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5. Erste Liebe, Sündenfall

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Die Ferien im Jahr darauf verbringe ich mit einem Praktikum. Ich hatte mich schon vor 4 Wochen telefonisch bei der Fa. Domaier um einen Platz beworben. Die Firma stellt Ventilatoren für Gebäudeklimatisierung her. Für mich ist es die erste Gelegenheit einen Betrieb von innen zu sehen. Es geht mir hauptsächlich um die Technik aber auch um das soziale Umfeld. Außerdem gibt es noch 200 € die Woche Taschengeld. Ob ich wohl täglich 8 Stunden Arbeit durchhalte und das 5 Tage in der Woche? Nun ja 3 Wochen werde ich schon überstehen.

Also betrete ich das erste Mal in meinem Leben einen Industriebetrieb. Mein Weg führt durch die Pforte vorbei an eisernen Kisten mit rostigen Teilen zum Bürogebäude. In der Personalabteilung bekomme ich meinen Arbeitsvertrag und einen Werksausweis. Dann komme ich in einen Seminarraum. Dort warten noch drei weitere Neulinge und ein älterer Herr (Rentner auf 300 € Basis?). Es gibt eine Filmvorführung über den Betrieb und über Unfallverhütung. Danach bekomme ich vom Kantinenpersonal einen Blaumann und Sicherheitsschuhe.

"Bleiben sie gleich da, es ist eh bald Vesper" meint die nette Dame mit Küchenschürze und Haarschutz, "in welche Abteilung kommen sie?"

"Entwicklung hat man mir gesagt", antworte ich nicht ganz ohne Stolz.

Sie zeigt auf die Theke und sagt: "O.k. wählen sie ein Vesper. Das erste ist kostenlos. Nach der Pause werden sie abgeholt."

In der ersten Woche habe ich fast nichts zu tun. Die Prüfstände werden von Spezialisten betreut, die mir aber immer bereitwillig die Aufgabenstellung erläutern. Ab und zu werde ich auch zu Botengängen eingeteilt, um Teile oder Dokumente in andere Abteilungen zu schaffen, so lerne ich den Betrieb kennen. Interessante technologische Prozesse wie Stanzen oder Roboterschweißen sehe ich mir besonders genau an. Da lasse ich mir auch etwas Zeit. Am Freitagnachmittag erklärt mir dann der Betriebsleiter, Dr. Kurz, dass ich in der kommenden Woche die Produktion näher kennenlernen werde. Ich solle mich gleich Montagmorgen um acht bei Herrn Schirmer, dem Gruppenleiter Schweißerei, melden.

Jetzt lerne ich endlich die Produktionsarbeit kennen! Schweißen darf ich nicht. Dürfen nur ausgebildete Kräfte. Dafür darf ich die Schweißnähte putzen. Mit rotierenden Bürsten oder Schleifscheiben wird die Naht gereinigt und verschönert. Den ganzen Tag Knochenarbeit mit Helm und Schutzbrille. Da ist man am Abend durchgeschwitzt und voller Dreck und Eisenstaub. Deshalb genieße ich die Unterbrechungen, um für die Gruppe früh das Vesper zu holen und nachmittags noch einmal Kaffee und Kuchen.

Also verschwinde ich heute so gegen 9 Uhr in den Waschraum, mache mich sauber, hole Block und Schreibzeug und nehme die Bestellungen auf. Dabei bezahlen die Mitarbeiter, da sie die Preise alle kennen, sofort. Hat jemand das Geld nicht passend, wird nach der Pause abgerechnet. Manchmal wird auch großzügig aufgerundet, so dass noch ein Trinkgeld übrig bleibt. Das ändert sich aber schon nach wenigen Tagen. Immer häufiger kommt es vor, dass die Kollegen während der Bestellungsaufnahme noch einmal ihren Wunsch überdenken und dann kumpelhaft an einen herantreten: "Ach bitte bring mir doch statt des Kaffee ein Kännchen Tee und anstelle des Kuchens ein Käsebaguette. Ich geb dir auch noch mal 2€30. Wenn das mehrfach passiert ist es kein Wunder, dass die Kasse nachher nicht stimmt. Seltsamerweise aber immer zu Ungunsten von mir. "So ein einfacher Vorgang müsste doch mit meiner Schulbildung zu schaffen sein!" denke ich bei mir. Es kommt noch dicker. Während ich das Rückgeld verteile, ruft mir ein Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz zu: "Du, ich habe im Moment überhaupt keine Zeit, können wir das nicht heute Nachmittag mit verrechnen?" Unfreiwillig stimme ich zu. Nachmittags die Katastrophe:

