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Der neue Gehorsam

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Bisher haben wir vor allem von »Herausforderung« gesprochen oder vom »Ja« und einer Entscheidung zur Nachfolge. Einmal kam das kleine, aber gehaltvolle Wörtlein »Befehl« vor. Sie erinnern sich? Jesu Wort ist eine Ansage, ein Befehl, habe ich geschrieben. Seine Worte sind nicht Möglichkeit, Erwägungsspielraum für ein »vielleicht« oder »mal sehen«. Nein, wenn Gott spricht, dann ist das auch so gemeint. Und wenn es sich um einen Ruf handelt, um eine Forderung, dann ist es genau genommen ein Befehl.

Haben Sie Probleme damit? Ich manchmal schon. Ich denke ans Militär, an inkompetente Vorgesetzte, an Kadavergehorsam, an Krieg, Duckmäusertum, sogenannte Führer ...

»Befehl« ist für mich kein attraktiver Begriff. »Einladung« finde ich schöner. Auch deshalb, weil ich lieber sage: »Ich glaube an Gott. Ich vertraue Jesus. Ich akzeptiere seinen Willen.« Wenn ich dagegen von Befehl spreche, muss ich konsequenterweise auch ein anderes Wort benutze, ein unbeliebtes Wort: Gehorsam. »Ich gehorche.« Das macht mich irgendwie klein wie ein Kind und hilflos. Ein bisschen Knecht steckt auch mit drin. Nicht ich, sondern jemand anders hat das Sagen. Ich reagiere nur und agiere nicht mehr.

Meine Empfindungen mögen Sie teilen, der Auseinandersetzung mit dem, worum es beim »Glaubensgehorsam« geht, können wir nicht entgehen, wenn wir »mit Machen« wollen.

Bonhoeffers »billige Gnade«

Der schon zitierte Dietrich Bonhoeffer setzt sich in »Nachfolge« intensiv mit dem Glaubensgehorsam auseinander. Es taucht der Begriff »billige Gnade« auf. Bonhoeffer sagt: »Das Wort der billigen Gnade hat mehr Christen zugrunde gerichtet als irgendein Gebot der Werke.« Was er meint? Die »billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge«, schreibt er. Ich versuche es einmal mit meinen Worten zu sagen: In evangelischer Tradition sprechen wir von der »Freiheit eines Christen«. Gemeint ist damit meistens die Freiheit von etwas, selten jedoch die Freiheit zu etwas. Immer ist die Rede vom schenkenden Gott, nicht jedoch vom Fordernden. Der »liebe Gott« wird zum süßen, kuscheligen Väterchen gemacht und der »liebende Gott« mit seiner ganzen Leidenschaft für eine veränderte, heile Welt und seine geliebten Menschen wird ausgeblendet. »Billig« ist die Gnade, weil sie nichts kostet – dabei hat sie doch Jesus das Leben gekostet. Er hat teuer bezahlt – und wir tun so, als sei dies völlig selbstverständlich.

Oder anders: Gnade ohne Gehorsam ist billig. Christsein wird so der Beliebigkeit ausgeliefert, profil- und bedeutungslos. Statt tätiger Glaube wird eine unverbindliche Gesinnung daraus, statt kraftvollem Zeugnis von der Liebe Gottes wird der Glaube zu einer theoretischen Weltanschauung unter anderen.

Dietrich Bonhoeffer schreibt: »Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt.« Er bindet also Glauben und Gehorsam aufs Engste zusammen. Es ist wie eine Münze von zwei Seiten: Auf der einen Seite wird mir der Glaube geschenkt. Er ereignet sich und ich freue mich über das, was Gott an mir tut. Er kommt in meine Welt. Er redet zu und mit mir. Er ruft mich. Und ich kann mich darüber freuen. Das ist der Glaube. Geschenk pur.

