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Kapitel 1
ОглавлениеLudwigshafen – Wittlich Montag, 15. April 2013
Es ist noch früh an diesem Morgen. Die Augen nur leicht geöffnet, blickt er in Richtung des Fensters. Ihm war nach der unruhigen Nacht nicht wohl. In seinem Bauch verspürt er ein leichtes Grummeln. Nicht so richtig schlecht, eher eine leichte Benommenheit, eine Magenverstimmung vielleicht, mehr nicht.
In der kleinen Küche griff er automatisch, wie schon viele hundert Mal vorher, nach dem Schalter der Kaffeemaschine. Irgendwo musste doch noch die Schachtel mit den Kopfwehtabletten sein. Einen kleinen Vorrat gab es immer in einer der Schubladen. Bei all dem Durcheinander fand er erst nach einigem Wühlen wonach er suchte.
Heute müssen es Minimum zwei Brausetabletten sein, bei diesem Brummschädel half sonst nichts. Sprudel war alle, zur Not tat es auch Leitungswasser. Im Glas sprudelte es, die Sauerstoffperlen stoben zischend nach oben, suchten ihren Weg. Mit einem herzhaften Schluck leerte Joseph das Glas bis zur Neige und schüttelt sich augenblicklich. Ekliges Zeug, bah, aber wenn`s hilft. In seinem Mund blieb ein schaler Nachgeschmack zurück. Es kommt angeflogen, er glaubt sich übergeben zu müssen. Der Weg ins Bad ist aber nicht mehr zu schaffen. Also bleibt nichts anderes übrig, als sich über die Spüle in der Küche zu beugen. Besser auf das von gestern noch rumstehende Geschirr gekotzt, als die ganze Küchenzeile versaut. Es kommt dann doch nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Ein herzhafter, ganz aus der Tiefe kommender langer Rülpser drängt die Speiseröhre ungebremst nach oben. Der Magen wird augenblicklich durch die entweichende Luft entspannt. „Mahlzeit“ der übliche Spruch nach einer solchen animalischen Körperreaktion.
Die taube Zunge strich an der vorderen Zahnreihe innen entlang, bemüht den fühlbaren Belag so los zu werden. Es nützte nichts, keine Chance, aber was soll`s. Der Kaffee blubbert in der Kanne. Jetzt ein gutes Frühstück und er kommt schnell wieder in Ordnung. Kein Thema, das war immer so bei ihm, schon oft praktiziert. Beim Einschenken der schwarzen Brühe in die Tasse merkt er nicht, das er mehr wie sonst zittert, aber das ist ja auch egal, tut nichts zur Sache.
Der Kaffee ist heiß, tut ihm gut, weckt die Lebensgeister, gibt neue Kraft. Der schale Nachgeschmack der Brausetabletten ist auch weg. Geht doch, Joseph hat den gestrigen Abend mit seinen Kollegen schon fast weggesteckt. Es ist ziemlich spät geworden bei seiner nachträglichen Geburtstagsfeier. Warum musste er auch zu vorgerückter Stunde noch unbedingt von Bier auf Rotwein umsteigen? Und dann am Ende auch noch das vermaledeite auf Brüderschaft trinken. Ein Küsschen und ein kleines Schnäpschen, ex und weg, das geht unweigerlich auf die Kondition. Saufen war er nicht mehr gewöhnt. Ihm fehlte die Übung, seit er wieder aus dem Krankenhaus raus war. Aber was soll`s, 56 wird man nur einmal im Leben; meistens jedenfalls.
Die Brötchen im Backofen hätte er beinahe vergessen. Als er die aufgebackenen Teiglinge mit der Hand herausnimmt, verbrennt er sich leicht, wirft fluchend das doch etwas dunkel gewordene Erzeugnis deutscher Backkunst auf die Herdplatte und bläst auf die schmerzende Handfläche, so wie es früher immer seine Mutter machte, als ob dies etwas nützen würde. Kaltes Leitungswasser hätte besser gekühlt.
Liebevoll deckt er für sich den Tisch. Auf dieses allmorgentliche Ritual legt er Wert, auch wenn er allein hier Platz nimmt, mit einem gepflegten Frühstück fängt der Tag gut an, sich hier Zeit zu lassen, das lohnt sich, diese Viertelstunde nimmt er sich. Auch heute, an diesem bedeutungsvollen Tag, jetzt da er sich entschlossen hat, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Eine Auszeit, ein Neustart, warum eigentlich nicht. Etwas Bammel vor dem Neuen, Unbekannten hat er schon, ob das in seinem Alter glücken kann? Da ist sich Joseph unsicher, aber wenn er jetzt nicht mit einem Schlag sein Leben umkrempelt, dann landet er unweigerlich in der Gosse, da ist er sich ganz sicher, dann ist es vorbei mit ihm, die Kraft fehlt eigentlich schon jetzt für ein solch gewagtes Experiment.
