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Ricketicketack
VIII

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Sechs Wochen waren verstrichen seit der Ankunft des Colonels zu Antwerpen.

Auf dem Söller eines kleinen Häuschens auf dem Guldenberg saß sehr früh Abends eine stockalte Frau bei Lichte am Spitzenwirken. Ihre Umgebung sah höchst ärmlich aus, denn sie wohnte unter den bloßen Dachpfannen, und hatte als Hausrath nichts mehr und nichts weniger, als ein Tischchen, zwei schlechte Stühle und ein Bett, dessen Decke aus allerlei zusammengerafften Lappen aneinandergenäht war. Gleichgültig schien sie die Klöppel hin und her zu werfen, doch beugte sie von Zeit zu Zeit das Ohr einer Art von Abschlag zu, in dem das Bett stand, und horchte einem kaum merkbaren Geräusche.

Eben hatte sie also ihre Hände still auf dem Spitzenkissen liegen, als die Thüre des Kämmerchens sich öffnete und eine andere Frau eintrat. Die Alte legte den Finger auf den Mund, und bat die andere durch ein leises Pst um schweigen, nahm sie dann bei der Hand und führte sie möglichst leise zu dem Tische hin. Während sie ihr dort den einen Stuhl anwies als Sitz, ließ sie sich vorsichtig auf den andern nieder und sprach:

»Trien, sei was still, Mensch; er schläft so gut.«

Trien zog einen Strickstrumpf aus der Tasche und sprach nicht weniger leise:

»Aha, das ist der Mensch, den ihr in’s Haus genommen habt. Meint ihr nicht, Mäken10 Teerlinck, daß ihr ein gut Werk damit habt gethan, wenn’s ist, wie die Leut so sprechen?«

»Ah Trien, das kannst du mir glauben, ohne mich wär der Jung todt und begraben, ach Gott.«

Nachdem Trien das Söllerchen in allen Ecken durchschnüffelt hatte, fuhr sie leise fort:

»Aber Mäken, wenn ich recht hab, dann habt ihr den Menschen schon fünf bis sechs Wochen auf’m Kämmerchen. Wo schlaft ihr denn, Mäken?«

»Ja, Trien, wo schlaft ihr denn. Hier in der Eck auf’m Stuhl, mit dem Kopf auf’m Tisch. Da ist ja doch an mir nicht viel mehr zu verderben, ich hab meine Zeit gehabt, Mensch.«

»Herr Gott und Vater im hohen Himmel, wie könnt ihr das aushalten! sechs Wochen ohne zwischen die Laken11 zu kommen! Das ist wahrhaftig um zu sterben, Mäken!«

»Ja Trien, ein Jedermann der giebt seinem Nächsten so viel er hat. Die reichen Leut, die geben ihr Geld, und ich – nun ja, ich geb auch, was ich hab, mein Bett und meine Nachtruh.«

»Das muß ich euch aber sagen, Mäken, das könnte ich nicht thun, aber ’s ist doch schön, und ihr verdient euch einen Stuhl im Himmel damit, Mäken. Ich kenn aber das Feine von der Geschicht noch nicht; da sagt der das und der wieder das und am End wird man nicht klug draus, und weiß soviel, als am Anfang. Wie hat es dann nun eigentlich gegangen? das sagt mir mal, Mäken.«

»Nu, das will ich dir mal sagen, Trien; aber komm und setz dich ein bisschen näher, er möcht wach werden, das arm Blut. Das sind nun fünf oder sechs Wochen gelitten, und es war an einem Samstag und sicherlich elf Uhr Abends, da hatte ich ein bisschen gut gekocht für meine Katz, und weil ich sie den ganzen Nachmittag noch nicht zu Haus gesehen hatte, nahm ich mein Peerken12 und ging dahinten nach der blinden Mauer zu, wo die Karren und Wagen stehn, um meine Her da zu suchen. Wie ich nun so rund humpel und rufe: Puschen! Puschen! hör ich dir mit einem mal einen Seufzer wie von einem Menschen. Ich erschreck, daß ich aufspring, seh einmal auf die Erd’, und ach Gott! ich kann dir nicht sagen, wie ich erschrak, da liegt dir ein Mensch da auf dem Rücken und hat sein ganz Gesicht voll Blut.«

»Ach Gott, voll Blut!«

»Ja Trien, voll Blut. Nu denk dir einmal. Ich schnell zu den Nachbarn, die kommen mit Licht gelaufen, und da sahen wir, daß das ein junger Bursch war, der sich vielleicht auf einen Kohlenwagen schlafen gelegt hatt und herabgefallen war. Er muß schon lang so dagelegen haben, denn das Blut, das aus seinem Kopfe lief, war schon ganz gestollt.13

10

Meken, sprich Mäken, Großmutter, ein Name, den man im Volke allen alten Frauen giebt.

11

Betttücher.

12

Kleine Blechlampe.

13

Verhärtet.

Abendstunden

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