Die andere Seite der Münze ist ohne diese Geschenkseite nicht zu haben. Warum sollte ich gehorchen, wenn ich kein Vertrauen habe? Oder mich für Jesus ins Zeug legen, wenn er mir nichts bedeutet? Warum sollte ich auch nur einen Finger krumm machen, wenn mir Jesus einfach nur egal ist und ich keine Glaubensbeziehung zu ihm habe? – Aber wenn er mir tatsächlich alles bedeutet, dann setze ich auch alles ein. Dann folge ich ihm und vertraue ihm auch ganz praktisch. Wenn ich glaube, dann lebe ich auf sein Wort hin und gehorche ihm. Ohne diese Konsequenz hat sich die Geschenkseite im Grunde nicht ereignet. Ich leugne das Heilswirken Gottes und lebe so, als sei das alles nie passiert.

Glaube und Gehorsam sind also wirklich untrennbar verbunden. Wie Geschenk und Empfangen. Wie Glaube und Nachfolge. Wie »mit Denken« und »mit Machen«.

Umkehr

Ein zentraler Begriff in der Bibel ist »Umkehr« (griechisch »metanoia«). Manche Christen sagen auch »Bekehrung«. Gemeint ist die Hinwendung zu Gott, das »Ja« des Glaubens als Antwort auf Jesu Ruf hin. In der Untersuchung »Wie Erwachsene zum Glauben kommen« aus Greifswald (IEEG, 2009) wird von »Konversion« gesprochen. Gemeint ist dort das Gleiche: Die Beziehung zu Gott rückt in die Mitte des Lebens. Jemand »kommt zum Glauben«, »gibt sein Leben Jesus« oder »wird Christ«. Gemeint ist immer »metanoia«, Umkehr.

Wir haben längst verstanden, dass solche Umkehr richtig handfest geschieht. Wenn jemand zum Glauben findet, dann hat das immer auch eine sichtbare Seite mit Bekenntnischarakter. Ein Gebet wird gesprochen, eine Segnung erfahren, am Abendmahl teilgenommen – solche Rituale können Ausdruck der Umkehr sein. Aber die Äußerungen persönlicher Frömmigkeit sind nur ein Teil der sichtbaren Seite des Glaubens.

Dietrich Bonhoeffer hebt besonders die Zugehörigkeit zur Gemeinde, zur Kirche hervor. Er schreibt in »Nachfolge«: »Es ist hier der Schritt zur Kirche, in der das Wort des Heils gepredigt wird. Dieser Schritt kann in voller Freiheit getan werden. Komm zur Kirche! Das kannst du kraft deiner menschlichen Freiheit. Du kann am Sonntag dein Haus verlassen und zur Predigt gehen. Tust du es nicht, so schließt du dich willkürlich von dem Ort aus, an dem geglaubt werden kann.« Unmissverständlich macht Bonhoeffer klar: Heil stiftend ist die Zugehörigkeit zu einer Kirche nicht! Ich kann auch zur Kirche gehen, wenn ich nicht glaube und gehorche. Dort, bei den Christen, muss ich damit rechnen, Gottes Ruf zu hören und plötzlich in jenem Freiraum der Entscheidung zu stehen. Nicht meine Kirchenzugehörigkeit bewirkt dann Gottes Gnade, sondern weil er mir gnädig ist, suche ich seine Gegenwart in der Gemeinschaft jener, die an ihn glauben. Die aktive Beteiligung am kirchlichen Leben kann, aber muss nicht, eine sichtbare Handlung auf Jesu Ruf hin sein. Allemal wenn sich jemand gegen Widerstände zur Gemeinde hält, wie etwa in der ehemaligen DDR oder in einem Land, wo Christen in der Minderheit sind, ist die Kirchenzugehörigkeit ein sichtbares Bekenntnis einer Hinkehr zu Jesus Christus.