Lange wollte er es nach seinem schweren Dienstunfall nicht wahrhaben, die Ärzte im Unfallkrankenhaus und später in der Reha-Klinik sprachen ihn darauf an, gaben Tipps, aber wagen musste er es schon selbst. Die haben leicht reden, Joseph starrt vor sich in die leere Kaffeetasse, wäre am liebsten wieder ins Bett gekrochen. Mit den nur noch leichten Kopfschmerzen hatte das nichts zu tun. Die waren schon nebensächlich, fast vergessen. Weltschmerz, das Hadern mit dem eigenen Schicksal, das war es, was ihn in die Verzweiflung trieb. Hier in seiner Stadt Ludwigshafen kam er aus seinem Hang zur Depression alleine nicht heraus. Auf Schritt und Tritt, überall die Gefahr der Bilder im Kopf, die sich seiner bemächtigten, sich breit machten und seinen Tag bestimmten. Schlimmer waren aber die Träume in der Nacht, wenn er schutzlos diesen Erinnerungen ausgesetzt war.
Er musste weg von diesem seinem persönlichen Unglücksort, sonst ging er unweigerlich unter. So langsam kroch ein ungutes Gefühl in ihm hoch. Sein Nacken versteifte sich, das kannte er schon, so fing es immer an. Aber gerade heute durfte es nicht so wie sonst enden. Sich im Bett verkriechen, was ändert das? Nichts, heute an seinem Aufbruch in ein neues Leben, da war ihm dies mehr als deutlich bewusst.
Also rafft er sich auf, stützt sich auf seinen Gehstock und macht sich auf zu einem letzten Gang in die Innenstadt um noch schnell einige Einkäufe zu erledigen, ehe er zu seinem Abenteuer aufbricht.
Der Weg zum Supermarkt ist nicht weit, immer die Bahnhofstraße runter fast bis zum Rhein, doch mit einem Bein, das bei jedem Schritt höllisch schmerzt, geht es nur langsam voran. Pausen sind notwendig, um auszuruhen, neue Kraft zu schöpfen. Nudeln sind im Angebot, da will er sich noch schnell einen Vorrat holen, so günstig sind die sonst nie, hat er im Kopf, als er nach zwanzig Minuten endlich sein Ziel erreicht, aber er hat ja Zeit, braucht sich nicht zu hetzen. Seine Tragetasche ist prall gefüllt, langsam geht er zur Kasse, stützt sich auf seinen Stock. Mechanisch stapelt er die fünf Nudelpackungen vor sich auf das schwarze Förderband. Vor ihm in der Warteschlange sind noch andere Kunden, er beachtet sie nicht, sein Blick wandert über die Auslage mit den Zeitschriften. Die Schlagzeilen erregen seine Aufmerksamkeit, darauf ist sein Blick gerichtet.
Noch zwei Frauen sind vor ihm dran, dann kommt er an die Reihe. Beiläufig achtet Joseph auf das Gespräch der Kundinnen. Gesprächsfetzen, ganze Sätze kann er verstehen. Ungeniert sind die beiden Damen dabei über Privates zu reden. Ob jemand mithört, ist für sie nicht wichtig. Über das, was er da gerade mitbekommen hat, da denkt er dann doch nach, irgendwie stimmt die Satzstellung nicht. Typisch Pfälzer Slang, Sprache des Volkes in reinster unverfälschter Form. Klingt lustig, will gar nicht mehr raus aus seinem Kopf. Ein echter Ohrwurm. Jetzt hört er genau hin, will möglichst viel von dem Gebabbel verstehen. Was für ein Sprachgebilde, ein Gemälde aus Worten. Bei seinem alten Deutschlehrer hätte es dafür ein glattes „ungenügend“ gegeben, aber die blumige Dialektsprache ist nicht zu überbieten. Hier in der Pfalz klang alles so herzhaft, voller Leben. Kraftvoll eben.
Da sagt die Eine: „der Arnold, dem sein Sohn, der hat doch am Samstach Gebortstach. Kennst du den ach?“ Darauf die Andere „Nä, hechschtens vom sejhe, schafft der ach bei uns uf der Sparkass?"
„Hallo, junger Mann, 9,95 bitte“ Joseph erschrickt, wird aus seinem Tagtraum gerissen. Mit entgeistertem Blick starrt er auf die Kassiererin des Supermarktes und muss sich erst sortieren. „Macht 9,95 Euro.“ Von hinten aus der Reihe der anstehenden Kunden schallt es ungeduldig „können sie nicht noch eine Kasse aufmachen?“ Joseph hat das Gefühl alle starren ihn an, glotzen böse aus ihren verfetteten Glubschaugen, würden ihn am liebsten zur Seite schieben. Hinter sich hört er den Satz “nu mach hinne, Alter, ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit“. Als er sich umsieht, da steht doch tatsächlich ein Tippelbruder mit einer Flasche Schnaps in der Hand, der so ungeduldig ist. Mit hochrotem Kopf verstaut Joseph wie ein ertappter Schüler seine Nudeln und macht sich auf seinen Stock gestützt davon. Jetzt ist er froh, von hier wegzukommen. Ludwigshafen ist von diesem Augenblick an für ihn erledigt, abgehakt, aus und vorbei.
