Читать книгу Richard Wiedendoms verstörender Wendegewinn - Hubert Schem - Страница 4

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Richard parkte in der Nähe eines wuchtigen Denkmals, auf dessen Besichtigung wir zunächst verzichteten. Wir schlenderten zu Fuß einige hundert Meter an der Kaimauer der Warnow entlang, bevor wir die Bundesstraße überquerten und uns zum Patriotischen Weg durchfragten. Ich wusste nicht, wie ich den von Richard anscheinend spontan vorgeschlagenen Besuch einzuordnen hatte und welche Rolle ich dabei spielen sollte. Ging es ihm darum, meine Meinung zu seiner möglichen Schwiegertochter oder Quasischwiegertochter zu hören? Oder sollte ich mit meiner Anwesenheit lediglich eine gewisse Verlegenheit verhindern, die sich bei einer Begegnung zwischen ihm und der Freundin seines Sohnes einstellen könnte? Als wir an einem grob strukturierten Gebäudekomplex einen Hinweis fanden, dass es sich um die Spielstätte des Rostocker Volkstheaters handelte, wechselten wir auf die andere Straßenseite und kehrten um. Nach wenigen Minuten fanden wir die gesuchte Adresse. Ich las den Text auf dem matten Messingschild und merkte sofort, wie meine verhaltene Stimmung umschlug. – Aus nichtigem Anlass, das räume ich gerne ein. Aber ich bin schon lange ein Genießer der kleinen Überraschungen und Herausforderungen, die dem Leben im großen Spannungsfeld die notwendigen Nebenspannungen geben, um das Interesse an der nächsten Minute, der nächsten Stunde, dem nächsten Tag wach zu halten. Für mich sind diese Nebenspannungen inzwischen sogar das Eigentliche geworden. Der Reiz der großen Spannung zwischen Leben und NichtIeben ist entweder verflogen oder war für mich immer nur ein Papierkonstrukt. Nach der Theorie soll dieser große Reiz ja hauptsächlich von der Verwunderung gespeist werden, auf der Welt zu sein und all die unendlich vielen Chancen wahrnehmen zu können. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht erinnern kann, die Tatsache meiner Geburt jemals als besonders erregend empfunden zu haben. Dass ich auf der Welt bin, stand für mich nicht in Frage. Und zu fragen, warum ich es bin, wäre mir intellektuell gekünstelt vorgekommen. Ich lebe, will leben und hatte nie die Einstellung, irgendwer müsse mir mit einem Zaubergerät meine Zukunft präsentieren. Also habe ich versucht mitzuspielen. Dass ich mich immer mehr vom Stürmer zum Defensivspieler entwickelt habe, kann und will ich nicht bedauern. So ist der natürliche Verlauf, denke ich. Ohne die dicken Bretter der Philosophie zu bohren, ist mir allerdings eines deutlich geworden: Gegen den unfairsten aller Spieler, diesen hässlichen Spielverderber mit seiner absoluten Gewalt und dem daraus erwachsenden Drohungspotential habe ich letztlich keine Chance. Zu oft wurde mir in den letzten Jahren vor Augen geführt, wie ernst seine Drohgebärden zu nehmen sind. Ich hoffe nur, dass ich keine kindischen Kapriolen machen und den Rest des Spiels ohne Regelverletzungen durchstehen werde, wenn eines unschönen Tages das Signal AUS! nicht mehr zu übersehen ist. Aber ich habe nicht die Absicht, mich auf dieses unabwendbare Finale in langen Jahren vorzubereiten. Lieber versuche ich, den Tag und die Stunden auszukosten. -

Noch einmal las ich die vier Zeilen auf dem Praxisschild:

Dr. oec. Barbara Hanselow

Unternehmensberatung

Start-up-Hilfe

Unabhängiger Ideenpool


Für einen Beratungsberuf, dessen Profil weder gesetzlich festgeschrieben noch in vielen Jahren durch die Praxis eingeschliffen wurde, ist das Praxisschild ein wichtiger Werbeträger. Potentielle Klienten sollen aufmerken, wenn ihnen das Schild ins Blickfeld gerät, dürfen aber keinesfalls den Eindruck unseriöser Anpreiserei bekommen. Die junge Frau schien diese Kunst zu beherrschen. Wäre ich zufällig vorbeigekommen, hätte sich spätestens an der letzten Zeile meine Neugierde entzündet. Und was mich neugierig macht, das hat was - meine ich.

