Читать книгу Ein Lindwurm unter Wölfen - Hugo von Velocia - Страница 5
Eine lange Jagd beginnt
ОглавлениеInzwischen durchstreifte der Lindwurm sein Revier in der Hoffnung, vielleicht doch den einen oder anderen Leckerbissen zu finden. Zufällig stieß er dabei auf Slykurs Fußabdrücke. Und sie sehen noch ganz frisch aus. Er lächelte und begann den Spuren zu folgen.
„Hmm... Drachenspuren. Sehr gut. Ich wusste doch gleich, dass es in diesem neuen Revier reichlich Beute gibt“, murmelte der Lindwurm leise vor sich hin. Drachen zu fressen, war natürlich eine Herausforderung. Aber als Lindwurm scheute er solche Herausforderungen nicht. Er hatte schon öfters Drachen bezwungen und sie gefressen. Und im Moment war sein Hunger so groß, dass er sich eine Begegnung mit dem Drachen, dessen Spuren er gerade gefunden hatte, herbeisehnte.
Slykur ging immer weiter ohne jemals die Richtung zu ändern. Er fand keinerlei Anzeichen von Leben. Nicht mal einen Hasen oder einen Fuchs entdeckte er. „Langsam wird mir dieses Gebiet unheimlich. Ich habe kein gutes Gefühl. Irgendetwas passiert hier. Das fühle ich", begann Slykur zu seufzen..."Seltsam, dass nicht mal ein paar kleine Säugetiere zum fressen da sind. Ich werde wohl besser einen Zahn zulegen bevor ich hier noch verhungere."
Slykur fühlte sich unwohl. Warum hatte er nur ein ihm fremdes Gebiet betreten? Doch da Slykur nicht unverrichteter Dinge wieder umkehren wollte, ging er einfach weiter. Er hätte als Drache zwar auch fliegen können, doch im Moment wollte er besser seine Kräfte sparen. Und fliegen war ziemlich anstrengend.
Es dauerte nicht lange, bis der Lindwurm vor sich einen grünen Drachen sehen konnte. Er freute sich darüber. Denn einen Drachen dieser Größe hatte er schon lange nicht mehr erbeutet. Doch es würde sicher nicht leicht werden, den zu überwältigen. Es war kaum möglich, sich unbemerkt nahe genug an den Drachen anzuschleichen, um ihn angreifen zu können. Es blieb dem Lindwurm wohl nichts anderes übrig, als es auf eine andere Art zu versuchen. So schnell er konnte, kroch er auf den Gründrachen zu und versuchte dabei einen möglichst harmlosen Eindruck zu erwecken. Er gab sich gar nicht erst die Mühe, sich zu verstecken. Wenn sein Plan funktionierte, dann durfte der Drache den Lindwurm ruhig sehen.
Plötzlich konnte Slykur hinter sich ein Geräusch hören. Es klang fast wie Schritte. Als er sich umdrehte stand ein drachenähnliches Wesen hinter ihm. Er fing an zu knurren.
"Wer bist du? Bist du daran schuld, das diese Gegend hier so leergeräumt ist?“ Mit seinen gelben Augen starrte er den Fremden an und beobachtete sorgsam jede Aktion seines Gegenübers.
Lächelnd antwortete der Lindwurm: "Hallöchen. Du musst nicht knurren, ich bin ein ganz lieber Lindwurm. Und... äh... ich habe nichts damit zu tun, dass hier keine Tiere mehr sind. Das muss andere Gründe haben.“ Ob Slykur wohl wusste, dass Lindwürmer mit Vorliebe andere Drachen fraßen? Besonders erfahren schien der Gründrache nicht zu sein. Dessen war sich der Lindwurm sicher. Allerdings hatte der Lindwurm hier einen durchaus ernstzunehmenden Gegner vor sich. Er musste vorsichtig sein. Drachen dieser Größe konnten selbst einem Lindwurm gefährlich werden.
Slykur sah sich den Lindwurm skeptisch an.
„Ach ja? Ich habe noch nie einen von deiner Rasse getroffen, obwohl ich auch in früheren Jahren viel unterwegs war. Und was ist der Grund deiner Anwesenheit, wenn ich fragen darf?" Slykur fixierte seinen Blick noch fester auf den Lindwurm um jede Aktion und Reaktion wahrzunehmen. Er war nicht dumm. Vielleicht bildete er es sich ja nur ein, doch er glaubte, eine gewisse Gier im Blick dieses schlangenähnlichen Wesens erkennen zu können.
Der Lindwurm versuchte angestrengt, beim Anblick des leckeren Drachen vor sich, nicht zu sabbern. Er durfte jetzt keinen Fehler machen, denn eine Chance auf so eine Mahlzeit würde er so schnell nicht wieder bekommen.
„Ja, wir Lindwürmer sind ziemlich selten. Deshalb ist es normal, dass du uns noch nicht gesehen hast. Und der Grund, warum ich hier bin ist ganz einfach. Ich wohne nämlich hier. Also ist meine Anwesenheit hier in dieser Gegend kein ungewöhnliches Ereignis.“
Slykur lockerte seinen Blick und fing an zu grinsen. „Ich verstehe. Dann sage mir mal: Ist hier immer so wenig los? Ich kann weit und breit keine Tiere entdecken." Slykur ging einen Schritt zurück, da der Lindwurm etwas größer war als er selbst. Und so im Ganzen betrachtet hatte dieses Wesen etwas sehr Bedrohliches an sich. „Ihr Lindwürmer seid echt verdammt groß...", meinte Slykur nicht ohne Bewunderung in der Stimme.
„Ja ziemlich groß und stark. Und vor allen Dingen ständig hungrig", sagte der Lindwurm und starrte den Drachen mit gierigem Blick an. Er versuchte sich dabei vorzustellen, wie er wohl schmecken würde und schnurrte leise bei der Vorstellung. Dieser gierige Blick war typisch für den Lindwurm. Doch obwohl er wusste, dass es unklug war, den Drachen so gierig anzustarren, war es verdammt schwer, ein neutrales und unauffälliges Gesicht zu machen. Nicht bei einem solchen Leckerbissen vor der Schnauze.
Slykur wandte seine Blick von dem Lindwurm ab, da er es nicht ertragen konnte, so angestarrt zu werden. „Wahrscheinlich hast du die Gegend hier leer gefressen. Du hättest mir ruhig ein paar Tiere übrig lassen können. Ich bin da nicht wählerisch. Gibt es hier überhaupt noch Beute die zu holen ist?"
„Oh ja, In meiner Höhle habe ich noch sehr viel davon. Da habe ich mir einen großen Beutevorrat angelegt. Möchtest du nicht mit mir kommen und dir etwas aussuchen?" Noch immer lächelte der Lindwurm. Vielleicht konnte er den Drachen ja in seine Höhle locken. Wenn er erst mal dort war, würde er nicht mehr so leicht entkommen können. Vor allem konnte er in einer Höhle nicht davonfliegen. Denn das war bei Drachen immer zu befürchten. Und da der Lindwurm nicht fliegen konnte, hätte er keine Chance, den Drachen dann noch erbeuten zu können.
„Hm, ja wieso nicht." Slykur setzte ein breites und gieriges Lächeln auf. Nach diesem verlockenden Angebot konnte er nur mehr ans Fressen denken. „Das erspart mir das weitere Suchen. Wollen wir?"
„Ja komm mit, es ist hier gleich um die Ecke in der Höhle dort hinten." Das lief ja besser, als der Lindwurm zu hoffen gewagt hatte. Sobald der Drache in seiner Höhle sein würde, könnte er ihn sich endlich schnappen. Er freute sich schon darauf und grinste erwartungsvoll vor sich hin. Dieser Gründrache schien tatsächlich nicht besonders erfahren im Umgang mit Lindwürmern zu sein. Um so besser, dachte sich der Lindwurm.
Sehnsüchtig auf die leckere Mahlzeit die auf Ihn wartete, ging Slykur dem Lindwurm nach. Als schlangenähnliches Wesen war der Lindwurm nicht besonders schnell und Slykur hatte keinerlei Mühe, ihm zu folgen. „Warum eigentlich diese freundliche Geste? Ich kenne dich kaum und war ehrlich gesagt auch kurz davor dich anzugreifen."
„Tja, ich habe hier nur selten Besuch. Und so ein hübscher Drache ist mir immer willkommen." Der Lindwurm konnte sich nun kaum noch beherrschen. Am liebsten hätte er den Drachen gleich hier und jetzt angegriffen und verschlungen, doch er musste eine bessere Gelegenheit dazu abwarten. Jetzt nur keinen Fehler machen, dachte er sich. "Sei froh, dass du mich nicht angegriffen hast. Ich kann mich nämlich sehr gut verteidigen. Ein Angriff wäre dir schlecht bekommen. Wir Lindwürmer sind sehr stark. Aber lass uns jetzt nicht streiten."
Slykur schaute sich diese fremdartige Kreatur an. "Ob er wirklich so stark ist wie er behauptet“, murmelt er leise vor sich hin. "Na ja, ich bin auch nicht gerade schwach, aber gut, dass wir darüber gesprochen haben. Es ist schön, dass wir gut miteinander auskommen. Und wo ist jetzt deine Höhle?"
„Gleich da drüben. Gehe ruhig schon mal rein." Der Lindwurm ließ Slykur vorausgehen, denn dann würde Slykur in der Falle sitzen, wenn er die Höhle erst mal betreten hatte. Der Lindwurm schleckte sich schon voller Vorfreude über seine beiden langen Fangzähne. Hätte sich Slykur in diesem Moment umgedreht, wäre er mit Sicherheit misstrauisch geworden.
Neugierig ging Slykur voraus. Vor lauter Hunger lief ihm schon der Sabber aus dem Maul. „Wo ist die Beute? Ich kann keine wittern?", fragte er. Vom Hunger getrieben verschwindet der Drache immer weiter in die Höhle.
Nun war es mit der Freundlichkeit des Lindwurms vorbei. „Die Beute? Die ist genau da, wo du bist, Kleiner. Du bist die Beute.“ Der Lindwurm schnellte auf Slykur zu und wickelte seinen langen, schlangenähnlichen Körper um den Drachen. Er musste ihn nur festhalten, dann war er auch in der Lage, ihn zu fressen. Triumphierend lachend sagte er: „Weißt du etwa nicht, dass wir Lindwürmer eine Schwäche für leckere Drachen haben?“
Slykur spannte seine Muskeln an und begann zu fauchen. „Was soll der Mist? Ich bin nicht hier um selbst gefressen zu werden.“ Der Drache schlug mit dem rechten Flügel auf den Kopf des Lindwurms. Es sah so aus als hätte dieser komische Schlangendrache nicht mit Gegenwehr gerechnet, da er den Griff leicht lockerte. Slykur schaffte es fast, sich aus diesem Griff zu befreien. Nur noch ein wenig...
„Autsch, verflucht noch mal. Halte gefälligst still, Kleiner", fauchte der Lindwurm. Er hatte alle Mühe damit, den Drachen irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Doch das war schwieriger, als er angenommen hatte. Dennoch war er zuversichtlich, es schaffen zu können, denn er hatte schon öfters Drachen dieser Größe bezwungen. Leicht war das nie gewesen, doch ein Lindwurm ließ sich nicht so leicht abschrecken.
„Von wegen, Stillhalten. So dumm bin ich nicht. Erbeutest du deine Opfer immer auf so eine hinterhältige Art?“ Slykur wich ein paar Meter zurück um nicht noch mal so plötzlich von dem Lindwurm erfasst werden zu können. Sein Hungergefühl verschwand auf der Stelle und der Drache widmete dem Lindwurm jetzt seine volle Aufmerksamkeit.
„Oh ja, zumindest meistens. Wir Lindwürmer sind immer ein wenig hinterhältig. Und da wir sehr oft auch Drachen fressen, müssen wir auch ein wenig hinterhältig sein. Und jetzt komm her und wehre dich nicht. Dann wird es auch nicht weh tun, Kleiner“, erwiderte der Lindwurm. Doch er wusste, dass seine Chancen deutlich gesunken waren. Warum hatte er den Drachen nur nicht ordentlich festhalten können. Er musste wohl etwas außer Übung gewesen sein. Eine häufige Strategie jagender Lindwürmer war es, seine Opfer wie eine Schlange zu umschlingen. Lindwürmer waren sehr stark und waren auf diese Weise durchaus in der Lage, auch große Opfer festzuhalten. Anders als Schlangen erwürgten Lindwürmer ihre Beute allerdings nicht auf diese Art. Dieses Umschlingen diente einzig und allein dem Festhalten einer Beute.
„Das hättest du wohl gerne." Slykur begann zu grinsen. „Warum gehst du mir nicht einfach aus dem Weg. Ich bin doch viel zu groß für dich, du komische Schlange." Slykur begann einen kleinen Feuerball in seinem geschlossenen Maul zu bilden. Da er diese Fähigkeit fast noch nie verwendet hatte, war es bist jetzt auch noch nicht bekannt, dass er sie überhaupt besaß. Diesem Lindwurm würde er schon zeigen, wer hier der Stärkere war.
Der Lindwurm ahnte, was der Gründrache vor hatte. Und nun war er es, der sich Sorgen machte, denn er wusste, dass er sich gegen Feuer nicht wirklich verteidigen konnte. Seine Hautschuppen waren zwar nicht wirklich feuerempfindlich, doch allzu lange konnte er sich so einem Drachenfeuer auch nicht aussetzen, ohne sich Verbrennungen zu holen. Er musste also entweder sofort noch einmal angreifen, oder versuchen, aus dem Weg zu gehen. Doch den Drachen entkommen zu lassen, kam für den Lindwurm nicht in Frage.
Da sich der Lindwurm nicht vom Fleck rührte, musste sich Slykur für eine Alternative entscheiden. Angriff! Er spuckte den Feuerball mit hoher Geschwindigkeit in die Richtung des Lindwurms. Er verfehlte sein Ziel nur knapp aber nicht ganz. Der Feuerball streifte den Lindwurm, richtete aber keinen nennenswerten Schaden an. „Gehst du mir nun endlich aus den Weg oder nicht? Ich will dich nicht unnötig verletzen", knurrte Slykur.
Der Lindwurm ließ sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen und kroch unbeeindruckt auf den Drachen zu. Er hatte keine Wahl. Er musste ihn angreifen. „Lass das, Kleiner. Oder du machst mich richtig böse.“
Nur noch ein paar Meter, dann konnte der Drache nicht mehr weiter zurückweichen, denn die Höhle war nicht besonders groß. Drohend kam der Lindwurm immer näher und öffnete fauchend sein Maul. „Es hat nicht geklappt, Slykur. Du hast mich nicht getroffen. Meine Hautschuppen sind ziemlich feuerfest. Dir müsste schon ein Volltreffer gelingen, um mich auch nur ein wenig anzukokeln.“
Slykur bemerkte, dass hinter ihm das Höhlenende nahte. Er hätte gar nicht erst diese Höhle betreten dürfen. Wie hatte er nur so einen dummen Fehler machen können? „Du willst es nicht anders..." Der Drache ließ einen gewaltigen Brüller los und brachte sich in Kampfposition. Konzentriert auf den Lindwurm und seine darauf folgenden Aktionen wartete er ab und produzierte bereits den nächsten Feuerball. Anders als andere Drachen konnte Slykur nur Feuerbälle auf Feinde speien. Diese explodierten, wenn sie auf ihr Ziel trafen. Doch der Gründrache konnte damit nicht einfach wahllos um sich feuern. Es dauerte immer einige Zeit, bis so ein Feuerball abschussbereit war. Und je mehr er innerhalb kürzester Zeit abfeuerte, desto länger dauerte es, bis der nächste bereit war.
Dem Lindwurm wurde schnell klar, dass der Drache immer eine gewisse Zeit für so einen Feuerball benötigte. Das war natürlich seine Chance. „Mit nur einem Feuerball wirst du mich nicht kampfunfähig machen können. Meine Schuppen halten nämlich einiges aus. Und du willst doch nicht nähere Bekanntschaft mit denen hier machen, oder?“ Der Lindwurm zeigte dem Drachen seine beiden langen Giftzähne. Schon so manchen Drachen hatte er mit denen erlegt. Und nicht nur Drachen...
Slykur schoss einen zweiten Feuerball in die Richtung des Lindwurms. „Grr, das werde ich auch nicht. Meine Schuppen sind auch nicht aus Butter.“ Obwohl sich Slykur in einer sehr misslichen Lage befand ließen seine Arroganz und sein Stolz kaum nach. Aber seine Konzentration schwächte sich auch nicht ab und da er durch das Austragen von früheren Rivalenkämpfen gut trainiert war, wurde er auch nicht so schnell müde. „Vergiss es ich bin kein Futter!“
Der Feuerball versengte zwar die Schuppen des Lindwurms ein wenig, aber er richtete keine ernsten Schäden an. „Hm du glaubst also wirklich, dass du im Kampf gegen einen Lindwurm bestehen kannst? Du wärst nicht der Erste, der sich dabei irrt. Ich habe sogar schon größere Drachen als dich gefressen. Für mich bist du Futter, ob du willst oder nicht.“ Gierig starrte der Lindwurm den Drachen an.
Slykur setzte einen hasserfüllten Blick auf. Er konnte es einfach nicht leiden so angestarrt zu werden. „Du siehst mich an als wäre ich ein Objekt der Begierde. Ob ich gegen dich bestehen kann oder nicht spielt keine Rolle. Es reicht schon, aus der Höhle zu kommen. Mit diesen Flügelchen wirst du kaum fliegen können“, höhnte Slykur und zog dabei ein breites Grinsen auf.