Bewegung tut ihm gut. Jeden Tag soll er laufen, sonst kann er irgendwann sein krankes Bein vergessen, so drastisch hat ihm das Iwan, sein Physiotherapeut, bei ihrem letzten Termin unmissverständlich klar gemacht. So deutlich hat bisher noch keiner mit ihm über seinen Gesundheitszustand gesprochen. Nicht die Ärzte im Unfallkrankenhaus und auch nicht die Trainer in der Reha. Da hieß es immer nur „deutlich besser, sie machen sichtbar Fortschritte, und so weiter, bla, bla, bla“ nichts Konkretes. Aber Iwan Iwanowitsch, sein Heiler aus dem fernen Russenland, der war knallhart in seinen Beurteilungen. „Höchstens fifty-fifty sind deine Chancen, mehr nicht, aber wahrscheinlich weniger.“
Joseph musste immer lachen, wenn der an einen brutalen Ringer erinnernde Sporttherapeut so mit ihm palavert. Er konnte diesem kleinen mit Muskeln dick bepackten kahlköpfigen Mann einfach nicht böse sein. Er freute sich sogar auf die zwei Termine in dessen Praxis, die wöchentlich zu absolvieren waren. Dies war umso mehr verwunderlich, da sein Peiniger nicht zaghaft mit ihm umging. Bei der Verabschiedung, als Joseph noch einmal vorbeischaut und eine Flasche Original russischen Wodka aus dem Osteuropaimport in der Maudacher Straße dabei hat, da wurde es noch einmal lustig, obwohl ihm Iwan deswegen seine Gesundungsaussichten kein Jota besser darlegte.
„Das kann ich nicht annehmen, auf gar keinen Fall, ich mach doch nur meinen Job“ Iwan verstand es vortrefflich mit einem breiten Grinsen im Gesicht verbal das mitgebrachte Geschenk abzulehnen und gleichzeitig die Hand danach auszustrecken. So sollte es ja auch sein, dachte sich Joseph. Der kleine Russe entkorkte den Schraubverschluss der Halbliterflasche mit den Zähnen und nahm einen langen Schluck von dem Wodka. Dann wischte er sich genussvoll mit dem Handrücken über den Mund und ließ mit einer fließenden Bewegung die Flasche in die Tasche seines weißen Kittels gleiten. „Du darfst ja keinen Alkohol trinken, so gesund bist du noch nicht, oder hab ich da was verpasst?“ Joseph war sprachlos, seinem Mund entwich lediglich ein halblautes „Pälzer Krippel“. Iwan tat verwundert, mit gespieltem Ernst korrigierte er seinen Patienten in dem er trocken erwiderte „Du bist der Krüppel, ich doch nicht, guck dich doch mal im Spiegel an, du Grufti“. Das genügte und die beiden Männer lagen sich brüllend vor Lachen in den Armen, klopften sich auf die Schulter, wobei Iwan`s Schläge etwas drastischer ausfielen, als die von Joseph.
Langsam ging Joseph durch die Fußgängerzone in der Bismarckstraße bis zur Stadtbibliothek. Mit seinem ihm eigenen Rhythmus setzte er seine Schritte. Nicht schnell aber auch nicht langsam, so ging er bis zur Kaiser-Wilhelmstraße und schlug die Richtung zum Pfalzbau ein. Hier spazierte er am liebsten, fast täglich kam er auf seinem Rundgang vorbei. Das Wilhelm-Hack-Museum mit dem großen Kunstwerk von Joan Miro an der Außenwand liebte er besonders. Für Joseph, der hier beim Betrachten gern ein paar Minuten verweilte, war dies der schönste Platz von Ludwigshafen. Schade nur, dass es so wenige davon in der Stadt gab. Weiter ging er die wenigen Schritte bis zum angrenzenden Museumsgarten. Auch hier blieb er stehen, fast wehmütig ließ er seine Blicke schweifen.
Abrupt riss er sich aus seiner Melancholie los. So schnell er konnte tippelte er los, zurück in seine Wohnung am Danziger Platz. Es war nicht weit von hier, den Gehweg am Arbeitsamt mit der gelblich grünen Fassade entlang und schon war er da. Das Plakat der Pfälzer Staatsphilharmonie mit dem neuen Spielplan ließ er unbeachtet. Endlich war er da, nun hatte er es eilig, weg zu kommen.
