Читать книгу Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke - Страница 5

Der Fallensteller in einer Zeit der höchsten Bedrängnis

Оглавление

An der Fensterseite unter der ratternden Klimaanlage sass Dr. Hutman mit dem Fleckengesicht der teuflischen Verwünschung, der sich zur Verstärkung zwei junge Kollegen in Uniform mitgebracht hatte, die rechts und links neben ihm sassen, deren Augenspiel Nervosität ausdrückte, als wollten sie von etwas Aufgezwungenem reden, was ihrem Mund verboten war zu sprechen. Dr. Ferdinand spürte die gespannte Atmosphäre, konnte sich jedoch nicht zusammenreimen, warum die Augen der beiden gegenübersitzenden Kollegen den Zug der Angst trugen, wenn der Superintendent die ärztlichen Eintragungen durchsah und zu studieren schien. Das Gesicht des Dr. Hutman, das hatte er kennengelernt. Es sprach unverhohlen von einer List und neuen Gemeinheit, wobei ihm Dr. Ferdinand bei der Betrachtung der Leutnantsuniform und in gedanklicher Anspielung an Zuckmeyers "Des Teufels General" den Namen "Der Leutnant des Teufels" verpasste.

Dr. Witthuhn schob die Mappen mit den Krankenblättern zur Seite und fragte Dr. Ferdinand, wann er zuletzt seine Patienten gesehen hätte, der wiederum in der Plötzlichkeit der intuitiven Eingebung den Zusammenhang begriff. "Heute morgen", antwortete Dr. Ferdinand, wobei er nicht erwähnte, dass er schon vor sieben Uhr im Hospital war, um seine Patienten zu sehen. "Und wann davor?", fragte der Superintendent. "Gestern morgen", das der Wahrheit entsprach. "Ich frage Sie deshalb", fuhr der Superintendent fort, "weil Dr. Hutman sagt, dass Sie die Patienten vernachlässigen, sie nicht regelmässig gesehen werden." Dr. Ferdinand erregte sich über die erneute Unverschämtheit: "Wie kann er das sagen, ohne die nötige Gewissheit zu haben?" Dr. Hutman fühlte sich sicher und sprach schneidend: "Die Gewissheit liegt in den fehlenden Eintragungen in den Krankenblättern.” Da die Schwestern der Frühschicht nicht bestätigen konnten, dass Dr. Ferdinand die Patienten schon gesehen hatte, weil sie später kamen, und keiner die Patienten diesbezüglich gefragt hatte, nahm sich Dr. Hutman die Freiheit mit der frechen Behauptung heraus, dass der deutsche Kollege die Patienten vernachlässige, weil nachweislich keine Eintragungen im Krankenblatt zu finden waren. Dieser Vorwurf sollte sitzen, er sollte den Prestigeverlust wettmachen, den Dr. Hutman wenige Wochen vorher vor dem ärztlichen Direktor einstecken musste.

Es stimmte, dass nicht täglich Eintragungen gemacht wurden, das wusste Dr. Ferdinand auch, und er sah es nicht als unbedingtes Versäumnis an, weil die Zeit für die Saalrunde begrenzt war und mit den Operationen pünktlich begonnen werden musste. Er sagte, dass in Anbetracht der Vielzahl der Patienten und des Zeitdrucks, unter dem die Saalrunde vorgenommen werden muss, es kein ärztliches Versäumnis ist, von pedantischen Eintragungen des Normalen abzusehen, wenn die Patienten keine Besonderheiten gegenüber dem Vortag aufweisen. "Die Prioritäten sollten richtig gesetzt werden, dann wird auch dem Patienten unter den Bedingungen, die hier noch gegeben sind, am besten geholfen. Das sind Ehrlichkeit und Pünktlichkeit der ärztlichen Zuwendung", fauchte Dr. Ferdinand voller Wut dem Dr. Hutman ins Gesicht. In der Schweigeminute des Nachdenkens, Dr. Witthuhn schaute auf den Stoss scheinbar anstössiger Krankenblätter, die jungen Kollegen neben Dr. Hutman blickten entsetzt, der selbst in Blässe versank, vergegenwärtigte sich Dr. Ferdinand, dass "der Leutnant des Teufels" ihm in hinterhältig böser Absicht nachstieg, um Schaden zuzufügen und zu zersetzen, wo Zusammenarbeit das Gebot der Stunde war.

