Читать книгу Die schönste Frau der Welt - Hugo Bettauer, Hugo Bettauer - Страница 11
8. Kapitel
ОглавлениеKleine enttäuschungen
In London mietete Fred Holme ein fürstliches Appartement im Hotel Majestic an der Oxford Street. Gleich nach seiner Ankunft stürzte er sich mit Schneid in den Heuhaufen. Er schlenderte den Ostrand des Hyde-Parkes entlang bis zum Hyde-Park-Corner und bummelte dann durch die menschenüberfüllte Piccadillystraße. Nach einer Stunde blieb er erschöpft stehen und lehnte wehmütig an einem Briefkasten, der wie ein Schokoladeautomat aussah.
Himmel, brummte er in das glattrasierte Kinn hinein, so viel häßliche Weiber sieht man in unserem gesegneten New York in einem Jahre nicht wie hier in einer Stunde. Wo nehmen sie die vielen Sommersprossen und die großen Füße her? Und warum tragen sie nicht Taferln um den Hals, damit man ohne langes Nachdenken weiß, was vorne und was hinten ist?
Ein riesenhafter Policeman musterte den Gentleman, dem man auf zehn Schritt nach der Kleidung und den auswattierten Schultern den Yankee ansah, ging auf ihn zu, fragte teilnahmsvoll, ob ihm nicht gut sei.
Fred verneinte.
„Ich fühle mich ganz wohl und wenn ich bald einen anständigen Brandy in den Magen bekomme, werde ich wieder munter wie ein Fisch. Aber können Sie mir nicht sagen, mein Guter, wo man in dieser Stadt hübsche Mädeln mit etwas Busen und Schuhnummern unter vierzig zu Gesicht bekommt?“
Der Blaurock grinste verständnisvoll.
„Gehen Sie ins Alhambra, kaufen Sie sich einen Sitz ganz vorne, dann werden Ihnen die Augen übergehen vor schönen Beinen. Lauter amerikanische Chormädeln haben sie jetzt dort.“
Fatty dankte, winkte einen Taxicab und fuhr in sein Hotel zurück, um mit dem Portier Rücksprache zu pflegen.
„Mann, sagen Sie mir, wo man hier in London schöne, junge Mädeln zu Gesicht bekommt. Keine amerikanische Chormädeln, sondern etwas Hiesiges und Anständiges. Wissen Sie, ich bin Maler und brauche Modelle aus gutem Haus.“
Der Portier beguckte genau den dargebotenen Sovereign auf seine Echtheit und grübelte dann.
„Sir, gehen Sie heute in Covent Garden. Großer Opernabend heute und Sie finden dort die vornehmste Londoner Gesellschaft. Da fehlt es an feinen Weibern nicht, aber ob sie Ihnen Modell stehen werden, weiß ich nicht.“
Fatty warf sich in den Frack, in dem er gediegen und vornehm wie ein Trustpräsident aussah, und bezog eine ganze Loge im Convent-Garden.
Also wirklich, in den Logen und im Parkett sah man prachtvolle, schöne Frauen in allen Farben und Formaten. Zierliche, schlanke, imposante, junonische, solche, deren blonde Haare rot gefärbt waren, und solche, deren rote Haare schwarz gefärbt waren, Frauen mit leuchtenden Schultern und ganzen Juwelenladen über den Körper gestreut.
Die unstreitig schönste Frau saß in der Loge neben Fatty, aber er erkannte sie nach den
Bildern aus der „New Yorker Tribune“, sie war die Gattin des amerikanischen Botschafters. Der Botschafter saß bescheiden hinter ihr und sprach eben seine Indignation darüber aus, daß Tannhäuser zu Fuß und nicht von einem Schwan gezogen die Bühne betrat.
In der großen Pause begab sich Fred Holme kurz entschlossen in die Loge des Botschafters und stellte sich vor. Sein Name mit der Hinzufügung „Generalsekretär Mister Henry Garricks“ tat Wunder. Der Botschafter schüttelte ihm kräftig die Hand, stellte ihn der Gemahlin vor und lud ihn ein, in der Loge zu bleiben.
