Читать книгу Der Baum gehört mir! - Hubert Schirneck - Страница 10
ОглавлениеVerzweifelt rief sie um Hilfe, aber niemand hörte sie. Weder ihre Eltern und Geschwister noch die anderen Verwandten oder ihre Freunde waren in der Nähe. Ganz allein saß sie auf dem Zweig des Nachbarbaumes und konnte nichts tun.
Ein kalter, unbarmherziger Greifarm packte den ausgegrabenen Baum und warf ihn auf einen Laster. In diesem Augenblick traf Lona eine folgenschwere Entscheidung: Sie wollte ihren schönen Wohnbaum nicht im Stich lassen! Entschlossen sprang sie auf den Boden, rannte zum Laster und rief: „Meinen Baum bekommt ihr nicht, zumindest nicht ohne Widerstand!“
Die Waldarbeiter sahen sich um, aber sie verstanden natürlich nur Bahnhof. Vielleicht verstanden sie auch etwas anderes, aber jedenfalls nicht das, was Lona auf Squirinisch, also in der Eichhörnchensprache, sagte.
Sie sprang an einem der Baumräuber empor, so schnell, dass dieser das kleine Tier kaum bemerkte. Er sah nur einen Schatten, der an ihm vorbeihuschte, und schon war Lona auf dem Laster. Dort lagen schon ungefähr zehn Tannen, alle mitsamt den Wurzeln ausgegraben. Aber Lona konnte ihren Baum natürlich von den anderen unterscheiden. Denn wenn man eine Weile auf einem Baum lebt, kennt man irgendwann jede einzelne Nadel.
Der Laster fuhr los, und Lona krallte sich an ihrem Baum fest. Nie im Leben würde sie ihn loslassen! Um das, was man liebt, muss man kämpfen. Und sie liebte diesen Baum. Es war nicht irgendein beliebiger Nadelbaum, sondern eine Edeltanne, ihre Edeltanne. Am liebsten hätte sie ihn wieder vom Laster geworfen, aber das ging natürlich nicht. Das hätte selbst das stärkste Eichhörnchen nicht geschafft.
Während der Fahrt dachte sie an ihre Eltern und Geschwister. Würde sie ihre Verwandten und Freunde jemals wiedersehen? Sie hatte ja keine Ahnung, wohin die Reise ging. Sie dachte auch an die vielen Vorräte, die sie in der Umgebung ihres Baumes vergraben hatte. Schließlich hatte der Winter längst begonnen und sie hatte sich wirklich ganz tolle Nussvorräte zugelegt. Nüsse in allen Formen, Farben und Geschmacksrichtungen: salzig, herb, ganz herb, süß, sehr süß, ultrasüß, megasüß und noch viel mehr. Knackig waren sie alle.
Oben auf dem Laster war es sehr kalt. Saukalt, wie die Eichhörnchen sagen. Der Wind blies ihr ins Fell, und traurig fuhr Lona einem ungewissen Schicksal entgegen.