"Kehren Sie endlich vor der eigenen Tür, da liegt schon genug Dreck", fuhr ihn Dr. Ferdinand an. "Worin sehen Sie denn Ihre Aufgabe hier, wenn Sie sich als Arzt vertarnen, um zu zerstören, was andere mühsam aufbauen, weil denen die Not der Menschen am Herzen liegt. Anderen hinterherzusteigen, das ist unproduktiv und absurd in einer Situation, wo Ärzte fehlen. Sie sollten besser Ihre Arbeit tun, und so, dass sie hilfreich für die Patienten und Kollegen ist und einer Prüfung vor dem Gewissen standhalten kann." Dr. Ferdinand war wütend. Von nun an schwieg sich Dr. Hutman aus, der den Kopf nach links und rechts drehte und keine Ausrede fand. Dr. Witthuhn drückte ihm den Stempel der Anmassung und Zersetzung auf und warnte ihn vor weiteren Attacken der Bösartigkeit, die jetzt wirklich nicht zu gebrauchen sind. Er gab ihm zu bedenken, ob eine kollegiale Zusammenarbeit nicht sinnvoller wäre bei dem Umfang der zu leistenden Arbeit. Doch auch dazu schwieg sich Dr. Hutman aus. Es war offentsichtlich, dass er die Massstäbe, die den ärztlichen Kodex bestimmten, verloren hatte und sich nun hinter seiner Uniform versteckte. Verflucht sei das verlängerte Ohr des Ausspionierens und der listige Fallensteller, schwirrte es Dr. Ferdinand durch den Kopf.

"Der Leutnant des Teufels" gab auch danach nicht auf und spielte die Rolle des Charakterschweins weiter. Er war vom Auftrag der Zerstörung besessen. Ihn ritt die wilde Wut ohne Sinn und Verstand, weil er den Schaden nicht begriff, den er mit seinen Hinterhältigkeiten anstellte. Ob der nicht richtig tickt, fragte sich manchmal Dr. Ferdinand, wenn er nicht umhin kam, mit ihm die Saalrunde gemeinsam zu machen, am Op-Tisch ihm gegenüberzustehen oder im Teeraum gegenüberzusitzen, die permanente Unruhe auf seinem Gesicht mit den falschen Augenblicken herumfahren zu sehen und sich die Wichtigkeit seines Redens anzuhören. Der muss sich in der Anmassung des Masslosen und seiner zerstörerischen Zwangsneurose völlig verspiegelt haben, kam es in den Sinn, als sich Dr. Ferdinand die totale Verspiegelung der Persönlichkeit des Dr. Hutman gegen die harmlosen Schreiberlinge und Schreibärsche der verschwindenden Verantwortung in den Aufzügen der Verwaltungspyramiden vorstellte, die sich beim Hoch- und Runterfahren vor dem grossen, die ganze Rückwand einnehmenden Spiegel beim Anblick ihrer Fettheit mit den auf breiten Stiernacken aufgesetzten Rundköpfen und den ausdruckslosen, unbedeutenden und blöden Gesichtern ihre Wichtigkeit vorspiegelten.