„Du kommst hier nicht raus und du wirst nirgendwo hin fliegen“ erwiderte der Lindwurm nur und schnellte nach vorne auf den Drachen zu. Er wollte ihn in einen Ringkampf verwickeln, denn darin war der Lindwurm fast unschlagbar. Er versuchte seinen Körper um den Drachen zu schlingen, und ihn irgendwie zu Fall zu bringen. Und diesmal war er entschlossen, Slykur nicht noch einmal aus seiner Umschlingung entkommen zu lassen.
Slykur erkannte sofort die Art des Angriffs und wich geschickt aus. „Glaubst du das diese Nummer zwei Mal zieht? Du hast einen Drachen vor dir und keinen Säugerling der keine Ahnung vom Kämpfen hat.“ Der Drache schlug mit dem Schweif in die Richtung des Lindwurms um ihn zur Seite zu stoßen. Doch der Schlag traf nicht sein Ziel. Ausweichen konnte dieser Lindwurm gut. Das musste Slykur anerkennen.
„Ich weiß, dass ich einen Drachen vor mir habe. Und das freut mich auch außerordentlich, denn Drachen schmecken ausgezeichnet.“ Der Lindwurm konnte dem Schweif des Drachen ausweichen. Dabei hatte er jedoch einfach nur Glück gehabt. Besonders schnell war er als Lindwurm nicht, dessen war er sich auch bewusst. Doch er wusste auch, dass er den Drachen irgendwie daran hindern musste, die Höhle zu verlassen. Wenn er ihn am Flügel verletzen würde, dann konnte er vielleicht nicht mehr davonfliegen, dachte sich der Lindwurm. Irgendwie musste er die Flügel des Gründrachen unbrauchbar machen. Wenn der Drache nicht mehr fliegen konnte, dann konnte er auch nicht mehr so leicht entkommen. Der Plan war gut. Aber es war nicht einfach, ihn umzusetzen.
Slykur war nicht gerade begeistert, als er merkte das sein Angriff das Ziel verfehlte. „Liegt dir wirklich so viel daran mich zu fressen, dass du dafür dein Leben aufs Spiel setzt?" Der Drache erwartete keine ehrliche Antwort sondern hoffte nur auf eine Chance, diese Höhle zu verlassen.
Der Lindwurm lachte. „Du siehst nicht so aus, wie jemand, der mir gefährlich werden könnte. Also riskiere ich bei dir nicht mein Leben. Es ist ja nichts Persönliches. Ich habe nichts gegen euch Drachen. Euer Problem ist nur, dass ihr so eine leckere und magenfüllende Mahlzeit abgebt.“ Der Lindwurm startete einen weiteren Angriff und versuchte, dem Drachen in einen seiner Flügel zu beißen.
Slykur konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und wurde von dem Lindwurm in den linken Flügel gebissen. Der Lindwurm versenkte seine Zähne im Flügel des Gründrachen und schüttelte dabei seinen Kopf, um dem Drachen die Flügelhaut zu zerfetzen. Slykur riss sich sofort los. Doch jetzt war sein linker Flügel auch noch flugunfähig geworden. Ein verletzter Flügel heilte bei einem Drachen zwar meist folgenlos aus, doch im Moment war an Fliegen nicht mehr zu denken. „Rwaaahr, du...“ Er konnte dem Lindwurm noch mit seiner Pranke eine verpassen bevor er wieder den Abstand zu ihm vergrößerte.
Der Lindwurm lachte triumphierend. „Ha, erwischt. Dieser Biss war nur eine Warnung. Aber wenn du dich weiterhin widersetzt, werde ich auch Gift einsetzen müssen. Wenn du aber aufgibst und dich ruhig verhältst, dann bleibt dir das erspart. Ich würde dich ohnehin lieber lebend verschlingen, Kleiner."
Slykur streckte seinen verletzten Flügel aus. Es blutete zwar ein wenig an der Stelle, an der der Lindwurm seine Flügelhaut zerfetzt hatte. Doch Slykur hatte auch schon schlimmere Verletzungen überstanden. „Wenn du glaubst, ich würde einfach stillhalten und mich von dir fressen lassen, dann irrst du dich. Ohne mich, sage ich! Und das mit dem Gift wird dir nicht so leicht fallen, mein Körper ist von Kopf bis Schwanz gepanzert und meine Flügel sind kaum durchblutet. Ihr Lindwürmer habt wirklich eine beschämende Art zu kämpfen.“ Slykur fletschte drohend die Zähne.
„So, glaubst du? Ich habe ja noch nicht mal angefangen, zu kämpfen, Kleiner. Mit dir werde ich schon fertig. Mir ist nämlich noch nie ein Drache entkommen. NOCH NIE! Und du wirst ganz sicher nicht der erste sein. Dafür werde ich schon sorgen", fauchte der Lindwurm.
„Mit mir wirst du kein so leichtes Spiel haben, wie du dir vielleicht wünscht. Ich bin zwar etwas kleiner als du aber man sollte seinen Gegner nie unterschätzen.“ Mit diesen Worten machte sich Slykur bereit den nächsten Angriff des Lindwurms zu blocken oder wenn möglich zu kontern.
„Ich werde dich sicher nicht unterschätzen, Kleiner. Das wäre bei Drachen auch keine gute Idee. Aber besiegen werde ich dich trotzdem.“ Der Lindwurm wusste, dass es nicht leicht werden wird, diesen Drachen zu besiegen. Vor allem, da er jetzt nur auf einen Angriff des Lindwurms wartete. Fieberhaft überlegte er, wie er den Drachen überlisten konnte. Die derzeitige Situation war nicht das, was sich der Lindwurm erhofft hatte. Er würde Risiken eingehen müssen, um diesen Gründrachen bezwingen zu können. Doch der Lindwurm hasste es, Risiken eingehen zu müssen.
Da der nächste Angriff des Lindwurms länger auf sich warten ließ, fing Slykur an zu überlegen, ob er nicht die Initiative zu einem Fluchtversuch ergreifen sollte. Er setzte ein verhöhnendes Grinsen auf und sagte: „Ich glaube du hast Recht. Ich bin dir nicht gewachsen. Ich ergebe mich!“ Innerlich wartete Slykur nur darauf, im richtigen Moment zuschlagen oder noch besser fliehen zu können.
Im ersten Moment glaubte der Lindwurm den Worten des Drachens. „Du... ergibst dich? Tatsächlich? Das... überrascht mich. Aber das ist eine sehr vernünftige Entscheidung. Ja, sehr vernünftig.“ Doch dann fiel dem Lindwurm das Grinsen des Drachens auf und er wurde wieder misstrauisch. Natürlich waren Drachen oft ziemlich gerissen und der Lindwurm hatte schon öfters erlebt, dass sie alle möglichen Dinge erzählt hatten, um sich selbst zu retten.
„An deinem Blick merke ich sofort, dass du mir nicht traust. Aber keine Sorge, wir Drachen sind ehrliche Wesen und ich habe schlussendlich erkannt, dass ich nicht einmal den Hauch einer Chance habe. Du bist der Stärkere von uns beiden und ich werde mich dir unterwerfen." Slykur hatte noch nie mit Lindwürmern zu tun gehabt und er wusste nicht, wie weit es mit deren Intelligenz her war. Jedenfalls erhoffte er sich, dass sie nicht besonders gerissen waren und dass er auf diesen Trick hereinfallen würde. Sein Grinsen konnte er dabei jedoch verbergen.
Der Lindwurm war zwar nicht blöde, aber manchmal etwas leichtgläubig. Und so glaubte er Slykurs Worten. Zumindest vorläufig. Überzeugt war er jedoch noch nicht. Dennoch sagte er: „Gut, dann verhalte dich still damit ich dich verschlingen kann. Ich werde auch vorsichtig sein, damit es dir nicht weh tut.“ Der Lindwurm sabberte etwas. So ein großer Gründrache würde ihm gewiss schmecken. Doch noch war er vorsichtig und rechnete immer noch mit einem plötzlichen Fluchtversuch des Drachens. Denn es war höchst ungewöhnlich, dass ein Drache wie dieser Gründrache einfach so aufgab, ohne dass er ernsthaft verletzt war. Diese Wunde am Flügel konnte einen Drachen normalerweise nicht am Kämpfen hindern.
Als der Lindwurm schon knapp vor ihm stand, wusste der Drache, was zu tun war. Er schoss einen kleinen Feuerball, den er unbemerkt vorbereitet hatte, in die Richtung des Lindwurms. Er war zwar nicht so groß wie die ersten zwei, wegen der kurzen Aufladedauer, aber er diente auch nur zur Ablenkung. Und nun folgte noch ein Hieb mit dem Schweif. Treffer! Der Abstand der Beiden vergrößert sich wieder. „Hoffentlich war's das“, meinte Slykur zufrieden grinsend.
Diesmal hatte der Lindwurm alles voll abbekommen, doch Lindwürmer konnten so einiges vertragen. Der Schlag mit dem Schweif war schmerzhaft gewesen. Doch eine nennenswerte Verletzung hatte der Gründrache dem Lindwurm damit nicht zufügen können. Doch jetzt wurde der Lindwurm erst so richtig wütend. „DUUUU! Du wagst es...“ Nun war sich der Lindwurm natürlich sicher, dass er dem Drachen kein Wort glauben durfte und er starrte sein Gegenüber finster an.
Der Drache lächelte. „Du bist doch verwundbar... ich hatte die Hoffnung ja schon fast aufgegeben. Eigentlich wollte ich dir keine Schmerzen zufügen. Ich will einfach nur raus aus dieser stickigen Höhle." Slykur erwiderte den finsteren Blick des Lindwurms mit einem etwas provozierenden Blick. Einschüchtern würde er sich nicht lassen. Dazu war der Gründrache zu stolz.
Mit den letzten beiden Worten hatte der Drache den Lindwurm auf eine Idee gebracht. Lindwürmer konnten zwar kein Feuer speien, aber sie konnten ihre Gegner mit Rauch betäuben. Das klappte bei vielen Tieren und vielleicht ja auch bei diesem Drachen. Säugetiere oder Menschen wurden jedenfalls sofort Ohnmächtig, wenn sie Rauch einatmeten, der von einem Lindwurm ausgestoßen wurde. Da dem Lindwurm sein eigener Rauch nichts ausmachte, war es zumindest einen Versuch Wert. Da der Drache gerade in Reichweite war, spie der Lindwurm ihm, ohne noch lange nachzudenken eine Wolke betäubendem Rauch entgegen.
Slykur fing an zu husten. „W... Was ist jetzt los? Rauch?" Der Drache hielt so gut er konnte die Luft an. Doch in dieser Höhle musste er atmen, wenn er nicht ersticken wollte. Noch einmal hustete er. Doch der Rauch schien keine betäubende Wirkung auf den Drachen zu haben. „Netter Versuch. Aber durch das Spielen mit dem Feuer bin ich resistenter gegen Rauch als manch Anderer. Aber mit dem hätte ich nie gerechnet. Ich hatte keine Ahnung, dass du Rauch speien kannst.“
„Tja, wir Lindwürmer sind voller Überraschungen“, erwiderte der Lindwurm grinsend. Der Rauch begann sich langsam aufzulösen und verzog sich mehr und mehr. Schon bald standen sich die beiden Kontrahenten wieder genauso gegenüber wie zuvor.
Der Lindwurm hatte nicht wirklich damit gerechnet, den Drachen mit seinem Rauch wirklich betäuben zu können. Dennoch hatte der Rauch zumindest ein wenig Wirkung gehabt und dieser Gründrache schien tatsächlich überrascht gewesen zu sein. Wenn ihn das schon überrascht, dann sollte er mal meine restlichen Fähigkeiten kennen lernen, dachte sich der Lindwurm. Es war offensichtlich, dass dieser Gründrache noch keinerlei Erfahrungen mit Lindwürmern gemacht hatte.
„Langsam werde ich müde. Wie lange wollen wir hier noch weiterkämpfen? Ich werde mich nicht freiwillig als dein Futter anbieten. Niemals!“ Der Drache begann zu schnaufen, da der Rauch und der dadurch eingetretene Luftmangel, ihn viel mehr Kraft und Ausdauer gekostet hatte, als Slykur erwartet hatte. Seine Chancen sanken mit jeder weiteren Minute des Kampfes.
„So so, du wirst müde. Das ist gut zu wissen, Kleiner. Also ich bin noch immer in Topform und könnte das bestimmt noch sehr lange durchhalten. Du könntest dir vieles ersparen, wenn du einfach aufgeben würdest“, entgegnet der Lindwurm und starrte sein Gegenüber dabei an, um möglichen weiteren Feuerbällen rechtzeitig ausweichen zu können.
Slykur schaute den Lindwurm verbittert an. „Vielleicht wollte ich damit nur sagen, dass ich des Kampfes müde geworden bin. Ich bin nicht müde im Sinne von Müde. Ich bin nur gelangweilt. Ich werde jedenfalls niemals aufgeben. Warum sollte ich auch?" Slykur schien sich langsam zu erholen, obwohl er so gerne ein wenig schlafen würde. Ohne Schlaf und mit leerem Magen würde er nie die ganze Ausdauer zurückbekommen können. Wenn er diesen blöden Lindwurm nur irgendwie loswerden könnte.
Der Lindwurm überlegte, welche Optionen ihm in dieser Situation noch blieben. Vielleicht war es keine schlechte Idee, den Drachen zu ermüden. Wenn er erst müde war, macht er vielleicht Fehler, die der Lindwurm für sich ausnutzen könnte. Leider hatte er in seiner Höhle nicht wirklich viel mehr Möglichkeiten, als Rauch einzusetzen, oder ihn direkt anzugreifen.
„Was ist nun?...Warum so still? Ich will einfach nur hier raus... sonst ist mir alles egal. Und das mit dem Aufgeben kannst du gleich vergessen, als ob Drachen jemals aufgeben würden..." Slykur beobachtet den Lindwurm genau und er konnte es kaum glauben, dass er noch immer nicht an dieser Schlangenkreatur vorbeigekommen war.
„Hm du willst also raus... nun gut, dann geh doch raus“, erwiderte der Lindwurm frech grinsend. Er wusste, dass er den Drachen hier wohl nicht so leicht würde besiegen können, aber vielleicht konnte er ihm ja heimlich folgen. Da er dem Drachen ja einen seiner Flügel verletzt hatte, war es unwahrscheinlich, dass er einfach so davonfliegen konnte. Er musste zu Fuß gehen. Und wer zu Fuß geht, der wird Spuren hinterlassen, denen ein Lindwurm folgen könnte. Und vielleicht legt er sich irgendwo hin um zu schlafen. Dann würde der Lindwurm ihn sicher unvorbereitet erbeuten können.
„Und woher weiß ich das ich dir trauen kann und ich ungehindert deine Höhle verlassen kann?" Da Slykur selbst ziemlich abgekartete Spielchen trieb, rechnete er sofort mit dem Schlimmsten. „Oder hast du es endlich eingesehen, dass es nichts bringt mich hier festzuhalten?"
„Ja ich habe eingesehen, dass es ein Fehler war, mich mit dir anzulegen. Du bist wohl einfach zu groß und stark für mich. Einen so großen Drachen würde ich niemals fressen können. Da waren meine Augen wohl größer als mein Magen. Und ein Lindwurm erkennt, wenn ein Kampf zwecklos ist und er keine Chance hat. Du kannst also gehen, wenn du willst. Und sei mir bitte nicht böse wegen deinem Flügel. Den kann man ganz leicht wieder heilen. Möchtest du wissen, wie?“ Der Lindwurm redete dem Gründrachen freundlich zu. Ihm war gerade noch eine Idee gekommen, wie er den Drachen vielleicht doch noch überlisten könnte.
„Hm, hört sich ja ganz verlockend an. Kommt darauf an, was dafür nötig ist. In diesem Zustand kann ich unmöglich fliegen. Und für weitere Strecken ohne die Flügel fehlt mir einfach die Ausdauer.“ Slykur wusste in diesem Moment , dass es ein Fehler war, das zu erzählen doch durch dieses Angebot geriet er kurz in Verlegenheit.
„Na gut, ich verrate es dir. Aber erzähle es bloß nicht weiter. Hier in der Nähe gibt es einen See, dessen Wasser alle Wunden heilen kann. Aber nur ganz in der Mitte des Sees funktioniert das. Du musst einfach nur dorthin schwimmen, und dein Flügel ist hinterher wieder wie neu." Das war natürlich eine Lüge, doch der Lindwurm verfolgte eine Absicht mit dieser Lüge. Ob Slykur wohl darauf hereinfiel?
„Von so was habe ich noch nie gehört“, meinte der Drache. „Das wundert mich nicht. Es ist ja auch geheim. Nur wenige wissen davon.“ „Und wo finde ich diesen See? Ich würde nämlich lieber alleine dort hin gehen. Weil ich mittlerweile gelernt habe, dass man Lindwürmern besser aus dem Weg geht auch wenn es zuerst scheint, dass sie einem freundlich gesinnt sind." Slykur starrte sein Gegenüber an, da er sich noch in der Höhle befand und er damit rechnete, dass das Verlassen der Höhle einen Haken haben könnte.