Obwohl die Haustür weit offen stand, drückte Richard auf den Klingelknopf. Er ist nicht der Mann, der plötzlich vergnügt in der Tür steht, und meint, sein Überraschungscoup könne nur Anlass zu reiner Freude sein. Wenigstens einige Minuten musste er ihr zur Vorbereitung lassen. Ihre tiefe Altstimme hatte durch die Sprechanlage einen metallisch-hellen Beiklang. Sofort korrigierte ich das Bild, das ich mir nach Richards knapper Charakterisierung entworfen hatte. Als wir den Lift im Dachgeschoss verließen, musste ich auch die korrigierte Vorstellung aufgeben. Uns erwartete weder eine athletische Handballerin mit rotblondem Bürstenschnitt noch eine Walküre im wallenden Gewand. Eine zierliche Person mit einem Schopf langer schwarzer Locken sah uns entgegen: Freundliche Erwartung, unterdrückte Überraschung und eine verhaltene Neugierde gut abgestimmt. Aber in diesen Augen glomm noch ein anderes Licht. Die Situation schien die junge Frau auch ein wenig zu amüsieren. Ich bildete mir ein zu erkennen, wie sie blitzschnell einige Szenarien durchspielte, um sie sofort wieder zu verwerfen. Der Vater des Freundes mit einem Herrn der gleichen Altersklasse als Überraschungsbesuch am hellen Nachmittag – ein schlüssiges Szenario für eine solche Konstellation gab es nicht. Ihre Stimme hatte jetzt weder einen metallischen Beiklang, noch ließ sie irgendeine Spur von Unsicherheit erkennen. Ein sonores Hallo mit einem Quäntchen positiver Überraschung, einem Schuss Neugierde und einer Portion Tatkraft, die sich auf das einstellte, was in dieser Situation an Aktivitäten geboten war. Nachdem Richard uns bekannt gemacht hatte, ohne ihr schon auf dem Flur den Anlass oder den Zweck unseres Besuches zu erläutern, bat sie uns herein. Als ich den Raum betrat, der ihr offensichtlich als Wohn- und Arbeitszimmer diente, hatte ich meinen Kopf unvermittelt in einer dieser breiten Dachgauben, die seit einigen Jahren bei der Grundsanierung von Altbauten zum Standard gehören. Sofort fiel mein Blick auf die Warnow und wanderte nach links zu dem erst vor einer knappen halben Stunde verlassenen Werftgelände. Gerade noch rechtzeitig konnte ich meinen Impuls unterdrücken, Richard auf diesen Ausblick hinzuweisen. Ich wusste nicht, wie weit die junge Frau informiert war. Also richtete ich mich schlecht und recht auf einem Sitzmöbel aus Stahl und Leder ein und wartete ab, wie er sich der Aufgabe entledigen würde, unseren Besuch zu erklären. Während er noch von unserer Besprechung in der Werft berichtete, murmelte sie plötzlich eine Entschuldigung, stand auf, ging zu dem Gaubenfenster, reckte sich ein wenig und blickte angestrengt hinaus. „Ist das Zufall oder ...? Da unten liegt das Werftgelände. Vielleicht fünfhundert Meter Luftlinie. Ein Wahnsinnsgelände. Ich kenne es wahrscheinlich besser als die Leute von der Treuhand – ich meine von der BvS – in Berlin, die da noch immer mitmischen. Die Werft wird nach meiner Einschätzung bald nur noch einen kleinen Bruchteil des Geländes für eigene Zwecke benötigen. Die schrumpft sich bestenfalls gesund oder wird von der BvS in die Gesamtvollstreckung geschickt. Und – das finde ich jetzt richtig pikant – ich bin selbst dabei, mich in einem Projekt auf dem Werftgelände zu engagieren. Fehlt nur noch, dass das dafür vorgesehene Gebiet auf dem früheren Grundstück Ihres Vaters liegt, Herr Wiedendom.“

