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15 Uhr 08 / Cobh. Irland

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Der Touristenführer hatte sie beeindruckt. Auch die Freundin, mit der sie ein paar Tage durch Irland reiste und die Anderen hatten an seinen Lippen gehangen. Wenn sich die Zeit zurückdrehen ließe – wie viele Menschenleben würde man retten können?

Hier, in einem der weltweit größten Naturhäfen, hatte die Titanic am 11. April 1912 das letzte Mal angelegt, bevor sie aufbrach zu ihrer letzten Reise. Cobh war damals noch britisch und hieß Queenstown, aus Anlass des Besuches von Königin Victoria im Jahre 1849. Er erzählte von einem jungen Priester, der hier von Bord der Titanic gegangen war, dessen Fotos seinen Teil der Fahrt bis hierher bezeugen. Natürlich lebte der heute auch nicht mehr. Die letzte Station der Führung war die Anlegestelle gewesen, von wo aus die Leute in kleinen Booten abgeholt und rüber zum Schiff gebracht worden sind. Der Touristenführer beschrieb die Stimmung an diesem Tag, als würde er eine Geschichte erzählen und hob die Klassenunterschiede der Passagiere hervor. In sich ruhend, mit lebendiger Mimik und unterstreichender Gestik, ließ er sie alle an einem Stück britischer Geschichte teilhaben und nahm sich die Zeit, alle Fragen nach bestem Wissen zu beantworten. Erst zehn Jahre später wurde Irland unabhängig. Als Schweizerin wusste sie, was Unabhängigkeit bedeutet.

Sympathisch war ihr der Typ auch deswegen, weil er mit den Klischees um die Titanic aufräumte. Es handele sich um einen von Hollywood aufgeblasenen Mythos. Weder sei die Titanic das größte, noch das luxuriöseste Schiff aller Zeiten gewesen. Aber das sei eben typisch für die Medien. Heute können Journalisten entweder nicht mehr unterscheiden zwischen Fiktion und Fakten oder sie legen es schlicht darauf an, Informationen aus anderen Quellen aufzubereiten und als eigene auszugeben. Das kenne man ganz aktuell vom Rummel um die britische Herzogin Kate – falls die Leute Zeitung lesen oder Sonstiges. Mit der Titanic war es im Grunde genauso. Sie war schlicht die Kopie eines anderen Schiffes.

Julia und ihre Freundin aus der Primarschulzeit waren noch einmal zurückgegangen an Station Nummer Zwei, das Denkmal der Lusitania. Das wäre Stoff für Filme … Dieses Passagierschiff wurde am 7. Mai 1915 (während des Ersten Weltkriegs) ungefähr 40 Kilometer entfernt von einem deutschen U-Boot torpediert und war schnell gesunken. In viel kürzerer Zeit, als die Titanic sank, konnten hier viel mehr Menschenleben gerettet werden. Die Leute aus Cobh waren unter unermüdlichem Einsatz mit ihren eigenen Booten herbeigeeilt, um die Anderen vor dem Ertrinken zu bewahren.


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