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5. Kapitel

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Amerikanerinnen

Aber woher diese Frau nehmen? Die wunderschöne, liebliche, gütige Frau, die ihm, nur ihm allein gehört, ihn liebt, nicht nur seine Milliarden?

War die hier, in Amerika, zu finden? Unwillkürlich dachte er an die Ehe seiner eigenen Eltern. Der Vater ein harter, rücksichtsloser Geldmensch, der, genau wie er selbst, nur der Arbeit lebte. Als schottischer Schlosserlehrling war er eingewandert, hatte mit eiserner Zähigkeit, aber auch mit brutaler Rücksichtslosigkeit sich den Weg gebahnt, als reicher Mann in reifen Jahren ein amerikanisches Mädchen geheiratet. Hatte ihm die Ehe viel Freude und Glück gebracht? Garrick mußte diese Frage verneinen. Seine Mutter war eine kalte Frau gewesen, die den Mann wohl anpeitschen, seinen Erwerbssinn anfeuern, nie ihm aber gütige Gefährtin sein konnte und wollte.

Der Vater hatte vom Morgen bis in die Nacht gearbeitet, die Mutter Gesellschaften besucht, Reisen gemacht, sich um den Mann und den Sohn nie gekümmert.

Und die anderen Frauen, die er kannte? Oberflächliche Geschöpfe, die nur dem Vergnügen, dem Putz, der Zerstreuung lebten. Da war sein Jugendfreund Harry Goodman. Aus Liebe hatte er ein bildschönes, junges Mädchen aus dem Westen geheiratet, ein armes Ding, das als Fabriksarbeiterin für ihr Leben sorgen mußte. Und heute? Heute spielte sie die große Dame, behandelte ihren Mann wie einen Sklaven, eine Geldmaschine. Neulich erst hatte Harry ihm gesagt:

„Früher, als Junggeselle, wenn ich ein kleines Mädel vom Chor aushielt, hatte ich eine Geliebte, mit der ich täglich ein paar Stunden verbringen konnte. Heute aber? Heute habe ich eine Frau, die ich tagelang nicht sehe, die abends nicht zu Hause ist, allein nach Europa reist, das Geld von mir genau so nimmt, wie die Choristin, ohne dabei mir die Zärtlichkeit zu geben, die diese wenigstens vorgetäuscht hat.“

Und ein anderer Freund, der vor einem Jahr geheiratet hatte, beklagte sich, daß seine Frau kalt sei, ihm die ehelichen Rechte verweigere, den intimen Verkehr zwischen Eheleuten als „Schweinerei“ verabscheue und, wenn sie sich ihm schon hingebe, in seinen Armen leblos wie eine Statue bleibe.

Aber Lilian Mervil?

Garrick ging an das Fenster, schob es hoch, ließ die milde Frühlingsluft vom Hudson her in das Zimmer strömen, hörte das Rauschen des breiten Stromes, der jetzt noch, um Mitternacht, von hundert Schiffen und Kähnen befahren war.

Lilian Mervil war allerdings kein kaltes Weib, sondern ein leidenschaftliches, rassiges, das das Blut der spanischen Mutter geerbt hatte.

Der Gedanke an Lilian Mervil ließ Garricks Pulse schneller schlagen. Die würde in seinen Armen nicht leblos bleiben, würde Liebe, die sie bekommt, mit allen Sinnen erwidern. Und sie schien ihn ja zu lieben, tat wenigstens so, umgab ihn in den kurzen Viertelstunden, die er ihr widmen konnte, mit aller frauenhaften Zärtlichkeit.

Aber – steckte nicht ein Dämon in diesem schönen jungen Weib mit den nachtschwarzen Haaren und den grau-grünen Augen?