Joseph wohnte ganz oben im Haus mit freiem Blick bis zum Großkraftwerk Mannheim, dessen rauchende Schornsteine er weit hinten am Horizont von seinem Balkon aus sehen konnte. Gut, dass es in der Wohnanlage einen Fahrstuhl gab. Bis hinauf in den fünften Stock, das wäre in seinem Gesundheitszustand mühselig gewesen. Kaum zu schaffen. Ein solcher Kraftakt hätte gefühlt mehrere Stunden gedauert. Von den Schmerzen im Anschluss an diese Tortur ganz abgesehen.
Das Gepäck stand im Flur bereit. Ein letztes Mal vor seiner Abreise ging er durch die Räume der Wohnung, kontrolliert, ob er auch nichts vergessen hat. Der Hausmeister weiß Bescheid, hatte einen Schlüssel für alle Fälle. Von draußen hörte er Sirenen. Früher war ihm das nicht so bewusst gewesen, wie oft in einer Großstadt irgendwo ein Notfall die Einsatzkräfte alarmierte. Er ging zum Balkon, neugierig zu sehen, was da los war. Die Sirenen wurden lauter, das prägnante Geräusch kam näher. Und da waren sie auch schon, der erste Wagen der Berufsfeuerwehr bog von der Heinigstraße kommend in die Bahnhofstraße ein. Dicht gefolgt von dem zweiten Fahrzeug mit der großen Drehleiter.
Direkt unter ihm verfolgt er die rot lackierten Autos der Feuerwehr auf ihrem Weg Richtung Innenstadt. Joseph beobachtet von seinem Standort aus gebannt die Situation. Die Ampel an der Kreuzung Berliner Straße zeigt noch rot. Doch das Haltesignal durften die Männer im Einsatz, zwar auf eigenes Risiko, ignorieren. Der Lärm der lauten Sirenen ging durch Mark und Bein. Da fing sogar ein auf beiden Ohren Tauber wieder zu hören an.
Nun ist es soweit. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Die Koffer standen gepackt an der Wohnungstür. Joseph hadert mit sich, so eine Schnapsidee mit der Auszeit, dem Neuanfang, das hat er sich durch sein dummes Geschwätz selbst eingebrockt. Nach seinem mehrwöchigen Klinikaufenthalt, da war er einfach groggy, die Medikamente gegen die starken Schmerzen hatten ihn meschugge gemacht. Anders konnte er sich das aus heutiger Sicht nicht mehr erklären. Als die Ärzte damit anfingen, über Reha und Therapie zu reden, da konnte er es einfach nicht mehr ertragen, wie so über ihn hinweg über sein künftiges Leben entschieden wurde.
Da wollte er einfach seine Ruhe haben, er würde schon alleine klar kommen, da brauchte er doch keine Hilfe von außen. Was konnten die Seelenklempner denn für ihn tun. Nichts als hirnloses Gerede, sonst war da doch nichts dahinter bei diesen Allesverstehern. Nein danke, vielen Dank für das Gespräch. Seine Stimmung war auf ein Allzeittief gerutscht. Da ist es dann passiert, er sprach davon, er wolle einen Ortswechsel, andere Menschen sehen, in Ruhe gesund werden, unbelastet von seiner bisherigen Umgebung, die so viele dunkle Erinnerungen in ihm wachrufe.
Irgendwie kam das bei seinen Ärzten gut an. Das hatte er nicht erwartet. Sie waren hoch erfreut über seinen neuerwachten Lebensmut, bohrten immer weiter nach und so kam es, dass er sich selbst um Kopf und Kragen redete. Jetzt kam er aus dieser Nummer nicht mehr ohne Schaden heraus. Die ganze Sache gewann eine Eigendynamik, die zuerst ein tolles Gefühl vermittelte, aber mit der Zeit wurde die Schlinge um seinen Hals immer enger, es gab kein Entrinnen. Immer tiefer rutschte in den Schlamassel. Sie fragten, wo er denn sein neues Leben starten wolle. Da gab es nicht viel zu überlegen, ganz einfach deshalb, weil er keine Ahnung hatte und auch in dieser Hinsicht noch keinerlei Gedanken verschwendet hatte. Die Frage überraschte ihn und so gab es spontan bekannt, es würde nach Wittlich fahren, die Vorbereitungen seien schon in Gange. Gesagt war das schnell, jetzt musste er dafür büßen. Die kleine Stadt in der Eifel war ihm in den Sinn gekommen, weil er früher in der kurzen Zeit seiner Ehe öfter in diese Gegend gefahren war. Seine Ex-Frau stammte von dort, irgend so ein kleines Kaff. Der Name war ihm spontan nicht mehr eingefallen.
Ein wahrer Alptraum diese Fahrt zu seinem neuen Domizil. Nicht für immer, eigentlich so eine Notlösung, eine Verlegenheit, selbst verschuldet und nun nicht mehr abzuwenden. Also es hilft nichts, voran, den Stier bei den Hörnern packen und sehen was so passiert. Sein Arzt würde sich freuen, soviel positive Kraft und das bei einem Mann, der austherapiert auf dem Weg zur Frühverrentung, nichts mehr erwarten durfte.