Es bedurfte keiner besonderen Detektivarbeit, um herauszufinden, dass Dr. Hutman durch seine unablässige, zersetzende Wühltätigkeit das Misstrauen der Militärs geschürt und damit wesentlich an der Enthebung des Dr. Witthuhn vom Stuhl des Superintendenten beigetragen hatte. Durch Dr. Hutman wurde der von der weissen Matrone beschworene Teamgeist eine Totgeburt, die vorzeitig mit den Unreifezeichen eines frühen, missgebildeten Embryos wie bei einem Spontanabort im dritten Monat ausgestossen wurde. Das Arbeitsklima im Hospital blieb gespannt, weil dem "Leutnant des Teufels" das Handwerk der Niedertracht nicht gelegt werden konnte, der sich weiterhin als verlängertes Ohr mit der ihm zugesagten Bösartigkeit der Wortverdrehung betätigte, was der zwangsneurotischen Strategie der aus den Machtzentralen Pretorias aufgescheuchten Militärs vor dem Sonnenuntergang des abgewirtschafteten Apartheidssystems entgegenkam.

Die Zustände waren miserabel und menschenunwürdig im wortwörtlichsten Sinne, die trichterförmigen Zinktoiletten waren bis obenhin verstopft; davor und daneben und sonstwo lagen die Kothaufen herum, und es stank zum Himmel. Die Wasserspülungen taten es nicht, weil der Handgriff zum Spülarm fehlte, oder der Spülarm klemmte, verbogen oder abgebrochen war. Die Verstopfungen in den dicken Ablaufrohren hatten sich mit den Papierzulagen fest verschichtet und reichten weit in den Trichter hinauf, sie waren von langer Dauer und stanken bestialisch. Das Wegspülen der Exkremente, so wichtig es für die Sauberkeit ist, war eine Ausnahme, ein Glückstreffer, weil das Wasser meist zu wenig Druck hatte, wenn es nicht ganz abgedreht war aus Gründen von Reparaturarbeiten am Leitungssystem innerhalb des Hospitals oder draussen im Dorf. War dann der Wasserdruck höher als normal, dann passierte es, dass es aus den Löchern der vor vielen Jahren angeschlossenen und seit weniger Jahren durchgerosteten Eisen der gebogenen Verbindungsstücke oder den längst vergammelten und gerissenen Verbindungsschläuchen spritzte und dem ins Gesicht, der sich mit der guten Absicht über den hoch gefüllten Trichter gebeugt hatte mit dem Versuch, die Verstopfung und die am Boden liegende Unhygiene zu beseitigen, die Drainage durchgängig zu machen und sich dafür einsetzte, den ersten Ansätzen der Grundhygiene wieder auf die Beine zu verhelfen.

Da es sich hier um ein Fundamentalanliegen für ein Hospital handelte, nahm Dr. Ferdinand dieses Problem sehr ernst und rügte das Verhalten seiner zivilen wie unformierten Kollegen und besonders das der Superintendenten als unverantwortlich in punkto Sauberkeit und Grundhygiene, da aber auch keiner dieser Akademiker sich nur einmal die Mühe machte, sich persönlich über einen vollen Toilettentrichter zu beugen, um sich ein Bild vom Ausmass der Verstopfung zu machen. Er hätte es ihnen nicht verübelt, wenn sie für den Augenblick der Besichtigung des scheissvollen Trichters die Atmung eingestellt und die Nase zugequetscht hätten. Er hätte es mit einem Fragezeichen toleriert, wenn sie danach mit roten Köpfen einem Waschbecken mit funktionierendem Wasserhahn zugeeilt wären, um den Ritus des Händewaschens einzuhalten, auch wenn sie nichts berührt und den Spülkasten nicht angefasst hatten.