"Moment ich hatte dir doch 10 € gegeben" meint der Kollege.

"Nein ich kann mich an 5€ erinnern!"

Er jovial: "Musst wohl falsch aufgeschrieben haben, kommt schon mal vor bei der Menge, ich bin mir sicher!"

Natürlich fehlen mir anschließend 6€48 und ich bin ziemlich ratlos. Bevor ich mich mit meinem Arbeitskameraden anlege, schlucke ich das Defizit. Je besser wir uns kennen, desto chaotischer wird das Bestellsystem.

Kurt II: "Hey ist zwar erst halb acht, aber ich muss ins Lager, das wird dauern. Ich bestelle schon mal ne Milch, zwei Käsesemmeln ohne Tomaten und für Fritz ne Laugenstange und ein Cola light. Ich geb dir die - warte mal - genau - mit Pfand für die Flasche - 5€40."

Ohne dass es mir auffällt bestellt Fritz bei der normalen Bestellaufnahme noch einmal und zwar ein Fanta classic mit einer Pizzatasche. Kurt will nichts mehr von der "Bestellung Fritz" wissen. "Für den bestell ich grundsätzlich nichts" meint er auf meine Erinnerung. Kurzum, das Essenholen entwickelt sich zum Alptraum und frisst einen beträchtlichen Teil meines Taschengeldes wieder auf. Dabei sind die Kollegen der Gruppe so nett und hilfreich. Ich fühle mich auch voll akzeptiert und anerkannt, obwohl ich nur Praktikant bin. Langsam zweifle ich auch an meinem Verstand. Ich muss das doch in den Griff bekommen, kann doch nicht so schwer sein.

Frau Kurz am Kiosk sieht es mir am Gesicht an, dass meine Laune von Tag zu Tag schlechter wird.

Neugierig fragt sie: "Na schon gut eingelebt hier in der Firma?"

"Ja, interessante Tätigkeit" erwidere ich "und nette Kollegen. Nur das Einkaufen - irgendwie klappt das nicht so recht."

Sofort ist ihr klar:" Defizit in der Kasse, wie?"

Ich kleinlaut:"Ja, woher wissen sie das?"

Jetzt kommt sie hinter dem Tresen vor und nimmt mich auf die Seite: "Das machen die doch mit allen Praktikanten. Verwirrspiel mit den Bestellungen, gezielt abzocken, dabei freundschaftlich auf die Schultern klopfen. Das hat System. Kaum biste weg lachen die sich kaputt."

"Ach soo!" reagiere ich entrüstet.

Nun legt sie mir ihren Arm um die Schulter und bugsiert mich nach hinten in den Aufenthaltsraum der Frauen. Zum Glück ist da niemand. Dann öffnet sie den Spind zieht einen Zettel heraus und sagt: "Nimm mal diesen System-Bestellschein, hat ein Vorgänger von dir entwickelt. Da sind auch sämtliche Preise drauf. - Moment noch - lass gucken! Ja stimmt noch alles! Und zeig mal etwas mehr Selbstbewusstsein. Bestellungen zwischendurch nur noch schriftlich, und so!" Dann geht sie zum Kopiergerät und macht mir 20 Exemplare.

Tatsächlich, nach zwei Wochen Chaos stimmt die Kasse zum ersten Mal. Ich merke auch, dass ich in der Achtung der Kollegen gestiegen bin. Sie sehen von alleine von den "Sonderbestellungen" ab.

