„Der ist immer der Erste“, sagte Frau Pilgram zu ihrem Mann, während sie sich die Strümpfe überstreifte.
„Er geht ja auch mit seinem Drillichanzug ins Bett. Nur noch Koppel um, Stiefel an und Stahlhelm auf – fertig!“
„Er nimmt seine Aufgabe als Luftschutzwart eben ernst.“
Pilgram brummte zustimmend.
„Nun mach doch voran, Franz!“
„Ich kriege die Schuhe wieder nicht an.“
Er stöhnte, wie immer wenn er sich bückte.
„Die anderen Leute im Haus sind sicher längst fertig“, drängelte sie.
„Ach, glaub das doch nicht…!“