Und noch einen Bereich der aktiven Antwort auf den Ruf Christi nenne ich. Vermutlich vom Theologen Luis Lallemant (1578–1635) stammt der Begriff »Die zweite Bekehrung«. Der Franzose meinte damit das Streben nach Vollkommenheit, ausgelöst durch die Ausgießung des Heiligen Geistes. Er siedelte solche Bekehrung primär im klösterlichen Bereich an.

Diakonisch engagierte evangelische Pastoren (z.B. Christoph Blumhardt) bezogen den Begriff zweihundert Jahre später auf den Dienst am Menschen. War die erste Bekehrung die Hinwendung zu Jesus Christus, so ist die zweite die Hinwendung zu den Menschen und zur Welt.

Auch wenn die Sprache altertümlich klingt, finde ich den Ausdruck gut. Christsein ohne diese Hinwendung zum Menschen bleibt fragwürdig. Im Leben der Jünger, angefangen mit jenen damals am See Genezareth bis hin zu uns heute, wird der Glaube nur relevant, wenn er sich auswirkt. Die missionarische Dimension werden wir noch bedenken.

Sätze heiligen Rechtes

»Aber das ist doch erst der zweite Schritt!«, höre ich manch lieben Mitchristen nun sagen. »Wichtig und entscheidend ist doch die erste Bekehrung, die zu Jesus! Was dann kommt, ist eine andere Sache.« So denke auch ich im Prinzip. Zuerst werde ich Christ, dann lebe ich als Christ. Zunächst komme ich zum Glauben, dann praktiziere ich ihn. Wir haben es auf diesem Hintergrund hingekriegt, Verkündigung und Diakonie zu trennen. Die einen reden, die anderen handeln. Die einen rufen zur Umkehr, die anderen helfen den Menschen.

Welch ein Irrweg! Mag eine Aufgabenteilung häufig auch praktikabler und einfacher sein, mag sie oft auch der Situation entsprechen, mag es auch Sinn machen die Dogmatik von der Ethik als theologische Disziplinen zu trennen – ein Nacheinander und womöglich Gegeneinander ist es mit Sicherheit nicht.

»Umkehr« ist für die Bibel von Beginn an eine ganzheitliche Angelegenheit. Wenn der Ruf Jesu erfolgt, ist der Freiraum da, das ganze Leben einzusetzen. Und andersherum: Nur wer alles einsetzt, nutzt den Freiraum zum Glauben. Es besteht eine unbedingte, direkte Verbindung von Zuspruch und Anspruch Gottes auf mein Leben.

Deutlich wird dies auch in jenen Bibelstellen, die der Theologe Ernst Käsemann »Sätze heiligen Rechtes« nennt. Bekanntestes Beispiel ist ein Satz aus dem Vaterunser: »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.« Jesus spitzt im Gleichnis vom Schalksknecht (Mt. 18,21-35) zu, was gemeint ist: Vergebung empfangen und weitergeben gehören unbedingt zusammen. Wird die Gnade Gottes nicht weitergegeben, verspielt man sie.

Oder ein Satz Jesu aus Matthäus (Mt. 25,40): »Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan. Was ihr ihnen nicht getan habt, habt ihr mir auch nicht getan.« Unmissverständlich bringt Jesus selbst die Gottesbeziehung und das menschliche Miteinander zusammen.

Dietrich Bonhoeffer bedenkt in »Nachfolge« das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk. 10,25-29). Darin gibt es auch einen »Kairos«. Der von Straßenräubern Überfallene liegt dort und braucht Hilfe. Den Kairos in dieser Situation ergreift allerdings nur jener Samariter, der tatsächlich hilft. Das Gleichnis ist Teil einer Diskussion zwischen Jesus und Schriftgelehrten um die Frage, wer denn nun mein Nächster sei. Jesus lässt keinen Spielraum für eine Antwort. Wann immer jemand in Not ist, wird ihm jener zum Nächsten, der tatsächlich handelt. Nicht in theoretischen Überlegungen ereignet sich Nachfolge und Glaube, sondern im konkreten Tun.

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