Dr. Ferdinand setzte deshalb das Fragezeichen hinter seine Toleranzbereitschaft, weil er den Händewaschzwang im Rahmen der blossen Besichtigung als heuchlerisch empfunden hätte, da es nur der Geruchsauflagerung gegolten hätte, die abzuwaschen war. Wie dem auch gewesen wäre, Dr. Ferdinand hätte den überzogenen Reinhaltungszwang mit einem Ausrufezeichen hingenommen, wenn die Kollegen und Superintendenten die Reinhaltung ihrer Hände auf die Hände der Patienten und die gesamte Hospitaleinrichtung übertragen hätten. Beim Waschvorgang der Hände konnten sie sich jedoch persönlich und physikalisch von den tropfenden Wasserhähnen überzeugen, die nach vollem Aufdrehen nur einen dürftigen Wasserstrahl hergaben, da der Wasserdruck nach mehr zu wünschen übrig liess. Doch nichts war geschehen, was dem Wort "Verantwortung" Ehre gemacht hätte, weshalb Dr. Ferdinand in ein Selbstgespräch verfallen war, dessen Satzgegenstände die Dinge der höchsten Dringlichkeit zwar exakt bezeichneten und ihnen die entsprechenden Tu- oder Tätigkeitsworte ebenso exakt zuordnete, jedoch konjunktivisch aussprechen musste, weil eben nichts in Richtung Grundhygiene geschah.

Er verurteilte scharf das nachlässige Verhalten gegen besseres Wissen und tadelte die ärztliche Verantwortungslosigkeit, auch wenn den "erhobenen" und von den stinkenden "Trivialitäten" des Alltags abgehobenen Akademikern der Ekel überkam und in der Blasiertheit, die viele "gebildete und feinfühlige" Akademiker fürchterlich auszeichnet, zum Ausdruck gebracht wurde, dass man schliesslich nicht so viele Jahre mit dem Studium der Medizin zugebracht hätte, um hinterher als "Arzt" mit Doktorgrad in einen voll geschissenen Toilettentrichter zu blicken. Dafür gäbe es doch Leute der geringeren Ausbildung, die mit Scheisse besser umgehen können als wir. Die Verkennung des Problems und die Arroganz der Worte, mit der Scheisse nichts am Hut zu haben, empfand Dr. Ferdinand als eine Unverschämtheit, und er tat sie in das Kästchen der bleibenden Erinnerung, wobei manche Doktoren aufgrund ihres unärztlichen Verhaltens mit den bis zur Kritiklosigkeit abgerichteten und skrupellosen Schreibärschen der verantwortungslosen Verblödung in einen Topf geworfen wurden.

Wie können die Patienten vor Ärzten Achtung haben, die ihnen den Scheissgestank und die verstopften Toiletten zur Benutzung vorhalten, fragte er sich in Erinnerung an das Sprichwort, dessen Ursprung wahrscheinlich Europa mit seinen ersten Spültoiletten war, und das ihm seine Mutter, als er schon Student war, zur Nachdenklichkeit so manches Mal vorgehalten hatte, als sie sagte: "Schau dir bloss die Toilette an, dann weisst Du, ob das Haus sauber ist oder nicht." Da sich Dr. Ferdinand nicht vorstellen konnte, dass die Mütter der Kollegen nicht dasselbe ihren Söhnen auch beigebracht hatten, wurde er böse, weil sie die Weisheit der Mütter nicht zu Herzen genommen hatten, die er diesbezüglich höher ansetzte als das später Hinzugelernte.

Da auch der neue Superintendent sich von der katastrophalen Toilettensituation nicht persönlich überzeugte, wahrscheinlich fühlte auch er sich zu "fein" dafür, blieb das Hospital, was die Toiletten anging, weiterhin ein "Saustall". In den Sälen änderte sich ebenso wie in den Operationsräumen nichts. Den Patienten, Schwestern und Ärzten wurde das Unzumutbare einfach weiter zugemutet; und von der Bantu-Administration, die in bequemen, vollklimatisierten Räumen mit Tee- und Speiseküche weit weg in Ondangwa untergebracht und mit polierten Schreibtischen, hochlehnigen Lederstühlen und Sitzgarnituren der höchsten Bequemlichkeit ausgestattet war, liess sich nicht ein Verwaltungsarsch im Hospital blicken, wie es der 'Sekretaris' vor einem Jahr versprochen hatte.

