Читать книгу Das Törtchen-Team wird flügge! - Honora Holler - Страница 5
Das darf nicht wahr sein!
ОглавлениеDie Tage an der Ostsee schienen nur so dahin zu rasen. Tagsüber waren sie entweder am Strand oder machten Fahrradausflüge in die Umgebung. Abends trafen sie sich entweder im Garten der alten Villa oder bei Herrn Gustavs Verwandten zum gemeinsamen Abendessen. Herr Gustav entpuppte sich als Charmeur: Er scherzte mit den Müttern, half in der Küche und gab gerne Gesangseinlagen, wenn er am Grill stand. Selbst Alba musste zugeben, dass ihr Lehrer wirklich nett war - was sie aber nicht vorhatte, ihrer Mutter zu sagen.
„Ich mag nicht packen“, maulte Onta am letzten Morgen. Sophie schaute sie mitfühlend an. „Aber du musst, morgen beginnt die Schule wieder“, zog sie ihre Freundin auf. Worauf Onta nur mit einem noch tieferen Seufzer antwortete. Demonstrativ ordentlich faltete sie ihre Sachen zusammen und legte sie in den offenen Koffer. „Das große Prüfungsjahr“, murmelte Onta leise, als sie ihren Koffer mit bedächtigen Handgriffen schloss und zu Sophie aufblickte. „Ja“, nickte Sophie nachdenklich. Das große Prüfungsjahr, hoffentlich ging es ohne große Überraschungen vonstatten.
Mit wehmütigem Blick verabschiedeten sie sich von ihrem Gasthaus und dem Strand. Schön war es gewesen, meinten beide Mütter im vorderen Teil des Autos, als sie losfuhren. Taktvoll ignorierten sie die Tränchen, die den beiden Freundinnen im hinteren Teil des Wagens hinunterliefen.
Mit einem leisen Klacken schloss Frau Morgenbesser fünf Stunden später die Tür zu ihrer Wohnung auf. Eigentlich hatte sie schon früher da sein wollen, doch der Umtrunk im Hummelischen Garten hatte sie aufgehalten. Aimee hatte Onta und Sophie angegrinst wie ein Honigkuchenpferd und auch ihr Mann, hatte sie mit sonderbaren Blicken angeschaut. Onta hatte daraufhin frech gefragt, ob sie denn schon wieder Tante werden würden, doch außer einem verneinenden Lachen keine Antwort bekommen. „Ich bin sicher, da ist was im Busch“, hatte sie Sophie beim Gehen zugeraunt.
Sophie sah, als sie die Wohnung betraten den Stapel Post als erste. Babette ihre Nachbarin und Mitschülerin von unten, hatte alles schön ordentlich auf den Küchentisch gestapelt. „Himmel, so viel Post“, konnte sie ihre Mutter stöhnen hören, als diese den Tisch betrachtete. Sophie linste über den Rücken ihrer Mutter, was nach dem letzten Wachstumsschub, kein großes Problem mehr darstellte. Und sofort hatte der große cremefarbene Umschlag, der rechts außen lag, ihre Aufmerksamkeit magisch anzog. „Ist das ein Brief von der Schule“, fragte sie scheinheilig und deutet darauf. „Hm, sieht so aus“, antwortete ihr Mutter gedehnt und nahm ihn in die Hand. „Aber der ist an mich adressiert“, antwortete diese spitzbübisch grinsend und legte ihn unter den Stapel der übrigen Post. Gemein, dachte Sophie und verzog sich in ihr Zimmer. Vielleicht hatte sie eine Nachricht in ihrem Postfach. Doch da war nur eine Mitteilung, dass sie sich morgen um neun Uhr in der Aula einfinden sollte. Frustriert packte sie ihren Koffer aus.
Beim gemeinsamen Abendessen, hatte auch ihre Mutter, genauso wie Aimee und Richard ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. Sie bekam von ihr allerdings keine Antwort auf die Frage, was denn die Schule geschrieben hatte. Sie müsste wohl auf den nächsten Tag warten, wenn sie es wissen wollte, dachte sie mürrisch, als sie einschlief.