Also nichts wie los, fort von dieser schrecklichen Stadt Ludwigshafen, die nichts mehr für ihn bereit hielt, nur überall Dreck und Ignoranz, hier machte jeder was er wollte und alle machten mit. Einfach ätzend. Joseph sprach sich selbst Mut zu, endlich die Wohnungstür hinter sich zuzuziehen und endlich seinen Entschluss wahrzumachen. Ein Risiko gab es für ihn eigentlich nicht, außer, dass er nach wenigen Tagen schon wieder zurück in seiner Eigentumswohnung in Ludwigshafen aufschlug, gescheitert aber nicht untergegangen. Er hatte ja seinen eigenen Willen, konnte das Experiment „neues Leben“ jederzeit abbrechen. Na ja, er machte sich schon etwas vor, versuchte alles schönzureden, gerade in seiner Situation wäre mehr positives Engagement nicht hinderlich gewesen, doch wie sollte das gehen, einfach mit 56 Jahren ausbrechen, neuen Ufern entgegen, mit einem Lächeln im faltenreichen Gesicht der Zukunft, dem erhofften Glück entgegen. Alles schien so einfach, doch die Realität war anders, kalt und abweisend, es lag an ihm den Versuch zu wagen und wahrscheinlich voll auf die Schnauze zu fallen. Er war wieder so richtig auf dem absoluten Nullpunkt seiner Gefühle angelangt, als er sich doch aufraffte und den schweren Weg, seinen Weg, in Angriff nahm. Scheitern oder untergehen, na das war doch eine echte Alternative, immerhin.
Ein letzter Blick in den großen Gardrobenspiegel im Flur. Joseph mustert sein Ebenbild, ist erschrocken über die Gestalt, die ihm da entgegenblickt. Seit seinem Krankenhausaufenthalt hat er ein paar Pfunde zugelegt, ist in die Breite gegangen. Klar, er konnte ja nicht trainieren, aber das kriegt er schnell wieder hin, allerdings muss er erst gesund werden, denn sonst geht nichts mehr. Froh ist er, dass er letzte Woche ein neues Sakko bei C&A gekauft hat. Steht ihm gut, dunkelblau sowieso. Mit der passenden Hose sieht er richtig schick aus. Mit seinen braunen noch vollen Haaren kann er sich durchaus noch sehen lassen. 56 sieht ihm niemand an. Zugegeben zur Zeit macht er nicht den besten Eindruck, leicht gebückt und auf einen Gehstock gestützt kommt er daher, daran muss er arbeiten, denkt er bei sich. Die neue Jacke ist top. Die Verkäuferin im Kaufhaus hat ihn kurz taxiert und mit sicherem Blick seine Konfektionsgröße ermittelt. Typisch Pfälzer Bub rief sie ihrer Kollegin zu. Zu lange Arme, zu dicker Bauch und zu kurze Beine, da kommt nur Zwischengröße in Frage. 36, Normal 52 passt nicht.
Bisher ist Joseph nur kurze Strecken mit seinem Auto gefahren. Meist zu den Behandlungsterminen im Krankenhaus. Aber heute, am 15. April 2013 geht er auf große Fahrt. Es ließ sich gut an. Das Gepäck war verstaut und das Auto aus der Doppelgarage herausbugsiert. Das hatte ihn einigen Schweiß gekostet, da es ihn einige Mühe kostete, seinen Seat Ibiza rückwärts zu manövrieren. Sein linkes, lädiertes Bein behinderte ihn bei diesem Fahrmanöver. Aber zum Glück schaute ihm niemand bei seinem Versuch zu, elegant den PKW aus der Parkbucht zu bringen. Es gelang ihm im zweiten Versuch und wenn dies alles an diesem frühen Nachmittag gewesen wäre, dann hätte er beruhigt sein können.
Die Ausfallstraße Richtung Bad Dürkheim war schon ziemlich voll. Stur hielt sich Joseph auf der rechten Spur und zuckelte hinter einem Kieslaster her. Nach einigen Kilometern wechselte er auf die Autobahn A 61. Hier kam er zunächst flotter voran, bis er im Verkehrsfunk von einem Unfall auf der Autobahn nach Kaiserslautern informiert wurde. Kurzentschlossen blieb er auf seiner Fahrspur und düste an der Abfahrt Frankenthal, die er eigentlich nehmen wollte, vorbei. Von der Entfernung her war es nicht relevant, auf welchem Weg er nach Wittlich fuhr. Ein paar Kilometer mehr oder weniger, was machte das schon.
