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Wir werden evakuiert

Im Winter 1944 erhielten wir Bescheid, dass die Belegschaft unserer Schule evakuiert würde. Man hatte beschlossen, dass wir in Bodenhagen nicht länger sicher wären, da die sowjetische Front jeden Tag naher rückte. Wir wurden umgesiedelt nach Heldrungen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Sondershausen, in Thüringen. Vorher entschloss ich mich kurzerhand, mich noch schnell von meiner Mutter zu verabschieden. Ich fuhr abends mit dem nächsten Zug nach Kolberg, von dort gab es jedoch keine weitere Zugverbindung. Busse fuhren zu der Tageszeit auch nicht mehr, und ein Taxi konnte ich mir nicht leisten von den drei Reichsmark, die wir damals im Monat bekamen. Da gab es nur noch eine Möglichkeit, ich musste zu Fuß gehen. Es war eine dunkle Nacht, trotz des vielen Schnees, der gefallen war und immer noch fiel. Die Straße war matschig, und es war bitterkalt. Für mich war das kein Hindernis, ich wollte mich von meiner Mutter verabschieden, und ich war später froh, es getan zu haben. Es sollte eine lange Zeit vergehen, bis wir uns wiedersehen würden.

Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis wir in Thüringen ankamen. Auf der Hinreise musste der Zug des Öfteren wegen Luftangriffen halten, die wir Gott sei Dank alle heil überstanden. Unser erster Eindruck von dem Lager in Heldrungen, das uns eine neue Heimat bis zum Kriegsende sein würde, war eine große Enttäuschung. Zu einem hatten wir keinen Flugplatz, an den wir so gewöhnt waren, mit Flugzeugen, die den ganzen Tag landeten oder abhoben. Dementsprechend gab es auch keinen Hangar mehr, wo sie gewartet wurden. Es war ein einfaches Lager mit ein paar Baracken als Unterkünfte und Werkstätten. Das Essen war miserabel. Es hatte den Anschein, als ob man uns jetzt die allgemeine Knappheit von Lebensmitteln in Deutschland spüren lassen wollte. Oft verließen wir noch hungrig den Speisesaal. Zu meinem Glück (oder Unglück) dauerte mein eigener Aufenthalt in Heldrungen nur ein paar Wochen. Ich erkrankte und wurde in ein Krankenhaus in Erfurt eingeliefert.

Es war im Frühjahr 1945, als ich zum ersten Mal in Erfurt die Wucht der befürchteten nächtlichen Bombenangriffe zu spüren bekam. Jede Nacht wurden wir von den heulenden Sirenen geweckt, um uns schleunigst in die Luftschutzkeller zu begeben. Soweit ich konnte, half ich dann, die Patienten, die nicht selbst laufen konnten, in die Keller zu tragen. Die ersten Bomber kamen mit dem Anbruch der Dunkelheit, und außer kurzen Pausen, in denen es Entwarnung gab, folgten noch mehr bis in die frühen Morgenstunden. Das bedeutete, dass wir fast die ganze Nacht Patienten hin und her schleppten. Tagsüber patrouillierten dann Jagdbomber über der Stadt, die den Verkehr so gut wie lahmlegten. Die Einwohner nutzten die Pausen, entweder morgens oder abends, um ihre Besorgungen zu machen. Kurz vor Ostern ging ein Gerücht um, dass amerikanische Truppen in Erfurt einmarschieren würden. Als das nicht der Fall war, fing die Bevölkerung an zu plündern. Ihr Ziel waren Militärdepots, und in der Hauptsache hatte man es auf Lebensmittel abgesehen. Ich beteiligte mich an einem dieser Streifzüge und kam in ein Bekleidungslager, das bis unter die Decke vollgestopft war mit neuen Wehrmachtsuniformen. Ich suchte mir einen Wintermantel aus, der mit Lammfell gefüttert war. Während meines Aufenthalts im Krankenhaus hatte ich mich in eine junge Krankenschwester vernarrt, der gab ich diesen schönen Mantel, als ich Abschied nehmen musste. Schon ein paar Tage nach Ostern, es war Mitte April, wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Da ich Angehöriger einer halb-militärischen Einheit war und Uniform trug, musste ich mich bei der Stadtkommandantur melden.

Es war anders damals!

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