Bei dem Zustand des baulichen Verfalls und der sanitären Verrottung waren umfangreiche Reparaturarbeiten notwendig, die sicher kostenaufwendig gewesen wären, wenn die Einrichtung des Hospitals auf die Höhe des menschlich Zumutbaren gebracht werden sollte, was eine Anhebung der Arbeitsqualität zur Folge gehabt hätte. Die Menschen der Verwaltung kümmerten sich jedoch um nichts, als wäre es ihre Aufgabe nicht, den ihnen zugeschriebenen Teil der Verantwortung zu tragen und tätig zu werden, um den Zusammenbruch der Einrichtung zu verhindern. Sie lehnten sich in ihren bequemen Sesseln zurück, tranken Tee oder Kaffee pünktlich zur gewohnten Zeit und dachten über die Dinge des Privaten nach, denn der persönliche Vorteil lag ihnen am Herzen.

Am Telefon, wenn die Leitung es tat, und sie sich nicht verleugnen liessen, sprachen diese arbeitsscheuen Typen trotz leerer Schreibtische von Überlastung und der grossen Verantwortung, die sie trügen. Sie waren geübt, Lügen zu sprechen und Versprechungen zu machen, die nie gehalten wurden. Sie versicherten sich selbst und bewegten die bewilligten Gelder unsichtbar, das teilten sie und schoben die Teile der unterschiedlichen Anhäufung nach den Massstäben der persönlichen Unverschämheiten über den Tisch und in die weit geöffneten Taschen hinein, die zum leichteren Reinschieben an die Tischkanten herangehalten wurden. Beim Einfüllen fremder Gelder galt das Proporzprinzip, wobei die Taschen in direkter Proportionalitat zu den Gehaltsstufen abgefüllt wurden, dass der Reissverschluss der Tasche nicht mehr geschlossen werden konnte, deren Inhaber schon das meiste Geld per Gehalt einstrich. Es wurde als grosszügige Geste der anderen Taschenoffenhalter gewertet, dass ihnen aus der übervollen Tasche noch etwas nachgesteckt wurde, damit der Reissverschluss die bis zur Ausbauchung gefüllte Tasche endlich schliessen konnte, weil die verschlossenen Taschen den Trägern mehr Sicherheit gab, wenn sie die Büros pünktlich verliessen und so das reingeschobene und versteckte Fremdgut unauffälliger im Kofferraum der Autos zwischen Brennholz für das Barbecue und den neuen Reifen verstauten, die ihnen gratis dazugelegt wurden.

Die Geschäfte mit dem Ein- und Ansammeln zum Nulltarif hatten sie zu eingeschworenen Freunden gemacht; die Freundschaft lohnte sich, sie zahlte sich in einer Höhe aus, deren Zahlen soweit vor dem Komma standen, dass da spielend fünf und auch sechs Nullen Platz hatten, was alle vorherigen Erwartungen übertra£ Das war etwas, was richtig zum Anfassen war, mit dem jeder etwas Grösseres anfangen konnte. Sie fingen auch etwas mit den "verschwundenen" Geldern an, war es der Kauf von Farmen, Etagenhäuser zum Vermieten der Wohnungen oder Autowerkstätten mit angeschlossener Tankstelle, wobei die Gelder mühelos die Grenze passierten und bis nach Südafrika flossen. Es waren Geschäfte, die sich auszahlten, die lohnender waren und keine Kopfschmerzen machten, als sich mit dem elenden Hospital herumzuschlagen, wo die Hände durch das misstrauische Militär sowieso gebunden waren.