Kurz vor der Autobahnbrücke Worms, nach der ersten Baustelle, spürte er dieses leichte Kribbeln im linken, seinem schwachen Bein. Ein Alarmzeichen. Der Schmerz wurde stärker, bei jedem Kuppelvorgang schien sich eine höhere Stufe in der nach oben offenen Skala für seine Pein von selbst einzustellen. Zähne zusammenbeißen, solange der Verkehr rollte und er nicht Schalten musste, war es irgendwie auszuhalten. Immer wieder entlastete er sein Bein. Wechselte die Sitzposition, obwohl dies nur eingeschränkt möglich war.
Die Autobahnraststätte Hunsrück nutzte er für eine erste Pause. Das war dringend nötig, da er nach rund der Hälfte seiner Fahrstrecke ziemlich geschlaucht daherkam. Nach einigen Minuten wird es wieder ok sein, Joseph hielt auf dem Parkplatz an, stellte den Motor ab und kurbelte das Seitenfenster runter. Die frische Luft tat ihm gut.
Nur ein paar Minuten tief durchatmen, dann weiter.
„Fahrzeugkontrolle, ihre Papiere bitte“, erst bei der zweiten Aufforderung, nun schon im Ton bestimmter, nahm er den Verkehrspolizisten visuell wahr. Mechanisch griff Joseph in die linke Innentasche und zog das dunkelgrüne Plastikmäppchen hervor. Geöffnet hielt er es aus dem Autofenster. Nach kurzer Musterung des Ausweispapiers murmelte der Streifenpolizist „in Ordnung Herr Oberkommissar Wolf, keine Probleme bei Ihnen? Wir hatten den Eindruck etwa stimmt nicht bei Ihnen!“
Joseph Wolf macht einen auf cool und lässig, als er antwortet „alles ok!“ Er hat den Eindruck, diese zwei Worte reichen nicht aus und schiebt noch einige erklärende Sätze hinterher.
„Nein, nein alles bestens, mir ist nur der Fuß etwas eingeschlafen, daher die unsichere Fahrweise, die ihnen wohl aufgefallen ist. Ich lege eine kleine Pause ein, vertrete mir die Beine, dann ist wieder alles im grünen Bereich.“ Er lächelt den jungen Beamten an und winkt dem anderen Kollegen, der im Streifenwagen saß und die ganze Szene aufmerksam verfolgt.
Joseph Wolf war erleichtert, das war knapp, gut, dass er nicht ausgestiegen ist, wenn die Beamten ihn so gesehen hätten, die hätten ihm glatt untersagt weiterzufahren. Das linke Bein schien wie zur Untermauerung seines Gedankens eine volle Schmerzsalve in die Umlaufbahn abzufeuern.
Hoffentlich hielt er bis Wittlich durch. Ganz schön leichtsinnig diese Tour, aber jetzt nach gut der halben Distanz war der Rückweg genau so lang wie die Weiterfahrt. Also voran. Mit lauter Musik gelang es sich abzulenken. In Rheinböllen runter von der Autobahn und weiter die B 50 entlang. Jetzt ging es zügig voran. Die vielen Kehren und Kurven runter von der Höhe des Hunsrücks zur Mosel waren eine echte Herausforderung für sein Bein. In Mülheim dann eine kleine Kaffeepause. Oh Gott, wie alt fühlte er sich denn eigentlich. Nur mit einiger Mühe gelang es ihm auszusteigen. Einen Vorteil hatte es aber, wenn er so auf klapprigen Beinen daherschwankte, er wurde umsorgt. Die Bedienung der kleinen Bäckerei mit den wenigen Tischen vor dem Laden, kümmerte sich rührend um ihn. Nicht schlecht, wäre ausbaufähig.
Nach gut drei Stunden endlich sein neues Heim. Völlig erschöpft, körperlich mehr bei den Toten als bei den Lebenden schleppt er sich ins Büro der Hausverwaltung. Das Internet half bei der Suche nach einer Bleibe, die kurzfristig zu mieten und falls nötig auch wieder zum jeweiligen Monatsende kündbar ist. Ein schmuckloser Appartementblock nahe beim Zentrum. Das hat er gesucht und gefunden. Wichtig, es sollte möbliert sein, aber darauf schien der Vermieter eingerichtet zu sein, wie sich bei der Schlüsselübergabe und der kurzen Einweisung herausstellte. „Gut, dass sie ihr Kommen telefonisch avisiert haben, Herr ….“ „Wolf, Joseph Wolf“ half er aus. Normalerweise bin ich um halb fünf schon weg, na da hätten sie die erste Nacht im Freien auf einer Parkbank verbringen müssen. Jesses, ich bin spät dran, die Formalitäten erledigen wir morgen, gell, dann bin ich wieder für sie da.“
Schon stand die kesse junge Dame der Hausverwaltung in der Eingangstür und wartete auf Joseph Wolf, dass er ihr nachfolge und sie endlich Feierabend machen konnte. „Äh, und der Schlüssel?“ fragt er zaghaft, ging während die aufgetakelte Schöne zurück in ihr Kabuff stürmte, schon mal vor das Büro um nicht noch unnötig den Freiheitsdrang der Dame aufzuhalten.