Mit Erika, wie ich Frau Kurz jetzt nenne, entwickelt sich fast ein mütterliches Verhältnis. Man findet häufig Gelegenheit, um über die internen Strukturen des Betriebes zu plaudern. Sie ist schon über zwanzig Jahre dabei.

Die einzelnen Abteilungen dürfen jedes Jahr wahlweise einen Betriebsausflug oder eine Weihnachtsfeier veranstalten. Geht allerdings nur in der arbeitsfreien Zeit. Es würde sonst den Betriebsfluss zu sehr stören, wenn die eine Abteilung feiert, die andere arbeitet. Aber immerhin zahlt der Betrieb vom Frühstück bis zum Abendessen alles. Außerdem gibt es an Weihnachten kleine Präsente und am Betriebsausflug findet irgend ein Event statt, mit freiem Eintritt.

Erika fragt mich: "Du gehst doch am Betriebsausflug mit? Das würde ich mir nicht entgehen lassen. Nach dem Abendessen findet noch eine Tanzveranstaltung statt, da geht es immer hoch her."

"Natürlich, ich möchte alles kennenlernen in meinem Betriebspraktikum, auch die Feierkultur der Mitarbeiter" erwidere ich.

Dann meinte Erika: "Mir ist ein Ausflug lieber als eine Weihnachtsfeier. Da eine Betriebsfeier offensichtlich nicht ohne Alkohol, Lärm und Tanzen abgeht, verkommt die Weihnachtsfeier regelmäßig zur Karnevalsveranstaltung."

So ganz nebenbei bemerkt sie:" Meine Tochter wird auch dabei sein. Kann ich sie dir ja mal vorstellen."

Es ist Samstag früh um 7 Uhr. Normalerweise schlafe ich bis um die Mittagszeit. Der Abteilungsleiter prüft anhand einer Liste, ob schon alle, die mitfahren, anwesend sind. Jeder hatte sich sofort nach seinem Eintreffen auf der Liste selbst abgehakt. Erika kommt mit ihrer Tochter Rose auf mich zu und macht uns bekannt. Da ich außer Erika niemand persönlich kenne und irgendwie alle in Gruppen im Bus verschwinden, halte ich mich an die beiden. Im Bus setze ich mich neben Rose. Erika findet schnell eine Nebensitzerin, aber wohl absichtlich einige Reihen weiter hinten.

Etwas mühsam kommt ein Gespräch in Gang. Zuerst über die Arbeit im Betrieb. Rose erzählt: "Ich arbeitet in der Buchhaltung. Eingangsrechnungen werden in das Programm eingegeben. Vorher muss die Rechnung mit dem Lieferschein verglichen werden. Ein ziemlich stupides Geschäft, da fast alle Rechnungen Kopien von den Lieferscheinen sind. Aber alle paar Tage gibt es doch eine Differenz. Sei es durch fehlerhafte Rechnungen oder weil der Lagerist im Lieferschein Änderungen eingetragen hat. Dann wird es eigentlich erst interessant. Die meisten Fälle kann ich selbst durch ein Telefongespräch aufklären. Manchmal setze ich mich auch in Bewegung und bespreche den Fall in der jeweiligen Abteilung. Dabei lerne ich die Leute hier kennen, ihren Umgangston untereinander, manche sind charmant andere eher mürrisch. Auch ich bekomme dabei so manches ab. In beiden Fällen."

"Denke dass du eher Probleme mit den Charmeuren hast. Da gibt es wohl auch das zu viel des Guten!" meine ich.

Der Bus erreicht um kurz vor 8 Uhr die Anlegestelle der "Rheinkönigin" in Emmerich.