„Es ist gar nicht weit von hier. Einfach geradeaus Richtung Süden. Den See kann man gar nicht verfehlen. Es ist der zweite See, auf den du treffen wirst. Nicht dieser kleine direkt vor meiner Höhle. Der würde dir nicht helfen. Aber etwa einen Kilometer weiter gibt es einen viel größeren See. Dort solltest du hingehen. Ich werde dich auch nicht begleiten, wenn du nicht willst. Und denke dran. Das Wasser wirkt nur genau in der Mitte des Sees. Einfach nur am Ufer herum plantschen nützt gar nichts. Du musst also ein Stück schwimmen. Und jetzt raus aus meiner Höhle bevor ich es mir noch anders überlege und dich doch noch fresse.“
Diese „freundliche“ Geste ließ sich Slykur nicht zweimal sagen und mit einem Satz war er aus der Höhle draußen. „Endlich! Frische Luft... die Sonne!“ Wortlos verließ er den Lindwurm. Er ging immer weiter in Richtung Süden, wie es ihm der Lindwurm geraten hatte. Schließlich verschwand auch die Höhle des Lindwurms aus Slykurs Sichtfeld. „Wurde auch langsam Zeit.“
„Hehehe. So ein Trottel“ lachte der Lindwurm und machte sich gleich daran, dem Drachen in sicherem Abstand zu folgen. Natürlich gab es diesen See wirklich. Und wenn der Drache wirklich zur Mitte des Sees schwimmen würde, brauchte sich der Lindwurm gar nicht mal besonders zu beeilen. Denn der See war ziemlich groß. Der Drache würde sicher noch etwas erschöpfter sein, wenn er erst dort ankam.
Nach einigen Minuten legte Slykur eine kleine Pause ein. Der Kampf hat ihn mehr Kraft gekostet als er sich vor dem Lindwurm hat anmerken lassen . Bedrückt schaute er auf seinen verletzten Flügel. „Ich hoffe das der Lindwurm wirklich die Wahrheit gesagt hat. Das schaut nicht gerade erfreulich aus.“ Er konnte der Versuchung zu fliegen nicht widerstehen, doch die Flügelhaut war zerrissen und dadurch unbrauchbar. „Autsch! Na ja... einen Versuch war es Wert. Hoffentlich funktioniert das Wasser. Sonst dauert es sicher Wochen, bis der Flügel wieder verheilt ist“, murmelte der Gründrache vor sich hin.
Lächelnd beobachtete der Lindwurm den Drachen aus sicherer Entfernung. „Ha, gut, dass er nicht wegfliegen kann. War doch gut, dass ich ihm den Flügel zerfetzt habe. Hehehe." Gespannt beobachtete der Lindwurm, wie sich der Drache dem See näherte. Der Lindwurm versteckte sich hinter einigen Bäumen und spähte zu dem Drachen hinüber. Jetzt musste er nur noch darauf warten, dass der Drache auch wirklich ins Wasser ging.
Mit Hoffnung auf einen zweiten gesunden Flügel, näherte sich Slykur dem See. Nur noch ein paar Meter, dachte er. „Hm, komplett gleich wie am Anfang meiner Reise in dieses Gebiet. Keine Tiere zu sehen. Aber ein einzelner Lindwurm konnte doch unmöglich alle Tiere gefressen oder vertrieben haben, dachte er. Mich wird er jedenfalls nicht bekommen. Sobald mein Flügel geheilt ist, verschwinde ich von hier Jetzt erst mal so schnell wie möglich diesen See aufsuchen und mich heilen lassen. Und dann werde allen anderen Wesen, die mir begegnen von diesen gefährlichen Lindwürmern erzählen. Da vorne ist der See. Wird auch langsam Zeit.“
„Du wirst keinem mehr irgendwas erzählen“, murmelte der Lindwurm leise vor sich hin. Ungeduldig wartete er, bis der Drache endlich den See erreichte. Im Wasser rechnete er sich wesentlich bessere Chancen aus, als an Land. Das Wasser hatte vor allem den Vorteil, dass der Lindwurm dort vor diesen Feuerbällen zumindest einigermaßen sicher war.
Schließlich erreichte Slykur den See. „Hm, den hab ich mir aber anders vorgestellt. Also klein ist er nicht, dass muss ich schon zugeben." Slykur stand am Ufer und überlegte eine Weile. "Ich werde mal außen herum schauen, vielleicht ist die Mitte von anderen Einstiegstellen besser zu erreichen als von hier.“ Der Drache machte sich auf den Weg den See von außen zu umgehen.
Der Lindwurm schlich noch immer hinter dem Drachen her und beobachtete ihn. Dabei blieb er aber immer hinter Büschen und Bäumen versteckt. Ungeduldig wartete er ab. „Nun geh schon endlich ins Wasser du Idiot. Es ist doch egal, von welcher Seite du reingehst, wenn du einfach nur die Mitte des Sees erreichen willst“ fluchte der Lindwurm leise und unhörbar für den Gründrachen.
Nach einem längeren Weg kam Slykur an der anderen Uferseite des Sees an. Gegenüber war nun die Seite von der er gekommen war. Dem Lindwurm war bekannt, dass Drachen relativ gute Schwimmer sind, da sie mit ihren Flügeln perfekt durch das Wasser gleiten können und ihre Schuppen waren auch glatt, sodass im Wasser nur wenig Widerstand entstand. Slykur hatte jedoch eine Abneigung gegen Wasser, deshalb hatte er länger gezögert. Aber jetzt sah es so aus als wäre Slykur bereit ins Wasser zu gehen. „Bäh, ich hasse Wasser. Ich bin zwar kein schlechter Schwimmer, aber das Gefühl nass zu sein verkrafte ich nicht", meckerte er vor sich hin.
Der Lindwurm kicherte leise, als der Drache zögernd am Ufer stand. Es sah so aus, als ob der Drache Wasserscheu sei. Der Lindwurm dagegen hatte mit Wasser überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil. Manche Lindwürmer lebten sogar im Wasser. Und auch dieser Lindwurm war zumindest in der Lage auch unter Wasser zu atmen, was für ihn natürlich ein entscheidender Vorteil sein könnte. Seine Art hatte die seltene Fähigkeit, sowohl Luft als auch Wasser atmen zu können. Schon oft hatte sich das als sehr nützlich erwiesen.
Nach einigen Minuten konnte sich Slykur von seiner Wasserabneigung lösen und er ging immer weiter in den See, bis er schließlich zu schwimmen begann. „So und jetzt ab zur Mitte. Ich bin wieder voll motiviert." Slykur schwamm in die Richtung der Seemitte. Er war eigentlich schon öfters geschwommen und hatte deswegen eine für Drachen hervorragende Kondition. Nur seine Abneigung gegen Wasser musste er jedes Mal aufs neue überwinden.
Als der Drache im Wasser war, gleitete der Lindwurm schnell auch in den See hinein und tauchte gleich unter. Unter Wasser näherte er sich jetzt langsam dem Drachen. Diesmal wollte er ihn sich schnappen, ohne lange mit ihm kämpfen zu müssen. In freudiger Erwartung näherte er sich dem Drachen. Jetzt muss es doch klappen, dachte er sich.
Nach längerem Schwimmen hatte Slykur endlich die Mitte des Sees erreicht. Hoffnungsvoll wartete er darauf das sein Flügel wieder gesund wird. „Hm, da hat sich noch nichts geändert.“ In diesem Moment ahnte er nicht dass sich ihm ein dunkler Schatten näherte.
Inzwischen befand sich der Lindwurm direkt unter dem Drachen. Er schaute nach oben. Jetzt würde er ihn nicht mehr entkommen lassen, nahm er sich fest vor und tauchte ganz langsam auf. Er wollte gleich im ersten Versuch erfolgreich sein, da er nicht schon wieder in einen langen Kampf verwickelt werden wollte. Im Wasser waren alle Vorteile auf seiner Seite und das wollte er natürlich ausnutzen.
Slykur bemerkte plötzlich schwache Schwingungen im Wasser. Zuerst schaute er um sich. „Hm? Habe ich mir das nur eingebildet?“ Die Schwingungen waren schon wieder zu spüren, aber jetzt wurden sie deutlich stärker. Sein Blick wanderte nach unten wo sich schon ein riesiger Schatten befand. Blitzartig legte er sich auf den Rücken und zog die Beine ein. „Nein, das kann doch nicht...“
Gierig schwamm der Lindwurm auf den Drachen zu und er bekam seinen Schweif zu fassen. Daran hielt er ihn jetzt fest und murmelte siegessicher: „Hallöchen. Lange nicht gesehen, kleiner Leckerbissen. Diesmal wirst du mir nicht noch mal entkommen.“
„Du! Wie bist du mir so heimlich gefolgt? Ich hab dich nicht mal gewittert." Slykur stemmte seine Beine gegen den Lindwurm um seinen Schweif zu lösen. "Das, kann doch nicht wahr sein. Du verfluchter Lindwurm. Verpiss dich du Mistvieh", knurrte er wütend.
„Was ist denn das für ein Ton, Drachilein?“ „Lass mich sofort los!“ „Nein. Aber um deine Frage zu beantworten. Ich kann mich sehr geschickt an meine Beute anschleichen. Das ist jahrelange Erfahrung eines Jägers, Kleiner. Dabei macht mir so leicht niemand etwas vor. Und du bist ja auch nicht der erste Drache, der von mir gefressen wird. Und diesmal werden dir auch deine Feuerbälle nichts nutzen" erwiderte der Lindwurm lachend.
„Ja, das hab ich auch nicht vor. Noch mehr Feuerbälle und ich verliere das Bewusstsein. Mit denen bin ich leider noch nicht so geübt, aber das wird schon werden!“ Mit einem heftigen Tritt beider Beine in den Brustkorb, konnte Slykur sich befreien. „Wie wäre es mit einem letzten Kampf an Land? Einem ehrlichen letzten Kampf ohne dass einer von uns ein Handicap hat.“ Hier im Wasser habe ich gegen diese Schlange keine Chance, dachte sich Slykur. Ein Kampf an Land ist meine letzte Chance. Innerlich wurde Slykur sehr nervös, doch er bemüht sich, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen.
„Ich soll einfach so auf einen Vorteil für mich verzichten? Ich bin doch nicht bescheuert“, entgegnete der Lindwurm, doch da er sich eigentlich für einen einigermaßen fairen Gegner hielt, dachte er kurz darüber nach und fügte dann noch hinzu: „Hm na gut. Aber glaube bloß nicht, ich würde dich so einfach entkommen lassen.“
„Wie sollte ich dir entkommen mit nur einem Flügel?“ Slykur setzt einen verbitterten Blick auf und schwamm in Richtung Ufer. „Warum bin ich nur in diesen verdammten See rein? Ich hätte schon längst über alle Berge sein können“, dachte sich der Drache. Dieser Kampf würde wohl sein letzter sein. Dessen war er sich fast sicher. Doch er wollte nicht als Feigling enden. Er nicht! Er war Slykur. Einer der mächtigsten Drachen der Umgebung.
Der Lindwurm schwamm neben dem Gründrachen her und beobachtete ihn dabei genau, denn er wurde den Verdacht nicht los, dass dieser nur versuchte, ihn reinzulegen. Doch da der Lindwurm ganz gerne vor dem Essen noch etwas mit seiner Beute spielte, machte er dabei mit. Mit diesem Drachen, der ja obendrein auch noch verletzt und sicher mittlerweile auch völlig erschöpft war, würde er schon fertig werden, redete er sich ein.
Slykur bemerkte diesen misstrauischen Blick und meinte: „Du vertraust mir nicht ganz , oder?" Die Beiden schwammen nebeneinander her. Das Ufer war auch noch ein kleines Stück von ihnen entfernt.
„Einem Drachen sollte man nicht zu sehr vertrauen. Jedenfalls nicht, wenn man vor hat, ihn zu fressen. Denen fällt nämlich immer wieder eine neue Gemeinheit ein, mit der sie sich einen Vorteil verschaffen wollen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch du irgendwas planst. Aber das wird dir nichts nützen. Noch vor Sonnenuntergang werde ich dich verschlungen haben", erwiderte der Lindwurm mit gierigem Blick.
„Da könntest du recht haben", antwortete Slykur und setzte ein freches Grinsen auf. Vielleicht könnte ich ja versuchen ihm was einzureden, dachte sich der Drache. „Hey, wieso gehst du nicht in ein Menschendorf und schnappst dir ein paar von Denen? Die sind einfach zu fangen und zu überwältigen und außerdem schmecken sie gar nicht mal so schlecht. Und noch etwas... das mit dem See war echt clever von dir, das merke ich mir für meine nächste Jagd."
„Pah, Menschen. Die könnte ich mir jederzeit schnappen, wenn ich wollte. Aber so leckere Drachen wie du... also die bekomme ich nicht so häufig. Und Drachen schmecken mir besonders gut. Menschen fresse ich nur, wenn nichts Besseres in Reichweite ist. Aber danke, dass du mich für clever hältst. Nur wird dir das nichts mehr nützen. Für dich wird es wohl keine weitere Jagd mehr geben, Gründrache.“
Das hat wohl nicht geklappt. Ich sollte es noch mal versuchen, dachte sich Slykur enttäuscht. „Und wie wäre es mit einem Wolfsrudel. Ich habe bei meiner Ankunft ein Rudel gesichtet. Also, es gibt nichts besseres als Wölfe.“ Slykur begann leicht zu schwitzen, da ihm langsam aber sicher die Argumente ausgingen und die Angst in ihm hochsteigt. Das Ufer war nur noch wenige Meter entfernt und sobald er dort ankam, würde sich der Lindwurm gewiss auf ihn stürzen
„Mmmh Wölfe“, sagte der Lindwurm sabbernd. „Die würden mir bestimmt schmecken. Aber wenn hier ein Wolfsrudel wäre, dann hätte ich es doch eigentlich bemerken müssen. Sonst entgeht mir nämlich kaum ein Tier, das in mein Revier eindringt und ein ganzes Rudel hätte doch Spuren hinterlassen müssen.“ Der Lindwurm schien Wölfe offensichtlich zu mögen. Doch so ganz überzeugt schien er trotzdem noch nicht zu sein.
„Doch das stimmt. Als ich dein Revier betreten habe, habe ich ganz am Anfang das Rudel gesehen. Sie lungerten bei einer Höhle rum. Ich wollte die Wölfe eigentlich später für mich beanspruchen, weil ich zuerst das Gebiet erkunden wollte. Sie schlichen mir auch eine Zeit lang nach, aber ab einen Punkt liefen sie winselnd zurück." Slykur schaute ziemlich überzeugend drein und redete sich selbst ein: „Jetzt bloß keinen Fehler machen, Slykur.“
„Dann müsste ich aber ziemlich weit laufen, um dort hin zu kommen. Dazu bin ich zu faul. Vor allem, wenn ja schon ein leckerer Drache direkt vor meiner Nase ist Und vielleicht sind die Wölfe ja auch schon längst wieder verschwunden. Aber okay, ich könnte ja nach den Wölfen suchen, nachdem ich dich gefressen habe“, erwiderte der Lindwurm.
„Wäre es nicht besser die Wölfe als Vorspeise zu fressen? Ich bin mir sicher, dass die noch dort sind." Slykur fing wieder leicht zu schwitzen an. Er versuchte einen Kampf so lange wie möglich hinauszuzögern oder wenn möglich zu verhindern. Er brauchte noch ein wenig Zeit um sich zu erholen. „Wäre das nicht eine Überlegung wert? Denk mal, ein ganzes Wolfsrudel allein für dich." Slykur versuchte trotz seiner Angst so überzeugend wie möglich zu klingen.
„Ja, das klingt schon verlockend. Aber du würdest in der Zwischenzeit einfach davonlaufen. Und so leckere Drachen wie dich, kann ich doch nicht einfach so entkommen lassen.“ Der Lindwurm sabberte etwas beim Gedanken an so viele Wölfe. „Ich glaube eher, du versuchst mich reinzulegen und da sind gar keine Wölfe.“
„Nein, diesmal nicht. Das würde ich niemals wagen Du bist viel zu stark und mächtig und vor allem viel zu intelligent, um dich belügen zu können. Wenn ich lügen würde hättest du es sicher längst bemerkt. Aber die Wölfe willst du ja sicher auch nicht einfach ignorieren, du als erbarmungsloser Jäger.“
Hehe, mit ein paar Komplimenten und Ausschmückungen komme ich meinem Ziel immer näher, dachte sich der Drache und würde jetzt am liebsten ein breites Grinsen aufsetzen. Vielleicht konnte er diesen Schlangendrachen ja doch noch irgendwie loswerden.
Der Lindwurm dachte einen Moment nach und erwiderte dann: „Wie wäre es denn, wenn du mich einfach begleitest. Zusammen könnten wir sicher alle Wölfe erwischen. Einem Lindwurm alleine würden sicher einige von ihnen entkommen. Wenn ich genug Wölfe erwische, dann würde ich dich vielleicht auch entkommen lassen. Aber wenn dort gar keine Wölfe sind, dann wirst du eben mein Abendessen sein."
Slykur lief ein kalter Schauer über den Rücken und ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. „Ähm... aber... du als starker Lindwurm wirst doch sicher alleine mit den Wölfen fertig." Verdammt, Was nun? dachte sich der Drache und begann zu hoffen, dass der Stolz des Lindwurms über seinem logischen Denken stand.
„Klar würde ich mit jedem Wolf fertig werden. Wenn denn Wölfe da sind. Aber ich möchte dich trotzdem gerne bei mir haben. Vielleicht sind ja genug Wölfe da, dass es sogar für uns beide reicht. Du gehst voran und zeigst mir den Weg. Aber mach keine Dummheiten. Ich bin genau hinter dir und behalte dich im Auge", sagte der Lindwurm. Er wollte die Wölfe natürlich haben, doch seine Gier war so groß, dass er auch den Drachen keinesfalls entkommen lassen wollte. Und so recht überzeugt, dass der Gründrache auch die Wahrheit sagte, war er noch immer nicht. Drachen erzählten oft haarsträubende Lügengeschichten, wenn sie glaubten, sich damit selbst retten zu können. Das hatte der Lindwurm schon oft erlebt. Deshalb war er immer misstrauisch in solchen Situationen.