Henry Garricks Generalsekretär! Da hieß es vorsichtig sein, ein Wort von Garrick, und man saß als Gesandter in Madrid oder gar in Budapest.
Holme ging direkt auf sein Ziel los.
„Herr Botschafter, ich möchte gerne hier in London ein paar schöne junge Mädchen kennen lernen. Bitte, verhelfen Sie mir dazu.“
Mrs. Evelyn Lawrence, die Gattin des Botschafters, war Feuer und Flamme. Zweifellos, Fred Holme wollte heiraten! Glänzende Partie war er ja, also eine wunderbare Gelegenheit, dem weiblichsten aller Berufe nachzukommen und zu kuppeln.
Sie gab dem Gemahl, der sprechen wollte, einen Wink, er möge schweigen.
„Mister Holme, es wird mich freuen, wenn Sie morgen bei mir den Tee nehmen wollen. Sie werden ein paar reizende junge Damen kennen lernen.“
Wirklich war beim Tee der Botschaftersgattin eine ganze Reihe schöner Frauen und Mädchen versammelt. Natürlich kümmerte sich Fred nur um die Mädchen, die in drei reizenden Exemplaren vertreten waren. Die neunzehnjährige Maud Holborn, Tochter eines in Indien verstorbenen Generals, und zwei Schwestern namens Blanche und Rose, aus sehr vornehmem, aber verarmten Hause. Ihre Eltern waren tot, und sie lebten bei einer Verwandten, der verwitweten Countess of Parmoor.
Maud, neunzehn Jahre alt, dunkelblonde Haare, ein herziges Stumpfnäschen und rührend unschuldige Augen, war allerliebst, und Fred machte sich bald an sie heran. Er erzählte von Amerika, ließ sich allerlei von ihr erzählen, und fand die Naivität, mit der Maud plauderte, allerliebst. Im Verlaufe des Gespräches fragte er sie, wie der Mann beschaffen sein müsse, den sie einmal heiraten werde.
Maud errötete, schlug die unschuldsvollen Augen nieder und sagte leise:
„In erster Linie müßte er sehr reich sein. Alles andere findet sich dann schon.“
Fred war es, als würde ihm jemand kaltes Wasser hinter den Rockkragen gegossen haben.
„Liebe Miß Holborn, Reichtum allein macht doch nicht glücklich – –”
„Nein man muß ihn auch wirklich besitzen,“ erwiderte Maud mit schwärmerischem Augenaufschlag. Wissen Sie, wenn ich heirate, muß mir mein Mann sofort einen großen Teil seines Vermögens verschreiben. Ich möchte nicht, daß es mir geht, wie meiner Cousine Bessy. Die hat sich in einen reichen Mann verliebt, und nachdem sie zwei Jahre verheiratet waren, ist er durch eine verfehlte Spekulation total verkracht. Nun, sie hat Glück im Unglück gehabt, lernte einen anderen reichen Mann aus Sidney kennen, ließ sich rasch scheiden und heiratete den. Aber man hat nicht immer so viel Glück, daß man gleich einen anderen erwischt.”
Fred verschluckte sich an einem Kaviarbrötchen und wendete sich den beiden Schwestern Rose und Blanche zu. Die eine war achtzehn, die andere zwanzig, beide bildschön, ihre schwesterliche Liebe wirkte wohltuend und angenehm. Gewöhnlich saßen sie eng aneinandergeschmiegt da, wie die kleinen grünen Gesellschaftsvögel.
Die Hausfrau hatte den beiden armen, schönen Mädchen einen Wink gegeben, sich Fred Holme, dieser glänzenden Partie gegenüber, entsprechend zu verhalten und nach einer Viertelstunde wußte Fatty, daß die Schwestern Chopin spielten, eine Leidenschaft für Longfellow hatten, während ihnen Shaw zu frivol war, und Blumen malen konnten.
Er sprach so ganz nebenbei vom Heiraten, worauf Blanche, die ältere, gütig lächelnd sagte, daß sie sich dazu nur sehr schwer entschließen würde, da sie sich von ihrem lieben Schwesterchen nicht trennen könnte. Rose, die jüngere, nickte.
