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Kapitel 2

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Frankfurt Airport Freitag, 19. April 2013, Vormittag

Das Konferenzzentrum am Frankfurter Flughafen ist als Treffpunkt für die erste Zusammenkunft vereinbart. Um 10 Uhr sind sie verabredet, wobei die Einladung zu diesem Termin von der arabischen Seite ausgegangen ist. Einige der Teilnehmer an diesem Gespräch sind schon am Vorabend angereist um die nötigen Vorbereitungen treffen zu können. Direkt nach dem Frühstück ging es mit der internen Abstimmung los. Aus Berlin von der syrischen Botschaft waren zwei hochrangige Herren mit ihrem Beraterstab gekommen. Das angemietete Konferenzzimmer wurde von den Sicherheitsspezialisten sorgfältig auf mögliche Abhöreinrichtungen gecheckt. Alles lief unter dem Deckmantel einer ersten Kontaktaufnahme zum Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen. Der Termin war auf der Industriemesse in Hannover letzten Herbst zu Stande gekommen.

Die arabische Delegation würde von Jussif ab del Nagib, dem verantwortlichen Leiter der staatlichen Importagentur aus Kairo angeführt. Die deutschen Unternehmer fanden es einleuchtend, dass bevor Geschäfte getätigt werden, sich die handelnden Personen persönlich kennenlernen sollten. Dies sei in den arabischen Ländern üblich. Es hieß Geschäfte machen Freunde miteinander und keine Fremden.

Jussif ab del Nagib ist gestern Abend spät aus Moskau kommend angereist. Er wirkt unausgeschlafen und schien nicht in bester körperlicher Verfassung zu sein. Zuviel Stress bei der Arbeit pflegt er zu sagen, wenn sein Erscheinungsbild zur Sprache kam. Dies war aber nur zum Teil zutreffend. Jussif ist ein notorischer Kettenraucher und für seinen ausschweifenden Lebenswandel bekannt. Durchzechte Nächte mit Geschäftspartnern und willigen Damen aus dem halbseidenen Milieu haben ihre Spuren bei ihm hinterlassen.

Obwohl gerade noch Fünfzig, ist sein von tiefen Furchen gezeichnetes Gesicht trotz der dunklen Färbung eher das Antlitz eines Fünfundsechzigjährigen als das eines Mannes in den besten Jahren. Aber auf seine körperliche Fitness und sein Aussehen gibt der befehlsgewohnte Ägypter nicht viel. Geld steht ihm schier unbegrenzt zur Verfügung. Seine Aufgabe ist es dringend benötigte Güter für seine Auftraggeber im Ausland einzukaufen. Da es sich bei diesen Einkäufen nicht um überall erhältliche Produkte handelt, muss er findig zu Werke gehen und auch dunkle Kanäle nutzen.

Mit dieser Art von Geschäften hat er sich seinen Wohlstand erarbeitet. Geld, viel Geld ist sein Lebenselixier, es elektrisiert ihn förmlich, bringt Macht und Einfluss. Jussif ist ein Waffenhändler, der Lieferant des Todes. Hier besteht immer Nachfrage. Skrupel hat er keine. Der Kunde bestellt, bezahlt seine Dienste und er liefert. So einfach ist das.

Der ägyptische Geschäftsmann ist als erster im Konferenzraum angekommen. Er bedient sich am vorbereiteten Büfett mit frischem Obst als seine beiden Partner in Begleitung von mehreren Sicherheitsleuten den Raum betreten. Die Begrüßung ist überaus herzlich. Schließlich sind sie alte Bekannte und bereits bei mehreren speziellen Missionen waren sie gemeinsam aktiv. Die Planung der als geheim eingestuften Operation liegt in den Händen von Ibrahim al Harun dem Militärattachè der syrischen Botschaft in Berlin.

Seit in dem Wüstenstaat offene Kämpfe zwischen Rebellen und der Regierung stattfanden, sah sich das Regime in seiner unumschränkten Herrschaft bedroht. Waffen jeder Art wurden im großen Stil geordert.

Ibrahim al Harun stammt aus einer der angesehensten Familienclans im Land und ist dem herrschenden Regime treu ergeben. Er gilt als kluger Kopf. Mit der westlichen Lebensweise ist Ibrahim al Harun gut vertraut, auch wenn er nicht alles, was er so täglich sieht, gut heißen wollte, so war er doch durch seine bisherige Ausbildung so geschult, manche Dinge einfach nur zur Kenntnis zu nehmen.

Mehmet Beliefa ist ein weiterer Teilnehmer am internen Vorbereitungsgespräch. Er wird begleitet von einem jungen Mann, der finster in die Runde blickt und dessen schwarzer Vollbart so recht in das Bild eines grimmigen Orientalen passt. Beliefa ist für Handelsangelegenheiten an der Botschaft zuständig und Salef sein Assistent. Beide haben die Vorarbeit geleistet und berichten den beiden anderen Männern über ihre Recherchen. Die Rollenverteilung innerhalb der Gesprächsrunde war klar aufgeteilt.

