Читать книгу Drei im Himmelbett - Hermann Bärthel - Страница 7
Bewässerung und Vergiftung der Antonie; das Geheimnis um Boudoir und Fauteuil; „Vergib mir, Kind ...“
ОглавлениеAuch Claudia wähnte sich in einem Traum, als sie der großen Halle zustrebte. Die letzten goldenen Strahlen der Abendsonne tauchten den edel matt schimmernden Parkettboden in ein sanftes Licht, was eigentlich unlogisch war, denn die Abfolge von goldenen Sonnenstrahlen, mattem Schimmern - sogar edel matt schimmerndem Parkettboden - und sanftem Licht ... Schließlich schimmerte das Parkett nur deshalb edel matt, weil die Strahlen besagter Abendsonne es in ein sanftes Licht tauchten, also vorher hatte es vermutlich nicht edel matt geschimmert - es sei denn, die Halle wäre bereits traulich von Kerzenschein durchflutet gewesen, wovon hier nicht die Rede ist, hier war es die Abend... Genug, Wichtigeres gilt es nun zu schildern!
Als Claudia wie bereits erwähnt der großen Halle zustrebte, gewahrte sie, wie aus einem dunklen Seitengang eine weißhaarige alte Dame hastig heranschlurfte.
Ehe Claudia sich besinnen konnte, zog Antonie Gräfin von Altenburg - um niemand anderen handelte es sich dabei als um die Schwester des Grafen - jene also zog sie in einen verhangenen Winkel, presste Claudias Arm schmerzhaft und raunte ihr mit böse funkelnden, Unheil verkündenden Augen zu: „Sachte, Kindchen - nicht zu früh gefreut!“
Mitleidlos drückte die Alte zu, und Claudia wusste plötzlich, wer des Grafen Gebiss zerbrochen hatte. Doch die Gräfin raunte weiter: „Nie, hören Sie, nie soll ein Wechselbalg unseren stolzen Namen beschmutzen! Hier bestimmt nur eine, und das bin ich! Jedoch ...“ - und damit umspielte ein hässlich zuckendes Grinsen ihre strichdünnen Lippen - „... mögen Sie immerhin wählen: Entweder Sie gehen auf der Stelle und kehren nimmer wieder - dann sollen Sie binnen Monatsfrist Millionärin sein, dafür sorge ich! Oder aber Sie spielen weiter Ihr schändliches Spiel und versuchen, sich hier ins gemachte Nest zu setzen, und dann, das verspreche ich Ihnen, dann werden Furcht und Schauder künftig Ihr kurzes Leben bestimmen, so wahr ich Antonie Gräfin von Altenburg bin!“
Heftig riss sich Claudia los. Eine steile Zornesfalte grub sich in ihre makellose Stirn und gab ihrem Silberblick etwas Schneidendes. Erregt stampfte sie mit einem Fuß auf und zwar leider auf den anderen, was ihren Grimm nicht minderte.
„Ich bin zwar keine ‘von’ - noch nicht, noch nicht - sondern nur eine Troddel,“ schleuderte sie der Gräfin entgegen, „aber niemand zerrt die Ehre einer Troddel ungestraft in den Staub! Pah!!!“
Das „Pah!!!“ spuckte sie so erbittert aus, daß Antonie sich erschrocken hinter einer Portiere in Trockenheit brachte.
„Kind, Kind!“ wehrte sie beschwichtigend ab, „Üben Sie Nachsicht mit einer alten Frau ...“ - und diese Selbsteinschätzung war durchaus gerechtfertigt, denn ihr bisher verjüngendes Make-up war durch heftiges Reiben auf die Portiere übergegangen - „... denn ich wollte doch nur prüfen, ob wirklich die Bande des Blutes Ihr Handeln bestimmen oder nur schnöde Gier!“
Claudia sagte zwar noch zweimal „Pah!“, aber viel leiser und weniger feucht, so daß die Gräfin die Portiere fahren ließ und Claudia gewinnend lächelnd zu einer Erfrischung in ihr Boudoir einlud.
Da Claudia ob des ungeplanten Wasserverlustes wirklich Durst verspürte und keinesfalls ahnte, was sich im Boudoir abspielen mochte, geschweige denn wie ein solches geschrieben wird, willigte sie freudig ein.
Beide machten sich nun auf den Weg zum Südflügel und erreichten noch am selben Abend den prächtigen Trakt, in dem Antonie Gräfin von Altenburg mit vier allerliebsten Kätzchen residierte.