Richards Verblüffung schien sich in Grenzen zu halten. „Dann kann es nur der Dienstleistungskomplex sein, für den ein Investitionsvorrangverfahren bei der Stadt Rostock läuft. Dass Sie da mitmischen, kann mich nicht wundern. Wenn nicht Sie, wer dann, Frau Hanselow?“

Sie sah ihn mit einem so deutlich geschmeichelten Lächeln an, dass die Ironie nicht zu übersehen war. Auch Richard lächelte verständnisinnig. Sieh da, die haben ja schon einen fortgeschrittenen Kommunikationslevel erreicht, ging es mir durch den Kopf, und ich bemühte mich, das neidlos zu registrieren. Richard setzte seinen Bericht exakt dort fort, wo sie ihn unterbrochen hatte. Als er abschließend darüber berichtete, dass die Beteiligten eine gütliche Regelung auf finanzieller Basis anstrebten, nannte er keine Zahlen. Ich hatte wieder einmal zu Unrecht angenommen, der bei ihm gelegentlich durchbrechende Hang zu vollkommener Offenheit könnte ihn verleiten, den zur Diskussion stehenden Millionenbetrag zu erwähnen. Doch anscheinend teilte er mit mir die Sorge, die Aussicht auf ein Millionenerbe könnte sich negativ auf die Lebensenergie der Jungen auswirken.

Ich glaubte sicher zu sein, dass Richard sich jetzt nach dem geplanten Dienstleistungszentrum und nach ihrer Rolle bei diesem Projekt erkundigen werde, und hielt mich deshalb schweigend zurück. Wieder folgte Richard nicht meinen Erwartungen, sondern schwieg beharrlich. Ich sah ihm an, dass er mit seinen Gedanken plötzlich abwesend war. Vielleicht malt er sich gerade aus, wie die Millionen sein eigenes Leben verändern würden, dachte ich und unterdrückte ein Schmunzeln. Die junge Frau wandte sich sofort mir zu, als ob sie auf diese Gelegenheit gewartet hätte. „Sie sind also Rechtsgelehrter. Ein Kämpfer an der Front des Rechts oder...?“

„Nein, nein, weder Kämpfer noch an der Front. Eher ein Etappenhengst, wenn man schon im Bild bleiben will.“

„Kein Kämpfer? – Auch nicht mit der Feder?“

„Na ja, das ist Ansichtssache. Ich habe meine Tätigkeit nie als Kampf betrachtet. Aber es gibt genug Kollegen, die das anders sehen. Wofür oder wogegen sollte ich Ihrer Meinung nach denn kämpfen?“

„Zum Beispiel dafür, dass normale Sterbliche sich in dem Paragrafendschungel bewegen können, ohne sich oder andere zu verletzen.“

„Also den Dschungel erforschen, kartieren und erklären? Oder meinen Sie, ihn möglichst ganz abholzen und roden?“

„Mir würde schon genügen, wenn dafür gesorgt würde, dass nicht immer die am schnellsten im Ziel ankommen, die die Schleichwege kennen oder rücksichtslos alles niedertrampeln.“

„Das klingt aus Ihrem Munde sehr originell und – wenn Sie gestatten – auf gute Weise pathetisch. Ist aber ein uraltes Programm in der Bonner Republik. Nie aufgeschrieben, aber zu Wahlzeiten mit schöner Regelmäßigkeit von Politikern aller Richtungen wie das Ei des Kolumbus präsentiert.“

„Ich bin halt eine Neubürgerin... Auf gute Weise pathetisch? Herr Professor, das ist erklärungsbedürftig. Meinen Sie, wir fingen ganz naiv von vorne an? Lesen können wir ja immerhin schon.“

„Tut mir leid, wenn das in Ihren Ohren onkelhaft oder gar herablassend geklungen hat. War wirklich nicht so gemeint.“

„Onkelhaft nicht, aber ziemlich abgebrüht. Alles ist schon gelaufen. Oder ist fehlgeschlagen. Oder war nicht ernst gemeint. Die große Desillusionierung.“