Jussif ab del Nagib sollte das Gespräch mit den deutschen Gästen führen. Die wahren Absichten würden im Dunklen bleiben. Hier waren sich alle einig. Wenn es Nagib für richtig hielt, dann sollte von diesem das Gespräch mit gewissen Andeutungen auf eine andere Schiene gebracht werden. Es blieb dem Geschick des Ägypters überlassen, die Verhandlung in die gewünschten Bahnen zu lenken. Je nach der Reaktion der Gegenseite würde aktuell agiert. Es ist bei ihnen nicht üblich, direkt auf das erhoffte Ergebnis zuzusteuern. Nein der Mentalität der Orientalen entsprechend tasteten sich die Verhandlungsteilnehmer allmählich zum Kern ihres Anliegens vor.

Nachdem die Vorgehensweise für den nachfolgenden Termin ausgiebig besprochen ist, fasst Jussif alles nochmals zusammen. „Brüder, wir wollen das Vertrauen unserer deutschen Gäste erringen, dafür ist es wichtig diese mit unseren Absichten vertraut zu machen. Unsere Wertschätzung für die deutschen Erzeugnisse und im speziellen für das Angebot der Firma unserer Besucher soll deutlich werden. Also bitte keine voreiligen und unüberlegten Äußerungen. Über Politik wird nicht gesprochen. Dies ist absolut tabu, ich hoffe wir haben uns verstanden.“ Die anderen nicken zustimmend.

Mehmet Beliefa entnahm dem vor ihm auf dem Tisch liegenden Schnellhefter nunmehr einige Fotografien und verteilt sie an die anderen. „Hier sind Bilder unserer Gäste. Irun hat sich noch einmal rückversichert, ob alle Teilnehmer, so wie avisiert, auch auf dem Weg zur Besprechung sind. Ein kleines Problem sei die Anwesenheit einer Frau bei der Besprechung. Dies war in ihrem Heimatland nicht üblich.

Irun Salef ist ungehalten und fällt seinem Vorgesetzten ins Wort. „Genosse Nagib, achten sie bitte darauf, dass diese Person ihr Haupt mit einem Kopftuch bedeckt, dies gebietet unsere Tradition, darauf haben sich die Ungläubigen als unsere Gäste einzustellen. Darauf müssen sie bestehen, sonst sehe ich keine Grundlage für eine Zusammenarbeit.“ Die mit sichtlicher Erregung vorgetragenen Einwände des Assistenten des Handelsbeauftragten sorgen bei den Teilnehmern am Tisch für Verstimmung. Irritiert sieht Mehmet Beliefa geflissentlich auf seine vor ihm liegenden Unterlagen und duckte sich unmerklich, will sich unsichtbar machen. Unwirsch schlägt der Militärattachè al Harun mit der flachen Hand auf den Tisch. Er wendet sich aber nicht direkt an den jungen Mann mit dem bärtigen Revoluzzergesicht, sondern rügt dessen Vorgesetzten Mehmet Beliefa im Beisein der anderen Herren am Tisch mit heftigen Worten. „Ihr Mitarbeiter scheint nicht über den nötigen Anstand zu verfügen, um Höhergestellte öffentlich belehren zu wollen. Dies ist nicht akzeptabel. Die Gebote der Gastfreundschaft gelten auch außerhalb unseres Landes und wir sollten uns davor hüten, unsere Gäste belehren zu wollen.“ Nach diesem Wutausbruch blickte Beliefa von der Rüge sichtlich eingeschüchtert mit versteinertem Gesichtsausdruck vor sich auf den Tisch. Sein Assistent sitzt mit hochrotem Kopf wie erstarrt auf seinem Stuhl, unfähig zu einer Erwiderung.

Der ägyptische Geschäftsmann Jussif ab del Nagib ist klug genug und mischt sich nicht in den internen Streit der Syrer ein. Er bleibt abwartend. Der ansonsten ruhige Militärattachè ist aber noch nicht fertig. Erneut richtet er das Wort an Mehmet Beliefa. Sichtlich verärgert folgt nun nach einer wegwischenden Handbewegung mit seiner Linken in Richtung seines Mitarbeiters eine kurze scharfe Anweisung. Nach einem keinen Widerspruch duldenden „geh“ verlässt Salef ohne Gruß den Raum. Beliefa entschuldigt sich für seinen Mitarbeiter und versichert dem erbosten Militärattachè al Harun mit einschmeichelnden Worten, dass auch er ein solches Verhalten nicht billige und umgehend die Abberufung seines, nun schon ehemaligen, Mitarbeiters veranlassen werde.


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