Читать книгу Zehn Frauen - Hubertus Meyer-Burckhardt - Страница 11

[Lied wird gespielt]

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Wir sind einer Meinung, liebe Senta Berger, dass diese Musik sehr sexy ist und einfach schön. Dieses Lied erinnert Sie an die Zeit, nachdem Sie 1962, mit Anfang zwanzig, nach Amerika gegangen sind. Und wie auch schon in Wien haben Sie die Größten der Zunft sehr schnell kennengelernt. Ich nenne hier jetzt mal Charlton Heston, Frank Sinatra, Dean Martin, Richard Harris, George Hamilton, Kirk Douglas, John Wayne und noch einige andere. Hatten Sie denn da wenigstens mal Lampenfieber, waren nervös und haben sich gefragt: „Bin ich gut genug?“

Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, nach Amerika zu gehen, wenn ich nicht geholt worden wäre. Es war ein sehr, sehr großer Schritt, den ich getan habe aus der Naivität, aus dem Nichtwissen heraus, was da überhaupt auf mich zukommt. Aber ich war in sehr guten Händen. Der amerikanische Agent Lew Wasserman, der unter anderem Tony Curtis, Bette Davis und Fred Astaire vertrat, hat mich Paul Kohner empfohlen. Kohner war der Agent, der auch europäische Schauspieler vertreten hat und eben auch mich durch all die Jahre, Jahrzehnte. Ich war da sehr aufgehoben, sonst hätte ich vermutlich diese erste Zeit gar nicht durchgehalten, und ich war von einer gesunden Wiener Skepsis begleitet. Die habe ich vermutlich von meinem Vater geerbt. Ich habe mir eigentlich von Anfang an dieses System Los Angeles, Hollywood und alles, was damit zusammenhängt, genau angeguckt. Immer unter dem Aspekt, ob ich das wirklich will, ob ich dort bleiben und leben will. Es war merkwürdigerweise doch eine sehr erwachsene Distanz, die ich da als junges Mädchen gefühlt habe und die mich die Dinge sehr kritisch beobachten ließ. Lampenfieber habe ich eigentlich immer gehabt und ich habe es auch heute noch, natürlich nicht mehr in dem Ausmaß wie bei diesen ersten Begegnungen. Ich kann mich nicht erinnern, Angst vor einem meiner amerikanischen Partner gehabt zu haben, nein. Aber diese Gedanken, ob ich bestehe, ob ich die Sprache so sprechen werde, dass es genügt, und wie ich überhaupt filmische Erfahrungen sammeln kann, die waren natürlich da. Ich war ja erst Anfang 20, das ist sehr, sehr jung.

In Amerika lernten Sie auch Kirk Douglas und seinen Sohn Michael kennen, der in einer Produktion Regieassistent war. Kirk Douglas war der Sohn russischer Juden und hat Sie mal mit der Aussage konfrontiert: „Your people murdered twenty million of my people.“ Wie geht man als junge Schauspielerin mit solchen Aussagen um?