„Ich habe nie zu denen gehört, die sich von Illusionen nährten. Ich bin wirklich keiner von den enttäuschten Idealisten. Trotzdem fühle ich mich von Ihnen ertappt. Wenn mich etwas aufregen kann, dann ist es dieses niveaulose Getöne bestimmter Politiker. Ich weiß nicht, ob sie wirklich so dumm sind wie sie reden oder ob sie ganz bewusst die Bürger für dumm verkaufen wollen. Solche hat es zwar schon immer gegeben. Aber jetzt sind sie vorherrschend – ganz egal, ob in der Regierung oder in der Opposition. Zum Beispiel: dieselben Politiker, die seit Jahrzehnten tönen, welches Herzensanliegen es ihnen ist, das Recht – vor allem das Steuerrecht – für den einfachen Bürger verständlich und überschaubar zu machen, bemühen sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, dass irgendeiner Gruppe ihre Privilegien genommen wird. Privilegien sind für die Betroffenen nie Privilegien, sondern wohlerworbene Rechtsansprüche mit Ewigkeitsgarantie. Was vorgestern richtig war, darf auch heute nicht in Frage gestellt werden. Und wenn ein Gesetz einer bei Wahlen relevanten Gruppe zu weh tut, dann muss eben für diese Gruppe eine Ausnahmeregelung geschaffen werden. Für die Dreistigkeit der Verbandsvertreter finde ich schon gar keine Worte mehr. Also wird der Dschungel immer dichter statt lichter. Und die Medien sind fast durch die Bank keinen Deut besser. Überall interessengeleitete Verdummung oder einfache, platte, gnadenlose Dummheit. Ich weiß wirklich nicht, was schlimmer ist. Da soll man nicht zynisch werden?! Und ich sehe leider keine Chance, dass sich das je wieder ändert. Es sei denn ...“

„Es sei denn was?“

„Es sei denn, Neubürgerinnen und Neubürger wie Sie schaffen es, dieses System der Verdummung mit ganz neuen Mitteln, vielleicht mit einer radikal-vernünftigen Denkweise und einer ganz neuen verblüffenden Sprechweise, so vorzuführen, dass sich jeder lächerlich macht, der sich noch systemimmanent verhält.“

„Seltsam, sie setzen auf mich und meinesgleichen, während ich dachte, dass Sie und Ihresgleichen am ehesten das System entscheidend beeinflussen könnten.“

„ Wir können bestenfalls den Politikern und den Bonner Ministerialen unsere Ideen so servieren, dass man sie nicht einfach beiseite legen kann, ohne sich selbst politisch zu schaden. Das geht aber nur mit Hilfe der Medien. Und wer von uns hat schon die Chance, dass seine tollen Ideen von den Massenmedien aufgenommen und zum Volk transportiert werden! Wir alle arbeiten doch weit überwiegend für die Schubladen.“

Bevor sie antworten konnte, fügte ich hinzu: „Sie haben in dieser Zeit mit Sicherheit mehr Einflussmöglichkeit als wir Rechtsgelehrten, Frau Hanselow. Sie können nach meiner Einschätzung mit Ihrer Power, Ihren Kenntnissen als Ökonomin und Ihren frischen Ideen, vor allem aber mit Ihrer Herkunft aus einem der neuen Bundesländer den Ministerialen in Bonn mehr Dampf machen als alle Rechtsgelehrten zusammen. Jemand wie Sie hat in Bonn auch sieben Jahre nach der Wende noch einen gewaltigen Kredit. Sie lassen sich noch nicht einordnen in den Raster, der sich in der Zeit von 1949 bis 1990 entwickelt hat, und nicht eintakten in den altvertrauten Rhythmus der Bonner Politbürokratie. Mit anderen Worten: Sie können die Bonner noch so verblüffen, dass sie ihre unselige Selbstsicherheit verlieren. Ruhig mit etwas List. Am besten schräg zum System, das erweckt Aufmerksamkeit. Die Massenmedien sind immer heiß auf eine spektakuläre Story. Attraktive Powerfrau aus dem Osten zeigt den verschlafenen Bonnern wo der Bartel den Most holt. Übrigens: Unabhängiger Ideenpool – auf Ihrem Praxisschild - das klingt interessant und ist schön vieldeutig. Da steckt eine Menge Potential drin. Daraus müssen Sie was machen. Innovativ, originell, frech bis schockierend. Ein bisschen zaubern. Ein schönes Medienspektakel. Wenn es richtig in Fahrt kommt, ist es kaum noch zu stoppen. Natürlich muss rechtzeitig Substanz rein. - Ach, wissen Sie, ich beneide Sie. Ihnen gehört die Zukunft.“ Etwas zu dick aufgetragen, sagte mein innerer Korrektor. Das ist jetzt schon okay, replizierte ich energisch.

