Читать книгу ad Hans Kelsen. Rechtspositivist und Demokrat - Horst Dreier - Страница 15

VII. Rezeption

Оглавление

Was internationale Ausstrahlung und Einfluß auf die Rechtswissenschaft in verschiedenen Ländern anbetrifft, so dürfte kaum ein Jurist des 20. Jahrhunderts Kelsen gleichstehen. In drei Sammelbänden ist dieses vielfältige Wirken dokumentiert88. In Österreich genoß seine neue Lehre zwar keineswegs ungeteilte Zustimmung, wurde jedoch als bedeutsame Leistung gewürdigt und führte dazu, daß sich schon bald eine Gruppe von Schülern und Mitstreitern (unter ihnen Adolf Merkl und Alfred Verdroß) um ihn scharte89 und das „label“ der Wiener Rechtstheoretischen Schule mit Kelsen als unumstrittenem Haupt entstand. Anders sah das in Deutschland aus. Dort stieß er schon in den 1920er Jahren, insbesondere im Kontext des sog. Methodenstreites, nicht nur auf Unverständnis (wie etwa bei staatsrechtlichen Positivisten wie Anschütz und Thoma), sondern auch (so etwa bei Smend, Schmitt und Heller und vor allem den konservativen Vertretern der Zunft) auf vehemente und bei weitem nicht immer nur rein wissenschaftlich motivierte Ablehnung90. Doch immerhin blieb er hier noch ein letztlich geachteter, wenn auch scharf attackierter Gegner mit katalytischer Funktion91. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde daraus der jüdische, zudem der Sozialdemokratie nahestehende Feind, der vertrieben und – nicht zuletzt von Carl Schmitt – nach Kräften geschmäht wurde. Nach 1945 bestand die – wohl auch auf unterschwellige antisemitische Reflexe gegründete – Rezeptionsunwilligkeit gegenüber dem Positivisten, Ideologiekritiker, Demokraten, Pluralisten und Emigranten fort92. Ignoranz und Abschottung bildeten die vorherrschende Form des Umgangs mit Kelsens Lehre. Die Positivismuslegende93, letztlich eine erfolgreiche Desinformationskampagne, machte aus Opfern Täter und hielt dem 1933 vertriebenen Demokraten vor, mit seinem Denken zum Sieg des Nationalsozialismus beigetragen zu haben. Bestenfalls galt die Reine Rechtslehre als skurril oder absurd, als sinnlose Logelei, wenn nicht als irgendwie anarchisch oder – genau umgekehrt – als eine Form der Staatsapotheose94. Sich hierzulande zu Kelsen zu bekennen, „löste noch am Ende der sechziger Jahre deutliches Befremden aus und stellte ein akademisches Risiko dar“95. Ein Umschwung trat in den 1980er und 1990er Jahren ein96. Seitdem läßt sich ein Prozeß zunehmender Versachlichung und Normalisierung im Umgang mit seinem Lebenswerk beobachten97, wovon nicht zuletzt die in den Fußnoten dieses Textes genannten Titel Zeugnis ablegen. Es ist ein Zeichen dieser Normalisierung, daß die Meinungen über die Zukunftsfähigkeit und aktuelle wissenschaftliche Anschlußfähigkeit von Kelsens Werk auseinandergehen98.

ad Hans Kelsen. Rechtspositivist und Demokrat

Подняться наверх