„Ähm... okay, wenn das so ist werde ich mitgehen. Dann immer mir nach." Der Drache schien ziemlich verzweifelt zu sein, da das mit den Wölfen natürlich eine Lüge gewesen war. Und wie es erst war, von einem Lindwurm lebendig verschlungen zu werden, wollte sich Slykur gar nicht mal im Kopf ausmalen. Nur ruhig bleiben, Slykur. Verliere jetzt nicht den Kopf. Du kannst dich sicher auch ohne Flügel schneller fortbewegen als so ein Schlangendrache mit zwei so lächerlich kurzen Beinen und noch völlig ohne Hinterläufen. Er ist doch nur eine Schlange mit zwei Stummelflügeln. Auch wenn er verdammt groß ist, muss man ihm doch entkommen können.
„Ich hoffe die sind noch alle da, wo ich sie gesehen habe, denn wenn nicht...“, sagte der Drache mit zurückhaltender Stimme.
„Wenn nicht, wird es mir sicher ein leichtes sein, ihren Spuren zu folgen. Ich bin schließlich kein Anfänger", erwiderte der Lindwurm und folgte dem Drachen auf Schritt und Tritt. Er spürte, dass der Drache ein wenig nervös war. Und er vermutete, dass die Wölfe nie da gewesen waren und er am Ende wohl doch nur einen Drachen zu fressen bekommen würde. Doch er ließ sich nicht anmerken, dass er die Wahrheit ahnte. Und so ein Drache wäre doch eine hervorragende und magenfüllende Mahlzeit für ihn. Auch wenn es immer mit Verletzungsgefahren verbunden war, eine so große Beute anzugreifen. Wölfe waren da natürlich leichter zu erbeuten.
Während dem Gehen stolperte Slykur manchmal, da er mit dem Gedanken, was er jetzt wohl machen könnte, abgelenkt war. Gelegentlich schaute er auch zum Lindwurm zurück ob er ihm noch folgte und Slykur wollte sicher gehen, dass er inzwischen nicht ungeduldig wurde.
Wie lange er das wohl mitmacht? Die einzige Chance war wohl, einfach darauf zu hoffen, durch Zufall auf ein paar Wolfsspuren zu stoßen. Doch wenn er daran dachte, wie wenig Tiere er in dieser Gegend bisher gesehen hatte, standen die Chancen wohl nicht besonders gut, dachte sich der Drache und versank wieder in seinen Gedanken. Zumindest konnte er die Zeit nutzen, um sich schon wieder etwas von dem letzten Kampf zu erholen. Schon jetzt fühlte er sich wieder stärker und besser für einen Kampf gegen so einen Lindwurm gewappnet.
Der Lindwurm hatte es nicht eilig. Im Gegenteil. Er hatte sogar jede Menge Zeit und wartete bewusst noch etwas ab, bevor er den Drachen auf das Nichtvorhandensein der Wölfe ansprechen wollte. Vielleicht konnte der Drache ja tatsächlich irgendein Tier auftreiben, dachte er sich. Das konnte er sich dann schnappen und hinterher war der Drache an der Reihe. Der Lindwurm lächelte schon voller Vorfreude. Zumindest brauchte er sich nicht selbst lange nach irgendwelchen Tierspuren umzusehen. So einen Drachen bei sich zu haben, der ihm beim Jagen half, das war sicher nicht das Schlechteste. Angestrengt versuchte der Lindwurm nicht zu grinsen.
„Das könnte noch etwas dauern. Ich hoffe du bist nicht zu hungrig für einen weiteren Weg“, sagte Slykur und wandte seinen Blick wieder nach vorne. Er wollte so weit kommen wie möglich, denn der Drache glaubte, dass er es schaffen könnte den Lindwurm in eine dem Drachen bekannte Gegend zu locken und dort hätte Slykur sicher viel bessere Chancen sich zu verstecken und schließlich auch zu entkommen.
Der Lindwurm war sich zwar sicher, dass der Drache ihm nicht so leicht entkommen würde, doch allzu weit wollte er sich auch nicht von seinem Revier entfernen. „Wo sind denn nun die Wölfe? So weit können die doch nicht weg sein“, fragte der Lindwurm nun doch schon etwas ungeduldig.
„Äh... na ja...die dürften gleich auftauchen. Mach dir bloß keine Sorgen.“ Slykur wusste, dass er den Lindwurm ein wenig ablenken musste, sonst würde er nicht mehr viel weiter kommen.
„Hm na hoffentlich. Ich habe nämlich keine Lust, stundenlang hinter dir her zu kriechen“ erwiderte der Lindwurm brummig. „Hier gibt es nirgends Spuren von irgendwelchen Wölfen. Bist du sicher, dass du überhaupt in die richtige Richtung gehst?"
„Klar, aus dieser Richtung bin ich gekommen.“ Was natürlich auch nicht der Wahrheit entsprach. Dort wo Slykur herkam, war kein einziges Tier und in dieser Richtung könnte ja noch etwas auftauchen. Zumindest hoffte Slykur das. Er hatte zwar vorgehabt, den Lindwurm in sein eigenes Revier zu locken, doch lange würde die Geduld des Lindwurms nicht mehr anhalten. Das spürte Slykur. Seine letzte Chance war wohl, doch noch irgendein paar Tiere zu finden. Vorsichtig fragte er: „U... und du lässt mich dann laufen wenn wir das Rudel gefunden haben.?"
„Ja, vorausgesetzt es sind genug Wölfe da. Aber meine Geduld ist bald am Ende, Kleiner. Wenn wir nicht bald etwas finden, muss ich mir eben das schnappen, was da ist, und das bist dann eben du.“ Der Lindwurm starrte den Drachen finster an. Mittlerweile war er sich sicher, dass ihn der Drache nur an der Nase herumführen wollte. Na gut. Eine Chance gebe ich ihm noch. Aber wenn er jetzt nicht bald etwas findet, dann werde ich ungemütlich, dachte sich der Lindwurm.
Ich muss ihn schnell ablenken, sonst verliert er sicher bald die Geduld und fällt über mich her, dachte sich Slykur. „Was ich dich noch fragen wollte, bevor wir uns die leckeren Wölfe schnappen. Wie kann es sein das ich und auch sonst keiner über euch Lindwürmer Bescheid weiß? Ich meine, es muss doch ein paar geben die euch schon mal gesichtet haben.“
„Tja, sicherlich wurden wir schon gesichtet. Aber wir lassen nur selten jemanden wieder entkommen. Außerdem leben wir meist im Verborgenen und lassen uns nur selten vor anderen Wesen sehen. Und es gibt auch nicht besonders viele von meiner Art.“ Der Lindwurm amüsierte sich insgeheim über den Drachen, denn er glaubte zu wissen, was in ihm vorging. Er musste nur noch auf seine Chance warten. Und eine Chance würde er sicherlich bekommen.
„Das soll dann anscheinend auch so bleiben, oder? Ich meine... du lässt mich doch entkommen, sobald du deine Wölfe hast?" Slykur schaute den Lindwurm misstrauisch an, da er sich nach dieser Aussage sicher war, dass der Lindwurm ihn niemals entkommen lassen würde. Doch dann wurde Slykur plötzlich von einem leisen Geräusch aufgeschreckt. „Warte, hast du das gehört?" Das zu diesem Zeitpunkt fast Unwahrscheinlichste schien gerade passiert zu sein. Ein einzelner Jungwolf, nur einige Meter von ihnen entfernt. „Ich würde dich niemals anlügen. Und hier siehst du den Beweis. Wie versprochen ein Wolf, schnapp ihn dir." Adrenalin schoss plötzlich in Slykurs Körper. Doch er musste seine nächsten Schritte genau überlegen. Stirnrunzelnd dachte er sich: Das könnte dann wohl meine Chance sein. Jetzt heißt es abwarten und auf eine gute Gelegenheit warten.
Der Lindwurm war ziemlich überrascht, denn er hätte nicht erwartet, tatsächlich noch einen Wolf zu finden. Dennoch würde er sich mit so einem Jungwolf nicht zufrieden geben. "Hm, ein bisschen mickrig, der Kleine. Der reicht mir doch nie im Leben. Auch wenn er schon ziemlich lecker aussieht. Aber vielleicht sind ja noch mehr da. Rühr dich nicht von der Stelle, während ich mir den schnappe."
Genau das werde ich bestimmt nicht tun, dachte sich der Gründrache. Slykur sah zu, wie der Lindwurm den Wolf lebendig verschlang. Winselnd und chancenlos war er ihm erlegen. Slykur lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der Drache war sich sicher dass das nur ein Einzelgänger war. Vielleicht hatte eines der Welpen den Anschluss an sein Rudel verpasst und fand nun nicht mehr zurück. Doch weit konnten dann andere Wölfe auch nicht sein.
Der Lindwurm schien es gerade sehr zu genießen, den Wolf verschlungen zu haben. Er achtete in diesem Moment nicht auf den Drachen...und das war Slykurs Chance zu entkommen.
Slykur hatte zwar Ahnung von Lindwürmern, aber da sie keine Hinterbeine hatten standen seine Chancen relativ gut. Er musste einfach in der Lage sein, sich auch ohne zu Fliegen schneller fortbewegen zu können als ein so schwerfälliges, schlangenähnliches Wesen. Dieser Gedanke lief gerade in Slykurs Kopf ab. Slykurs Ausdauer war inzwischen auch großteils regeneriert und so begann er so schnell wie er nur konnte loszulaufen. Er hatte dabei kein bestimmtes Ziel vor Augen. Hauptsache einen möglichst großen Abstand zwischen sich und diesem Lindwurm bekommen.
Der Lindwurm blickte zufrieden drein, als er den kleinen Wolf beinahe zärtlich verschlungen hatte. Das hatte seine Laune schon mal erheblich verbessert. Doch seine Freude währte nicht lange, denn der Drache rannte plötzlich auf und davon. „Hey, bleib sofort stehen. Wer hat denn gesagt, dass du schon jetzt gehen darfst?“ Ärgerlich knurrend machte sich der Lindwurm an die Verfolgung des Drachen. Er war zwar nicht der Schnellste, doch selbst wenn er den Drachen aus den Augen verlor, würde er problemlos seiner Spur folgen können, denn darin war der Lindwurm besonders gut. Er konnte Spuren selbst dann noch erkennen, wenn ein Beutetier schon viele Stunden vorher vorbeigekommen war. Und Slykur hatte es so eilig, dass er keinerlei Augenmerk darauf legte, seine Spuren zu verwischen. Und fliegen konnte er noch nicht. „Du entkommst mir nicht“, fauchte der Lindwurm und kroch los.
Der Lindwurm befand sich noch im Blickfeld des Drachen. „Du hattest deinen Wolf, wie ich es dir versprochen habe und jetzt löse ich dein Wort ein indem ich abhaue“, brüllte er mit tiefer Stimme. Slykur wollte sich keinesfalls aus der Ruhe bringen lassen, da er dann sicher stolpern oder aus lauter Panik gegen einen Baum rennen würde. Besonders wenn er es eilig hatte, war Slykur nämlich manchmal ein wenig tollpatschig und ungeschickt.
„Du hast mir ein ganzes Rudel versprochen. Und nicht so ein winziges Wölfchen", rief der Lindwurm. „Das ist ja wohl kaum ein ausreichender Ersatz für einen Drachen wie dich." Der Lindwurm beschloss, erst mal ein wenig Abstand zu halten. Sollte der Drache doch ruhig denken, er hätte den Lindwurm abgeschüttelt. So leicht würde er nicht entkommen. Und wenn der Drache sich erst in Sicherheit glaubte, dann konnte der Lindwurm ihn sicher ganz leicht erbeuten. Die Jagd hat eben erst begonnen, dachte sich der Lindwurm. So schnell gebe ich gewiss nicht auf.
Slykur bemerkte, dass der Lindwurm langsamer wurde. Da der Abstand schon etwas größer war, konnte er sein Tempo auch reduzieren. Die Entfernung reichte gerade noch um mit ihm zu sprechen. „Gib es zu! Du hättest mich niemals laufen lassen, auch wenn da drei Wolfsrudel auf dich gewartet hätten.“ Mittlerweile ahnte Slykur was für Spielchen der Lindwurm trieb. Sobald ich diesem Lindwurm entkommen bin, werde ich alle anderen Drachen vor ihm warnen. Ja. Das werde ich tun. Und dann kann sich diese blaugrün gestreifte Schlange ein anderes Revier suchen oder verhungern. Hauptsache der Lindwurm verschwindet, dachte sich der Gründrache.
„Du denkst, ich würde mich nicht an meine Worte halten? Das denken leider viele. Aber wir Lindwürmer sind nicht durch und durch böse. Wir halten unser Wort. Doch du hast mich von Anfang an belogen. Aber okay, Ich bin wohl zu langsam für dich. Du hast gewonnen.“ Der Lindwurm tat so, als sei er außer Atem und müde. Doch er wollte sich nur scheinbar zurückziehen um sich dann heimlich an den Drachen anschleichen zu können. Doch dabei hatte er es noch nicht eilig.
Slykur war selbst ein verlogener Drache, deshalb erwartete er jetzt auch keine Ehrlichkeit vom Lindwurm. „Ha, der sieht mir aber schon ziemlich müde aus", murmelte Slykur grinsend. Doch eigentlich ging es ihm selber auch nicht besser. Die Feuerbälle würde er erst in frühestens acht Stunden wieder benutzen können, sein Flügel schmerzte und er war auch schon fast am Ende seiner Kräfte. Was Slykur jetzt am dringendsten brauchte, war Ruhe und Entspannung. „Puh, dieser Lindwurm hat mich viel Kraft gekostet. Aber ich gehe lieber auf eine Nummer sicher."
Slykur hatte das ungute Gefühl, dass der Lindwurm versuchen würde ihn aufzuspüren, da dieser Wurm ihn schon einmal nachgeschlichen war, als er ihm in diesen See gefolgt war, hielt er das für ziemlich wahrscheinlich. Deshalb wälzte er sich schnell im Dreckschlamm um seinen Geruch zu überdecken. Schließlich wusste er nicht, wie der Lindwurm seiner Beute folgte. Und es wäre ja bestimmt möglich, dass es der Geruch war, dem der Lindwurm folgen konnte.
Der Lindwurm konnte das aus einiger Entfernung sehen, als er hinter einem Baum hervor spähte. Er lächelte. Das würde dem Drachen nicht viel helfen. Als Lindwurm war er auf Drachen als Beute spezialisiert. Ihren Geruch würde er selbst unter der dicksten Schlammschicht noch bemerken. Schon viele Drachen waren dem Irrtum erlegen, dass der Lindwurm sie durch Schlamm nicht mehr wittern könnte. Der Lindwurm zögerte absichtlich etwas, damit er dem Drachen nicht zu nahe kam. Er würde ihm auch folgen können, wenn der Gründrache längst aus seinem Sichtfeld verschwunden war.
Slykur lief immer im selben Tempo weiter. Nun war er schon weiter vom Lindwurm entfernt, sodass der Lindwurm ihn nicht mehr sehen konnte. Aber lange würde der Drache es nicht mehr aushalten können, bald wird auch er seine Grenzen erreicht haben. „Ich habe so ein ungutes Gefühl, dieser Lindwurm... der lässt nicht von mir ab. Verdammt, ich weiß nicht was ich noch machen soll. Er findet mich bestimmt wieder." Slykur zweifelte langsam an seinen Aktionen und mittlerweile sah er den Lindwurm nicht mehr als Konkurrenten an sondern hatte eher schon etwas Angst vor der Anwesenheit einer solchen Kreatur. Als der Drache bei einem weiteren ziemlich großen See vorbeikam, der etwas rechts von seinem Weg aus liegt, fing er an zu grinsen. Der Drache sah sich um, konnte aber noch keine Spur von diesem Lindwurm erkennen. Sicher war der schon ziemlich weit zurück.
Slykur schmiss sich auf den Boden und wälzte sich darin um möglichst auffällige Spuren zu hinterlassen. Perfekt, jetzt sah es aus wie die Spuren eines Kampfes. Der Drache biss sich in eines seiner Vorderläufe und fing an leicht zu bluten. Diese Verletzung war nicht weiter schlimm, doch Slykur brauchte ein paar Blutspuren, um diese Spuren glaubwürdiger zu machen. „So, und jetzt noch eine kleine Spur in die Richtung des Sees ziehen und schon sieht es so aus als hätte mich eine andere Kreatur geschnappt. Und da ich selbst Jäger bin weiß ich, dass Blut sofort und als erstes wahrgenommen wird. Hehe, soll er doch hier nach der Kreatur suchen, die mich erbeutet hat. Inzwischen kann ich in eine Andere Richtung gehen und mich heimlich davonschleichen. Tja, mein lieber Lindwurm, sieht so aus als müsstest du dich heute als hungriger Lindwurm zur Ruhe legen.“ Slykur sorgte dafür, dass Spuren eines vermeintlichen Kampfes bis in den See hinein führten. Dann schwamm er noch ein Stückchen hinein, und kroch an einer anderen Stelle wieder ans Ufer. Dort achtete er genau darauf, keine Spuren zu hinterlassen und schlich sich in eine andere Richtung davon. Dabei grinste er, weil er sich sicher war, nun endlich seinen ersten Triumph zu haben. „Jetzt wird er denken, ich bin tot und mir nicht mehr folgen.“
Der Lindwurm war bis jetzt den Spuren des Gründrachens gefolgt. Bald erreichte er die Stelle und bemerkte natürlich sofort das Blut und die deutlich sichtbaren Spuren. „Was? Wer wagt es, mir meinen Drachen zu stehlen? Das war meine Beute“, fauchte er. Es musste schon ein großer Räuber gewesen sein, wenn es einen Drachen wie Slykur einfach so in den See zerren konnte. Unsicher sah er sich um. Es sah eindeutig so aus, als ob der Drache in den See gezerrt worden wäre. Doch wer, außer ihm selbst, sollte einen Drachen dieser Größe fressen können? Er suchte einen Moment am Ufer herum, unsicher, was er nun tun sollte. Es war wohl keine gute Idee, jetzt in den See hineinzugehen. Was auch immer das für ein Wesen gewesen war, es war sicher auch für einen Lindwurm gefährlich.
