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Einleitung

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Bislang weiß kein Mensch genau, was Neuropädagogik ist. Diejenigen, die darüber sprechen und schreiben, halten es meist für eine moderne Form der Pädagogik, welche die Erkenntnisse der Neurowissenschaften integriert. Warum könnte es nicht auch eine Form der Nervenheilkunde sein, die an Ergebnissen der Pädagogik interessiert ist? Immerhin soll der Begriff in den 1970er Jahren von dem Ehepaar Gobiet für eine Frühförderung in der Rehabilitation von Schädel-Hirn-Verletzten »erfunden« worden sein. In den 1990er Jahren wurde er von dem Neuropsychologen und Neurochirurgen A. Klinger und dem Neurochirurgen und Rehabilitationsmediziner A. Zieger zu einem Konzept der Frührehabilitation erweitert.

Die Entwicklungsbiologin A. K. Braun stellt in Magdeburg Überlegungen zu einer interdisziplinären Forschungsrichtung »Neuro-Pädagogik« an. Begründet die Einrichtung eines »Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen« in Ulm die gelegentlich besserwisserische Einmischung der Medizin in die Pädagogik? Wird hier nicht suggeriert, die Medizin könne endlich den Schlüssel zur Bildungsdebatte liefern: Was Pädagogen dringend bräuchten, um den PISA-Schock zu überwinden? Wenn nun die Erklärung für Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnislücken, Aggressivität im Kindergarten oder gleich das ganze Körper-Seele-Problem mit der Durchblutung des Nucleus accumbens, der Zelldichte des Hippocampus und der Funktion der Spiegelneurone erklärt werden könnten, wäre die Pädagogik unter dem Dach der Neurowissenschaften gut aufgehoben. Da wundern kritische Überlegungen nicht, auch nicht die Fragen »Wie viel Neuro braucht die Schule wirklich?« oder »Wo ist denn da die gleiche Augenhöhe?«

In dem Wort »Neuropädagogik« – wie auch in anderen zusammengesetzten Wissenschaftsgebieten wie z. B. Neurophysiologie, Entwicklungsneurobiologie, Neurogenetik, Neuropsychologie – steckt auch der Wunsch, Fachrichtungen, die bislang wenig miteinander anfangen konnten, zu beider Nutzen interdisziplinär und fachübergreifend kooperieren zu sehen. Nach vielen Jahren, in denen immer stärker spezialisierte Fachdisziplinen in traditioneller Weise Wissen vertieft und vervielfältigt haben, scheint für viele der Zeitpunkt gekommen zu sein, den Kopf über den Tellerrand erhebend nach anderen zu suchen, die gleichfalls in der eigenen Suppe sieden. Sie bereichert Methoden- und Interpretationsvielfalt. Das Wissen aus der Pädagogik bereichert somit nicht nur den Neurowissenschaftler und das Wissen aus der Neurologie bereichert nicht nur den Pädagogen, sondern das breitere und multiplizierte Wissen beider Fachbereiche dient dem zu fördernden Kind, dient dem kranken Patienten und dient der Gesellschaft.

Als Mediziner versuche ich, den Teil der Neurowissenschaften zu erklären, von dem ich mir vorstellen kann, dass er für Pädagogen, namentlich Frühpädagogen, hilfreich sein könnte: zur Erklärung, zum Verstehen, beim Suchen nach alternativen Lehrmethoden, auf der Suche nach Auswegen und zur Ermutigung für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wie viel davon und wie es für Sie nutzbringend sein wird, bleibt Ihnen überlassen. Durch den theoretischen Berg von Griesbrei muss man sich auch in anderen Disziplinen futtern, um bei den herzhaften Gerichten anzukommen. Ganz wird man die Theorie jedoch nicht vermeiden können, wenn man die Erklärung für Konzepte und Therapien sucht. Hoffentlich werden Sie viel für sich mitnehmen und hoffentlich werden dann Ihre Erkenntnisse oder Widersprüche irgendwie zu mir zurückkehren, damit ich am Ende auch mehr von Pädagogik weiß. Schließlich hoffe ich gar, dass dieses Buch auch einigen medizinischen Therapeuten (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) und Therapeuten angrenzender Berufe hilfreich sein kann.

Henning Rosenkötter

Anmerkung: Der besseren Lesbarkeit halber spreche ich von Pädagoginnen, pädagogischen Fachkräften und Erzieherinnen. Männliche Kollegen sind natürlich ebenfalls gemeint. Wenn ich von Pädagogen, Ärzten und Psychologen spreche, meine ich auch Pädagoginnen, Ärztinnen und Psychologinnen.

Motorik und Wahrnehmung im Kindesalter

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