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Das Kollektivwesen heute: Immer mehr Menschen schließen sich zusammen

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Über die letzten Jahre hat sich die „kollektive Landschaft“ in Österreich also erheblich gewandelt. Während zum Zeitpunkt unserer Gründung nur ein anderes Hofkollektiv bestand und wir die Ersten waren, die seit langer Zeit neu starteten, gibt es inzwischen mehrere Lebensgemeinschaften und Hofkollektive, die in regem Austausch miteinander stehen. Plötzlich kam der Moment, an dem sich mehrere Gruppen gleichzeitig formierten und neue Orte im Kollektiv belebt wurden. Bei einem unserer Zusammentreffen kommentierte jemand dieses Phänomen so: „Wie die Pilze schießen jetzt die Kollektive aus dem Boden. Davor haben sie sich (wie das Myzel bei Pilzen) langsam im Untergrund formiert und ausgebreitet und plötzlich treten sie mehrfach in Erscheinung.“

Es gibt natürlich viele Hindernisse, die sich Kollektivwilligen auf der Reise in Richtung eines eigenen Hofkollektivs in den Weg stellen. Eine Zeit lang war die knappe Ressource „freie, erschwingliche Höfe“ (also der Mangel daran) ein ausschlaggebender Grund dafür, dass keine neuen Kollektive zustande kamen. Es haben sich Gruppen formiert, die sich theoretisch mit dem Leben im Kollektiv auseinandergesetzt haben und nach möglichen Plätzen suchten. Wir haben auch mitbekommen, dass sich Gruppen nach Jahren der Suche wieder aufgelöst haben, weil sie keinen passenden Ort gefunden haben und die Beteiligten dann beschlossen, in ihrem Leben andere Ziele weiterzuverfolgen. Die Energie dafür, das Vorhaben umzusetzen, ist schwer zu halten, wenn nicht irgendwann absehbar wird, dass mensch die Ideen auch verwirklichen kann.

Aus unserer persönlichen Beobachtung hängt die Aktivität der letzten Jahre insbesondere damit zusammen, dass junge Menschen in unserem Alter Höfe von ihren Großeltern oder Eltern übernehmen können. Da gibt es jetzt auf einmal viele mögliche Orte, die gemeinsam bezogen werden könnten. Ob und wie sich dann eine passende Gruppe dazu formiert, ist gar nicht so sicher. Manchmal stehen auch ganz klassische Themen rund um die Hofübergabe im Raum. Zum Beispiel sind Eltern oder Großeltern vielleicht nicht einverstanden damit, dass der Hof mit anderen zusammen weitergeführt wird. Manchmal ist alleine schon die Umstellung von konventioneller auf biologische Produktion eine Schwierigkeit. Es gibt also häufig das Problem, dass mensch als zusammengeschweißte Gruppe mit gleichen Zielen und Interessen keinen passenden Schaffensort findet. Und andererseits kann es sein, dass mensch als Hofübernehmer*in mit Kollektivambitionen keine Gleichgesinnten findet oder dass die familiären Hürden zu groß sind. Daneben gibt es natürlich noch die Möglichkeit, dass der gemeinsame Fokus fehlt. Manche Kollektive starten und verlieren sich schon nach kurzer Zeit in unauflösbaren Konflikten oder unüberwindbaren Herausforderungen.

Jedes Kollektiv in Österreich hat seine ganz individuelle Geschichte. Wir unterscheiden uns alle – sei es in der Zusammensetzung der Menschen oder der Ausrichtung im Hinblick auf die Tätigkeiten. Nicht zuletzt sind die Orte selbst sehr verschieden. Aber: Es gibt dieses große Gefühl des Zusammenhalts. Wir fühlen uns miteinander verbunden und teilen viele ähnliche Erfahrungen und Lebenssituationen. Und nicht zuletzt natürlich: die gemeinsame Vision von einer nachhaltigeren Welt.


› Zusammen leben, arbeiten, wirtschaften, teilen – klingt doch gar nicht so schlecht, oder?

Deine Checkliste zur Kollektivgründung

Du hast Bock darauf, dich mit anderen zusammenzuschließen? Oder kennst du vielleicht schon ein paar coole Menschen, mit denen du dir vorstellen könntest, das Abenteuer Kollektiv zu wagen? Hier haben wir ein paar Tipps für dich zusammengefasst, wie du dich auf den Weg dorthin machen kannst.