Slykur war schon ein paar Kilometer von seinem vorgetäuschten Unfall entfernt. Plötzlich entdeckt er einen großen alten Baum, der unterhalb bei den Wurzeln einen so großen Hohlraum hatte, dass sogar ein Drache darin Platz finden konnte. Zwar nicht sehr komfortabel, aber es würde ausreichen. Zumindest für eine Nacht. „Genau das was ich jetzt brauche. Darin findet mich niemand.“ Slykur grinste und freute sich. Er bedeckte sich sicherheitshalber noch mal mit Dreck und altem Laub und machte es sich dann in seiner neuen Schlafgelegenheit bequem. Allzu bequem war es zwar nicht, doch es erfüllte seinen Zweck. Slykur sah sich kurz um und bedeckte sich noch mehr mit altem Laub bis er kaum noch zu sehen war. Perfekt, dachte er sich. Nicht mal ein Lindwurm würde mich hier finden. Doch der ist sicher noch immer bei diesem See und sucht nach diesem Seemonster, das mich geschnappt hat, dachte sich Slykur grinsend.
Nach kurzem Suchen kam der Lindwurm zu dem Schluss, dass hier irgendwas nicht stimmte. In dem See konnte einfach kein Tier leben, dass groß genug war, um Slykur zu fressen. Außerdem konnte der Lindwurm keinerlei Spuren eines solchen Wesens entdecken. Nur Slykurs Spuren die in den See hineinführten. Aber wenn er wirklich angegriffen worden wäre, dann hätte doch auch der Angreifer Spuren hinterlassen müssen. Er kontrollierte die Spuren noch einmal sehr genau, doch es gab einfach keine Spuren, die von einem größeren Raubtier hätten stammen können. Das ist ein Trick, dachte sich der Lindwurm und sah sich genauer rund um den See um. Wenn es ein Trick war, dann musste Slykur wieder irgendwo an Land gegangen sein. Und tatsächlich fielen ihm schon bald Spuren auf, die vom See wegführten. Slykur hatte zwar versucht, sie zu verwischen, doch so leicht ließ sich der Lindwurm nicht täuschen. Drachenspuren ließen sich auch nur sehr schwer vollständig entfernen. Dazu waren Drachen einfach zu groß und zu schwer. „Na warte. Dich krieg ich schon“, sagte der Lindwurm und folgte den Spuren.
Slykur hatte es sich inzwischen bequem gemacht. Wenn man nicht wüsste, dass der Drache dort lag konnte man ihn nicht erkennen. Er hatte sich wirklich sehr gut getarnt. „Nach ein paar Stunden Schlaf geht es mir wieder viel besser und dann bin ich endlich wieder in Topform“, murmelte Slykur. Bevor er schließlich seine Augen schließt legte er noch eine Menge abgefallene Äste und Wurzeln über seinen Körper, um auch noch den letzten Teil von sich zu tarnen. Seit heute war er da um ein großes Stück vorsichtiger geworden.
Immer darauf achtend, möglichst nicht gesehen zu werden, folgte der Lindwurm den Spuren. Oft waren die zwar nur schwer zu erkennen, doch der Lindwurm war ein erfahrener Spurensucher, der sich nicht so leicht täuschen ließ. „Der kann sich auf was gefasst machen, wenn ich ihn erwische“, grummelte er dabei vor sich hin.
Slykur war schon längst eingeschlafen. Doch ein wirklich tiefer Schlaf war es nicht. Nach all den Erlebnissen und Schockmomenten, die er heute erlebt hatte, fiel es ihm schwer überhaupt zu schlafen. Gelegentlich wachte er kurz auf um sich umzuschauen , ob auch wirklich noch alles so war wie es sein sollte. Dabei verhielt er sich extrem leise da er nur kurz die Augen geöffnet hatte. Nichts zu sehen. Alles soweit noch in Ordnung“ dachte er sich und schlief wieder ein.
Der Lindwurm näherte sich langsam Slykurs Unterschlupf. Doch er konnte den Drachen noch immer nicht sehen. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass er irgendwo in der Nähe sein musste. Er schnupperte, doch noch konnte er ihn nicht riechen.
Mit der Zeit ließ das Gefühl der Angst nach und der Schlaf übernahm immer mehr die Oberhand. In einem kurzen, wachem Moment grinste Slykur. „Scheint als sei dieser Lindwurm auf meinen Trick hineingefallen. Haha, da kann man noch so ein erfahrener Jäger sein, mich bekommt man nicht so leicht“, murmelte Slykur stolz. Schlussendlich versank er in einem tieferen Schlaf.
Der Lindwurm war nun ganz dicht vor Slykurs Versteck und alle seine Instinkte sagten ihm, dass der Drache ganz in der Nähe sein musste. Er wollte diesmal ganz überraschend zuschlagen. Der Drache sollte gar nicht erst dazu kommen, sich zu wehren. Doch wo steckte er nur? Noch immer suchte der Lindwurm ganz in Slykurs Nähe herum, ohne den Drachen zu entdecken.
Slykur kam langsam zu sich, da er es nicht gewohnt war, von Blättern und Zweigen zugedeckt zu schlafen. Nebenbei waren ihm auch Käfer über die Schnauze gekrochen und das war wohl der Hauptgrund seines Erwachens. „Das kann doch nicht sein, dieses nervige Kleinvieh“, grummelte er leise vor sich hin. Er bleibt jedoch am Boden liegen mit halbgeschlossenen Augen. „Wie gerne wäre ich jetzt wieder meiner Höhle“, dachte er sich.
Der Lindwurm, der ein sehr feines Gehör hatte, hatte das Grummeln sofort gehört. So so, hier steckst du also, dachte er sich. Dass er den Drachen so schnell finden würde, hätte er nicht gedacht. Um so mehr freute es ihn, dass er ihn nun vor sich sah. Jetzt musste er nur noch eine Möglichkeit finden, den Drachen zu überwältigen. Das konnte doch nicht so schwer sein, dachte er sich.
Der Drache konnte nicht mehr einschlafen. Es war einfach viel zu unbequem. Er lag einfach nur da um noch ein wenig zu rasten, dann könnte er wieder weiterziehen. Slykur begann leicht zu gähnen und murmelte: „Ob ich noch mal hierher kommen sollte mit ein wenig Verstärkung? Dann könnten wir diesen Lindwurm sicher beseitigen. Immerhin sollen nicht noch mehr Drachen als Beute enden. Ja genau das werde ich machen! Der hatte ja nicht mal gegen mich alleine eine Chance. Zwei oder Drei Drachen könnten ihn locker fertig machen.“ Slykur fing wieder zu Übertreiben an und begann auch zu schmunzeln als sein verloren gegangener Kampfgeist zurückkam. „Wieso hatte ich eigentlich Angst vor ihm? Das ist doch sonst überhaupt nicht meine Art. Jetzt noch ein wenig rasten und dann mache ich mich wieder auf den Weg, Hehe.“
Zum Glück hatte Slykur laut vor sich hin gemurmelt und damit den Lindwurm auf eine Idee gebracht. Andere Drachen. Der Lindwurm würde Slykur einen anderen Drachen beschaffen. Eine der ungewöhnlichsten Fähigkeiten der Lindwürmer war nämlich, dass sie die Gestalt von all den Tieren annehmen konnten, die sie im Laufe ihres Lebens gefressen hatten. Sie konnten also nicht einfach so die Gestalt jedes beliebigen Wesens annehmen. Aus einem unbekannten Grund konnten Lindwürmer nur die Gestalt ihrer Beute annehmen. Und der Lindwurm hatte bereits einige Drachen erbeutet. Die waren zwar alle kleiner als er selbst gewesen, doch es wäre sicher lustig, Slykur als Drache zu erscheinen. Es erforderte viel Konzentration, doch der Lindwurm beschloss, sich einfach in einen kleinen Drachen zu verwandeln. So würde er den Drachen überlisten und wenn er die Chance bekommen sollte, Slykur zu überwältigen, konnte er innerhalb von Sekunden wieder seine Lindwurmgestalt annehmen. Damit glaubte er, den Drachen so überraschen zu können, dass dieser jeden Widerstand aufgeben würde. Diese Vorgehensweise hatte auch schon bei früheren Opfern funktioniert.
Slykur blieb nach wie vor liegen und gähnte. „Ein paar Minuten noch, länger halte ich es eh nicht mehr aus.“ Slykur zuckte nervös. Ihm kam es so vor als ob kurzzeitig ein komischer Geruch an ihm vorbeigezogen wäre. Aber so schnell der auch da war, so schnell war er dann auch wieder weg. „Habe ich mir das nur eingebildet? Wahrscheinlich. Hier ist doch niemand.“ Dennoch wird der Drache aufmerksam und achtete auf jede Veränderung in seiner Umgebung.
Der Lindwurm verwandelte sich schnell in einen Drachen, der etwa Slykurs Größe und Aussehen hatte. Als das geschehen war, brauchte er nicht mehr leise zu sein, denn er wollte ja, dass Slykur ihn bemerkte. Ohne zu zögern ging er nun auf Slykur zu und sprach ihn an: „Oh... was bist du denn für einer? Und was hast du in meinem Versteck zu suchen?“ Der Lindwurm tat einfach mal so, als ob es sein Versteck gewesen wäre, in dem sich Slykur befand. So würde Slykur keinen Verdacht schöpfen, dass der Drache ihn so schnell gefunden hatte.
„Nanu? Noch ein Drache? Du musst vorsichtig sein. Hier gibt es sehr gefährliche Geschöpfe. Ein Drache sollte hier besser nicht allein herumstreifen. Besonders wegen diesem Lindwurm, falls du schon mal von dem gehört hast."
„Gefährlich? Lächerlich. Wer könnte schon einem Drachen gefährlich werden?", erwiderte der verwandelte Lindwurm lachend. „Und Lindwürmer sind doch nur Witzfiguren. Völlig ungefährliche Weicheier sind das. Jeder Drache, der Angst vor solchen Würmern hat, ist ein Schwächling."
„Ach wenn das so ist dann bleib ruhig hier. Ich werde inzwischen weiterziehen.“ Slykur erhob sich aus seinem Versteck und dachte sich dabei grinsend: Da wird sich der Lindwurm aber freuen, wenn er diesen Drachen hier findet. Falls er überhaupt noch bis hierher kommt. Dieser Drache hier schien genauso arrogant zu sein wie Slykur selbst und auch wenn er jeden Drachen vor dem Lindwurm warnen wollte, diesen sicher nicht. Soll der Lindwurm ihn doch erwischen. Dann war der Lindwurm vollgefressen und Slykur würde ungeschoren davonkommen. Bis der Lindwurm dann wieder Hunger bekam, wäre Slykurs Flügel wahrscheinlich schon verheilt. „Na dann wünsche ich dir noch ein schönes Leben, auch wenn es nicht mehr so lange sein wird. Mit so arroganten Drachen wie dir will ich nichts zu tun haben", meinte Slykur.
„Arrogant? Wieso denn? Man muss nur wissen, wie man Lindwürmer besiegen kann. Und ich weiß, wie man es machen muss. Du könntest das auch lernen. Ich habe schon viele Lindwürmer erlegt. Wenn du also meine Hilfe brauchst, wäre das kein Problem für mich.“
Slykur überlegte kurz und setzte einen ernsten Blick auf. „Normalerweise würde ich jetzt ja sofort zustimmen, aber in meinem Fall lehn ich dein Angebot ab. Ich habe die Schnauze voll von diesem dämlichen Lindwurm. Aber ich glaube so einen Lindwurm wie diesen hast du auch noch nie erlegt. Der ist ein Monster." Slykur konnte einfach nicht glauben, dass dieser Drache vor ihm einfach so Lindwürmer besiegen konnte.
„Doch bestimmt. Lindwürmer sind eigentlich gar nicht gefährlich. Die tun doch nur so, als ob. Aber wenn es wirklich zu einem Kampf kommt, dann geben sie meistens schnell auf. Bestimmt hat er dir mit seinen angeblichen Giftzähnen gedroht. Das machen die nämlich immer. Dabei haben Lindwürmer gar keine Giftzähne. Vor diesen zu groß geratenen Regenwürmern muss man keine Angst haben“, sagte der verwandelte Lindwurm grinsend. Er wollte erreichen, dass Slykur Lindwürmer für harmlose und schwache Kreaturen hielt. Denn dann hätte es der Lindwurm bei einem künftigen Kampf gegen den Drachen bestimmt leichter.
„Hm, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Aber das ändert nicht viel an meiner Meinung. Du musst dir vorstellen, dieser eine Lindwurm hat ein paar Mal versucht mich zum Aufgeben zu verleiten um mich dann zu fressen. Und dann auf meiner Flucht ist er mir etliche Kilometer gefolgt, als wäre ich wirklich so ein schmackhafter Leckerbissen. Er hat den halben Tag damit verbracht mich zu jagen.“
„Er hat nur deshalb versucht dich zum Aufgeben zu verleiten, weil er genau wusste, dass er dich niemals besiegen könnte. Auf diese Weise schaffen es diese Lindwürmer immer wieder, ahnungslose Opfer zu finden. Am besten ignoriert man solche Lindwürmer einfach. Selbst wenn sie behaupten, sie wollten dich verschlingen. Denn soweit ich weiß fressen die nur Fische. Er wollte dich sicher nur ärgern.“
„Sie fressen aber auch Wölfe. Das habe ich selbst gesehen. Aber wenn du dich so gut mit Lindwürmern auskennst, dann sehe ich keinen Grund, den Lindwurm selbst zu besiegen. Du wirst sicher auch allein mit ihm fertig. Ich habe schon einen extrem weiten Weg hinter mir und da habe ich jetzt wirklich keine Lust wieder umzukehren.“
„Auf jeden Fall weißt du ja jetzt bescheid, falls du wieder einmal einen Lindwurm treffen solltest. Die sind wirklich nicht gefährlich. Das ist bei denen alles nur Show.“ Inzwischen hatte der Lindwurm sicher genug Lügen erzählt und musste sich jetzt nur noch außer Sichtweite wieder zurückverwandeln. Wenn er dann erneut Slykur traf, würde dieser vielleicht glauben, dass ein Lindwurm keine Gefahr darstellte und das wäre für den Lindwurm eine gute Chance.
„Warte mal, nicht so schnell! Mir ist da noch etwas eingefallen. Also... wenn Lindwürmer es echt nur auf Fische abgesehen haben, wieso sind hier dann keine Tiere?“ Slykur schaute den anderen Drachen an und schöpfte den Verdacht, dass das Alles hier nicht so ganz zusammenpasste.
„Keine Ahnung. Aber das liegt sicher nicht am diesem Lindwurm. Selbst zehn Lindwürmer wären nicht in der Lage, alle Tiere zu verscheuchen, oder gar aufzufressen. Das hat bestimmt einen ganz anderen Grund. Lindwürmer fressen höchstens einmal die Woche etwas. Höchstens. Manchmal auch nur alle zwei oder drei Wochen.“
„Hm, das kann wohl sein. Noch eine letzte Frage bevor ich weiterziehe, du kennst dich anscheinend mit diesen komischen Lindwürmern aus... woher wissen die soviel über uns Drachen?"
„Eigentlich wissen sie gar nichts. Sie plappern nur das nach, was sie irgendwo mal über uns gehört oder gesehen haben. Weißt du, diese Lindwürmer haben für ihre Größe ein ziemlich kleines Gehirn und sind auch nicht besonders hell in der Birne. Aber sie können ihre Dummheit meistens ziemlich geschickt verstecken.“ Dem Lindwurm machte es Spaß, so über sich selbst zu reden. Was er sagte, war natürlich alles gelogen. Doch Slykur schien es inzwischen schon beinahe zu glauben.
Der Drache begann nach diesen Worten des Lindwurms frech zu grinsen „Haha, da hast du aber so was von Recht. Aber ich traue diesen Lindwürmern trotzdem nicht über den Weg, nachdem was dieser Eine mit meinen Flügel angestellt hat." Slykur begann ärgerlich zu knurren da der Gedanke an seinen verletzten Flügel ihn wirklich wütend machte.
„Bestimmt hat er es nicht mit Absicht getan. Aber dein Flügel wird schon wieder werden. Es dauert nur etwas. Aber jetzt muss ich gehen. Gute Besserung deinem Flügel, Slykur.“
Bevor der Drache ihm noch weitere Fragen stellen konnte, verschwand der Lindwurm schnell außer Sichtweite und nahm dann, versteckt hinter einigen Bäumen und Büschen wieder seine normale Gestalt an. Dann kroch er schnell wieder zurück zu Slykur. Allerdings so, dass er aus einer anderen Richtung erschien, damit Slykur nicht misstrauisch werden konnte. Es war sicher besser, wenn dieser Drache nichts von der Verwandlungsfähigkeit des Lindwurms erfuhr.
Slykur fing sofort an zu knurren als der Lindwurm erschien. „Na toll, kaum ist er da ist der Drache, der mir helfen wollte, weg“, grummelte Slykur und sagte dann mit bösem Gesicht zu dem Lindwurm. „Wenn man vom Teufel spricht. Was willst du? Verschwinde!" Der Drache bewegte sich langsam rückwärts in die Richtung, in die er weiterziehen wollte. Den Lindwurm ließ er dabei keine Sekunde aus den Augen.
„Warum so unfreundlich, kleiner Drache? Ich bin doch ein sehr netter Lindwurm. Ist es nicht schön, dass ich dich wiedergefunden habe? Du wolltest doch nicht etwa gehen, ohne dich von mir zu verabschieden? Das wäre sehr unhöflich von dir gewesen.“ Unbeeindruckt von Slykurs knurren näherte sich der Lindwurm dem Drachen.