„Maju, meiner Seel, hät ich glatt vergessen, hier, Appartement 216, zweiter Stock, da vorn links die Treppe hoch, Tschüssi“ und weg war sie, verschluckt von der Umgebung, so als wäre das alles eine himmlische Erscheinung gewesen. Joseph stand völlig verdattert mit dem Schlüssel in der Hand vor dem Büro und wirkte irgendwie fehl am Platz. „Willkommen in deinem neuen Heim, lieber Joseph“ so einen krassen Empfang hat er bisher noch nicht erlebt, voll abgedreht die Tussi, aber in ihrer lockeren Art doch schon wieder herzlich.
Zweiter Stock und das ganze Gepäck hochschleppen. Viel Vergnügen, aber damit kann ich auch morgen in aller Ruhe anfangen. Zuerst einmal die neue Bude inspizieren. Alles andere hat Zeit, ich bin ja noch ein paar Tage hier. Es dauert seine Zeit bis er oben ist. Ein langer dunkler Gang, links und rechts in regelmäßigen Abständen sind Türen zu sehen. Ziemlich in der Mitte des schumrigen Korridors findet er die 216. Sein künftiges Zuhause. Sieht eher nach einer Gefängniszelle aus, so trist ist schon der nicht gerade Glücksjauchzer hervorrufende Linoleumfußboden des Flures.
Joseph steht unschlüssig vor der braunen Holztür, überlegt, ob er den Schlüssel ins Schloss stecken soll um aufzuschließen. Er sucht nach einem Lichtschalter, denn das am Ende des langen Ganges befindliche Fenster wirft nicht genügend Licht in diesen dunklen trostlosen Schacht. Die Tür zu seinem Domizil schwingt auf, ohne Nachzudenken ertastet er den Lichtschalter. Nur ein Klacken und sonst nichts. Im schummrigen Licht tappt Joseph in Richtung des Fensters. Nachdem er die Gardinen auseinandergezogen und das Fenster geöffnet hat, wandert sein Blick suchend durch das begrenzte Raumangebot seines Appartements. Nicht üppig, aber ausreichend. Wohnschlafbereich mit kleiner Küche und Bad. Balkon nach Südwest. Summasummarum 45 Quadratmeter für 390 Euro kalt. Für ihn ist das ok. Aber wo ist nur der verdammte Sicherungskasten?
Wichtig ist die Matratze, der Rest geht schon irgendwie. Der Fernseher ist zwar nicht neuesten Datums aber zumindest nicht so ein Kleinformat, wie üblicherweise die Exemplare in den Mittelklassehotels. Jetzt erst einmal ein paar Minuten ausruhen. Die beschwerliche Fahrt steckt in seinen Knochen. Es hilft die Beine hochzulegen, tief durchatmen.
Nach gut zwei Stunden kommt er wieder zu sich. Langsam wird Joseph wach. Ein sich verstärkendes Pochen dringt in sein Gehirn, wird heftiger, bis er den Schmerz zuordnen kann, vergehen einige Minuten in einer Art Wachkoma. Aus dem Schlaf von heftigen Schmerzen in die Realität zurückgerissen zu werden, ist irgendwie brutal, nicht angenehm, weil er weiß wie es jetzt weitergeht mit seinem linken Bein. Es hilft nicht mit leichten Bewegungen Abhilfe zu suchen. Das Pochen hämmert sich in sein Bewusstsein, wird beherrschend. Kein anderer Gedanke ist mehr in seinem Kopf, nur noch aufstehen, eine von den starken Tabletten reinhauen, die eigentlich für den Notfall gedacht sind.
Scheiße, die Medikamente sind ja noch im Auto. Joseph rieselt sich, mit Mühe kommt er aus dem Bettkasten und sucht nach einem Halt um sich hochzuziehen. Jeder Schritt runter zum Parkplatz verstärkt seine Qualen. Es gibt aber keine Alternative, die Schmerzen aushalten, nein das will er sich nicht antun. Macht auch keinen Sinn.
Im kleinen Rucksack sind seine Papiere und die Medikamente. Soll er gleich noch einen Koffer mitnehmen? Er wuchtet den schwarzen Trolley aus dem Kofferraum seines Autos und macht sich auf den Rückweg. Auf dem Gehweg hat er zunächst keine Mühe. Praktisch diese Rollen an den modernen Koffern, denkt er noch bei sich, als er die Treppe zum Eingang schon vor sich sieht. Schwierig wird es dann aber, als er die zwei Etagen mit seinem sperrigen Schalenkoffer nach oben will. Es ist nicht einfach für ihn, so mit dem Gehstock in der einen Hand und hinter sich den Rollbehälter die Treppenstufen zu erklimmen. Schweißgebadet versucht er den Koffer hochzuwuchten, scheitert aber immer wieder daran, da sich die kleinen Rollen den überstehenden Treppenstufen an der Unterseite verhaken. Es schien aussichtslos da hochzukommen. Hinter sich hört er die Eingangstür, mit einem leisten Plopp ins Schloss fallen. Im Augenwinkel nimmt er zwei junge Leute wahr, die nun an der untersten Treppenstufe warten. Er einen Meter höher.