Wir fahren mit einem Schiff den holländischen Nederrijn an Arnheim vorbei, ein Stück durch den Amsterdam-Rijn-Kanal bis Tiel, dann über die Waal nach Nijmwegen. Nijmwegen gilt als die älteste Stadt Hollands. Dort steht schon eine Stadtführerin bereit, die uns vor allem die Baustile aus den unterschiedlichen Epochen erläutert. Ich entdecke aber dabei auch den Körperbau von Rose. Die Proportionen stimmen von den High Heels bis zur Frisur perfekt. Nicht so dürr, wie manche Modells, dafür auch einen wohlgeformten Busen. Da haben wir es wieder: Busen heißt auf lateinisch Sinus! Man kann durchaus von einer harmonischen Welle sprechen, die beim schnellen Gehen im T-Shirt auch noch eine harmonische Schwingung sehen lässt. Selbst der Hintern strahlt im knapp bemessenen Rock Erotik aus. Eine sehr attraktive Frau. Sicherlich hat die im Betrieb viele Verehrer. Hat sie wohl einen festen Freund?

Nach der Stadtbesichtigung bleibt noch eine gute Stunde bis zur Rückfahrt mit dem Bus. Das Schiff ist auf der Rückfahrt nicht eingeplant. Ich lade Rose zum Eis essen ein. Als sie mir so gegenübersitzt, fällt mir auf, dass sie ein sehr hübsches Gesicht hat. Und ich habe dadurch die Gelegenheit tief in ihre Augen zu blicken. Sie weicht nicht aus. Trotzdem wenden wir uns wieder schüchtern unseren Gesprächsthemen über zu Hause und dem Betrieb zu. Hand in Hand gehen wir in Richtung Busparkplatz. Jetzt vor der letzten Querstraße muss es passieren. Ich bleibe stehen, dadurch schwingt sie automatisch herum, wir stehen uns gegenüber. Mit ausgestreckten Armen fasse ich an ihre Taille und sage: "Du bist eine ausgesprochen attraktive Frau, weshalb habe ich dich nicht schon früher kennengelernt?"

Schnippisch meint sie: "Du hast eben zuerst Ma kennengelernt. Ist doch auch nicht schlecht!"

Lachend ziehe ich sie heran und flüster ihr ins Ohr: "Du bist mir aber lieber."

Dabei berühren sich die Wangen. Funken sprühen. Wir bewegen uns auseinander und checken die Umgebung. Niemand bekanntes in der Nähe. Sie schaut auf die Uhr: "In fünf Minuten ist Abfahrt. Lass uns gehen!"

Fast alle sitzen schon im Bus, die Sitzordnung ist die selbe, wie bei der Herfahrt. Langsam zieht nach einem wunderschönen Sonnentag die Dämmerung herauf.

Im Reisebus wird das Licht abgedimmt. Der Gesprächsstoff geht allmählich zur Neige. Leichte Müdigkeit legt sich auf die Glieder. Jetzt durchströmen Wellen meinen Körper, deren Quelle unmittelbar neben mir zu sitzen scheint. Meine Hand landet auf dem Knie unterhalb des Rocksaumes von Rose. Bewegungslos lässt sie es geschehen, auch dass die Hand jetzt unter dem Rock aufwärts wandert Richtung Schoß. Mit wenig Widerstand gehen die Oberschenkel etwas auseinander. Die Hand legt eine kleine Pause ein, unterdessen explorieren die Finger die Umgebung. Etwas unerwartet landet eine Hand von Rose auf meinem Schoß. Die Innenfläche dieser Hand reflektiert, gleich einer Satellitenschüssel, Energiewellen auf den LNB. Der Resonanzkörper wächst an, die Wellen verteilen sich im ganzen Unterleib bis hoch zum Hals. Jetzt bricht ein Damm. Meine Hand an der Schwelle des weiblichen Schoßes bricht ungestüm Bahn, der leicht feuchte Schlüpfer muss weichen und die Finger erreichen den Eingang der Vagina. Während dessen hat auch die weibliche Hand ihr Ziel erreicht und umfasst den Penis. Energiegeladen zuckt er und möchte die beengende Hülle sprengen. Verstohlen blicke ich zum Nachbarsitz. Alles schläft. Aber dann geht das Licht an. Schnell bringt sich jeder in eine unauffällige Sitzposition. Der Bus hält an, die ersten Gäste steigen aus. An der nächsten Haltestelle sind wir dran. Die beiden werden schon von Vater Kurz erwartet. Erika fragt mich, wie ich nach Hause komme.