„Ich werde dir gegenüber nicht mehr viel höflicher werden. Warum spielst du auf einmal so freundlich? Gerade vorhin stand ich noch auf deiner Speisekarte. Ich habe mich mit einem Knurren von dir verabschiedet, das muss dir reichen.“ Slykur ging ein wenig schneller, er hatte nicht vor den Lindwurm noch einmal zu vertrauen nachdem er ihm schon zweimal aufgelauert hatte.
„Wie kann man nur so nachtragend sein? Ich habe doch nur ein wenig mit dir gespielt. Ich habe hier nämlich sehr wenig Gesellschaft“, erwiderte der Lindwurm und starrte den Drachen mit einem freundlichen Lächeln an. „Könnten wir nicht einfach nett zueinander sein?" Das war typisches Lindwurmverhalten. Lindwürmer spielten einfach für ihr Leben gern mit ihrer Beute. Besonders wenn es sich um Drachen handelte. Jetzt nur nicht zu sabbern anfangen, dachte sich der Lindwurm.
„Nein. Das hast du leider verspielt. Zuerst fängst du mich in deiner Höhle, dann überredest du mich in einen See zu gehen, wobei du mich dabei auch wieder belogen hast. Und dann jagst du mir einige Kilometer nach.“ Slykur war gar nicht von den Worten des Lindwurms überzeugt. Was bildete sich diese Schlange eigentlich ein? „Ach ja. Und nicht zu vergessen mein Flügel, alles nur so aus Spaß oder was?!" Slykurs Stimme wurde von Wort zu Wort lauter. Die letzten Worte brüllte er bereits.
„Ach der Flügel. Ich garantiere dir, dass er in ein paar Tagen schon nicht mehr weh tut. Drachenflügel verheilen sehr schnell. Spätestens in zwei Wochen kannst du auch wieder fliegen. Übrigens siehst du ziemlich müde aus, kleiner Drache. Du solltest dich besser noch einen Moment hinlegen und schlafen, bevor du weiterziehst. Das würde dir bestimmt gut tun.“ Diesmal wird er mir nicht mehr entkommen, dachte sich der Lindwurm.
Langsam wusste Slykur nicht mehr was er tun sollte, er stand schon kurz vor der Verzweiflung, er wurde den Lindwurm einfach nicht mehr los. „Das werde ich wohl besser wissen wie du...“ Der Drache war inzwischen richtig angefressen. Am liebsten hätte er den Lindwurm in zwei Teile gerissen. „Was willst du eigentlich von mir? Kannst du nicht einfach verschwinden? Du gehst mir auf die Nerven.“
„Nichts Bestimmtes. Ich bin nur etwas besorgt, weil du so erschöpft aussiehst. Was dir fehlt wäre eine kleine Massage. Wenn du ruhig stehen bleibst und dich entspannst, könnte ich dir dabei möglicherweise helfen. Ich bin sehr gut in so was musst du wissen“, sagte der Lindwurm und er lächelte dabei, als er genau spürte, dass der Drache immer verzweifelter wurde.
„Nein, von dir brauch ich gar nichts mehr. Ich kann dir einfach nicht trauen, nach all den Nummern die du vorher abgezogen hast. Und ich bin mir fast... nein ich bin mir sicher, dass du der Grund bist, warum alle Tiere hier weg sind und das will schon was heißen. Also bleib bloß weg von mir!“
„Sei doch nicht albern. Wie sollte ich alleine denn alle Tiere von hier vertreiben? Schau mich doch an. Ich bin nicht besonders schnell und ich kann noch nicht mal fliegen. Also wie sollte ich das denn anstellen? Das hier keine Tiere mehr sind, daran sind doch garantiert nur die Menschen schuld. So ist es doch immer. Du als Drache solltest das eigentlich wissen“, erwiderte der Lindwurm lächelnd.
„Erwähne in meiner Gegenwart bloß keine Menschen. Ich hasse Menschen. Wenn ich könnte würde ich alle von ihnen auffressen, bevor sie noch mehr Schaden anrichten. Wieso gehst du nicht einfach zurück in deine Höhle?“ Slykur versuchte dem Lindwurm so friedlich wie möglich zuzureden um ihn eventuell auf diese Weise loszuwerden.
„Na also, da haben wir doch etwas gemeinsam. Ich kann die nämlich auch nicht ausstehen. Vielleicht könnten wir uns ja zusammentun. Gemeinsam gegen diese Menschen kämpfen. Das wäre doch was oder?" Der Lindwurm lächelte noch immer, doch lange würde er dieses Spiel nicht mehr spielen. Sein Hunger war inzwischen so groß, dass er bereit war, fast jedes Risiko einzugehen. Der kleine Wolf den er gehabt hatte, war ja nur Haut und Knochen gewesen und hatte seinen Hunger eher noch verstärkt als ihn zu stillen. Dennoch musste der Lindwurm zugeben, dass er eine gewisse Sympathie für diesen Drachen spürte. Er hatte sicher die Wahrheit gesagt, als er meinte, er würde die Menschen hassen. In dieser Frage waren sich Slykur und der Lindwurm ähnlicher, als in jeder anderen.
„Hm, sind überhaupt Menschen in der Nähe? Und vor allem woher soll ich wissen ob ich dir noch trauen kann?“, fragte der Drache.
„Menschen gibt es überall. Sie sind wie Kakerlaken. Irgendwie wird man sie nie mehr los, wenn sie erst mal da sind. Auch hier leben ein paar von denen in der Nähe“, sagte der Lindwurm. Ob er wohl in der Lage war, das Vertrauen des Drachen doch noch zu gewinnen? Es wäre ihm zwar eigentlich egal, doch wenn dieser Gründrache ihm erst vertraute, dann würde er den Lindwurm sicher nicht mehr die ganze Zeit so genau im Auge behalten und der Lindwurm hatte dann sicher eine Chance ihn doch noch zu überwältigen.
„Hast du übrigens gewusst dass hier noch andere Drachen leben? Die haben mir so einiges über dich erzählt und auch das du nur Fische fressen solltest, wobei ich zugeben muss, dass du mir heute das Gegenteil bewiesen hast.“ Slykur hatte nun komplett den Überblick verloren und wusste nicht mehr was er glauben konnte und was nicht. War das etwa die Absicht dieses Lindwurms? Will er mich verwirren fragte sich Slykur. „Also was frisst du jetzt? Fische, Säugetiere oder sogar Drachen?“
„Ähm... ich fresse eigentlich nur so ab und zu mal ein kleines Tier und auch Fische gelegentlich mal“, entgegnete der Lindwurm. In Wahrheit stand aber so ziemlich jedes Tier auf Lindwurms Speisekarte, das kleiner war, als er selbst. Der Lindwurm lächelte. Er merkte, dass Slykur ein wenig den Durchblick verloren hatte und das wollte der Lindwurm ausnutzen. Er wird Fehler machen, dachte er sich. Einen vielleicht nur, aber der wird mir genügen.
„Also willst du jetzt auf Menschenjagd gehen? Dann könnte ich wenigstens die ganze Wut und den Hass den ich gegen dich gehegt habe an denen auslassen.“ Slykur vermutete, dass der Lindwurm ihn noch einmal attackieren würde, da der Lindwurm bis jetzt immer nach dem Schema: gut zureden und heimlich angreifen, gehandelt hatte.
„Hm. Menschenjagd. Das klingt gut. An denen könnte ich ein wenig üben, wie es ist, größere Opfer zu essen“, sagte der Lindwurm. Dabei wäre so ein Mensch für ihn eigentlich nur ein Happen für Zwischendurch. Doch es war bestimmt keine schlechte Idee, den Drachen mit ein paar Menschen abzulenken. Sollte der Drache sich doch ruhig den Bauch mit Menschen voll schlagen. Vielleicht wurde er danach so träge, dass der Lindwurm ihn problemlos überwältigen konnte. Und ihm als Lindwurm konnte es nur Recht sein, wenn gleichzeitig noch ein paar von diesen lästigen Menschen beseitigt wurden. Nur tote Menschen waren gute Menschen. Das war Lindwurms Meinung schon als er aus seinem Ei geschlüpft war.
„In Ordnung. Aber wir gehen in die Richtung in die ich weiter gezogen wäre und du gehst vor. Weil eins habe ich heute gelernt. Euch Lindwürmer sollte man immer im Auge haben, speziell dich." Slykur kicherte leise und murmelte: "Hehe, der wird mir eine gute Hilfe sein um ein paar Menschen zu schnappen und danach kann ich diese Gegend für immer verlassen.“
„Aber... na gut meinetwegen. Dann gehe ich voran. Ich weiß, wo ein kleines Menschendorf ist. Dort kannst du dich austoben", sagte der Lindwurm. Das war sogar mal keine Lüge, denn es gab wirklich ein Dorf in der Nähe. Die Menschen dort waren dem Lindwurm egal. Die konnte sich Slykur ruhig schnappen. Der Lindwurm dachte sich grinsend: Ja, verlassen wirst du die Gegend schon irgendwie. Aber nur dorthin wohin ich dich lasse, Kleiner.
Slykur folgte dem Lindwurm mit etwas Abstand. Dennoch war der Drache noch immer misstrauisch. „Und du bringst mich wirklich in ein Menschendorf? Oder ist das wieder einer deiner lächerlichen Fallen?“ Slykur war sich seiner Sache nicht sicher, aber er wusste nicht mehr was er glauben sollte und was nicht.
„Nein, das ist keine Falle. Du kannst mir vertrauen. Ich führe dich wirklich in ein Menschendorf. Dort kannst du dir jeden Menschen schnappen, den du nur möchtest.“ Es dauerte gar nicht lange, bis tatsächlich einige Menschenhäuser in Sicht kamen. „So, wir sind da. Such dir einfach ein paar Menschen aus. Ich fresse dann den Rest, den du übrig lässt", sagte der Lindwurm lächelnd, doch auch jetzt hatte er wieder einen Plan, wie er den Drachen überwältigen konnte. Obwohl der Lindwurm inzwischen schon mit dem Gedanken spielte, den Drachen zu verschonen. Irgendwie mochte er diesen Gründrachen inzwischen immer mehr. Doch im Moment war sein Hunger noch größer als seine Sympathie dem Drachen gegenüber.
Slykur hatte nicht damit gerechnet wirklich Menschen zu treffen. „Du bist doch nicht so verlogen, wie ich angenommen hatte. Komm doch gleich mit, sonst entwischen uns die meisten davon. Du weißt doch, Menschen sind ziemlich ängstlich gegenüber einem Drachen. Außerdem siehst du auch ziemlich hungrig aus.“ Im Gedanken an Menschen fing der Drache schon zu sabbern an.
Der Lindwurm begleitete den Drachen ins Dorf, auch wenn er an den Menschen nicht wirklich interessiert war. Zwar fraß er gelegentlich schon mal einen, doch wirklich lecker fand er sie nicht. Drachen schmeckten einfach viel besser, dachte er sich. „Ich glaube, hier leben genug Menschen für uns beide. Selbst wenn ein paar entkommen ist das auch nicht so schlimm.“
Slykur hatte wirklich Spaß daran die wehrlosen Menschen zu jagen und zu fressen. Es war für Menschen fast unmöglich, dem Drachen zu entkommen. Da Slykur schon seit einigen Tagen nichts mehr gefressen hatte, fiel er gierig über alles her, was sich bewegte. Manche Menschen verschlang er einfach. Andere zerkaute er genüsslich mit seinen Zähnen. Kaum einen ließ er entkommen. „Wurde auch Zeit das ich was zu Fressen bekomme." Als er so ziemlich alle erwischt und den Rest verjagt oder getötet hatte, fing er an befriedigt zu grinsen. „Das hat Spaß gemacht. Aber jetzt habe ich erst mal genug. Aber eine Frage hätte ich noch Lindwurm."
Der Lindwurm schaute geduldig dabei zu, wie der Drache in dem Menschendorf herumtobte. Es störte ihn gar nicht, dass der Drache kaum einen Menschen für ihn übrig ließ, denn wenn der Lindwurm erst den Drachen verschlungen hatte, würde er, zumindest indirekt gleichzeitig auch die Menschen bekommen. „Was für eine Frage, Kleiner?" Um nicht aufzufallen schnappte sich auch der Lindwurm einen der Menschen, doch er spielte nur ein bisschen mit ihm, ohne ihn zu fressen.
Wegen dem gefüllten Magen verschwand auch gleich Slykurs schlechte Laune und das Misstrauen gegenüber dem Lindwurm sank auch. „Ha, du spielst auch gerne mit deiner Beute, gleich wie ich. Wir würden ein gutes Team abgeben.“ Slykur begann zu schmunzeln. „Aber was ich dich eigentlich fragen wollte... steht dein Angebot noch... du weißt schon die Massage wegen meinem verletzten Flügel. Das würde mir wahrscheinlich sehr helfen.“
Der Lindwurm lächelte. „Klar, ich bin gut im Massieren. Das könnte ich gerne tun, wenn du nichts dagegen hast. Aber dazu muss ich mich ein wenig um deinen Körper schlingen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus, Kleiner.“
„Hm, ich weiß ja nicht ob das wirklich so eine gute Idee war, danach zu fragen“, murmelte Slykur leise vor sich hin. „Muss das wirklich sein? Ich mag das nämlich nicht besonders wenn sich etwas um mich schlingt. Du bist fast wie eine Schlange. Vielleicht willst du mich nur umschlingen um mich zu erwürgen. Ich weiß einfach nicht, ob ich dir schon genug vertrauen kann, um mich einfach von dir umschlingen zu lassen."
„Keine Sorge, Kleiner. Es ist doch nur zum Massieren. Es wird dir gefallen. Außerdem erwürgen Lindwürmer ihre Opfer normalerweise nicht. Obwohl wir durchaus stark genug wären, um es tun zu können", erklärte der Lindwurm lächelnd. Der Drache wusste anscheinend nicht wirklich gut, über Lindwürmer bescheid, denn sonst hätte er sicher nicht nach so etwas gefragt, dachte der Lindwurm. So eine Massage würde dem Lindwurm beste Chancen geben, den Drachen endgültig zu bezwingen. Aber wollte der Lindwurm das überhaupt noch? Er wusste selbst nicht mehr so genau, was er wollte. Den Menschen, den der Lindwurm noch immer festhielt, ließ er jetzt einfach laufen. Obwohl der Lindwurm den Menschen ziemlich fest umschlungen hatte, schien dieser nicht verletzt zu sein und er rannte auch sofort davon, als der Lindwurm ihn losließ.
Momentan schwirrten einige Fragen in Slykurs Kopf herum. Es fiel ihm richtig schwer, sich zu konzentrieren. Der Drache wurde etwas nervös, da er es sich gerade anders überlegt hatte. Im Gedanken an das erste Treffen mit dem Lindwurm, will er sich nicht wirklich von ihm umschlingen lassen. Wie sage ich ihm das am Besten, ohne dass er ausrastet? dachte sich der Drache.
„Ähm... also... also, das funktioniert doch auch sicher ohne dass du mich umschlingen musst, oder?" Slykur fing leicht zu schwitzen an, da er sich nun doch ein wenig Sorgen machte.
„Du wirst doch nicht etwa nervös, kleiner Drache? Du musst dir keine Sorgen machen. Ich kann ganz sanft sein, auch wenn mir das keiner zutraut", erwiderte der Lindwurm und streichelte den Drachen zärtlich über seine Schuppen.
Slykur wurde noch nervöser und fing schon leicht zu zucken an. „Diese Art von dir kenne ich noch gar nicht. Bisher warst du ziemlich rücksichtslos und hinterhältig.“ Slykur konnte plötzlich nicht mehr einschätzen ob der Lindwurm gut oder böse war. „Lass das bitte, weißt du, ich glaube ich verzichte auf die Massage. Ich will dir nicht unnötige Arbeit machen. Mir geht es auch schon viel besser“, sagte Slykur und wich langsam ein Stück zurück.
„Aber das ist doch keine Arbeit für mich. Ich mag es, einem Drachen wir dir nahe zu sein. Und du solltest an deinen Flügel denken. Dem wird es hinterher viel besser gehen.“ Der Lindwurm dachte sich: Jetzt muss ich ihn nur noch überzeugen, sich massieren zu lassen, dann wird er eine Überraschung erleben. Hähähä. Angestrengt versuchte der Lindwurm nicht zu grinsen, denn das hätte Slykur sicher sofort misstrauisch gemacht.
„Hmm, ich weiß nicht.“ Slykur überlegte etwas und schaute hin und wieder den Lindwurm an. „Aber du drückst nicht zu fest zu, okay?“ Der Drache wusste, dass er sich jederzeit aus dem Griff des Lindwurms befreien konnte. So wie er es schon mal gemacht hatte. Doch er konnte nicht genau einschätzen, wie stark so ein Lindwurm sein konnte. Doch Slykur wollte vorsichtig sein. Er wusste, dass Schlangen verdammt stark waren, wenn sie eine Beute in den Würgegriff nahmen. Und der Lindwurm war sicher nicht schwächer als eine Schlange.
„Nein bestimmt nicht. Das würde ich doch nur tun, wenn ich die Absicht hätte, dich zu fressen. Aber das würde ich wohl kaum schaffen, so vollgefressen, wie du jetzt aussiehst. Nein. Außerdem habe ich schon zu lange gegen dich gekämpft und weiß inzwischen, dass ich dich nie besiegen könnte“, meinte der Lindwurm lächelnd und streichelte dem Drachen über die Seiten.
