Читать книгу Der preußische Adler in der deutschen Herrschaftsgeschichte - Horst Junginger - Страница 6

Оглавление

Einleitung

Vorliegende Studie untersucht die religionspolitische Bedeutung des preußischen Adlers vom Zeitpunkt der ersten Königskrönung in Königsberg 1701 bis zur Gegenwart in Potsdam 2021. In den 320 Jahren seiner Existenz hat der Adler viele Höhen und Tiefen erlebt, nie aber seine Funktion als ein im christlichen Glauben fußendes Symbol der politischen Herrschaft verloren. Seine Nähe zum Himmel und zu den himmlischen Heerscharen befähigt den König der Lüfte in besonderer Weise, den Menschen Orientierung zu geben. Sie blicken zu ihm auf, und wenn sie ihre Zuversicht in ihn setzen, können sie auffahren mit Flügeln wie er. Seine Wesensart wird dann die ihre und sie profitieren von seinem Mut, seiner Stärke und seinem Weitblick.

Der Aufstieg Preußens zur Großmacht beruhte wesentlich auf der engen Beziehung zwischen Religion und Militär, die in der 1732 eingeweihten Garnisonkirche in Potsdam ihr geistig-weltanschauliches Zentrum hatte. Die Garnisonkirche ragte nicht nur wie einer der „Langen Kerls“ aus der Leibgarde des Soldatenkönigs hoch in den Himmel auf. Sie war zugleich der Stamm- und Jagdsitz des preußischen Adlers. Er begleitete die preußischen Truppen auf Wappen und Emblemen bei allen ihren Feldzügen und Siegen. Mit der Niederwerfung Frankreichs stieg er 1871 zum Reichsadler und gesamtdeutschen Hoheitszeichen auf. Den Gipfel seines Einflusses erklomm er im Ersten Weltkrieg. Nie wurde mehr auf seine Macht vertraut und nie wurde er öfter abgebildet als in dieser Zeit.

Dem Ausspruch Friedrichs des Großen gemäß, dass Gott immer auf der Seite der stärkeren Bataillone steht, hatte der Adler nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg eine schwere Zeit zu durchleben. Manche wollten ihm ganz den Garaus machen. Die Republik ließ den Adler heraldisch am Leben, nahm ihm aber alle kriegerischen Attribute und königlichen Insignien. „Pleitegeier“ nannte ihn die politische Rechte deswegen. Fünfzehn lange Jahre dauerte die damnatio memoriae des Reichsadlers, bis er am „Tag von Potsdam“ im März 1933 wiederauferstand. Sein neuerlicher Höhenflug endete zwölf Jahre später in der „Nacht von Potsdam“, als am 17. April 1945 britische Flugzeuge mit der Garnisonkirche auch seinen Stammsitz zerstörten. Ohne festen Wohnsitz geisterte der Adler seitdem als Mythos in den Köpfen der Menschen herum.

Nach erfolgtem Wiederaufbau soll der Adler an die Spitze des Kirchturms zurückkehren. Erneut soll er den Kraftstrom zwischen der weltlichen und überweltlichen Herrschaft versinnbildlichen und zeigen, dass die Menschen in der Lage sind, sich zu neuen Höhen aufzuschwingen, wenn sie Glaubensstärke beweisen. Die gesamtdeutsche Vita des Adlers ist allerdings noch nicht zu Ende geschrieben. Im Moment sitzt er neben der Garnisonkirche in einer Voliere und harrt der Dinge, die da kommen.

Die Legitimation politischer Herrschaft macht das unvergleichliche Wesen des Adlers als Symboltier und Gruppenzeichen aus. Im engeren Sinn ist seine Funktion auf das Militärische gerichtet. Das entspricht seiner Veranlagung am besten. Aus der Perspektive einer religionspolitischen Ornithologie steht das Adlersymbol für den produktiven Zusammenhang zwischen Glauben und Tun, der immer dann erneuert werden kann, wenn sich die Menschen der mystischen Verbindung zwischen der Welt des Irdischen und der des Überirdischen bewusst sind.

Der preußische Adler in der deutschen Herrschaftsgeschichte

Подняться наверх