Читать книгу Arabella - Hildegard Maas - Страница 10

Kapitel 6

Оглавление

Theobald und Arabella gingen rechts die Straße hinunter in Richtung Stadtzentrum. Dort befand sich am Anfang der Fußgängerzone ein kleiner Supermarkt. Der hatte eigentlich alles vorrätig, was man so zum Leben brauchte. Ja und war mal etwas nicht da, konnte man es beim Supermarktbesitzer bestellen und bekam es meistens schon am nächsten Tag. Die Straße führte am Strand entlang. Das Wetter war seit gestern wieder gut. Nach einer Woche Dauerregen und Sturm schien jetzt die Sonne und der Himmel war blau, ohne eine einzige Wolke. So waren sehr viele Menschen am Strand zum Schwimmen und Sonnenbaden. Etwas weiter hinten sah man Surfer und Stand-up-Paddler. Es war eine sehr schöne, entspannte Stimmung, man hörte Musik von irgendwo her, ein Eiswagen fuhr langsam an der Promenade entlang und klingelte ab und zu mit einer kleinen Glocke, um sich auch bei allen bemerkbar zu machen. Arabella genoss ihren Ausflug mit Theobald und guckte hin und her, um nichts zu verpassen. Sie stellte Theobald tausend Fragen, die er erst etwas verhalten, aber dann immer selbstverständlicher beantwortete. „Was machen denn die ganzen Menschen hier am Strand?“, wollte Arabella wissen.

„Ist hier jeden Tag so viel los? Warum sind denn da gar keine Hunde am Strand? Was ist das denn da? „Sie zeigte auf einen großen Lenkdrachen, der die Form einer bunten Mickey Mouse hatte. Theobald wusste auf jede ihrer Fragen eine Antwort. Arabella war sehr zufrieden und wurde nach einiger Zeit etwas ruhiger, als ihre Aufregung sich legte. Sie atmete die frische Meerluft ein und fühlte sich pudelwohl in ihrem Korb.

Da hatten sie auch schon den Supermarkt erreicht. Theobald nahm einen von den Einkaufswagen, die vor der Tür standen, stellte den Korb mit Arabella hinein und fuhr in den Laden. Arabella staunte mit offenem Mund über die vielen Sachen, die sich in den Regalen befanden. Direkt am Eingang befand sich die Obst- und Gemüseabteilung. Da brauchten sie nichts, also fuhr Theobald weiter und blieb am Milchregal stehen. Er nahm drei Liter Milch und 5 Pakete Butter. Dann fuhr er weiter zum Gewürzregal. Hier suchte er nach Koriander, fand es und packte es ein. Arabella schaute seinem Treiben zu und fragte dann vorsichtig: „Theobald ist das denn Quark und Zimt, was Du hier in den Wagen getan hast?“ Theobald kratzte sich am Kopf, wie er es ja immer tat, wenn er nachdachte. „Nein, das ist es natürlich nicht. Ich wollte Dich auf die Probe stellen, ob Du Dir gemerkt hast, was wir einkaufen sollen“, sagte er schelmisch. In Wirklichkeit wollte er damit vertuschen, dass er komplett vergessen hatte, was er für Anastasia im Supermarkt einkaufen sollte. „Aha, verstehe“, sagte Arabella, die das Ganze schnell durchschaute. „Na, dann ist es ja gut, dass ich dabei bin. Also mach ’ne Kehrtwende zum Milchregal und such den Quark. Den anderen Krempel kannst Du wieder wegstellen, braucht kein Mensch … obwohl … warte mal… Milch braucht man für Kakao und Pfannkuchen, oder?“

„Ja, ich glaub schon, dass Oma Milch in den Pfannkuchenteig getan hat“, pflichtete Theobald ihr bei, „also nehmen wir die auf jeden Fall mit.“ Schnell hatte er den richtigen Quark gefunden, den, den seine Oma immer aß, der mit dem roten Deckel nämlich. Nun konnte er umdrehen wieder in Richtung Gewürzregal. Dort räumte er den Koriander wieder ins Regal, nachdem er kurz daran gerochen hatte und sich naserümpfend fragte, wofür man den wohl brauchte. Gerade wollte er weiterfahren, als eine quäkende Stimme sich aus dem Korb meldete: „Theobald, wo bleibt der Zimt?“

„Uiuiui, stimmt ja! Wo Du recht hast, hast Du recht.“ Schnell schwenkte er zurück und stolperte dabei über seine viel zu großen Schuhe. Theobald hielt sich am Einkaufswagen fest und hätte diesen beim Stolpern fast umgeworfen. Der Wagen stand schon auf 2 Rädern und kippte bedrohlich zur Seite. Arabella sah sich bereits kopfüber auf den Boden purzeln. „Nein, nein, nein, Theobald, was machst Du denn da“, rief sie panisch. „Hilfe!“. Sie sah sich unter der Milch und dem Quark auf dem Boden begraben und wollte sich gar nicht ausmalen, was dann passieren konnte.