Slykur fing an, leicht zu schnurren. Er wartete nun nur noch darauf, massiert zu werden. „Ja, danach wird es mir sicher besser gehen“, sagte er sich und fing an sich zu freuen. Es fühlte sich ja auch sehr angenehm an. Zumindest so lange der Lindwurm keine feindlichen Absichten hatte.
Auch der Lindwurm begann genießend und voller Vorfreude zu schnurren „Gut so, Kleiner. Und nun entspann dich einfach. Ich erledige den Rest.“ Ganz zärtlich und vorsichtig, begann der Lindwurm, sich um den Drachen zu wickeln. Da sich der Drache diesmal nicht wehrte, war das auch kein Problem für ihn. Jetzt hatte er den Drachen schon mal so weit und gleich würde er dem Drachen zeigen, wie Lindwürmer ihre Opfer auch überwältigen können.
Slykur streckte seine Beine weit von sich um den Massageeffekt besser zu spüren. Danach fing der Drache an es wirklich zu genießen. Das konnte man vor allem an seinem Gesichtsausdruck bemerken. „Hätte nicht gedacht, dass sich das so gut anfühlen würde“, meinte er und schnurrte dabei genüsslich.
Diesmal wird er mir nicht mehr entkommen, dachte sich der Lindwurm, als er anfangs den Drachen tatsächlich nur ein wenig massierte. Doch während er das tat, begann er, seinen Körper elektrisch aufzuladen. Denn so wollte er den Drachen kampfunfähig machen. Mit einem Stromschlag. Das war auch eine Möglichkeit, wie Lindwürmer ihre Beute kampfunfähig machen konnten. Kleinere Tiere konnte der Lindwurm damit sogar töten. Doch für einen Drachen wie Slykur würde es wohl bestenfalls für eine kurze Bewusstlosigkeit reichen. Falls überhaupt. Doch ein Stromschlag würde jetzt sicher besonders gut wirken, nun, da sich der Lindwurm so nett um den Drachen gewickelt hatte. Für den Drachen sollte es zumindest für einige Minuten Bewegungsunfähigkeit ausreichen.
„So ich glaube das reicht. Es fängt schon an so komisch zu kribbeln. Kannst mich wieder loslassen?“ Slykur fühlte sich um einiges besser und auch sein Kopf wurde wieder halbwegs frei von verwirrenden Gedanken.
„Moment noch. Nicht zu schnell aufhören. Es soll doch auch wirklich gründlich sein. Wir Lindwürmer halten nichts von schlampiger Arbeit. Aber ich bin gleich fertig." Nur einige Sekunden später zuckte der Lindwurm blitzartig mit seinen Muskeln. Es gab einen Blitz und der Drache bekam einen heftigen Stromschlag zu spüren. Das muss selbst für diesen Drachen reichen, dachte sich der Lindwurm.
Plötzlich wurde aus dem angenehmen Gefühl ein wirklich unangenehmer Schmerz. Slykur wusste nicht was über ihn kam und es wurde kurz weiß vor seinen Augen. Er gab sich wirklich Mühe um bei Bewusstsein zu bleiben. Langsam formte sich aus dem ewigen Weiß wieder die reale Umgebung, obwohl das Bild vor den Augen noch ein wenig verschwommen war. „W... was hast du gemacht? Hast du den Verstand verloren?“
Als der Lindwurm sah, dass es noch nicht genug war, wiederholte er es gleich noch einmal. Er war fest entschlossen, dem Drachen jetzt keine Chance mehr zu lassen. „Ich unterziehe dich nur einer kleinen... Elektroschocktherapie“, erwiderte der Lindwurm grinsend und zog gleichzeitig seine Umschlingung deutlich enger, damit sich der Drache nicht so leicht befreien konnte.
Und noch mal der gleiche Schmerz der durch Slykurs Körper zuckte. Der Drache brüllte kurz auf. "H... hör auf... da... damit...“ Slykur biss so fest er konnte in den Lindwurm. „Was tust du da?“, fragte Slykur noch, bevor er verzweifelt zu schnaufen begann.
Doch der Lindwurm war in einer viel besseren Position und so hatte Slykur kaum eine Chance, sich zu verteidigen. Der Lindwurm begann zu lachen, als er spürte, wie Slykur langsam die Kraft ausging und sein Widerstand immer schwächer wurde. Diesen Kampf würde er gewinnen, da war sich der Lindwurm sicher.
„Bitte... hör auf. Habe ich das wirklich verdient, dass du mich hier so quälst?“ Slykur biss wieder um sich um Widerstand zu leisten. Der Schmerz ließ zwar nach, aber hinterließ seine Spuren. Mit Mühe versuchte er, sich aus dem Griff des Lindwurms zu befreien.
Doch der Lindwurm war nicht dumm und er hatte schon einige Erfahrungen im Kampf gegen Drachen gesammelt und er war mittlerweile so geschickt darin, dass Slykur es sehr schwer haben würde, wenn er sich aus eigener Kraft befreien wollte. „Ich will dich gar nicht quälen, mein Lieber. Aber ich muss verhindern, dass du mir entkommst. Und das geht eben nur, indem ich dich kampfunfähig mache.“
Slykur löste seinen zweiten Biss. Auch wenn die Wunden schmerzhaft aussahen, ließ sich der Lindwurm nichts anmerken. „A... aber, der Drache vorher", stammelte er vor sich hin. Slykur begann nun in seiner Verzweiflung herumzustrampeln. „Das kann doch nicht sein“, stotterte Slykur, da ihm das Sprechen schon relativ schwer fiel. „Komm schon... lass mich frei.“
„Hahaha. Der Drache vorher war nur eines meiner früheren Opfer. Ich habe nur seine Gestalt angenommen. Und sobald ich dich gefressen habe, werde ich auch deine Gestalt annehmen können, Kleiner. Ich würde dich ja gerne freilassen, aber wenn ich alle Drachen immer freilassen würde, die ich so erbeute, dann wäre ich längst verhungert.“
Slykur war geschockt. „Der Drache vorher, der fast genauso groß war wie ich... einfach von dir gefressen?" Ihm fehlten die Worte, für ihn fühlte es sich an wie ein Alptraum. „Nein, meine Gestalt wirst du nie annehmen können.“ Verzweifelt kratzte und biss er was seine Krallen und Zähne nur so hergaben. Doch er wurde schwächer und lange würde er sicher keinen Widerstand mehr leisten können.
„Schluss damit, Kleiner. Hör auf dich zu wehren, sonst wird es nur noch unangenehmer für dich. Hast du schon vergessen, wie sich so ein Stromschlag anfühlt? Das war nur ein Vorgeschmack. Ich könnte es noch weit unangenehmer für dich werden lassen. Du wirst mir nie entkommen können, also gib endlich auf.“
Slykur dachte sich, dass er lieber vorher schon aufgegeben hätte, bevor er gewusst hatte, dass der Lindwurm seine Gestalt annehmen würde können, wenn er ihn tatsächlich erfolgreich erbeuten würde. Aber er konnte und wollte nicht zulasen das sich irgendwer als sich selbst ausgab und dann vielleicht seine Freunde oder gar seinen Bruder fraß. Slykurs kleiner Bruder war zwar weit weg von hier, doch wer wusste schon, ob er nicht doch vielleicht irgendwann mal hierher kommen könnte. „Niemals, ihr verdammten Lindwürmer. Wir werden euch alle töten." Slykur versuchte erneut sich zu befreien. Er hatte noch immer einen Funken Hoffnung, dass ihm das auch gelingen konnte.
„Leise fauchend öffnete der Lindwurm sein Maul und drückte seine Zähne in den Nacken des Drachen. Er biss allerdings nicht zu, sondern ritzte nur ganz leicht Slykurs Hautschuppen ein. "Akzeptiere dein Schicksal, Slykur. Du wirst mein Futter sein. Egal, was du tust, du wirst mir niemals entkommen können. Ich werde hinterher auch nicht versuchen, deine Gestalt anzunehmen, Kleiner.“
Slykur wusste, dass der Lindwurm recht hatte, doch er hatte Angst es selber zuzugeben. Mit diesen Worten des Lindwurms war auch der letzte Funken Hoffnung in Slykur erloschen. Doch wahrscheinlich würde sich Slykur weiterhin lieber etwas vorlügen, als seine Niederlage einzugestehen. „Oh nein... es kann nicht vorbei sein. Nicht für mich.“ Slykur fiel es schwer zu verhindern, dass er in diesem Moment am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. „So darf es eigentlich gar nicht enden.“ Slykur schwieg bevor er erneut anfing zu zappeln. Dies war wohl der Instinkt der Drachen, bis aufs letzte zu kämpfen.
Der Lindwurm spürte die Verzweiflung des Drachen und egal, was man so über den Lindwurm sagte, er war nicht so böse, wie immer behauptet wurde. Um Slykur ein wenig zu trösten sagte er: „Ich werde versuchen, es völlig schmerzlos für dich zu erledigen. Es ist nicht so schlimm, wie du glaubst. Bisher hat sich noch keiner beschwert.“ Sabbernd öffnete der Lindwurm sein Maul. War dies der Moment, eine wirklich große Beute zu verschlingen?
Slykur sah nur enttäuscht nach unten. Enttäuscht davon, ausgetrickst und besiegt worden zu sein. „Glaubst du nicht das jeder eine zweite Chance verdient hat? Wie willst du eigentlich Freunde finden, wenn du gleich alle frisst?“ Slykur versuchte ihn mit Worten zu überzeugen, denn körperlich war er dazu nicht mehr in der Lage.
"Freunde? Wir Lindwürmer haben keine Freunde. Wir sind Einzelgänger. Wir sind unser ganzes Leben lang allein. Und wir brauchen auch gar keine Freunde“, erwiderte der Lindwurm lachend. Doch in Wahrheit hatte Slykur einen wunden Punkt getroffen, denn der Lindwurm fühlte sich bisweilen wirklich ziemlich einsam. Er hätte gerne Freunde gehabt, doch bis zum heutigen Tag hatte er noch nie auch nur einen einzigen Freund gefunden. Er wusste nicht einmal genau, was ein Freund eigentlich war. „Normalerweise würde ich dir bestimmt eine zweite Chance geben, aber ich habe Hunger. Es ist dein Pech, dass du mir begegnet bist und jetzt gefressen wirst."
„Mein Schicksal kann doch nicht einfach von Pech geleitet werden. Du kannst dir doch alles schnappen was du willst. Dich kann keiner aufhalten... aber warum ausgerechnet ich?“ Der Blick war noch immer nach unten gerichtet. Slykur konnte den Lindwurm einfach nicht in die Augen sehen.
„Weil du einfach ein hübscher und leckerer Drache bist und die fresse ich nun mal am liebsten. Und ich kann natürlich auch nicht allzu wählerisch sein, weil sich die meisten Tiere von meinem Revier fern halten. Dir ist ja selbst schon aufgefallen, dass es hier kaum Tiere gibt. Manchmal muss man eben nehmen, was man bekommen kann und ich wäre ein schlechter Jäger, wenn ich eine so fette Beute einfach ziehen lassen würde.“ Gierig starrte der Lindwurm den Drachen an. Er war entschlossen, sich nicht mehr erweichen zu lassen. Obwohl er ein Gefühl in sich spürte, dass er bislang noch gar nicht von sich kannte. Mitleid. Er hatte tatsächlich ein wenig Mitleid mit dem Drachen. Unter Lindwürmern war Mitleid eine sehr verachtenswerte Eigenschaft.
„Aber...“ Slykur begann zu jammern und zu seufzen. „Ich könnte dir ein Gebiet zeigen wo mehrere jüngere Drachen als ich leben.“ Der Drache hätte nie gedacht, dass er sogar seine eigenen Bekannten für sein Leben opfern würde. Aber in solcher Verzweiflung taten Drachen alles um sich selbst zu schützen. Er blickte noch immer zu Boden und versuchte, seinen enttäuschten Gesichtsausdruck zu verbergen.
„Tatsächlich? Das würdest du wirklich tun? Wenn ich das nur glauben könnte. Wenn du mir wirklich gleich mehrere Drachen zeigen könntest, dann würde ich es mir vielleicht noch mal überlegen, ob ich dich fresse. Also wo sind sie? Sag es mir.“ Der Lindwurm würde schon ganz gerne so ein paar jüngere Drachen fressen. Jungdrachen waren so ziemlich das Leckerste, was er sich vorstellen konnte. Doch er vertraute Slykur nicht, denn schon oft hatten Drachen versucht, ihm irgendwelche Lügengeschichten zu erzählen um sich selbst zu retten.
Doch diesmal sprach Slykur die Wahrheit. Er hatte nun den Lindwurm schon mehrmals belogen und er wusste, wenn er es noch mal versuchen würde, würde der Lindwurm ihn ohne Gnade sofort fressen. „Ja, das ist diesmal die Wahrheit. Die Drachen sind an einem Ort, an dem ich vor kurzem noch gewohnt habe. Ich war dort nur für etwa zwei Wochen, also sind da auch keine Freunde und Verwandte von mir dabei." Slykur blickte traurig drein. „Es wird mir schwer fallen diese Drachen zu verraten, da sie auch kurzzeitig so was wie Freunde für mich waren. Aber ich will selbst nicht gefressen werden... und das ist meine letzte Chance.“
„Ist das weit von hier? Ich bin nämlich nicht der schnellste zu Fuß. Und die Drachen sollten zumindest groß genug sein, um dich als Beute ersetzen zu können. Wenn das wieder so was wie dieser halb verhungerte Wolfswelpe ist, dann...“
„Nein. Die Drachen sind groß genug für dich. Und es sind viele. Sie werden mich auf jeden Fall ersetzen können.“
Gierig schleckte der Lindwurm über Slykurs Rücken. „Beschreibe mir ganz genau den Weg dorthin, damit ich die Drachen auch finden kann.“
Slykur lief ein eiskalter Schauer über seinen Rücken, als der Lindwurm drüberschleckte. „Du lässt mich zuerst frei und dann kann ich dich dorthin begleiten, falls du mir nicht traust. Vorher kann ich es dir nicht sagen. Das musst du doch wohl verstehen. Weil wenn ich dir das jetzt erzähle, kann ich mir nicht sicher sein ob du mich dann trotzdem noch frisst oder nicht.“
Der Lindwurm ärgerte sich ein wenig, weil Slykur genau erraten hatte, was er insgeheim vorgehabt hatte. Doch er ließ sich nichts anmerken und nach einem kurzen Moment lächelte er sogar. „Bist ein kluger Drache. Na gut. Aber du bleibst in meiner Nähe, verstanden? Nur ein Fluchtversuch, und dir wird es noch viel schlechter ergehen, als wenn ich dich hier und jetzt gleich fressen würde.“
„Ich glaube viel schlechter kann es gar nicht mehr werden.“ Slykur wartete nur noch darauf, dass der Lindwurm seinen Griff lockerte und ihn damit endlich freigab.
Der Lindwurm ließ Slykur jetzt tatsächlich los, doch er behielt ihn ganz genau im Auge, damit er gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen konnte. „So, und jetzt zeige mir den Weg. Ich hoffe für dich, dass es nicht zu weit ist, denn sonst könnte ich die Geduld mit dir verlieren und dich doch noch fressen.“
„In Ordnung. Folge mir. Aber bitte versprich mir eines. Sie sind nicht besonders stark, also können sie auch nicht so großen Widerstand leisten, wie ich. Mach es kurz und schmerzlos, ich will sie nicht leiden sehen. Das könnte ich nicht ertragen.“ Slykur machte sich nun auf den Weg in das letzte Lager in dem er kurzzeitig gewohnt hatte.
Der Lindwurm nickte einfach nur, doch er wusste nicht so wirklich, wie er es anstellen sollte, die kleinen Drachen schonender zu fressen, als jede andere Beute. Wenn sie nicht zu groß waren, könnte sie der Lindwurm sicher einfach lebend verschlingen. Das war im ersten Moment zwar nicht schmerzhaft, doch wenn die Jungdrachen erst einmal in seinem Magen angekommen waren, würden sie sicher ziemlich qualvoll ersticken. Das war nicht unbedingt etwas, was der Lindwurm als besonders schonend empfand. Doch Slykur erfuhr wohl besser erst mal nichts davon. Vielleicht konnte der Lindwurm die Jungdrachen ja auch irgendwie betäuben, bevor er sie verschlang. Doch bevor sich der Lindwurm darüber Gedanken machen wollte, musste er erst einmal wissen, wo sich die Drachen befanden.
Slykur war ziemlich enttäuscht von sich selbst und seiner jetzigen Handlungsweise. „Und wenn wir angekommen sind, werde ich mich vor dem Lager verstecken. Ich will nicht, dass sie wissen das ich Schuld daran habe, dass sie als dein Futter enden. Nur dass du Bescheid weißt.“ Slykur ging immer weiter in die Richtung des Lagers. Das wird mich länger beschäftigen. Mitdrachen zu opfern um selbst zu überleben... grauenhaft, dachte er sich und er fühlte sich ziemlich elend.
„Kommt nicht in Frage. Du bleibst immer schön in der Nähe. Es braucht dich nicht zu kümmern, dass die kleinen erfahren, dass du sie verraten hast. Sie werden es ja niemanden mehr weitererzählen können", erwiderte der Lindwurm lachend und kroch erwartungsvoll hinter Slykur her.
„Aber...“ Slykur begann leicht zu stottern. „Das kann ich nicht. Ich kann es nicht ertragen, ihre Angst und Enttäuschung zu sehen. Sobald die Drachen für dich sichtbar sind, kannst du doch alleine weitermachen, oder?“ Nachdenklich starrte der Drache wieder auf den Boden, während er noch immer langsam weiter ging.
