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6. Kapitel

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Ein seltsamer entschluss

Garrick ging wieder mit großen Schritten au und ab. Und sein Gehirn, dieses merkwürdig konstruierte amerikanische Gehirn, daß im Bruchteil einer Sekunde die schwierigsten Situationen erfaßt und Entschließungen von weittragender Bedeutung trifft, dieses Garricksche Gehirn faßte mit einem Ruck einen bizarren Entschluß, der sein ganzes Leben anders gestalten sollte.

Henry Garrick sah auf die Uhr. Die erste Stunde nach Mitternacht war vorüber. Ein Druck auf einen Taster und er war mit der Telephonzentrale seines Palastes verbunden.

„Geben Sie mir das Hotel ,Belvedere’ an der achzehnten Straße.“

Eine Minute war noch nicht vergangen und die Verbindung hergestellt.

„Ist die deutsche Hochzeitsgesellschaft noch beisammen? Gut, rufen Sie Mister Fred Holme.“

Wieder verging eine Minute.

„Fred, hast du schon einen deutschen Kapitalsrausch oder bist du noch Herr deiner Sinne? Ja, es geht noch? Dann erwarte ich dich sofort bei mir.“

Fred Holme fluchte. Er hatte gerade einen kleinen Flirt mit einem hübschen deutschen Mädel begonnen, das Grete hieß und von jener molligen Weichheit war, die Fred als würdiges Pendant zu seiner Fettleibigkeit betrachtete. Und nun mußte er Rheinwein, Grog und die herrlichen Schnäpse mitsamt Grete in Stich lassen, weil es diesem unmöglichen Garrick gefiel, ihn in irgend einer blöden Dollarangelegenheit zu sich zu zitieren. Aber das Fluchen nützte nichts, er erhob sich, überzeugte sich, daß er noch halbwegs sicher auf beiden Beinen stand, ja es sogar auf einem durch eine ganze Sekunde aushielt, verabschiedete sich von Grete mit einem herzlichen Kuß und sauste auch schon in seinem hundert pferdekräftigen Lincoln die Avenues entlang nach Riverside Drive.

Garrick schüttelte ihm die Hand, schien ein wenig bleich zu sein und sprach mit weicherer Stimme als sonst.

„Tut mir leid, mein Junge, daß ich dich dem Alkoholteufel entreißen mußte. Wirst aber in nächster Zeit genug Gelegenheit haben, mit ihm Bruderschaft zu trinken. Fred, morgen, besser gesagt heute, um elf Uhr vormittags, fährt der Dampfer ,Leviathan’ nach Southampton. Du fährst mit und bereist ganz Europa: London, Paris, Berlin, Rom, Wien und wohin du willst, wohin es dir paßt. Und suchst mir eine Frau: Bitte, mach kein so dummes Gesicht. Jawohl, du suchst mir ein Mädchen, daß ich heiraten werde. Das Mädchen kann arm sein wie eine Kirchenmaus, es muß nur schön, unbestreitbar schön sein, in ihrer Sprache gebildet, wohlerzogen, gütig und nach unseren amerikanischen Begriffen makellos. Verstehe mich wohl. Ich vertraue dir mein Lebensglück an: Ich wünsche, daß du mir das schönste und beste Mädchen Europas findest. Ich will nicht länger einsam und allein wie ein verlassener Hund sein. Ich will in diesem Palast, der Raum für hundert Menschen hat, nicht wie ein Eremit leben. Ich will eine Frau haben, die zu mir gut sein wird, mir mit kühlen, weichen Händen die Stirne streichelt, wenn mein Kopf von der Jagd nach dem Gold heiß ist wie ein Plätteisen, ich will Kinder haben – kurzum, halte mich meinethalben für verrückt, aber ich will glücklich sein.

Junge, nimm all deinen Verstand und deine Freundschaft zu mir zusammen. Dein Programm lautet: Die schönste und beste Frau der Welt für den reichsten Mann der Welt! Von deinem Eifer und deiner Freundschaft hängt alles für mich ab! Du kannst mich glücklich machen und kannst mir das Leben vergiften. Das Mädchen, das du suchst, soll schön, zart, fein, klug, aber nicht geistvoll, gebildet, aber nicht gelehrt sein. Ich will Staat mit ihr machen können, man soll mich um sie beneiden, aber sie darf keine Gesellschaftspuppe sein. Je ärmer, desto besser. Aber ich wünsche keinen Anhang, keine Gevatterschaft, keine Brüder, Schwestern, Onkel, Tanten, die sich an mich anklammern und mir lästig werden. Makellose, unberührte Jungfrau, aber nicht zimperlich, nicht Betschwester und Augenverdreherin. Von der Sorte haben wir hier im Lande mehr als genug.

Hast du gefunden, was ich suche, so bringe das Wunder entweder her oder kabel mir. Ich werde mich losreißen und hinüberfahren. Wohlgemerkt: Nation und Konfession ist mir gleichgültig, aber lieber wäre mir schon ein deutsches Mädchen. Weil ich diese Sprache am besten beherrsche und weil ich von deutschen Frauen viel halte. Aber das ist keine Bedingung, es kann auch eine Französin, Italienerin, Schwedin oder irgend etwas sein. Jung, sehr jung natürlich. So gegen zwanzig oder darunter. Mädchen, die älter sind, haben immer schon eine Vergangenheit. Wenn nicht eine erlebte, so doch eine erträumte, und das kann noch ärger sein.

Also los, Fred, ich weise dir unbeschränkten Kredit für alle europäischen Hauptstädte an. Geh jetzt schlafen, du wirst wohl noch allerlei zu besorgen haben. Schau, daß du die schönste und nobelste Kabine des ,Leviathan‘ bekommst. Und ich will von dir nichts hören, bevor du nicht gefunden hast, was ich suche.“

Fred Holme bestieg wieder sein Auto und zwickte sich während der Fahrt kräftig in das rechte Ohrläppchen, um sich zu vergewissern, daß er nicht doch einen ordentlichen Rauschtraum habe. Aber nein, das Ohrläppchen schmerzte, also war alles wahr. Und nach dieser Erkenntnis reckte sich Fatty, ein Gefühl der Rührung überkam ihn, und er nahm sich vor, seinen Gebieter und Freund nach besten Kräften zum großen Glück zu verhelfen.

Die schönste Frau der Welt

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