Dieses Händebinden nahmen die korrupten Vögel, die sich hinter den Verwaltungsärschen verbargen, gerne hin, um das Gebundensein aus militär-strategischen Gründen als Vorwand für die heuchlerische Entschuldigung zu benutzen, dass der Administration die Verantwortung für die Instandhaltung des Hospitals aus den Händen genommen wurde. Dabei wäre es eine Lüge zu behaupten, dass diese Vögel sich jemals verantwortlich um die Belange der Bevölkerung gekümmert und die Einrichtung des Hospitals auf Vordermann gebracht hätten. Diese Typen, die immer mit leeren Taschen zur Arbeit fuhren und mit vollen Taschen zurückkehrten, hatten es auf die Bewegungsfreiheit für die lohnenden Geschäfte abgesehen, wenn ihre beschmierten Hände weiterhin voll zupackten, wohl wissend, dass das nicht ewig so weitergehen würde. So sassen sie bequem an den polierten Tischen und liessen die Zeit für sich arbeiten, ohne sich durch irgenwelche Verantwortlichkeiten stören zu lassen, denn wirkliche Arbeit hatten sie nicht. Es kam heraus, dass sie auch die Schreiben mit dem Wort "Dringend!" zu Schnipseln verarbeiteten, diese in den Papierkorb warfen und bei Nachfragen sagten, dass die Schreiben nicht angekommen seien.

So gut wie alles blieb unbeantwortet und wurde ins Bodenlose zerschwiegen, besonders dann, wenn Arbeit damit verbunden war, die "unnötige" Kosten im Kostenvoranschlag verursachten. Der Besucher, wenn er mal unerwartet kam, um herauszufinden, warum die vielen Schreiben ohne Antwort blieben, fand während der Dienststunden leere Schreibtische vor, wenn von Tassen, Gläsern, Dosen, Kannen und Flaschen abgesehen wurde. Dem Spiel mit dem Geldverschieben gaben sie die höchste Aufmerksamkeit; hier liessen sie sich genügend Zeit, wie Dr. Ferdinand Jahre später in einem vertraulichen Gespräch erfuhr, als es das Apartheidssystem nicht mehr gab. Diese Typen, die sich beschissen anstellten, wenn es um die Nöte der Menschen und des Hospitals ging, die sie doch auswendig kannten, waren inwendig tief in die Korruption verstrickt, die sie professionell und unsichtbar übten. Diese graumelierten Herren mit dem Augenaufschlag der Unbedenklichkeit, von denen einige auch das Stottern nicht seinlassen konnten, waren raubmotiviert und gut ausgeschlafen, wenn sie das vollklimatisierte Büro noch während der Dienstzeit zum Spielkasino des Betrugs umfunktionierten, sich im Kollektivzwang betrügerischer Brüder aufeinander abstimmten, die Stahltür mit dem Schlüssel des aufgehobenen Vertrauens öffneten, den Inhalt plünderten, und den Tresor mit dem Achselzucken der Wiederholung wieder verschlossen.

Hier hatten sich die Täter, die ihre Taschen vollschoben, das Wort der Gegenseitigkeit und des proportionalen Schiebeverfahrens zugesprochen, dass einvernehmlich auch in Zukunft, das heisst, bei späteren Plünderungen so beibehalten werden sollte. Diesen Glauben auf Gegenseitigkeit mit dem Wissen der Mittäterschaft liessen sie dem Steuerzahler, dem sie es nicht glauben lassen wollten, gewaltig was kosten, weshalb die Bilanzbücher fast plump gefälscht wurden, als diese bei der Prüfung leere Seiten vorwiesen, wo das Papier so weiss war, wie nur die unberührte Reinheit weiss sein konnte, und die Buchprüfer die unbeschriebenen Blätter zwischen den Fingern hielten. Die skrupellose Unverschämtheit hatte die Täter des stillen Einsackens mehr als reichlich belohnt, und sie taten das überreichlich Eingesackte, das sie nicht nachprüfbar verschnürt hatten, zum unverdient Reichlichen ihrer Gehälter dazu. Die Buchprüfer kamen zu spät, auch wenn sie unangemeldet erschienen. Was sie eben fanden, waren die blütenreinen Blätter des Unbeschriebenen, und sie konnten nicht anders, als an das Weiss des Papiers zu glauben, dieses Weiss, das irritierend rein war, als die bare Münze zu nehmen. Das blendende Weiss der Papiere vermischte sich mit der Schwärze des dunklen Verdachts zu einem beständigen Grau, dass die Prüfer sich notierten.