Das saßen sie nun. Sophie schaute sich um. Alle waren da, keine Abgänge. Alle warteten gespannt, ob Direktor Grün oder Frau Sturmvoll das neue Schuljahr eröffnen würden. Zu viele Überraschungen sollte es nicht geben, hoffte sie. Es war schließlich ihr großes Prüfungsjahr. „Wisst ihr eigentlich, dass wir diese Prozedere gar nicht mehr so oft über uns ergehen lassen“, flüsterte Onta zu ihren Freundinnen. „Nur noch drei Mal, dann sind wir mit der Schule fertig“, fügte sie mit einem Seufzer hinzu. Alle nickten und ließen sich diesen Gedanken, dass in drei Jahren mit der Friedrich-Stein-Schule alles zu Ende sein würde, durch den Kopf gehen. Nach ein paar Augenblicken der Stille meinte Lulu aufmunternd: „Weshalb wir diese Zeit besonders genießen müssen.“ Sie warf Onta einen Seitenblick zu: „Ihr wisst schon, uns extra anstrengen und viel lernen“, raunte sie mit ernster Miene. Bevor jemand auf die Spitze eingehen konnte, erstarben alle Geräusche. Der Vorhang der Bühne bewegte sich. Nervös strich sich Sophie über ihren Rock.
Herr Grün trat hervor. Ein kaum wahrnehmbares erleichtertes Seufzen tönte durch das Auditorium, bevor der Applaus aufbrandete. „Vielen Dank“, begann Direktor Grün seine Ansprache, nachdem der Beifall verstummt war. „Ich freue mich, euch zu euerem großen Prüfungsjahr begrüßen zu dürfen.“ Er machte eine Pause, um dem Gesagten Raum zu geben. „Wie ihr wisst, müsst ihr ab Februar eine Reihe von Prüfungen absolvieren praktische wie theoretische. Ich bin zuversichtlich, dass die letzten Jahre euch gut für diesen Marathon vorbereitet haben. Die Details werden euch eure Schwerpunktlehrer erklären. Und nach den Prüfungen dürfen, die die bleiben werden, sich mit den Planungen des Landschulheims für die siebte Klasse befassen. Doch jetzt werde ich euch über die Neuerungen, die euch betreffen werden, sollte ihr der Schule treu bleiben informieren.“
Sophie konnte förmlich hören, wie es in den Gehirnen ihrer Mitschüler ratterte. Neuerungen?! Schule treu bleiben?! Das hörte sie sehr nach dem Einfluss von Frau Sturmvoll an. Sie schaute zu Suki und Onta. In Sukis Gesicht spiegelte sich ihre Sorgen wieder, wohingegen Onta aussah, als würde sie dies alles nicht betreffen. Sophies Magen zog sich zusammen. Über die Zeit nach den Prüfungen hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich in den zwei letzten Schuljahren, auf ihre Schwerpunktgebiete zu beschränken. Anderseits konnten die Schüler der Friedrich-Stein-Schule auch die Schule nach der zehnten Klasse mit ihrem Abschluss verlassen.
Direktor Grün räusperte sich vernehmlich, woraufhin alle wieder nach vorne schauten. „Es wird in der Oberstufe eine Umstrukturierung geben, angepasst aus euren Erfahrungen des letzten Jahres, den Veränderungen unsere Zeit und hinsichtlich eurer Zukunftsaussichten. Eigentlich war es für unsere Absolventen nie ein Problem, einen Platz in der Berufswelt zu finden und sich in der Welt der Erwachsenen erfolgreich zu behaupten. Doch leider hat sich gezeigt, dass sich die Zeiten wandeln und wir euch noch besser auf die Zeit nach der Schule vorbereiten wollen. Ihr werdet die ersten sein, die das neue Oberstufenprogramm in vollem Umfang nutzten, könnt. Ich stelle es euch hier nur in groben Zügen vor, da es im Herbst eine große Informationsveranstaltung geben wird. Zuerst einmal möchte euch die Schule eine Berufsausbildung anbieten, die euch einen sogenannten „Brotjob“ gewährleisten soll, bis ihr in euren Wunschberufen angekommen seid. Des Weiteren wird es Wohneinheiten geben, in denen ihr autonomes Wohnen erlernen sollt. Für die Zeit eures Schuljahrs wohnt ihr mit euren Mitschülern in kleinen Gemeinschaften und seid für alles selbst verantwortlich: putzen, einkaufen, Verträge abschließen und Rechnungen bezahlen.