Lilian Mervil stammte aus vornehmem, aber wenig begütertem Hause, hatte mit ihren Eltern in New-Orleans gelebt, bis der junge Universitätsprofessor Ralph Mervil, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt hatte, sie zur Frau nahm. Mervil, Gelehrter durch und durch, europäisch gebildet, schwächlich, kurzsichtig – sie, schön und majestätisch wie Juno, sinnlich und leidenschaftlich wie ihre Mutter, die eine berühmte Tänzerin gewesen, beherrscht und überlegen wie ihr Vater, der Zoll für Zoll südstaatlicher Sklavenherr war – eine seltsame Ehe und nicht von langer Dauer. Über den Tod Mervils wurde allerlei gemunkelt, ohne daß Positives behauptet werden konnte. Tatsache war, daß die Mervils den ersten Sommer ihrer Ehe in dem Seebad Atlantic City zugebracht hatten. Dort entwickelte sich angesichts der Hitze das mondäne Badeleben erst spät abends nach dem Souper, unter der Beleuchtung riesiger elektrischer Scheinwerfer wurde in das glitzernde, lauwarme Meer hinausgeschwommen, gerudert und im weichen Sand des breiten Strandes geflirtet.

Lilian, glänzende, preisgekrönte Schwimmerin, pflegte meilenweit hinauszuschwimmen und ihren Gatten, den seine schwächliche Konstitution zu keinerlei Sport befähigte, durch scherzhaften Spott mit hinauszulocken. Einmal nun geschah es, daß die Badegäste von weiter Ferne einen dumpfen, gellenden Aufschrei hörten und gleich darauf die Hilferufe der in rasender Eile zurückschwimmenden Frau Lilian.

„Mein Mann ist untergegangen,“ schrie sie und begann bitterlich zu weinen. „Ich habe versucht, ihm zu helfen, habe nach ihm getaucht, ihn aber nicht finden können.“

Nach stundenlangem Suchen fand man dann seine Leiche am Meeresgrund. War er wirklich von einer Schwäche befallen worden, hatte ihn die grandiose Schwimmerin und Taucherin wirklich nicht retten können? Stammte das blutige Mal am Halse von einem Hummer oder einem anderen Meertier? Kein Schatten eines Verdachtes fiel auf die junge Witwe, aber die Gerüchte wollten nicht verstummen, verfolgten sie durch die drei nun vergangenen Jahre.

Henry Garrick, innig befreundet mit dem jungen Gelehrten, nahm sich der Witwe an, die von ihrem Mann ein anständiges, aber wider Erwarten nicht sehr bedeutendes Vermögen geerbt hatte, und seither betrachtete Lilian ihn als ihren Freund, versuchte immer wieder ihn von der Arbeit weg in das rauschende gesellschaftliche Leben New Yorks zu ziehen.

Lilian! Henry Garrick fühlte, wie seine Sinne ihn zu ihr zogen. Seine Sinne, aber auch sein Herz? War sie die Frau, die er brauchte, die ihm stilles Glück geben konnte?

Garrick schüttelte den Kopf, sagte laut, daß er fast erschrak, „nein!“ Lilian als Geliebte, ja! Als sorgende Lebensgefährtin aber – nein! Auch sie würde den Mann zu beherrschen versuchen, auch sie in ihm nur Mittel zum Zweck sehen, auch sie die Teilhaberin seines Vermögens, aber nicht die Seelengenossin sein. Garrick erinnerte sich plötzlich, wie unlängst einer seiner wenig glücklich verheirateten Freunde gesagt hatte:

„Wenn ich jetzt ledig wäre, würde ich mir ein ganz armes, wohlerzogenes und schönes Mädchen in Europa suchen. Das mich achtet, zu mir aufsieht, an meinem Reichtum Freude hat, aber nicht nur an meinem Reichtum. Mein Gott, wir Männer freuen uns ja, wenn unsere Frauen das Geld mit vollen Händen ausgeben und sich mit allem Luxus der Erde ausstatten, aber wir wollen nicht, daß sie uns lediglich als Scheckbücher betrachten. Wenn man ein Kind beschenkt, tut man es, damit es sich freut. Aber wenn man sieht, daß ein Kind nur dann mit einem nett ist, wenn man ihm Geschenke mitbringt, so wird man verstimmt.“

Die schönste Frau der Welt

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