Einem Schwindel kamen die Buchprüfer auf die Schliche, als sie die Zurückgelehnten der regionalen Verwaltung mit ihren arglos blickenden Augen fragten, wo denn der Ford-Kleinlader sei, der noch keine zwanzigtausend Kilometer gefahren hatte, dem innerhalb eines Jahres zweimal der Motor ausgewechselt und viermal die gesamte Bereifung erneuert wurde. Die Zurückgelehnten sahen sich fragend an, rutschten mit ihren Hintern auf den Stühlen und setzten sich aufrecht, während der 'Sekretaris' zum Telefonhörer griff, in die Sprachmuschel stotterte, aus der Hörmuschel den Zusammenhang des Gesagten nicht verstand und den Verantwortlichen herbeistotterte, dem die Fahrzeuge unterstanden. Der nicht mehr junge, leicht untersetzte Herr trat ein, wobei er sich das Gesicht der völligen Arglosigkeit aufgesetzt hatte. Er sprach das reine Afrikaans der Buren, sprach ohne stotternde Hindernisse und stellte alles in Frage, bis es den Prüfern zu dumm wurde, sie die entsprechenden Rechnungsbelege aus ihren Taschen zogen und dem 'Sekretaris' auf den Tisch legten, der wiederum ins Grimassieren geriet, das Gesichtskenner ihm dann zuschrieben, wenn er zwischen Nichtverstehenwollen und dem Graben der ersten Verteidigungslinie zu entscheiden hatte.

Es kam heraus, dass dieser Ford-Kleinlader vor zwei Jahren nach einem Unfall mit angeblichem Totalschaden verschrottet, auf das entfernte Nummerschild jedoch die jährlich anfallenden Strassengebühren weitergezahlt wurden. "Wo sind denn die Motoren und die vierfachen Reifensätze, die für diesen Kleinlader in Rechnung gestellt wurden?", fragten die Buchprüfer. Die Bestimmtheit ihres Fragens brachte den 'Sekretaris' und die anderen, aufrecht Sitzenden in die Verlegenheit der Beweisnot. Die Gesichter wurden blass und das Stottern des 'Sekretaris' unerträglich. Tatsache war, dass die Rechnungsbelege auf dem Tisch lagen, die bezahlten Motoren und Reifensätze sich jedoch in der Luft aufgelöst hatten. Diejenigen, die es wissen sollten, schwiegen sich aus. Andere kamen mit ausfahrenden Reden, aber keiner mit einer einleuchtenden Erklärung.

Die Buchprüfer insistierten: "Das nimmt Ihnen doch keiner ab" und machten sich eine Notiz. Der 'Sekretaris', dessen Gesicht rot angelaufen war, gab dem Buren des Fuhrparks keine Schützenhilfe; er liess ihn wie eine heisse Kartoffel fallen, obwohl der ihm so manchen Gefallen zum Nulltarif getan hatte. Er sollte allein aus dieser ‘Scheisse’ herauskommen, was ihm natürlich nicht gelang. Ihm wurde ein Disziplinarverfahren vorhergesagt, das allerdings nicht kam, weil es keinen gab, der nicht Dreck am Stecken hatte, von dem die anderen üblen Genossen nicht auch wussten. So verlief auch diese schamlose Geschichte der betrügerischen Bereicherung im Sande, dessen Spuren die Zeit verwischte, worauf diese Typen bauten. Das Schwarze des Verdachts, weswegen sie kamen, verschwand dann auch mit dem verwaschenen Grau der korrupten Grauzone. Die Buchprüfer hatten sich vom blütenreinen Weiss der unbeschriebenen Blätter in den Bilanzbüchern überzeugt. Sie kehrten in die gehobenen Etagen der Verwaltungspyramide zurück, verfassten ihren Report an den glashart polierten Schreibtischen mit dem verordneten Kopfnicken beim pretorianischen Fensterblick.