“ Ein Raunen ging durch die Anwesenden. Der Gedanke, dass die Zeit, an der man sich an der Friedrich-Stein-Schule nur noch auf sein Schwerpunktgebiet konzentrierte schien vorbei zu sein, ging Sophie wehmütig durch den Kopf. Andererseits war dieses neue Konzept vielleicht gar nicht so schlecht, es erinnerte sie sogar an ihre Gastschule in Neuseeland. „Heißt das, wir leben dann hier alle in der Schule?“, fragte Josie ungläubig. „Es heißt genau das! Es wird zwar keine gemischten Wohngruppen geben“, betonte Direktor Grün und ignorierte das vereinzelte Gelächter. „Doch sollt ihr lernen ohne den Service, den ihr Zuhause habt zu leben.“ Mit einem wissenden Gesichtsausdruck fügte er noch hinzu: „Allerdings werden die Lehrer nachts nicht durch die Gänge eures Wohntrakts schleichen und nachschauen, ob ihr alle in euren Betten liegt.“ Sophie spürte, wie sich leicht rot wurde und gleichzeitig zornig dachte: Was dachte Direktor Grün nur über sie?! Etwa, dass sie hormongesteuerte Teenager waren? „Klasse“, juchzte Alba und strahlte die entsetzt aussehenden Lulu und Suki an. „Stimmt“, hauchte Onta zustimmend und fing an zu strahlen. Oje, drückten die Blicke aus, die sich Lulu und Sophie gleich daraufhin zuwarfen. „Bevor hier jetzt zu euren Klassenräumen geht, noch eine Sache“, ertönte die Stimme ihres Direktors von der Bühne. Alle schauten wieder nach vorne. „In diesem Herbst findet unser Schulball wieder statt. Mit dabei sein werden nicht nur eure Eltern und die Mitglieder des Freundeskreises, sondern auch ehemalige Schüler, sofern sie Zeit und Lust haben. Und nun wünsche ich euch, einen schönen Start in das Schuljahr“, mit diesen Worten und unter Applaus verabschiedete sich Herr Grün.
In Sophies Kopf begann sich ein kleines Karussell zu drehen: Herbstball und ehemalige Schüler. Hoffentlich hatte einer dieser ehemaligen Schüler keine Zeit, schoss es ihr durch den Kopf, andererseits verspürte sie doch ein gewisses Kribbeln im Bauch.
Fröhlich schnatternd gingen sie durch die Gänge. „Wer wohl dieses Jahr Klassenlehrer ist?“, fragte Suki die anderen. „Also, Herr Oberreut wäre super“, meinte Lulu. „Glaube ich nicht“, warf Alba ein. „Stimmt“, pflichtete ihr Sophie bei. „Nach dem letzten Jahr will der sich bestimmt erholen und übernimmt bestimmt die siebte Klasse“, flachste Onta lachend. „Ich weiß nicht, ob der Landschulheim-Aufenthalt wirklich eine Erholung darstellt“, warf Suki ein. „Vielleicht hat den die Sturmvoll auch reformiert“, scherzte Alba und bog mit Schwung in das Klassenzimmer ein und stockte. Frau Sturmvoll schaute sie erwartungsvoll an: „Was habe ich reformiert?“, fragte sie mit honigsüßer Stimme. Ach, du Schreck, schoss es allen durch den Kopf. Sie hatten dieses Jahr Frau Sturmvoll als Klassenlehrerin. „Ni… Nichts?“, stotterte Alba und schaute sich hektisch um. Ihre Augen flehten förmlich um Beistand. „Nein, was meine Freundin sagen wollte, ist, dass wir es alle sehr gut finden, was uns nächstes Jahr erwarten wird. Eine Schulausbildung so nah am echten Leben“, sprang Lulu ihrer Freundin schnell zur Seite. Hoffentlich war das nicht zu dick aufgetragen. „Genau“, stimmten Sophie, Onta und Suki mit ein. „Schön, schön. Es freut mich, dass ihr euch darüber freut“, quittierte Frau Sturmvoll ihre Antwort mit einem Kopfnicken. „Ihr dürft euch einen Platz suchen“, wies sie mit einer wedelnden Handbewegung in den Raum.