Wenn sie sich geschmeichelt fühlte, dann hatte sie eine exzellente Technik, das nicht zu zeigen. „Das Bonner Territorium kenne ich gut. Ich war eine der ersten Studentinnen aus der Ex-DDR an der Uni Köln. Erst Nachqualifizierung, dann Promotion. Für meine Dissertation war ich einige Monate lang fast täglich in Bonn. Die Ministerialen haben mich behandelt wie einen Rohdiamanten. Jeder bemühte sich auf seine Weise, mich zu gestalten. Keiner war mies oder muffelig. Eine schöne Zeit.“

„Wann war das?“

„1994, noch keine drei Jahre her.“

„Konnten oder wollten Sie nicht dort bleiben?“

„Wollen damals schon, können beinahe ja, dann auf einmal doch nicht. Einstellstop von heute auf morgen und aus der Traum.“

„Und jetzt ein ganz anderer Traum in Rostock?“

„Klar – und ich bin heilfroh, dass es so gekommen ist.“

„Also auch aus Ihrer Sicht gute Aussichten für den Ideenmarkt?“

„Phantastische – wenn man es nicht von der materiellen Seite betrachtet.“

„Sondern real-idealistisch?“

Sie war sichtlich verblüfft und antwortete erstmals nicht sofort. Ich wartete ab, wie sie meinen Nonsens-Ball annehmen und zurückspielen würde. Als sie schließlich antwortete, merkte ich, dass sie Tempo aus unserem Spiel nehmen wollte. Die dunklen Kehllaute, die mir aus diesem vollen Mund von Anfang an auf angenehme Weise exotisch geklungen hatten, formten sich nicht mehr so schnell zu Wörtern und Sätzen wie bisher. Die Lautstärke hatte sie wie bei einer Nebenbeibemerkung gegenüber einem Nachbarn in einer größeren Gesprächsrunde deutlich gemindert. Ich warf reflexartig einen Blick auf Richard und sah, dass er immer noch weggetreten war. Oder er verbarg geschickt, dass er mir gönnerhaft das Feld überließ. „Real-idealistisch? - Das klingt echt gut – gebildet, tief, undeutlich, also interessant -, Herr Professor... verzeihen Sie, ich habe bei dem Beinahe-Überfall Ihren Namen nicht ordentlich gespeichert.“

Als ich ihn ihr nannte, merkte ich, wie sie ihn memorierte. Ihre Stimme blieb unverändert: „Also, Herr Professor Schnippenholz, ich habe gerade eine Idee geboren, die Sie selbst betrifft.“

„Sie machen mich gespannt.“

„Sie sind begeistert von meinem Ideenpool. Ich lade Sie herzlich ein. Machen Sie mit. Wie haben Sie gesagt? Innovativ, originell, frech bis schockierend, ein bisschen zaubern, ein schönes Medienspektakel und rechtzeitig Substanz rein. Aber wie? Aber wann? Aber von wem? Vielleicht mit Ihrem Wissen, mit Ihrer Erfahrung und, Entschuldigung, mit Ihrer Abgebrühtheit, Herr Professor Schnippenholz? Vielleicht mit Ihnen?“

Ihre Augen hatten etwas Suggestives, während ihre Mundwinkel ein ironisches Lächeln andeuteten. Sie ist von meiner Art, durchfuhr es mich. Die Mischung aus Freude, Traurigkeit und Selbstironie, die mich im nächsten Moment anfiel, zwang mich, ihrem Blick auszuweichen. Ich sah zu Richard hinüber, der immer noch seinen Gedanken oder Träumen anzuhängen schien. Dann hatte ich meine Gesichtsmuskeln wieder unter Kontrolle. Ich machte ihr ein Zeichen, dass ich sie anrufen würde

Richard Wiedendoms verstörender Wendegewinn

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