Читать книгу #pwned - Holger Junker - Страница 6
Dienstag, 17:33 Uhr, Bonn
ОглавлениеKarina atmete tief durch. Nach einem anstrengenden Tag hatte sie Janus endlich in sein Bett legen können. Die Tage waren noch viel länger und die Nächte deutlich kürzer geworden als ohnehin, seitdem sie sich von Hubert getrennt hatte.
Sie nahm ihr Notebook und suchte nach einem Schreibblock. Dabei fiel ihr ein Familienphoto in die Hand. Das Bild zeigte sie und Hubert mit Janus, als sie gemeinsam an der niederländischen Küste im Urlaub waren. Es war eine gute Zeit gewesen, die nun so unendlich weit weg schien. Warum nur hatte das alle kaputt gehen müssen? Wo hatten sie sich verloren? Karina hatte für Hubert alles aufgegeben – ihre Unabhängigkeit, den schon seit der Schulzeit bestehende Freundeskreis und das unbeschwerte Leben als Single. Wegen ihm war sie nach Bonn gezogen, noch bevor sie überhaupt einen Job in Aussicht hatte. Als Krankenschwester war es ohnehin nicht einfach, eine Stelle zu bekommen. In ihrer Heimat hatte sie eine gute Stelle gehabt, bei der auch die Bezahlung vergleichbar gut gewesen war. Hier in Bonn war die Konkurrenz so groß, dass die Krankenhäuser es gar nicht nötig hatten, mehr als das Minimum zu zahlen. Im Endeffekt war ihr Stundenlohn nicht höher als der der Reinigungskräfte – dafür war der Job ungemein härter.
»Warum verdammt noch mal?«, rief sie – sauer auf sich selbst, weil sie merkte, dass sie die Tränen kaum noch zurückhalten konnte.
Nein, sie durfte sich nicht schon wieder in Vorwürfen und Selbstmitleid wälzen. Es war Huberts Schuld, dass sie nun in dieser Situation war – allein mit Janus, mit sehr viel weniger Geld als vorher und gefühlt keiner freien Minute am Tag und in der Nacht. Währenddessen hatte Hubert nun alle Freiheiten.
Es war Huberts Schuld, und das wollte sie ihn nun spüren lassen. Schon vor ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haus, als der Mietvertrag für eine neue Wohnung längst unterschrieben war, hatte sie zunehmend ihre Laune an Hubert ausgelassen. Seit dem Auszug vor einer Woche hatte sie ihm gegenüber auch bei jeder Gelegenheit gezeigt, dass sie von nun an die Regeln bestimmen würde. Sie hatte ihn schon mehrfach versetzt, als er Janus sehen wollte. Sie hielt sich auch nicht an die Absprachen, denen Hubert gezwungenermaßen zugestimmt hatte. Aber das genügte ihr nicht.
»SCHLACHTPLAN«, schrieb Karina in großen Lettern auf den Block.
Wie konnte sie ihre Situation weiter verbessern und gleichzeitig Hubert für das büßen lassen, was er ihr angetan hatte?
»Geld. Geld soll für ihn nicht mehr selbstverständlich sein.«, sagte Karina vor sich hin, während sie das Wort „Geld“ hinter den ersten Spiegelstrich schrieb. Einen Anwalt hatte sich Karina schon vor dem Auszug aus dem gemeinsamen Haus gesucht. Das Thema Geld würde ihr Anwalt fürs Erste übernehmen.
„Kind“ war der nächste Begriff. »Janus ist mein Kind, nicht seines. Ich mache all die Arbeit. Janus braucht mich und er soll auch nur noch mich lieben.«
Das Kind als Druckmittel einzusetzen – davor hatte sie ihr Anwalt gewarnt. Karina hatte das gar nicht gepasst. Am liebsten hätte sie sich einen anderen juristischen Beistand gesucht. Aber auf mehrfache Empfehlung hatte sie sich denjenigen Anwalt herausgesucht, der in Bonn als „harter Hund“ bekannt war, wenn es um die finanziellen Aspekte einer Scheidung ging. Klar, daran verdiente er ja auch ganz gut mit. Was das Sorgerecht anging, hatte er ihr erst einmal zur Geduld geraten. Wahrscheinlich würde es das Beste sein, wenn sie sich zunächst selbst darum kümmern würde.
»Arbeit. Hubert, Deine Arbeit war Dir immer wichtiger als die Familie. Überstunden und Dienstreisen wieder und wieder. Deine tolle Arbeit, die werde ich Dir schon vermiesen.« Somit wurde „Arbeit“ der Begriff Nummer drei.
»Vortrag Hubert Jansen«, gab Karina in das Suchfeld bei Google ein. Sie wollte möglichst viele Termine in Erfahrung bringen, an denen Hubert beruflich unterwegs sein würde. Gerade bei Terminen an einem Freitag oder Montag könnte sie das vielleicht benutzen, um ihm ein Problem mit den Umgangszeiten zu bescheren. Nach einer halben Stunde hatte Karina eine stattliche Liste von Terminen, die Hubert haben würde.
»Liebe. Das habe ich ja ganz vergessen. Ach scheiß drauf. Hubert weiß gar nicht, was das ist. Ich schreibe wohl besser „Sex“ auf.«, sprach Karina zu sich selbst, während sie einen vierten Spiegelstrich ergänzte.
Sie wollte als Nächstes wissen, mit wem sich Hubert nun wohl verabredete. Doch weder Facebook noch Google+ brachten ihr irgendeinen Erkenntnisgewinn. Typisch Hubert und seine Sicherheit. Er hielt nicht sehr viel von sozialen Netzen und nutzte diese auch nicht besonders häufig, da er in ihnen in erster Linie ein Medium zur Selbstdarstellung und der virtuellen Offenbarung sah. Mit den von ihm gewählten Einstellungen zur Privatsphäre konnte Karina praktisch nichts sehen. Zumindest hatte er ihr die virtuelle Freundschaft noch nicht gekündigt. Bei Twitter war es noch schlechter, denn dies benutzte Hubert nur für berufliche Themen. Beim genaueren Blick auf die Tweets von Hubert ärgerte sie sich über die Recherche, die sie in der letzten halben Stunde gemacht hatte. Ein Blick hierauf hätte genügt, denn er schien dort alle öffentlichen Termine und Konferenzteilnahmen anzukündigen.
Vorbei war es mit der Ruhe für Karina, als Janus zu schreien begann. Sie ging zu ihm und nahm ihn zu sich in ihr eigenes Bett. Nach wenigen Minuten waren sowohl Janus als auch Karina eingeschlafen.