Читать книгу #pwned - Holger Junker - Страница 12
Mittwoch, 19:12, Köln
ОглавлениеNach der Landung am Flughafen Köln-Bonn deaktivierte Hubert den Flugmodus in seinem Handy. Egal ob nun Smartphones ein Flugzeug tatsächlich stören konnten oder nicht – es war immer mal wieder schön, ohne schlechtes Gewissen das Handy ausschalten zu dürfen und für niemanden erreichbar sein zu müssen.
Eine SMS von Karina:
»Ruf mich mal bitte an.«
»Oh man, was sie wohl jetzt schon wieder hat.«, dachte Hubert.
Hubert war sauer auf seine Frau, weil seit der Trennung nicht mehr sachlich mit ihr zu reden war. Aber er vermisste sie und den kleinen Janus dennoch. Er beschloss, sie umgehend anzurufen. Auch wenn sein Sohn schon schlafen würde, bis er in Bonn angekommen wäre, könnte er ihn wenigstens noch einmal kurz sehen. Vielleicht war auch ein Gespräch mit Karina möglich.
»Hallo Hubert, warst Du unterwegs?«
Sie klang so freundlich wie schon lange nicht mehr. Das wunderte Hubert, ließ ihn aber auf eine Entspannung der zerfahrenen Situation hoffen.
»Hi Karina, ja ich war auf einer Konferenz in Berlin. Bin eben gelandet.«
»Du, ich habe ein Problem mit dem Internet und muss dringend was online erledigen. Könntest du mir bitte helfen?«
Hubert musste sich zusammenreißen. Jetzt war er wieder gut genug, wenn es darum ging, den Computer zu reparieren. Aber es war eine Gelegenheit, seine Familie zu sehen. Vielleicht hatte Karina ja auch Sehnsucht nach ihm und wollte es nur nicht offen sagen.
»Ich brauche etwa noch 30 Minuten bis zu Dir.«
»Das ist lieb von Dir. Ich freue mich schon auf Dich. Bis gleich.«
Kurze Zeit später fuhr Hubert vor Karinas Wohnung vor. Es war ein seltsames Gefühl, klingeln zu müssen, um zu seiner eigenen Familie zu kommen..
»Karina Jansen«, stand auf dem Schild bei der Klingel. Es war ein erdrückendes Gefühl für Hubert daran zu denken, dass hier in knapp einem Jahr wieder der Name Karina Weyel stehen könnte, wenn bis dahin die Scheidung durch war und sie wieder ihren Mädchennamen tragen würde.
Karina öffnete die Tür. Sie hatte dieses weinrote Kleid an, das Hubert immer so an ihr gemocht hatte. Zufall? Hubert wurde das Gefühl nicht los, dass Karina sich mehr auf ihn gefreut hatte als er angenommen hatte.
»Danke, dass Du direkt vorbeigekommen bist, Hubert.«
»Kein Problem. Darf ich noch mal kurz ins Kinderzimmer linsen, bevor ich deinen Rechner checke?«
»Klar, aber sei bitte leise.«
Tief und fest schlafend lag der kleine Janus in seinem Kinderbettchen. Hubert wäre am liebsten für immer in diesem Moment verweilt. Es war ein friedlicher Moment der Familie – in letzter Zeit eine Rarität.
»Na komm. Dann schauen wir uns mal Deinen Computer an. Schalte den bitte ein und melde Dich mit dem Passwort an. Ich schau auch nicht hin.«
Für Hubert wäre ein Passwortschutz keine Hürde, aber es war eher als Zeichen des Anstands zu verstehen, dass er nicht hinschaute.
»Hubert, hast du Lust, mit mir einen Wein zu trinken?«
»Ja klar, warum nicht.«
Karina ging in die Küche und holte eine Flasche Rotwein. „Försterhof“ stand auf dem Etikett. Wieder so ein Zufall. Eine Flasche Wein von dem kleinen Weingut an der Ahr, auf dem sie vor einigen Jahren ihre Hochzeit gefeiert hatten.
Hubert nahm die Flasche in die Hand und beäugte das Etikett.
»Försterhof. Weckt Erinnerungen.«
Karina lächelte und wandte ihren Blick verschämt von Hubert ab.