Ich bin von einer großbürgerlichen jüdischen Familie, den Kohners, ans Herz gedrückt worden und ich habe in den amerikanischen Emigrantenkreisen mehr gelernt über die jüngste europäische, deutsche oder österreichische Geschichte, als ich es jemals in der Schule oder über die Literatur hätte lernen können. Auf der einen Seite war ich sehr vielen Ressentiments ausgesetzt, auf der anderen Seite habe ich aber auch unendlich berührende Erlebnisse gehabt, beispielsweise mit Hanna Kohner, der Frau von Walter Kohner. Wir waren im Sommer mal gemeinsam schwimmen und da sah ich zum ersten Mal ihre Lagernummer, die am Unterarm tätowiert war. Ich habe sie gefragt, warum sie mir das niemals erzählt hat. Sie sagte nur: „Aber geh’, Kind, ich will doch, dass du die Menschen liebst.“ Das werde ich nie vergessen. Das war ein ganz großes Umarmen und eine Vergebung. Ich meine, was war mir zu vergeben? Ich musste nur wirklich gut Bescheid wissen. Und das habe ich in Amerika gelernt und seitdem lässt mich Geschichte nicht los. Die Ressentiments, denen ich tatsächlich ausgesetzt war, haben sich hauptsächlich am Anfang meines Aufenthalts in Amerika abgespielt. Beispielsweise kam ein baumlanger Oberbeleuchter jeden Morgen ans Set und flüsterte mir ins Ohr „You german pig“. Anfangs war ich so irritiert, dass ich es gar nicht erzählen konnte, aber dann habe ich es doch mal getan und er wurde sofort entlassen. Dann habe ich eine Begegnung gehabt mit dem Filmmogul Darryl F. Zanuck, der mich zu sich in seine New Yorker Hotelsuite gebeten hatte. 1964 war ich 23 und ich konnte mir gar nicht vorstellen, was mich dort erwarten würde in dieser Suite. Es war sehr, sehr unangenehm und das werde ich Paul Kohner nie verzeihen, dass er mir nicht eine kleine Warnung mit auf den Weg mitgegeben hat, sondern mich einfach so da hat hingehen lassen. Alles, was man jetzt über die Erlebnisse in den Me-too-Debatten hört, das ist mir damals tatsächlich widerfahren. Da ich aber immer schon sehr schlagfertig und auch schlagkräftig war, bin ich irgendwie aus dem Zimmer rausgekommen, habe aber einen Schuh verloren. In Erinnerung habe ich noch, dass er mir nachrief: „Schau doch, was du mit mir machst, du little german Fräulein!“ Das war wirklich an der Grenze zum Hass und, sagen wir mal, eine merkwürdige Begegnung mit einer feindlichen Erotik.

» Lampenfieber habe ich eigentlich immer gehabt und ich habe es auch heute noch. «

Das ist keine gute Mischung.

Genau. Das ist keine gute Mischung. Ich bin dann auf der Fifth Avenue mit einem Schuh nach Hause gegangen, habe mir furchtbar leidgetan und mir gedacht, dass mir das nie wieder passieren wird. Und es ist mir auch nie wieder passiert.

Paul Kohner, der große amerikanische Agent, von dem Sie gesprochen haben, hat seine ersten Jahre auf europäischem Boden verbracht, bevor die Nazis kamen. Übrigens war Paul Kohner, ihm sei post mortem noch Ehre erwiesen, auch der Agent von Marlene Dietrich, Greta Garbo, Billy Wilder, Liv Ullmann und anderen Größen des Filmgeschäfts.

Wenn wir schon dabei sind, sollten wir die Ehre ausdehnen auf sein größtes Verdienst: Er hat die Emigrantenhilfe ins Leben gerufen.

Darauf wollte ich hinaus.

Er hatte von Menschen wie beispielsweise Fritz Lang, Ernst Lubitsch oder Billy Wilder, die bereits in Amerika fest angekommen waren und es sich leisten konnten, Geld bekommen. Auch von William Dieterle, dessen Frau in erster Linie dafür verantwortlich war, dass es darüber auch eine Art von Buchhaltung gab. Diese Gelder sind unter anderem an Bertolt Brecht, Heinrich Mann, Alfred Polgar und Alfred Döblin gegangen, an die Menschen, die damals ohne Geld und Hoffnung in Kalifornien angekommen sind.

Kommen wir wieder zurück zur Musik. Wir haben eben schon die „Supremes“ gehört und nun kommen wir zu den „Eurhythmics“, einer Band, die in Ihrem Leben eine gewisse Rolle spielt. Kann man das sagen?

Ja, warum spielt die eine Rolle? Vielleicht, weil es so die erste Musik war, die mein Sohn mir empfohlen hat. Simon war damals 14 oder 15 und er fand meinen Musikgeschmack natürlich ziemlich antiquiert. Er hat mich quasi gezwungen, die Eurhythmics zu hören oder auch Michael Jackson selbstverständlich. Und die ersten Sachen von Michael Jackson fand ich auch hinreißend. Und sind es immer noch. So bin ich zu den Eurhythmics gekommen und zu „When tomorrow comes“.

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