"Mit der Bahn" sage ich.

Die Zeit des allgemeinen Händeschüttelns zum Abschied nutzen wir, um noch einmal kurz hinter dem Bus zu verschwinden. Ein ausgiebiger Kuss.

Dann frage ich nach ihrer Telefonnummer: "Morgen Abend rufe ich Dich an!"

Die Telefonnummer schreibt sie mir mit Kugelschreiber auf die Hand.

Soll ich, soll ich nicht, soll ich, soll ich nicht ..... Ich hätte meine Hemdknöpfe befragen können, aber versprochen ist versprochen. Zögernd rufe ich an. Wir verabreden uns für Sonntag im Stadtpark. Jetzt wo sie mir gegenüber steht ist die Spannung wieder vorhanden. Ihre Lippen ziehen mich magisch an. Übrigens die Form der Oberlippen könnte man auch als Sinuslinie bezeichnen. Die Unterlippe wäre dann eine langgezogene Halbwelle. Wir gehen Hand in Hand vergnügt durch die Stadt und mir wird klar, das wird wohl meine erste Freundin werden. Am Abend beim Abschied frage ich nur zur letzen Absicherung: "So ein wunderschöner Tag. Werden wir uns wiedersehen?"

Sie antwortet etwas unsicher: "Ich denke schon, oder was meinst du?"

Wir treffen uns fast jedes Wochenende und ab und zu auch abends zum Shoppen oder für Veranstaltungen. Es ist seltsam. Wenn ich alleine bin bleibt immer eine gewissen Unsicherheit, ob das wohl in die richtigen Bahnen läuft, aber wenn ich mit ihr zusammen bin ist der Zweifel weg. Offensichtlich ist die Reichweite unserer Sympathiewellen räumlich begrenzt. Sie wohnt noch zu Hause und wenn wir uns dort treffen, verschwinden wir sehr schnell auf ihr Zimmer und kommen uns dann natürlich immer näher. An einem bestimmten Punkt angelangt, kommen mir dann doch wieder gewisse Zweifel und ich frage:"Meinst Du wir sollten noch etwas warten, bis wir uns besser kennen und uns sicher sind?"

Mit ihrer kurzen Bemerkung:"Ich habe mir vom Frauenarzt die Pille verschreiben lassen", hat sie meine Zweifel in den Wind geschlagen. Schließlich machen das doch alle. Eine feste Freundin war der Normalfall. Alle meine Freunde hatten eine feste Beziehung. Von Heirat war allerdings nicht die Rede. Es war klar: Heirat, gemeinsame Wohnung, Kinder, das ist ein anderes Kapitel, in einer noch fernen Zukunft.

Die Wochenenden verbringt Familie Kurz im Sommer fast immer in ihrem Schrebergarten. Dort gibt es, je nachdem, Mittagessen oder Abendessen und am Sonntag natürlich Kaffee und Kuchen. Samstags lassen wir uns nicht blicken.

Rose meint: "Samstag ist viel Arbeit und meist schlechte Stimmung angesagt, da gehen wir besser nicht hin."

Aber am Sonntag lassen wir uns zumindest das Mittagessen nicht entgehen. Heute haben wir vor, den ganzen Nachmittag im Garten zu verbringen.

Nach dem Essen gibt es mit Vater einen Rundgang. "Hier ist unser Paradies" beginnt er mit den Erläuterungen, "natürlich steckt auch viel Arbeit drin."