Der Report mit dem negativen Grauausgang einer Buchprüfung wurde unverzüglich von der höchsten Etage mit dem schwarz-weissen Karreemuster der Wände und den dicklehnigen Ledersesseln und angenehm federnden Metallstühlen, die wiederum in einem Silbergrau waren, abgesegnet und gegengezeichnet. Dann verschwand aus erhöhtem Sicherheitsbedürfnis die gesamte Akte mit dem unterschriebenen und gegengezeichneten Report in den unergründlichen Tiefen des Vergessensollens mit dem unersättlichen Schlund für die Dinge der dunklen Geschmäcker, die nie aufgeklärt wurden und niemals ans Tageslicht einer späteren Nachprüfung zurückkehrten. Damit entfielen nach menschlichem Ermessen auch die gefürchteten "Rechtsunsicherheiten", die theoretisch zu unliebsamen gerichtlichen Folgen führen konnten, wenn das Beweismaterial nicht gut genug weggestaut, besser, vernichtet war. Zum Dilemma der Verweigerung von Verantwortung und der Verschleierung, was da in die aufgehaltenen Taschen reingeschoben wurde, kam dann der pretorianische Hackgesang dazu, jene verspätete, stilistisch abgesackte Verknüpfung von gregorianischer Pentatonik altgriechischer Melancholie mit den manisch-depressiven Hüpf- und Seitensprüngen in Quarten, Quinten und Oktaven, dass da wieder die Eulen nach Athen getragen wurden, während die meisten Vögel schon nach Norden flogen. Es gab nächtliche Schwanengesänge, in die eingestimmt wurde, dass einem nichts Gutes schwante, wo dann noch die kapitolinischen Schnattergänse, von denen es hier genug gab, mit arrhythmisch zerhackten Aushalteparolen des Querformats dazwischenschnatterten. Es war eine überspannte Zeit, die gruselig zugleich war, als hätte man auf einem turmhoch gespannten Drahtseil ohne Netz und Balanzierstange die Gehprobe des Lebens zu bestehen, um vom Ende der Verwilderung zum Anfang der Zivilisation zurückzukehren.

Dr. Ferdinand wurde manchmal angst und bange, weil er sich vornahm, die Augen offenzuhalten, wenn andere sie verschlossen, sich das Zuquetschen der Nase zu untersagen, wenn er in die vollgeschissenen Toilettentrichter sah, und das Ohr zum Hören hinzuhalten, wenn andere es mit aufgepresster Hand zuhielten, um sich dem Ruf der Verantwortung nicht durch Feigheit zu entziehen, das hier als eine nicht angebrachte, bequeme Gewissenlosigkeit angesehen werden musste. Es war die Geschichte einer Zeit des Umbruchs, die ihn das Gruseln lehrte, weil sie in allen Dingen dem ordentlichen Ablauf des täglichen Lebens oder eines aufgeräumten Hospitals aufs Heftigste widersprach. Dass die Menschen dennoch von diesem Hospital, das den Abbruch wegen Auszehrung und vergammelter Altersschwäche längst verdient hatte, Gebrauch machten, lag schlichtweg daran, dass sie im Durcheinander, das ihnen der Krieg der aufgezwungenen Apartheid bescherte, keine Alternative sahen, auch dann nicht, wenn sie körperlich verpeitscht, angeschossen oder zerschlagen waren, oder ihnen der Arm oder das Bein oder beides von einer hochgegangenen Mine abgerissen wurde.


Der Weg nach Afrika

Подняться наверх