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Vorwort zur Neuauflage Die Revolution der Städte wieder lesen

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Man muss der Europäischen Verlagsanstalt dankbar dafür sein, dass sie den in Deutschland seit langem vergriffenen Klassiker Die Revolution der Städte wieder auflegt.1 Obwohl Lefebvres Buch inzwischen über vierzig Jahre alt ist, bietet es immer noch wichtige Referenzpunkte für eine gegenwärtige Urbanismuskritik.

Henri Lefebvre (1901 – 1991) wirkte zu einer Zeit, da der Sozialismus dem Kapitalismus als wirkliche Alternative gegenüberstand. In Ländern wie Frankreich oder Italien stellten die kommunistischen Parteien noch bis zum Ende des Fordismus in den achtziger Jahren einen wichtigen politischen Faktor dar. Den größten Teil seines politischen Lebens hat Lefebvre an zwei Fronten gleichzeitig gekämpft: als Kritiker des kapitalistischen Gesellschaftssystems ebenso wie als Kritiker des dogmatischen Marxismus.2 In vielen Punkten setzte sich der unabhängige Denker über die Programmatik der orthodoxen Linken hinweg, die vor allem auf die Eroberung des Staatsapparats und die zentralisierte Planung der Produktion durch die organisierte Arbeitermacht abzielte. Lefebvre hingegen erklärte den Alltag zur entscheidenden Kategorie: Er bilde den Zusammenhang zwischen der Ökonomie und der Lebenspraxis der Individuen. Alles was in den »höheren« Sphären der gesellschaftlichen Praxis (Staat, Politik, Wissenschaft) produziert werde, müsse sich im Alltag bewähren. Aus heutiger Sicht mag das banal erscheinen, aber in der Nachkriegszeit hatten sich die Sozialwissenschaften (im Gegensatz zur Philosophie) mit diesem Phänomen kaum beschäftigt.

Zur Stadtforschung kam Lefebvre, der nicht nur Philosoph, sondern auch Agrarsoziologe war, eher auf indirektem Wege: Während er in den fünfziger Jahren den Wandel des Alltagslebens, insbesondere im ländlichen Raum, erforschte, wurde er zunehmend mit den sozialen Auswirkungen der fordistischen Industrie- und Raumpolitik konfrontiert (Bocquet 2012, S. 42). Das noch stark ländlich geprägte Frankreich erlebte damals einen massiven Urbanisierungsschub. Mehr und mehr wurde Lefebvre bewusst, dass das »Städtische « die Widersprüche der modernen Gesellschaft am deutlichsten zum Ausdruck brachte. Der französische Philosoph erlebte die Auswirkungen des modernen Urbanismus auch am eigenen Leibe. Unweit seines Herkunftsortes, einem Marktflecken in den Pyrenäen, wohin er sich immer wieder gerne zurückzog, wurde Ende der fünfziger Jahre eine Retortenstadt aus dem Boden gestampft. Lefebvre konnte die sozialräumlichen Effekte des funktionalen Städtebaus sozusagen unter Laborbedingungen studieren. In seinen »Notizen zur Neuen Stadt« packt ihn angesichts der »Wohnmaschinen« das blanke Entsetzen (Lefebvre 1978 [1962], S. 143). Zwischen 1968 und 1974 veröffentlichte er in schneller Folge eine Reihe von Publikationen, die sich explizit mit dem Thema Urbanismus und Raum auseinandersetzen.3

Um die damalige Brisanz von La révolution urbaine (1970) zu verstehen, gilt es daran zu erinnern, dass die Stadtsoziologie in der Nachkriegsära statistisch-empirische Verfahrensweisen bevorzugte und wenig Neigung zur gesellschaftstheoretischen Reflexion zeigte. Viele Sozialwissenschaftler ließen sich unkritisch auf Fragestellungen der Planungs- und Verwaltungsinstanzen ein. Es formierte sich eine Gruppe von Planern und Experten, die einen neuen ideologischen Diskurs entwickelten: den des Urbanismus. Auf diesem Wissens- und Praxisfeld dominierten szientistisch-technokratisch verkürzte Konzeptionen von Rationalität, die im Sinne eines Regierungsdenkens auf die Kontrolle und Beherrschung sozialer Prozesse ausgerichtet waren.

Ab den frühen sechziger Jahren wurde zwar in der bürgerlichen Öffentlichkeit zunehmend Kritik an der »Unwirtlichkeit unserer Städte« (Alexander Mitscherlich) geäußert, doch Lefebvre gehörte zu den ersten Vertretern der scientific community, die den fordistischen Urbanismus aus einer umfassenden theoretischen und gesellschaftskritischen Perspektive analysierten. Er registrierte, dass der französische Staat eine Restrukturierung des nationalen Raums betrieb und die Reorganisation des Kapitalismus forcierte. Städte und Verkehrssysteme wurden ebenso modernisiert und homogenisiert wie Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen. Die »Kolonisierung des städtischen Raumes« (Henri Lefebvre) produzierte eine neue Form von Normalität, in der das Partikulare und Differente als Abweichung wahrgenommen und gegebenenfalls verfolgt wurde. Denn nur ein homogener sozialer Raum schien regierbar zu sein. Der Raum wurde nun zum Objekt der Staatsgewalt, die mittels Planung, Wohngesetzen und Investitionen in die Infrastruktur politisch regulierend eingriff. Für Lefebvre stellte der Raum deshalb eine strategische Größe dar, Raumanalyse implizierte stets auch Machtanalyse (Lefebvre 2009a [1972], S. 174). Er kam zu dem Schluss, dass der Kapitalismus durch die »Produktion des Raums« seine inneren Widersprüche abzumildern vermag (Lefebvre 1972a [1970], S. 165).

Die Revolution der Städte

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