Er zeigt mir zuerst die Beerenkulturen, dann die Hügelbeete mit Salat und Gemüse. Die Tomaten befinden sich unter einem aus Latten gezimmerten Vordach, das mit Folie überzogen ist. Nicht gerade ästhetisch, aber notwendig, wie mir Herr Kurz erklärt: "Sonst bekommen die Pilzkrankheiten und sind dürr bevor sie richtig reif sind." Etwa die Hälfte des etwa 300 qm großen Gartens ist Rasen mit zwei kleineren Bäumen drauf: Ein Kirschbaum und ein Apfelbaum. Am Rand der Rasenfläche sind Blumenbeete und natürlich das Haus mit angehängtem Geräteschuppen.

Jetzt ist auch Erika erschienen: "Den Rasen hat Georg verkommen lassen, überall Unkraut! Hätte man im Frühjahr belüften und richtig Düngen müssen."

"So, und wann bitteschön hätte ich das machen sollen, bei dem dauernd schlechten Wetter?" erwidert Herr Kurz.

Erika mit spitzer Zunge:"Weniger Fußball und Bier!"

Herr Kurz läuft zuerst rot an und wird dann blass, man merkt dass er kurz vor der Explosion ist und sich nur noch mit Mühe zusammenreißen kann. Erika verschwindet wieder in der Hütte.

"Weiber! Müssen immer meckern", meint er im Blick zu mir, "fast überall auf der Welt wären die Menschen froh, wenn sie so einen schönen grünen Garten hätten. Selbst in der Wüste von Ägypten gibt es zufriedene aber auch unzufriedene Menschen, weshalb gibt es bei uns nicht nur glückliche? Was meinst Du?"

Ich antworte: "Glück ist keine konstante Größe. Das Befinden schwankt um einen Mittelwert. Es ist wie bei einer Welle. Alles unterhalb der Mittellage wird als Unzufriedenheit empfunden, alles darüber als Glück. Der Mittelwert liegt nun bei wohlhabenden Menschen meist höher als bei armen Schluckern. Rutscht der Mittelwert allerdings zu weit nach unten, bei Hungersnot, oder Krankheit, so wird die Welle unsymmetrisch, es liegen fast alle Teile im negativen Bereich."

"Daneben gibt es noch die Pessimisten, die Klappen die positiven Halbwellen einfach auch noch nach unten", füge ich etwas scherzhaft hinzu.

Herr Kurz blickt etwas hilflos in die Umgebung ohne eine Antwort zu suchen.

Kaffee und Kuchen wird aufgetragen. Man sitzt um einen Campingtisch, mitten in der Grünfläche. Die Sympathiewellen scheinen eingefroren, keiner redet.

Rose eröffnet das Gespräch: "Wann fahren wir mal wieder in Urlaub. Nach Mallorca oder Teneriffa?"

"Zu teuer", meint Erika, "außerdem haben wir ja den Garten. Aber Ihr könnt doch mal in die Türkei, da gibt es Angebote für wenig Geld."

Mit einem erwartungsvollen Blick zu mir meint Rose: "Das wär doch was fürs nächste Jahr!"

Immer häufiger werde ich jetzt auch zu Familienfeiern eingeladen. Auch in meinem Freundeskreis ist Rose voll integriert. So dass alles in eine bestimmte Richtung läuft, die mir etwas Angst bereitet. Ich habe in meinem Leben ja noch sehr viel vor: Zunächst ein Studium, dann Auslandsaufenthalt, ..... In Wirklichkeit nimmt mich Rose immer mehr in Beschlag. O.k., wir verstehen uns relativ gut, aber irgendwie wird mir diese Familien-Schrebergartenidylle zu eng. Was wenn sie unerwartet die Pille absetzt? Bin ich reif für eine Familiengründung? Gut, das wird sie nicht ohne Absprache tun. Aber der Wunsch wird kommen. In den Genuss unserer sexuellen Beziehung mischen sich bei mir immer mehr Schuldgefühle: Haben wir dieselben Erwartungen, ist es einfach nur Gewohnheit, bin ich zu feige klare Verhältnisse zu schaffen? Mehr und mehr versuche ich mich ihr zu entziehen, um Luft zu bekommen, um nachzudenken. Als Ausrede führe ich gestiegene Anforderungen in der Oberstufe an. Rose wird unglücklicher und misstrauisch. Jetzt erst wird mir bewusst, wie sehr sie ihr Leben auf unsere Beziehung gebaut hat.