»Guck an. Ich hab das Problem schon gefunden. Dein WLAN ist auf einen festen Kanal eingestellt und überlagert sich mit anderen WLANs aus der Nachbarschaft.«
Hubert nahm sein Smartphone zur Hand und startete den „Wifi Analyzer“. Dieser zeigte die verfügbaren WLANs in der Umgebung an. Auf Kanal 9 waren vier Netze parallel aktiv.
»So, wir schalten jetzt den Router auf eine dynamische Zuordnung. Dann einigen sich Dein Router und der PC automatisch auf einen geeigneten Kanal.«
»Ich danke dir. Hast Du eigentlich Hunger? Wie wäre es mit etwas zu knabbern?«
»Ja, warum nicht. Ich schau mal, ob jetzt auch alles einwandfrei funktioniert.«
Als Karina in die Küche ging, klickte sich Hubert schnell auf einen anderen Teil der Router-Konfiguration. Wenn er schon mal legitim Zugang zur Konfiguration hatte, so wollte er das jetzt ausnutzen.
Karina hatte ein drahtloses DECT-Telefon, welches den Router als Basisstation benutzt. DECT war schon vor vielen Jahren als unsicher bewiesen worden. Einige DECT-Geräte konnten verschlüsselt mit der Basisstation kommunizieren. Das war sicherer als ohne Verschlüsselung, aber auch nicht besonders gut. Ungeschützte Kommunikation mit DECT war aber mit einfachsten Tricks abzuhören.
Hubert schaltete die DECT-Basisstation auf „Repeater Modus“. Durch diesen Modus wurde die Verschlüsselung deaktiviert. Eigentlich war diese Funktion dafür gedacht, wenn man in einem Unternehmen einen größeren Verbund von DECT-Geräten hatte und die Abdeckung flächendeckend gegeben sein sollte. Das Gute daran war, dass jemand, der das nicht wusste, aus den Erläuterungen in der Administrationsoberfläche keinen Verdacht schöpfen würde. Wenn der Hersteller wenigstens einen Hinweis in der Anleitung platziert hätte, dass diese Einstellung sicherheitskritisch sein konnte. Aber Fehlanzeige. Der Hersteller hatte dies versäumt – aber wie viele Besitzer dieses Routers hätten einen solchen Hinweis wohl gelesen? Und wie viele hätten ihn tatsächlich beachtet?
»Eine Hintertür zu haben ist doch nicht verkehrt. Wer weiß, wofür das noch gut sein kann.«, dachte sich Hubert.
Karina kam aus der Küche und sah, dass Hubert immer noch am PC saß.
»Ich dachte du wärst schon fertig?«
Karina Stimme ließ erkennen, dass sie misstrauisch war.
»Ich mache gerade noch ein Backup von der Konfiguration des Routers. Wenn der mal ausfällt musst Du nur diese Datei wieder hochladen und Du ersparst Dir...«
»... Dich anzurufen. Ja, ich weiß.«
Karina und Hubert setzten sich auf die Couch. Seit dem Auszug hatte Hubert darauf nicht mehr gesessen. Viele Erinnerungen wurden dabei wach. Karina schenkte ihm Wein nach.
»Ach komm, wir trinken noch ein Glas Wein, Hubert. Ist gerade schön mit Dir.«
»Ja, solange bis ich wieder einen falschen Ton sage und Du mir an den Hals springst, du hinterhältiges Stück.«, dachte sich Hubert. Aber er schaffte es ausnahmsweise, seine Wut für sich zu behalten. »Ok, aber nur noch ein halbes Glas, bitte. Ich muss ja noch nach Hause fahren.«
»Wer weiß, noch ein Glas mehr und ich will vielleicht gar nicht, dass Du nach Hause fährst.«
Der Gedanke an eine Annäherung war für Hubert verlockend. Aber was wollte Karina eigentlich jetzt genau? Und was wollte er selbst? Wenn er ehrlich zu sich selbst war und seine momentanen körperlichen Bedürfnisse ausblendete, dann blieb unter dem Strich nur ein riesiges Misstrauen, das sich Karina gegenüber aufgebaut hatte.