Sie hielt sich vorsichtshalber die Augen mit beiden Händen zu und ließ nur einen kleinen Schlitz zwischen zwei Fingern frei, um doch noch ein bisschen sehen zu können. Sie war eben eine sehr neugierige kleine Luftballonschlange. Plötzlich kam der Wagen mit einem Ruck wieder auf 4 Rädern zum Stehen und eine freundliche ältere, dunkle Stimme sagte lachend: „Hey, Theobald Grossfuß, das hätte auch schiefgehen können. Habe ich nicht schon oft gesagt, dass Deine Schuhe ein kleines Stück vielleicht zu groß sind? Und hab ich recht? Natürlich habe ich das, wie immer, ich hab immer recht!“ Arabella guckte vorsichtig aus dem Korb heraus und sah einen kleinen, ziemlich dicken, gutmütig blickenden, weißhaarigen Mann, der Theobald auf die Beine half. Der Mann musste dem Aussehen nach schätzungsweise 170 Jahre alt sein, wenn man ihn mit Anastasia verglich, dachte Arabella. Er war viel kleiner als Theobald.

Er musste nach oben schauen, um ihm ins Gesicht zu blicken, als Theobald wieder sicher auf zwei Beinen stand. Theobald hatte seinen Schreck schnell überwunden. Er zog seine Hose und sein Hemd gerade und guckte sich um, wer ihn denn da gerade gerettet hatte und ob ihm irgendetwas aus der Hosentasche gefallen war bei dem Sturz. Auf diese Art und Weise hatte er nämlich auch schon mal seinen Kalender verloren. Als er nichts fand, schaute er den kleinen Mann an, der mit triumphierendem Blick vor ihm stand. „Ach Du bist es, Markus! Dich habe ich ja ewig und drei Tage nicht mehr gesehen.“ Lachend umarmten sich beide. Sie waren so laut, dass alle Leute in dem sonst eigentlich immer sehr ruhigen Supermarkt sich mittlerweile umgeschaut hatten, wer da so ein Spektakel machte. „Sag an, wie geht’s Dir“, fragte der Mann, der Markus hieß. „Gut, gut! Danke, Danke!“, erwiderte Theobald. Lächelnd und staunend und wortlos standen sie sich gegenüber.

„Und mir ginge es dann auch gut. Wie schön, dass auch einer nach meinem Befinden fragt“, kam es aus dem Korb im Einkaufswagen.

Beide Männer schauten wie auf Knopfdruck in die Richtung aus der die Stimme kam. Theobald verlegen und Markus verwundert. „Na, wen haben wir denn da?“, fragte Markus, „willst Du uns nicht mal vorstellen Theobald?“ Und zu Arabella gerichtet sagte er: „Sie müssen entschuldigen, aber Höflichkeit war noch nie Theobalds Stärke.“ Theobald trat einen Schritt auf den Einkaufswagen zu und sagte: “Na gut, also darf ich vorstellen: Arabella – Markus – Markus – Arabella“, wieder mit der jeweiligen Handbewegung von einem zum anderen, damit man auch wusste, dass man nicht der andere war. Den Sinn dieses Vorstellungsmanövers würde sie wohl nie verstehen, dachte Arabella, aber so war das wohl bei den Menschen. Sie schüttelte den Kopf und dann die Hand, die Markus ihr entgegenstreckte. „Sehr erfreut“, sagte Markus.

„Ebenfalls super sehr und ganz doll erfreut“, sagte Arabella höflich und versuchte, eine Verbeugung hinzubekommen inmitten von umgekippten Milchflaschen und Quarktöpfen. Es gelang ihr scheinbar recht gut, denn Markus sagte erstaunt. „Oh, eine Dame von Welt. Was macht Ihr beiden denn im Supermarkt? Da hätte ich Dich gar nicht vermutet, sonst kauft doch immer Anastasia für Dich ein“, wunderte sich Markus.