Da kommt mein Entschluss: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ich besuche mit Rose ein Lokal mit etwas gedämpftem Licht. Es ist wenig los, wir sitzen abseits an einem einsamen Tisch.

Ich beginne: "Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie es bei uns weiter gehen soll?"

Rose erwartungsvoll: "Was meinst du?"

"Wir sollten heiraten oder uns trennen" antworte ich, "ich denke eher an Trennung."

"Hast du eine andere?" fragt sie entrüstet.

"Nein."

"Also dann lass doch alles wie es ist, es ist doch gut so, man muss doch nicht gleich heiraten!".

Ich fasse nach: "Wir können doch nicht alles so weiterlaufen lassen. Ich bin mir sicher, dass es zu keiner festen Bindung kommen wird!"

"Und du weißt das seit heute, wie?" antwortet sie empört.

"Nein ich mache mir schon länger Gedanken darüber."

Rose den Tränen nahe: "Ach, dann hast du mich wohl nur ausgenutzt, ich dachte wir lieben uns."

Jetzt kullern die ersten Tränen, die Lidfarbe löst sich und bildet Spuren über die Wangen. Sie kramt ein Taschentuch heraus und trocknet ihre Augen. Dann fasst sie sich, blickt mich an und fordert unter Tränen: "Ich möchte nach Hause, mir reicht es für heute." Ich winke nach dem Kellner, bezahle und wir brechen auf.

Zu Hause schleichen wir uns wie fast immer am Wohnzimmer vorbei und gehen nach oben auf ihr Zimmer. Wir sitzen auf ihrem Bett. Jetzt bricht sie völlig in Tränen aus, ihr schönes Gesicht schwillt an, wirkt zerstört. Sie tut mir unendlich leid.

Mit erstickter Stimme fragt sie: "Und wie soll es deiner Meinung nach nun weitergehen?"

Am liebsten würde ich jetzt einfach das Haus verlassen und alles vergessen, verdrängen, aber ich sage: "Wir könnten uns ja noch ab und zu sehen."

Entrüstet antwortet Rose: "Ach so eine Art Escort-Service, das hättest du wohl gerne. Immer wenn es Dir passt! - Ich möchte dich überhaupt nicht mehr sehen."

"Aber Rose!" Ich streiche durch ihr Haar.

Sie schlägt mir die Hand weg, steht auf, reist die Türe auf und weist mir den Ausgang: "Raus und zwar sofort, du kennst den Weg" schreit sie mich an.

Die nächsten Tage werden hart. Soll ich zurück? Aber ich habe doch schon alles kaputt gemacht. Meine Vernunft sagt mir: Es hätte schon früher geschehen sollen. Ich darf mich nicht aus Bequemlichkeit vor einer klaren Entscheidung drücken und die ist: Es gibt für mich keine Zukunft in dieser Beziehung.

Aber was habe ich da angerichtet? Das arme Mädchen. Sie war mir offensichtlich völlig ausgeliefert. Alle ihre Hoffnungen habe ich zerstört. Sie wird sich wie weggeworfen fühlen. Ich denke an Ali und seinen Vater in der Türkei: Die richtige Frau ist ein Besitz, wie ein Edelstein. Das wirft man nicht weg.

Ich hasse mich selbst für diesen Betrug an Gefühlen und beschließe in Zukunft die Hände von Frauen zu lassen. Zumindest bis meine Ausbildung zu Ende ist. Da kommt es eigentlich gelegen, dass mir ein Einberufungsbefehl auf den Tisch flattert. Gleich nach der Abiturprüfung soll ich einrücken.

Schwingungen und Wellen

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