Außer Natalia und ihren Perfekts war noch niemand von ihrer Klasse da. „Kommt, wir gehen ganz nach hinten, dann können wir alle zusammen sitzen“, schlug Onta vor und hechtete geradezu in den hinteren Bereich des Klassenzimmers, vorbei an den drei jungen Frauen, welche sie mit Argusaugen beobachteten. „Schleimer“, hörte Sophie Natalia leise zischen. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließen sich die fünf auf ihre Plätze nieder. Nachdem sich der erste Schock gelöst hatte, beobachtete jeder von ihnen, wie sich die Gesichtsausdrücke ihrer Mitschüler veränderten, als sie durch die Tür traten und ihre neue Klassenlehrerin erkannten. Wie, die?! Schienen Tobias und Pauls Gesichter zu schreien, als sie sich zwischen die Perfekts und das Törtchen-Team setzten. Ja, die! Nicht nur, dass dies ihr großes Prüfungsjahr war, nein auch hatten sie die zweite Direktorin als ihre Klassenlehrerin. „Was unterrichtet die eigentlich?“, hauchte Onta. Suki zuckte mit den Achseln, ebenso wie Alba und Lulu. „Vielleicht Sozialwissenschaft oder Wirtschaft“, mutmaßte Sophie.
Mit einem leisen Klacken schloss Frau Sturmvoll die Klassenzimmertür. „Schön, dass nun alle vollzählig anwesend sind“, sagte sie mit energiegeladener Stimme und schaute ihre Klasse abschätzend an. „Ihr habt sicher von Direktor Grün gehört, dass es einige Änderungen in der Oberstufe geben wird.“ Ein Stöhnen ging durch die Klasse. „Na, na so schlimm wird es nicht werden“, versuchte Frau Sturmvoll zu beschwichtigen. „Ich zum Beispiel, werde euch in Vertragswesen und Buchhaltung unterrichten. Des Weiteren werde ich euch erklären, wie eine Steuererklärung auszusehen hat. Alle drei Bereiche werden in euerem Prüfungsfach Wirtschaftswissenschaft geprüft werden“, erklärte sie. Sophie sah zu den anderen. Drei neue Fächer zusätzlich! „Dafür fallen die Prüfungen in Sport weg“, fuhr sie fort, woraufhin sich Sophies Miene schlagartig erhellte. „Verdammt“, stöhnten Lulu und Onta unisono. „Auch in Kunst, wird es keine Prüfung geben“, informierte sie ihre Klassenlehrerin. „Eure Prüfungen erstrecken sich über die Hauptfächer und eure Schwerpunktfächer. Aber das werden euch eure Lehrer im Detail noch erklären.“ Sie machte eine kunstvolle Pause und starrte genüsslich in die versteinerten Gesichter ihrer Schüler. „Euren Stundenplan ist auf eurem Arbeitsplatz hinterlegt. Die Lernzimmer stehen euch nicht nur unter der Woche bis zweiundzwanzig Uhr zur Verfügung, sondern auch am Wochenende“, fügte sie hinzu, verabschiedete sich mit einem Nicken und entschwand.
„Die ist eine Sadistin“, zischte Onta, nachdem sie das Gesagte verarbeitet hatte und die allgemeine Schockstarre gewichen war. Alle redeten laut miteinander. Bis auf die Perfekts, beobachtete Sophie. Die saßen leicht lächelnd da und genossen die Empörung ihrer Mitschüler. Sophie stupste Lulu an und nickte mit ihrem Kopf Richtung Perfekts. „Ja, ich sehe es auch“, bestätigte Lulu leise. Wenn da mal nicht der Stiftungsrat und Natalias Vater die Fäden gezogen hatten, sagte der Blick, den sich beide zuwarfen. „Leute der Stundenplan ist echt entsetzlich!“, stöhnte Onta von der Seite. „Nicht entsetzlich, anspruchsvoll Onta“, tadelte Suki sie mit einem Kopfschütteln. Sofort schaute auch Sophie in ihre Mappe. Es war wirklich der Hammer. Alle Hauptfächer und Schwerpunktfächer hatten zusätzliche Stunden bekommen und dafür gab es Geschichte und Kunst nur noch alle zwei Wochen im Wechsel. Das Benachrichtigungszeichen blinkte auf. „Hallo Sonnenschein! Na, ist das nicht ein schöner Schulanfang?“, stand da geschrieben gefolgt von einem Smiley. Bevor Sophie eine entsprechende Antwort schreiben konnte, bemerkte sie, wie Ontas Gesicht immer näher kam. Mit einer schnellen Handbewegung ließ sie die Nachricht verschwinden, während sie gleichzeitig so unschuldig wie möglich ihre Freundin anschaute. „Ist was?“, fragte sie betont liebevoll. „Nein“, versicherte Onta ihr und grinste maliziös, wie eine Katze die gerade eine dicke Maus gefangen hatte.