„Ja, das tut sie normalerweise“, bestätigte Theobald, „aber heute Morgen ist sie gestürzt. Nun hat sie ein dickes Knie und kann nur humpeln. Sie sitzt zu Hause auf der Küchenbank und möchte Quark haben, um sich Wickel zu machen.“

„Ah ja, sehr gut, sehr gut. Quarkwickel sind bei so was das Beste, ja, ja, empfehle ich auch immer gerne.“

„Du kennst Dich damit aus?“, fragte Arabella. „Ja, ich bin Markus Huflattich, der beste und einzige Heilpraktiker auf der Insel. Ich und mein Freund Antonius Sanguin, der beste und einzige Arzt der Insel, behandeln eigentlich alles, was behandelt werden muss. Wenn der eine nicht weiter weiß, hat der andere oft eine gute Idee. So können wir den meisten Menschen, die zu uns kommen, helfen.“

„Ja, das stimmt“, sagte Theobald, „ich habe noch nie wegen irgendwas ins Krankenhaus gehen müssen. Ihr habt immer alles hinbekommen.“ Arabella fand, dass Markus sehr sympathisch war. Daher fragte sie ihn, ob er sich nicht auch das Bein von Anastasia mal ansehen könne, irgendwann wenn er Zeit habe.

„Aber selbstredend“, erwiderte Markus eifrig. „Ich komme nachher mal vorbei. Vielleicht bringe ich Antonius mit. Vier Augen sehen mehr als zwei und vier Hände tasten mehr als zwei, sag ich immer. Also dann, eigentlich wollte ich ja jetzt auch einkaufen, hab aber gerade wieder einen Anruf bekommen.“ Er seufzte ein bisschen, weil sein Kühlschrank zu Hause schon ganz leer war. Ich muss nun erst noch zu einem Hausbesuch wegen Fieber und Hals- und Kopfweh, dann komme ich zu Euch und hol auf dem Weg Antonius ab.“

Er machte sich auf den Weg zum Ausgang. „Super, das ist nett“, sagte Arabella, Anastasia wird sich bestimmt freuen.“

„Na, da bin ich mir nun überhaupt nicht so sicher“, murmelte Theobald, sagte es aber nicht laut, um Arabella nicht zu verärgern. Er hatte nämlich mittlerweile mitbekommen, dass Arabella, wenn sie verärgert war, auch gerne sehr penetrant und laut sprach und das wollte er hier mitten im Supermarkt verhindern. Komisch fand er aber schon, dass Markus gar nicht erstaunt gewesen war über eine kleine, blaue, sprechende Luftballonschlange. Bei Anastasia war das nicht sonderlich verwunderlich. Anastasia guckte gar nicht auf Äußerlichkeiten und hieß erst mal jeden, so wie er war, willkommen. Wirklich eine schöne und liebevolle Angewohnheit, dachte Theobald, die nur wenige Menschen hatten. Offensichtlich gehörte Markus auch zu diesen Menschen.

Theobald wollte nun aber schnell wieder nach Hause zu Anastasia und schob den Einkaufswagen zur Kasse. „Hast Du Zimt und Vogelfutter?“, quäkte es genervt aus dem Korb. “Ups, vergessen“, entschuldigte sich Theobald. Er hatte wegen dem Beinahe-Sturz von vorhin Arabella gegenüber doch ein etwas schlechtes Gewissen. „Zimt steht hier im Gewürzregal“, sagte er und griff zielsicher hinein „und Vogelfutter gibt’s in der Getränkeabteilung.“

„Aha, na dann mal los“, sagte Arabella. Sie hatte sich wieder vollständig erholt und freute sich, dass Anastasias Knie nun doch noch fachmännisch angeguckt werden würde. Das Vogelfutter war nicht in der Getränkeabteilung – was sollte es auch dort – es war natürlich bei der Tiernahrung untergebracht, das fand Theobald dann auch logischer. Es gab aber fünf verschiedene Sorten. Theobald und Arabella standen ratlos vor dem Vogelfutterregal. Theobald holte eine Tüte nach der anderen heraus und gemeinsam lasen sie alles, was auf den Tüten stand. Nachdem sie alles gelesen hatten, waren sie genauso ratlos wie vorher. Da kam eine ältere Dame auf sie zu und blieb vor dem Regal stehen. Sie zog rasch eine Tüte Vogelfutter heraus, nickte Ihnen freundlich zu und wollte wieder gehen.

„Darf ich sie mal fragen, welches Futter das Beste ist?“

„Los, frag sie doch“, hatte Arabella ihm nämlich vorher relativ laut zugeflüstert. Theobald gab sich dann schnell einen Ruck, sprach die Frau an, auch um zu verhindern, dass Arabella noch lauter wurde.