Ein Pärchen. Belustigt werden seine wenig Erfolg versprechenden Bemühungen verfolgt. Die beiden, Mann und Frau, sind guter Laune. Joseph reißt am Griff des störrischen Koffers, sucht aus der für ihn erniedrigenden Situation herauszukommen. Als sich der freche Kerl dann auch noch grinsend an ihn mit der Frage wendet: „Na Mester, wo soll`s denn hingehen?“ da steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht. So ein Komiker hat mir gerade noch gefehlt, flucht er innerlich. In solchen Situationen neigt Joseph Wolf zum Sarkasmus. Langsam dreht er sich um, blickt von seinem höheren Standort auf die beiden unter ihm am Treppenabsatz stehenden Personen. Dann antwortet er ganz ruhig, bemüht gelassen zu bleiben, obwohl losbrüllen will. „Zum Busbahnhof oder bin ich da falsch?“
Einen Moment herrscht ratlose Stille. Die jungen Leute schauen sich verdutzt ins Gesicht. Der Mund des Mannes ist leicht geöffnet, so als wollte er antworten. Aber er bleibt stumm. Dann lacht das Mädchen urplötzlich los. Laut schalt es durch das Treppenhaus und in seiner unbändigen Kraft entspannt es schlagartig die seltsam bedrückte Situation.
„Beweg dich du fauler Sack, hilf dem alten Herrn den Koffer nach oben tragen!“ Der Angesprochene setzt sich daraufhin sofort in Bewegung. Leichthändig stemmt er das von Joseph als tonnenschwere Last empfundene Gepäckstück in die Höhe und geht die Treppe leichtfüßig, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben. „Entschuldigen Sie diesen Flegel, ich bin Sabine und der Lulatsch, das ist mein kleiner Bruder.“
Die Schmerzen in seinem Bein breiten sich wellenartig aus, verstärken sich, scheinen einem ungeahnten Höhepunkt entgegen zu streben. Lange hält er das nicht aus, Joseph hat in den letzten Wochen schon einige dieser Attacken durchlebt. Immer wird es schlimmer, unerträglicher. Völlig ermattet reißt er die Schachtel mit den Tabletten auf, wirft die leere Hülle auf den Tisch und drückt eine, oder besser gleich zwei, der Pastillen aus dem Plastiktäfelchen. Mit einem schalen Schluck Wasser aus dem Hahn im Bad spült er seine Hoffnung auf das Ende der pochenden Qualen hinunter. Es wird einige Minuten dauern, bis die Schmerzblocker sich im Magen aufgelöst haben und Linderung verschaffen.
Nur noch hinlegen, sich auf dem ungemachten Bett ausstrecken und auf Erlösung hoffen, nichts anderes will er. Die Balkontür ist geöffnet, die Vorhänge ganz zurückgezogen. Ihm fehlt die Kraft noch einmal aufzustehen und die Tür zu verschließen. Die abendlich kühle Luft tut gut, tiefe Atemzüge beruhigen. Schon sieht er sich leicht benebelt aus einer anderen, höheren Warte, so auf dem Bett liegen. Der latent vorhandene Schmerz erinnert ihn an eine Baustelle auf der Autobahn, an die Lichtmarkierungen bei den gefährlichen Stellen, dort wo die Warnbarken aufgestellt sind und in kurzen Abständen Lampen immer so hintereinander aufleuchten. So spürt er dem Schmerz nach. Seine Nerven scheinen ebenfalls in Reihe geschaltet zu sein. Wie einzelne Nadelstiche, so seine Empfindung, setzt sich der Impuls von der Hüfte bis zum Fußgelenk in Sekundenbruchteilen in Bewegung. Unaufhaltsam, immer wieder klick, klick, klick. Dann wieder von neuem, ohne Ausnahme, immer gleich. Klick. Klick. Klick.
Das hochdosierte Schmerzmittel erledigt seinen Job. Langsam gleitet der Patient in einen wohligen Dämmerzustand, der den heftigen Schmerz umfängt, neutralisiert. Vor seinem geistigen Auge, immer schwächer wahrnehmend, beginnt sich alles zu verflüchtigen. Die seinen Schmerz auslösenden Lichtpunkte werden schwächer, die Intervalle zwischen den Stichen größer. Ist er am Meer? Sind das Wellen, die an die Warnbarken klecken, stetig aber immer dominierender? Die Frage, selbst gestellt, bleibt unbeantwortet. Der Schlaf erlöst, deckt alles zu, betäubt den unruhigen Körper.