Schwer atmend von dem Weg und dem Duft der allerliebsten Kätzchen sank Claudia in ein Fauteuil, wiederum ohne es zu wissen oder gar buchstabieren zu können. So ist halt das Leben bei Hofe, sagte sie sich und betrachtete staunend die Ahnengalerie rings an den Wänden des Dingsbums - „Boudoir“ wollte ihr immer noch nicht in den Sinn kommen - während die Gräfin abseits aus zwei zierlichen Kristallkaraffen die Gläser füllte; das eine mit blutrot leuchtendem Rotspon, das andere mit einem lieblich moussierenden hellen Riesling der Marke „Bodesheimer Schaföttchen“.
In den roten Trunk aber träufelte sie heimlich und blitzschnell ein paar Tropfen aus einer güldenen Ampulle, die sie an einem Kettchen um den Hals trug.
Mit einem herzlichen „Zum Wohle!“ servierte sie auf einem silbernen Tablett, wobei sie den verderblichen Todestrank unmerklich dem ahnungslosen Kind zuschob.
Claudia aber ergriff beim ahnungsvollen Flackern der Kerzen wohlgemut das Glas mit dem perlenden Riesling - ihr Mütterlein hatte sie stets vor Rotwein gewarnt wegen seines Gehaltes an Gerbsäure - und rief übermütig: „Proost! De keen'n hett, de hoost!“ und trank das edle Nass mit Genuss unter anerkennendem Schmatzen.
Aschfahl sank nun auch die Gräfin in ein Fauteuil, denn vor ihr stand jetzt der purpurne Gifttrunk. Nur einen kurzen Augenblick zögerte sie, dann griff sie nach dem Glas und - trank es in einem Zug leer!
Bewundernd prustete Claudia: “Mann, hast du 'n Zug, Tante!“, doch diese schleuderte ihr Trinkgefäß hinter sich - zu Claudias noch größerem Erstaunen zielsicher in eine der vier Katzentoiletten - sah sie mit einem fast schon jenseitigen, müden Lächeln an und sprach:“ Ach, so ist denn meines Bleibens hier auf diesem Erdenrund nicht länger - ich muss nun scheiden ... der Tod ruft mir ...“. Und das war nun wirklich ein Wahnsinnsdativ, der jeden anderen in höhere linguistische Sphären versetzt hätte, nicht jedoch Claudia.
Claudia hielt das für übertrieben; sie hatte schon schlimmeren Fusel getrunken, damals, auf dem Kostümball der Jungpostboten; der überwältigend antiquierte Dativ löste keine weiteren Reaktionen in ihr aus.
Aber die Gräfin schien nun wirklich ein wenig zu sterben, denn sie begann völlig unrhythmisch mit ihrem Fischbeinkorsett zu klappern.
„Ver...giftet ...! brachte sie noch hervor, dann sank sie entseelt auf eine Katzenhälfte, die gellend aufschrie.
Entsetzt erkannte jetzt das Mädchen, welches Damoklesschwert schon für es gewetzt war, doch dann siegte ihr gutes Troddelherz, und sie empfand tiefes Mitleid für die alte Frau. Sie sprang entschlossen auf, zerrte die Greisin - man beachte hier auch die ablaufbedingte Wandlung von alter Frau zur Greisin - zerrte sie der Reihe nach zu allen vier Milchnäpfen auf dem Boden des Boudoirs und flößte ihr so einen guten Liter ein.
Dann riss sie zwei Kippfenster aus den Angeln und stemmte diese mit übermenschlicher Kraft hinunter in den Schlosshof, wobei sie klugerweise „Help! Help!“ schrie, denn es mochten ja fremdsprachige Gäste im Schloss weilen. Schon von weitem hörte sie bald Obermedizinalrat von Exitus herankeuchen, der auf Antonie zustürzte und nach einem kurzen Blick auf ihren Milchbart „Auspumpen! Auspumpen!“ rief.
Martin verstand unten auf dem Schlosshof „Aufpumpen! Aufpumpen!“ und eilte mit einer Fahrradpumpe herbei, doch die Gräfin war inzwischen wieder zu sich gekommen, denn das Haltbarkeitsdatum der Gifttropfen war um acht Jahre überschritten.
In Exitus' Armen flüsterte sie matt: „Vergib mir, Kind ...“ und nestelte mit zittriger Hand aus ihrem Spitzentäschchen einen funkelnden kleinen Schlüssel, den sie Claudia mit bittender Miene überreichte.
Diese knickste anmutig dankend, aber auch erstaunlich tief, denn infolge ihres reizenden Silberblicks griff sie zweimal am Schlüssel vorbei. Doch als ihr Händchen ihn endlich erhascht hatte, schaute sie ergriffen in die gütigen Augen des Obermedizinalrats und die tränenfeuchten der Gräfin und zwar gleichzeitig - aus eben demselben bereits genannten silbernen Grunde. Sie neigte in Demut ihr Haupt und barg das stählerne Kleinod verschämt an ihrem Busen, wo es allerdings später durchrutschte und sich zu Claudias ehrlicher Überraschung an gänzlich anderer Stelle wiederfand.