„Oh für welche Vögel brauchen Sie es denn“, fragte die Dame. Theobald und Arabella schauten sich fragend an – was sollte man darauf antworten, Vogel ist Vogel, dachten sie beide.

„Sind es Vögel draußen, oder haben sie Vögel im Haus“, wollte sie wissen. „Um Gottes willen, nein!“, rief Theobald, „die sind alle draußen! Es ist für meine Oma. Also natürlich nicht für meine Oma“, berichtigte er sich schnell, „sondern für die Vögel im Garten meiner Oma. Sie hat ganz viele Vogelhäuser im Garten und darin sind natürlich auch sehr viele Vögel. Ich nehme für meine Vögel immer das Futter in der blauen Tüte, aber das hat meine Oma nicht so gerne. Sie sagt, das schmeckt ihren Vögeln nicht so gut und sie sagt auch, das hat nicht genug Vitamine.“

„Aha“, sagte die Dame, „wer ist denn Ihre Oma?“

„Anastasia“ sagte Theobald.

„Ach, die gute alte Anastasia“, die Dame wurde nun sehr freundlich und war hocherfreut. „Dann musst Du, Theobald, ihr Enkel sein. Das ist ja toll, dass ich Dich mal kennenlernen darf! Ich habe schon so viel Schönes über Dich gehört. Es heißt, Du kannst die Menschen zum Lachen bringen, und ja, jetzt kann ich mir vorstellen, dass Du das kannst.“ Sie schaute Theobald an und lachte. „Also ich kenne Anastasia schon seit 94 Jahren. Wir haben mal früher zusammen einen Malkurs gemacht. Soweit ich weiß, nimmt sie immer dieses Futter für ihre Vögel. Ja, ja, ich erinnere mich, da ist sie ja ziemlich eigen, was ihre Tiere angeht.“ Sie zeigte auf eine grüne Tüte. „Das ist zwar das teuerste Futter hier, aber die gute Anastasia sagte immer, dass es das Beste ist.“

„Also gut, dann nehme ich das grüne Futter“, sagte Theobald. Er war froh, dass ihm geholfen wurde. „Oje, jetzt muss ich mich beeilen“, sagte die Dame. „Ich komme demnächst mal bei Anastasia zu einem kurzen Besuch vorbei. Richte ihr doch schon mal liebe Grüße aus von Marianne. Sie wird sich freuen. Wir haben uns lange nicht gesehen und viel zu erzählen. Ich hoffe, es geht Anastasia gut?“, fragte sie bereits im Weggehen.

„Sie hat sich …“, fing Arabella an, dann wurde ihr aber von Theobald der Mund zugehalten „ja sicher, es geht ihr gut, sie wird sich bestimmt sehr über Besuch in der nächsten Zeit freuen“, sagte Theobald stattdessen. Marianne zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Habe ich da noch eine andere Stimme als Deine gehört, Theobald?“, fragte sie nachdenklich. Theobald lächelte sie freundlich an und winkte ihr zu, wie zum Abschied. Marianne rieb sich kurz beide Ohren, lächelte, wenn auch etwas verunsichert, winkte, drehte sich um und ging zur Kasse. „Puh“, sagte Theobald, „nicht jedem musst Du auf die Nase binden, dass Anastasia krank ist, wer weiß, ob ihr das recht ist und außerdem kannte ich diese Frau ja gar nicht.“ Arabella war beleidigt und schmollte. Dass man ihr den Mund zuhielt, ging gar nicht, fand sie, auch wenn es Theobald war. Kurzzeitig sagte sie nichts. Das nutzte Theobald, um schnell zur Kasse zu fahren, seine Einkäufe zu bezahlen und den Supermarkt zu verlassen. Als er wieder auf der Straße stand, atmete er erleichtert auf. Das wäre geschafft und stolz war er auch, dass er diesmal nun wirklich nichts vergessen hatte.

Er klopfte sich selbst auf die Schulter. Zufrieden schlendernd trat er den Rückweg an. Jetzt würde er die Sachen zu seiner Oma bringen, vielleicht dort noch eine Tasse Tee trinken und dann würde er sich auf den Weg nach Hause machen. Arabella würde er bei Anastasia lassen und dann hätte er morgen den ganzen Tag für sich allein. Da könnte er jonglieren üben und seilspringen, das ging immer noch oft schief bei seinen Auftritten.

Er müsste nur noch Anastasia davon überzeugen, dass Arabella bei ihr viel besser aufgehoben war als bei ihm, aber das würde ihm schon ziemlich sicher gelingen, dachte er und war bester Stimmung, als er am Haus seiner Oma ankam.

Arabella

Подняться наверх