Auch ihr wäre der Gedanke furchtbar, fern von ihrer Schwester leben zu müssen.
Fred redete ihnen das aus. Irgendwo stehe schon in der Bibel, daß das Weib dem Manne folgen müsse, und schließlich, wenn die eine zum Beispiel nach dem gesegneten Amerika heiraten sollte, könnte ja die andere desgleichen tun.
Worauf die Mädchen Tränen in den Augen hatten und sich noch zärtlicher aneinanderschmiegten. Fred fluchte innerlich. Höchster Unsinn das mit dieser Monogamie. Wäre nicht übel, die beiden schönen Mädchen auf einmal zu heiraten. Er sah sich unwillkürlich mit einem Fez auf dem Haupt, links und rechts je eine der Schwestern, während er mit gekreuzten Beinen da saß und eine lange Pfeife rauchte. Aber der Gedanke verflog wieder, und er erinnerte sich, daß er ja gar nicht in Betracht kam, sondern eine Braut für Henry Garrick suchen sollte.
Späterhin begaben sich die Herren in den Rauchsalon, um zu rauchen und sich an einem hundertjährigen Scotch Whisky gütlich zu tun, wobei Mister Lawrenca, einer der hitzigsten Vorkämpfer für die Abstinenz, erklärte, daß Whisky gar nicht als Alkohol zu werten, sondern als Medizin zu betrachten sei. Dann wurden die neuesten Witze erzählt, die so dumm und alt waren, daß Fred es vorzog, sich davonzuschleichen und wieder die lieblichen Schwestern aufzusuchen.
Hinter einem gelben Seidenvorhang, der einen der kleinen Salons abschloß, hörte er ihre Stimmen. Die Unterhaltung der Mädchen schien sehr erregt zu sein, und unwillkürlich horchte Fred, dem es darum zu tun war, einen Blick in das Innenleben der Schwestern zu tun.
Rose zischte wie eine Schlange:
„Direkt gemein, wie du mit dem dicken Amerikaner kokettiert hast. Fehlte nicht viel, und du hättest dich ihm an den Hals geworfen!“
„Du freches Ding du, du willst mir ihn ja nur wegfischen! Aber ich bin die ältere, ich komm zuerst an die Reihe!“
„Quatsch! Dafür bin ich hübscher als du! Wenn die Männer wüßten, daß du schwarze Haare auf den Beinen hast, würde es ihnen vor dir grausen!“
„Und du? Du hast ja mit deinen achtzen Jahren schon einen Hängebusen, während ich –“
„Überhaupt keinen habe! Lieber einen Hängebusen als gar keinen!“
„Freche Person!“
„Dumme Gans!“
„Da!“
Ein Aufschrei, ein Klatschen und wieder ein Aufschrei.
Fred lüftete ein wenig den Vorhang und sah, daß die beiden zärtlichen Schwestern einander in die Haare geraten waren. Worauf er die Flucht ergriff und sich beinahe formlos von Mr. und Mrs. Lawrence verabschiedete.
Draußen stöhnte er.
Puh! Armer Henry! Das wären so die richtigen Frauen für dich! Ich sehe schon, in dem Heuhaufen gibt es mehr Schlangen als Stecknadeln!
Fred beschloß diesen Tag in einem großen Konzert-Café, in dem eine Menge bildschöne Mädeln mehr oder weniger unbekleidet tanzten. Auch im Publikum fand er Grazien genug. Von einem Pfund per Stück und Nacht aufwärts. Fred begnügte sich damit, mit drei süßen Kindern enorm viel Champagner zu trinken. Im Gespräch mit ihnen erfuhr er aber, daß man die schönsten Mädeln von London am Sonntag in Richmond an der Themse finden könne. Nicht die große, vornehme Gesellschaft, aber die lieben kleinen Bürgermädchen, die Tippmädeln und Arbeiterinnen. Nun, Henry hatte ihm ja ausdrücklich gesagt, daß das schönste und beste Mädchen der Welt arm wie eine Kirchenmaus sein dürfe. Gut, auf nach Richmond!