»Du, ich muss morgen früh raus. Deshalb halte ich das für keine so gute Idee.«
»Schade, aber wenn Du meinst.«
Hubert trank sein Glas aus und verabschiedete sich. An der Tür umarmte ihn Karina und gab ihm einen Kuss auf die Backe.
»Danke, dass Du das mit dem Computer gemacht hast.«
Kurze Zeit später war Hubert in seinem Haus angekommen. Immer wieder schwankte er zwischen Euphorie für eine Annäherung an Karina einerseits und einem berechtigten Misstrauen ihr gegenüber andererseits. Auch an die hübsche Beamtin des BKA musste er denken.
Huberts Gedankenspiele wurden von dem Klingeln an der Tür unterbrochen.
»Guten Abend Herr Jansen. Ahrends mein Name von der Polizei Bonn.«
Vor Hubert standen zwei uniformierte Beamte, die ihn sehr kritisch beäugten.
»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«
»Herr Jansen, haben Sie Alkohol getrunken?«
»Ja, ich habe ein Glas Wein bei meiner Frau getrunken.«
»Nur ein Glas? Und sie sind dann hierher mit dem Auto gefahren, richtig?«
»Korrekt. Aber...«
»Herr Jansen, wären Sie mit einem Alkoholtest einverstanden?«
»Natürlich.«
Einer der Beamten holte einen Alkotest aus dem Dienstwagen, während der zweite Beamte Hubert misstrauisch bewachte.
»Sagen Sie bitte, wie kommen sie denn so gezielt auf mich?«
»Das tut nichts zur Sache, Herr Jansen. Was zählt sind die Fakten.«
Es gab nur eine Person, die wusste, dass er Alkohol getrunken hatte. Aber war Karina wirklich so eiskalt?
Hubert pustete in das Testgerät. Nach einer kurzen Zeit gab dieses einen Signalton von sich.
»0,3«, sagte der zweite Beamte.
»Na, da haben sie ja noch mal Glück gehabt. Sie sollten sich in ihrem eigenen Interesse heute nicht mehr ans Steuer setzen.«
»Ich weiß genau, wer Sie geschickt hat. Glauben Sie mir, von Glück kann in dieser Ehe schon lange keine Rede mehr sein. Aber vielleicht sollten sie auch meine Frau besuchen. Wir haben zusammen Wein getrunken und immerhin ist unser Sohn bei ihr.«
»Ach Herr Jansen...«
»Ich weiß, das war auch nicht ernst gemeint. Ich habe einen Fehler gemacht und gebe das ja auch zu.«
Nachdem die Beamten die Personalien von Hubert notiert hatten, war er endlich wieder alleine. Karina konnte doch nicht so unverfroren sein. Aber wer sonst sollte die Polizei informiert haben?
Die Verlockung, jetzt Karina anzurufen, war groß. Aber was sollte das bringen? Wahrscheinlich würde sie sich noch darüber amüsieren, wenn Hubert sich aufregte. Da hatte Hubert eine Idee. Wenn sie die Polizei gerufen hatte, dann entweder mit dem Handy oder über Festnetz – im letzteren Fall würde er noch einmal in die Nähe Ihrer Wohnung fahren müssen, um sich in den WLAN-Router einzuloggen und dort die Verbindungsdaten zu prüfen. Er schaltete sein Notebook ein und ging auf die Webseite des Mobilfunkproviders von Karina. Als Login waren die Telefonnummer und ein Passwort erforderlich. Der durchschnittliche Anwender verwendete nicht mehr als zwei unterschiedliche Passwörter. Auf einen Versuch mit Karinas Standardpasswörtern wollte es Hubert ankommen lassen. Vermutlich würde nach drei fehlerhaften Logins der Account gesperrt werden. Das Passwort für ihren Webmailer kannte Hubert ebenfalls, sofern sie es nicht kürzlich geändert hatte. Notfalls konnte Hubert also versuchen, beim Mobilfunkanbieter die „Passwort vergessen“-Funktion zu benutzen.
Mit „123sonnenblume“, einem von Karinas Standardpasswörtern, war der Login erfolgreich. Einmal mehr bestätigte sich Huberts Meinung, dass Passwörter der am meisten überholte Sicherheitsmechanismus von allen waren.