FINDET EURE CREW: Ja, unserer Meinung nach ist es tatsächlich am besten, wenn die Gruppe schon zu Beginn, also im ersten Schritt, zusammenfindet. Vielleicht hast du ja bereits Freund*innen, die eine ähnliche Vorstellung wie du haben? Oder du suchst noch nach Gleichgesinnten – dann schau dich auf Kollektivveranstaltungen oder in Internet-Gruppen oder -Foren um. Das Wichtigste am Kollektiv sind die Menschen, die es ausmachen. Es gilt, früh herauszufinden, ob eure Vorstellungen im Blick auf die Gruppe und eure Zukunft übereinstimmen – und ob es einfach menschlich zwischen euch passt.

LERNT DAS KOLLEKTIVWESEN KENNEN: Wer sich für die eigene Kollektivgründung interessiert, tritt am besten auch gleich mit anderen Kollektiven in Kontakt, z. B. bei Vernetzungstreffen oder einfach direkt über Mail oder Telefon. So kann mensch Tipps von Kollektiv-Erfahrenen einholen. Vielleicht erkennst du dann ja auch, dass es doch nichts für dich ist. Oder es bestärkt dich darin, den Weg weiter zu verfolgen.

ORGANISIERT EUER ZUSAMMENLEBEN: Es reicht nicht, einfach die gleichen Vorstellungen zu haben – wer sich unvorbereitet ins gemeinsame Leben stürzt, wird über kurz oder lang wahrscheinlich vor den Kopf gestoßen. Es braucht einen organisatorischen Rahmen. Das beginnt damit, eine Rechtsform (z. B. Verein oder Genossenschaft) zu wählen, die zu euch passt, um das Kollektiv zu gründen. Es empfiehlt sich auch, Überlegungen zur Entscheidungsstruktur und Besitzstruktur zu verschriftlichen. Wenn ihr eine gemeinsame Solidarökonomie verfolgen möchtet, bietet es sich an, Ein- und Ausstiegsverträge zu formulieren, in denen festgehalten wird, wie viel die Einzelnen einbringen bzw. wieder mitnehmen, sollten sie das Kollektiv verlassen.

FINDET EINEN SCHAFFENSORT: In der zeitlichen Abfolge verlaufen die Gruppenfindung, Kollektivgründung und Ortssuche oft parallel. Ein passendes Plätzchen zu finden, stellt sicher eines der größten Probleme dar. Mit Blick auf die Hofbewirtschaftung gibt es glücklicherweise inzwischen viele Online-Foren und -Börsen, in denen sich Hofanbieter*innen und -übernehmer*innen vernetzen können (schau auf Seite 255). Nähere Infos zu anderen kollektiven Wohnformen findest du auf Seite 41.

GEHT DIE FINANZIERUNG AN: Wollt ihr als Gruppe einen Hof übernehmen oder eine Liegenschaft mieten oder kaufen, geht es um große finanzielle Aufwendungen. Auch hier sei gut überlegt, welches Finanzierungsmodell am besten zu euch passt und wie ihr das gemeinsam am besten organisiert. Unterschiedliche bzw. bewährte Arten von Finanzierungsmöglichkeiten für das kollektive Leben (abseits des klassischen Bankkredits) stellen wir dir ab Seite 177 vor.

FINDET IMMER WIEDER ZUEINANDER: Es ist geschafft – ihr habt euch gegenseitig und einen Platz zum Leben gefunden? Wunderbar. Dann geht es nämlich erst wirklich los. Ja, du hast uns richtig gehört: Jetzt stellt sich heraus, ob alle Vorbereitungen Früchte tragen werden. Viele Gruppen brechen nach kurzer Zeit auseinander, weil sich herausstellt, dass die Mitglieder doch zu unterschiedliche Visionen haben. Unser Tipp: Lasst euch Zeit. Lernt euch kennen. Seid geduldig. Gerade in der Anfangsphase schwankt die Gemütslage zwischen dieser Euphorie, gemeinsam etwas geschaffen zu haben, den eigenen Weg eingeschlagen zu haben, und der Ungewohntheit des Kollektivlebens. Gebt euch die Zeit für die Eingewöhnungsphase. Findet heraus, was für euch am besten funktioniert. Eine offene und häufige Kommunikation ist essenziell. Findet Wege dafür, wie ihr die Kommunikation und Entscheidungsfindung gestalten könnt. Anpassungen an eurer Organisationsform sind immer wieder nötig und vor allem bei längerem Bestehen auch besonders wichtig für die Weiterentwicklung.

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