Wenn es um IT-Sicherheit ging, waren die Menschen so berechenbar. Hubert wusste nicht, was der größere Fehler von Karina war. Immer nur dieselben zwei Passwörter zu benutzen oder diese nach der Trennung nicht zu ändern. Das erste, was Hubert nach Karinas Auszug gemacht hatte, war die Änderung von allen Passwörtern gewesen.
Seinen Geschäftskunden definierte Hubert für solche Fälle organisatorische Regelungen unter der Überschrift „Starters, Leavers & Movers“. Wenn jemand neu in das Unternehmen hineinkam, seine Position wechselte oder aus dem Unternehmen ausschied, mussten bestimmte Prozesse angestoßen werden. Hierzu gehörte das Deaktivieren von Nutzeraccounts, das Anpassen des Rechtekonzepts oder auch das Ändern von Passwörtern, die mehreren Personen bekannt waren.
Hubert schaute sich im zugangsbeschränkten Bereich um. Kundendaten, Bankverbindung, Paketoptionen, … da: Einzelverbindungsnachweise. Die Liste dieser Einzelverbindungsnachweise wurde bei diesem Provider zeitnah automatisch erstellt. Dort tauchte als letzte Nummer der Notruf auf. War das alles eiskalte Berechnung gewesen? Wenn Hubert noch ein Glas Wein getrunken hätte, wäre es wohl eng geworden mit Blick auf seinen Führerschein und eine strafrechtliche Verfolgung. Wollte sie so ihre Chancen für den Ausgang der Scheidung verbessern?
Ganz gleich wie sauer Hubert gerade war – er durfte sich jetzt nicht zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen lassen. Das wäre genau das, was Karina jetzt die größte Genugtuung verschaffen würde. Prinzipiell durfte er nicht mehr wie üblich derart impulsiv reagieren, da er dies später immer bereute.
Hubert hinterfragte sich in den letzten Tagen immer wieder selbst, ob er Karina eigentlich zurückhaben wollte oder nicht. Doch war er überhaupt in der Position, dies zu entscheiden? War Karina nicht schon längst so weit gegangen, dass es kein Zurück mehr gab? Warum sonst sollte Karina jetzt mit derart harten Bandagen kämpfen? Vermutlich musste sich Hubert darauf einstellen, dass der Kampf um das Sorgerecht und um jeden einzelnen Euro von nun an mit allen Mitteln geführt werden würde.
Den ersten Geschmack hatte Hubert schon einen Tag nach Karinas Auszug bekommen. Hubert hatte Karina die Herausgabe einiger Dinge verweigert, die Karina von ihm gefordert hatte. Daraufhin hatte Karina die Polizei gerufen, die noch versucht hatte, zu schlichten.
Vielleicht hatte Hubert seine Frau völlig falsch eingeschätzt. Möglicherweise waren entgegen Huberts bisheriger Annahme schon viele Dinge vor dem Auszug von Karina von langer Hand geplant gewesen. Hubert musste jetzt umdenken, wenn er in dem von Karina eröffneten Kampf nicht untergehen wollte.
Der Zugriff auf Karinas Telefonate und Verbindungsdaten sowie ihre E-Mail war ein erster Schritt. Eine zentrale Rolle würde Karinas Rechtsbeistand für das Scheidungsverfahren einnehmen. Eine Anwaltskanzlei war ein perfektes Opfer. IT-affine Personen waren in diesem Umfeld meist nicht zu finden. Somit war die Wahrscheinlichkeit groß, dass dort jemand auf eine manipulierte E-Mail hereinfallen würde. Auf Knopfdruck könnte Hubert dann ein Remote Access Tool installieren – eine Software, die ihm den Vollzugriff auf den befallenen PC und das Ausbreiten im gesamten Büronetz ermöglichen würde. So könnte Hubert frühzeitig über alle rechtlichen Schritte informiert sein, die Karina ergreifen würde. Er beschloss, diese Idee fürs Erste nicht zu realisieren, sondern für einen späteren Zeitpunkt im Hinterkopf zu behalten. Möglicherweise würden sich auch noch weitere Ziele als sinnvoll erweisen.