„Na gut. Du kannst meinetwegen in Deckung bleiben, damit sie dich nicht sehen können. Aber ich möchte nicht, dass du davonläufst, bevor ich mit denen fertig bin. Hinterher werde ich dann entscheiden, ob du gehen darfst, oder nicht.“ Noch immer folgte der Lindwurm dem Drachen. Und er hoffte, dass er bald am Ziel sein würde.
„Du lässt mich gehen! Umsonst opfere ich die Kleinen nicht. Ich mach das obwohl ich mich mit ihnen gut verstehe. Und die Kleinen haben keinem was getan!“ Slykur konnte sein Temperament nicht länger komplett zurückhalten, da der Lindwurm ziemlich kaltherzig agierte. „Wir sind bald da", grummelte der Gründrache.
„Hm sag mal, wie viele kleine Drachen sind es denn?“, fragte der Lindwurm und freute sich schon auf die leckeren Jungdrachen. „Wenn genug Drachen da sind, dann darfst du natürlich gehen. Dann würde ich dir sogar dankbar sein, weil du mir eine so leckere Beute beschafft hast", sagte der Lindwurm grinsend. Er war sich jedoch ziemlich sicher, dass er den Drachen trotzdem wiederfinden könnte. Er hatte zwar die Absicht, ihn gehen zu lassen, doch vielleicht konnte er ja trotzdem seinen Spuren folgen. Um zumindest in seiner Nähe zu sein, falls er doch wieder Hunger bekommen sollte. Er musste nur aufpassen, dass Slykur ihn dabei nicht erwischte. Doch das sollte möglich sein, dachte sich der Lindwurm.
„Als ich gegangen bin waren in dem Lager fünf Drachen. Alle so um die zwei Meter groß. Das müsste doch wohl ein ausreichender Ersatz für mich sein“, antwortete Slykur nervös. Eigentlich befanden sich sogar sechs Drachen im Lager, doch Slykur wollte nur opfern was nötig war, deshalb erzählte er dem Lindwurm erst mal nichts davon.
„Fünf Drachen? Ja das wird auf jeden Fall reichen. Zwei von dieser Größe wären schon genug gewesen. Aber das macht nichts. Die anderen schnappe ich mir einfach später", murmelte der Lindwurm und begann schon jetzt etwas zu sabbern. Doch fünf Drachen bedeuteten auch Gefahr. Denn die meisten Drachennester wurden auch von erwachsenen Drachen bewacht. Der Lindwurm beschloss, vorsichtig zu sein. Vielleicht hatte Slykur auch nur die Absicht, ihn in eine Falle zu locken. Gegen mehrere angreifende Drachen, hatte auch ein Lindwurm keine Chance. Ich muss vorsichtig sein, dachte sich der Lindwurm. Nach ein paar Minuten fragte er ungeduldig: „Sind wir jetzt bald da?“
„Ein wenig Geduld noch. Du warst doch auch nicht so ungeduldig, als du mir andauernd aufgelauert hast", antwortete der Drache frech. „Die werden dir kaum weglaufen. Und es kann nicht mehr lange dauern bis wir dort sind.“ Slykur konnte den Gedanken, ein elendiger Verräter zu sein, nicht mehr loswerden.
„Na gut, aber wenn du versuchst, mich an der Nase herumzuführen, dann kannst du dich auf was gefasst machen“ knurrte der Lindwurm. Eine Stunde gebe ich ihm noch. Wenn wir bis dahin nicht dort sind muss ich eben ihn fressen, dachte er sich und schaute sich immer aufmerksam um, ob vielleicht andere Drachen in der Nähe waren.
Slykur wusste, dass er mit dem Lindwurm keine abgekarteten Spielchen mehr treiben konnte. Er hat sich selbst sogar schon gewundert, dass er überhaupt so weit gekommen war. Aber dieses Mal sprach Slykur wirklich die Wahrheit. „Warum sollte ich versuchen dich hineinzulegen? Hätte das viel Sinn?“, fragte der Drache etwas nervös und starrte dem Lindwurm in die Augen.
„Ich weiß nicht. Aber du bist durchtriebener, als viele andere Drachen. Dir würde ich alles zutrauen. Ich hoffe sehr, dass du die Wahrheit gesagt hast.“ Der Lindwurm spürte zwar, dass Slykur ziemlich nervös war, doch er hatte trotz allem das Gefühl, dass der Drache ihn diesmal nicht belogen hatte. Und so versuchte er, wenigstens nicht allzu unfreundlich zu ihm zu sein.
Slykur war sich nun sicher, dass der Lindwurm viel über Drachen wusste. Bald konnte der Drache auch schon den Grenzpunkt des Drachenreviers erkennen. Es war schon ganz in der Nähe. „So, nun sind wir in dem Revier der Drachen, also wenn du dich anschleichen willst gedulde dich weiter hin und ignorier dein Hungergefühl.“ Slykur bestand darauf, dass sie sich heimlich an die Drachen anschlichen. Er wollte um jeden Preis verhindern, erkannt zu werden.
„Ich sehe noch keine Drachen. Und du bleibst in meiner Nähe, bis ich sie sehen kann. Dann kannst du gehen wohin du willst.“ Der Lindwurm schnupperte in die Luft und tatsächlich glaubte er, den Geruch einiger Drachen wahrnehmen zu können. Sie konnten nicht weit sein, dachte er sich und kroch langsam in die Richtung, in der er die Drachen vermutete.
Etwas später konnte Slykur die Drachen auch wittern. Er folgte ihrer Fährte, bis er auch schließlich den Ersten von ihnen fand. Er war jedoch nicht in seinem Nest, sondern streifte hier allein herum. Es war ausgerechnet jener Drache, den Slykur unbedingt vor dem gierigen Lindwurm retten wollte. Der sechste der angeblich nur fünf Drachen. „Was machst du nur hier draußen?“ Der Lindwurm starrte den Jungdrachen gierig an, doch Slykur hielt den Lindwurm noch zurück indem er sagte: „Äh... ähm... der gehört nicht dazu. Komm wir gehen weiter. Du wolltest doch die fünf Drachen in dem Nest haben. Und wenn du den einzelnen angreifst, dann könntest du die Anderen vertreiben.“
„Aber der sieht doch genau richtig aus für mich. Und um so besser, dass er hier alleine ist. Dann merkt der Rest nicht, was ich hier mache und sie können nicht davonlaufen.“ Der Lindwurm kroch näher an den kleinen Drachen heran und sagte dann ganz offen zu ihm: „Hallo Kleiner. Komm doch mal näher zum lieben Onkel Lindwurm.“ Auch wenn es ihm schwer fiel, versuchte der Lindwurm besonders freundlich und nett auszusehen.
„N... Nein!“ Slykur versuchte den Lindwurm noch mal zurückzuhalten. „Du vertreibst alle anderen.“ Inzwischen konnte der kleine Drache Slykur erkennen und der kleine fragte: „Slykur, wer ist das?“
„Wie soll ich denn die anderen vertreiben, wenn sie gar nicht mitbekommen, was hier passiert? Ich glaube eher, du willst dich nicht an unsere Abmachung halten. Wage es ja nicht, den Kleinen zu warnen. Sonst bist du tot, Slykur“, knurrte der Lindwurm so leise, dass nur Slykur ihn hören konnte. Dann machte er wieder ein freundliches Gesicht und näherte sich dem kleinen Drachen.
„Ihr Lindwürmer seid echt widerlich", antwortete Slykur mit zurückhaltender Stimme. Er beobachtete den Lindwurm wie er sich seiner Beute näherte. Währenddessen versuchte Slykur dem Drachen klar zu machen, dass er sofort abhauen soll, indem er ein wenig deutete. Anscheinend wusste der Drache auch auf was Slykur hinaus wollte, denn der Jungdrache begann immer schneller zurückzuweichen. „Lindwurm! Schau noch mehr Drachen!“ Slykur zeigte in die gegenüberliegende Richtung um dem kleinen Drachen die Flucht zu ermöglichen.
Doch der Lindwurm wollte sich nicht stören lassen und erwiderte nur: „Um die kümmere ich mich später. Immer schön einen nach dem Anderen. Und jetzt störe mich nicht. Ich habe hier noch was zu erledigen.“ Der Lindwurm starrte den kleinen Drachen gierig an und kroch schnell auf ihn zu, fest entschlossen, ihn nicht entkommen zu lassen.
Slykur war ziemlich verzweifelt. „Ich habe dir Drachen versprochen, aber der gehörte nicht dazu!" Er jagte dem Lindwurm nach und konnte ihn an seinem, Schweif fassen. „Lass ihn! Der ist es nicht wert.“ Slykur hatte ziemliche Schwierigkeiten den Lindwurm zu stoppen und versuchte weiterhin dem kleinen Drachen zum Wegrennen zu bewegen. Anscheinend konnte Slykur es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, dass der Lindwurm genau diesen Drachen hier verschlang. Die anderen waren ihn nicht so wichtig aber der hier lag ihm am Herzen. „Wir schnappen uns die anderen. Lass ab von dem hier.“
„Ich soll ihn laufen lassen, damit er die Anderen warnen kann? Das wäre ziemlich dumm von mir. Was ist dir an diesen einem nur so wichtig?", fragte der Lindwurm und ließ sich einen Moment ablenken „Ist das einer von deinen Jungen?“
„Nicht direkt mein Junge, aber dem hier habe ich immer geholfen und ihm teilweise auch schon das Kämpfen beigebracht. Ich kann es nicht zulassen, dass du ihn verschlingst. Also lass den hier bitte gehen, es sind noch genügend andere Drachen im Lager.“ Slykur rechnete wirklich nicht damit, dass der Lindwurm wirklich nachgeben würde.
„Hm ich könnte ihn natürlich gehen lassen, aber wenn er den anderen erzählt, dass du sie verraten hast? Er hat dich zusammen mit mir gesehen und könnte intelligent genug sein, zu begreifen, was hier los ist. Aber meinetwegen werde ich ihn verschonen. Aber wenn du mich noch einmal am Essen hinderst, dann wirst du der Erste sein, der hier gegessen wird“, flüsterte der Lindwurm leise in Slykurs Ohr und schaute ihn ziemlich finster an.
„Nein, ich werde dir nicht mehr im Weg stehen.“ Der kleine Drache kam näher auf Slykur und den Lindwurm zu. Slykur ging ihm ein Stück entgegen. „Es tut mir leid...“ Mit einem kräftigen Hieb mit seinem Schweif schlug er den kleinen Drachen bewusstlos. „Komm, das Lager ist nicht mehr weit von hier entfernt...“
„Warum hast du ihn geschlagen?“, fragte der Lindwurm ein wenig bestürzt.
„Damit er uns nicht folgt. Er soll nicht mitbekommen, wenn seine Artgenossen gefressen werden“, meinte Slykur.
„Aber das war nicht nötig. Ich hätte ihn mühelos und viel sanfter betäuben können. Aber egal. Gehen wir besser, bevor er wieder aufwacht.“ Der Lindwurm folgte Slykur, aber er prägte sich genau ein, wo sich dieser eine Drache befand. Vielleicht konnte er ihn sich ja noch auf dem Rückweg schnappen, falls ihm zu viele entkommen sollten. Auf jeden Fall kannte er jetzt den Geruch des Kleinen und er würde ihn ohne Schwierigkeiten wieder finden, selbst wenn er in der Zwischenzeit wieder aufwachen sollte.
„Wehe dir wenn du meinen kleinen Freund verfolgst“, schnauzte Slykur zum Lindwurm. Er schien die Gedanken des Lindwurms erraten zu haben.
Bald kamen die Beiden bei dem Lager an. „Hier sind wir, kannst du die Kleinen schon sehen? Sie sind dort vorne. Ab hier trennen sich unsere Wege. Slykur drehte sich um und begann in eine andere Richtung zu marschieren.
„Ah ja, ich sehe sie. Gut... du darfst gehen, Slykur. Aber störe mich nicht bei diesem Festessen.“ Der Lindwurm konnte fünf Drachen erkennen. Keiner von ihnen war größer als der Kleine von eben. Von erwachsenen Drachen war weit und breit nichts zu sehen. Und Slykur hatte gewiss keine Gelegenheit gehabt, die Erwachsenen Drachen vorzuwarnen. Auch auf dem Boden fand der Lindwurm keine Spuren von erwachsenen Drachen. Um so besser, dachte er sich. Jetzt musste er sich nur noch seine Beute schnappen. Doch alle fünf Jungdrachen würde der Lindwurm niemals an einer Flucht hindern können. Er musste sie vorher voneinander trennen. Dazu kroch der Lindwurm einfach auf die fünf zu, ohne sich groß zu verstecken. Freundlich lächelte er den kleinen zu. „Hallo ihr Kleinen. Ich soll Grüße überbringen. Von Slykur. Er ist mein Freund und er möchte gerne einen von euch treffen. Aber nur einen. Die anderen sollen so lange hier bleiben und warten. Es soll eine Überraschung für jeden von euch sein. Einen von euch kann ich gleich zu ihm bringen. Wer möchte zuerst?“, sagte der Lindwurm freundlich zu den Jungdrachen.
Slykur konnte mithören, was der Lindwurm gerade gesagt hatte. „Dieser verdammte... aber wenn ich jetzt noch mal dazwischenfunke, wird er mich bestimmt angreifen. Es muss doch einen Weg geben diesen Lindwurm unschädlich zu machen. Wäre ich diesem Scheißkerl doch nie begegnet.“ Slykur stoppte und sah dem Lindwurm zu auch wenn es ihm fast weh tat die kleinen ahnungslosen Drachen dem Lindwurm zu überlassen.
„Keine Angst, ihr Kleinen. Ich bin Slykurs Freund und soll euch hier abholen und euch zu ihm führen. Ihr könnt mir einzeln folgen. Das ist besser, als wenn ihr alle zusammen mit mir kommt. Du da. Folge mir, Kleiner. Ich bringe dich zu Slykur.“ Der Lindwurm forderte den erstbesten der fünf auf, ihm zu folgen. Allerdings in eine ganz andere Richtung, als in die, in der der Lindwurm Slykur vermutete.
Doch Slykur beobachtete den Lindwurm stetig. Am liebsten wäre er jetzt abgehauen, da er schon so hart um sein Leben gekämpft hatte und nun endlich frei war. Doch irgendwie konnte er nicht. Er umkreiste das Lager vorsichtig um näher an den Lindwurm heranzukommen. „Wenn er mich nicht bemerkt, kann ich vielleicht noch einiges gutmachen“, dachte sich Slykur. Diesmal handelte er äußerst vorsichtig, da er den Lindwurm mittlerweile schon gut kannte.
Es gelang dem Lindwurm tatsächlich, einen der fünf kleinen Drachen dazu zu bringen, hinter dem Lindwurm her zu laufen. Er kroch in die entgegengesetzte Richtung, als die aus der er gekommen war. Als der Lindwurm außer Sichtweite der anderen war, stürzte er sich ohne Mühe auf den kleinen Drachen und begann, ihn in sein Maul zu befördern und ihn, ohne dass er noch in der Lage gewesen wäre, Widerstand zu leisten, oder die verbleibenden vier Drachen zu warnen, zu verschlingen. Es war schon nach wenigen Minuten vorbei und der Lindwurm schloss schmatzend sein Maul hinter seinem Opfer. „Willkommen Kleiner. Mach es dir bequem und entspann dich“, verhöhnte der Lindwurm den Jungdrachen noch.
Slykur sah zu wie der Lindwurm den Ersten von den Kleinen verschlungen hatte. „Oh, nein. Einmal werde ich noch eingreifen müssen. Ich bin es leid, ich ertrag es nicht mehr. Die kleinen können doch nichts für meine Fehler." Slykur näherte sich langsam den anderen vier Drachen. „Dem Ersten kann ich wohl nicht mehr helfen, aber für die Anderen ist es noch nicht zu spät“, murmelte er.
Der Lindwurm beeilte sich, denn er wollte nicht riskieren, dass Slykur in der Zwischenzeit die anderen Drachen warnen konnte, denn er vermutete, dass Slykur genau das vorhaben könnte. Als er den ersten, kleinen Drachen verschlungen hatte, wurde seine Laune gleich viel besser. So wie es immer war, nachdem er ein Opfer lebend verschluckt hatte. Genießend vor sich hinschnurrend kroch er gleich wieder zurück zu den restlichen vier Drachen. Wie leicht es doch war, so einen noch unerfahrenen Jungdrachen zu verschlingen, dachte er sich. Wenn man bedenkt, wie verbissen sich Slykur gewehrt hatte. Vier waren jetzt noch übrig. Mindestens vier. Alle würde er sicher nicht auf einmal fressen können. Aber wenigstens ein oder zwei müssten noch gehen. Und die wollte er sich natürlich nicht entgehen lassen.
Slykur bemerkte sofort, dass der Lindwurm wieder in Richtung der kleinen Drachen ging. Aber er versteckte sich so, dass ihn der Lindwurm nicht sehen konnte und die Entfernung war groß genug dass der Lindwurm ihn nicht wittern konnte. „Es tut mir leid, aber einen muss ich wohl noch abwarten", dachte sich Slykur und beobachtete traurig das Geschehen.
Als der Lindwurm die restlichen vier Drachen erreichte, hoffte er, dass sie nicht bemerkten, dass er ein wenig vollgefressen aussah. Lächelnd sprach er wieder zu den Jungdrachen und versuchte dieses Mal gleich zwei von ihnen vom Nest wegzulocken, was ihm nach einiger Überredungskunst auch gelang. Mehr würde er vermutlich nicht in einer Mahlzeit zu sich nehmen können.
„Verdammt, was macht er jetzt?“, dachte sich Slykur. Als der Lindwurm wieder außer Sichtweite war stürmte Slykur zu den verbliebenen zwei Jungdrachen. „Schnell, ich bin nicht der Freund von diesem Lindwurm. Er will euch alle fressen, deswegen lockt er euch auch weg.“ Die kleinen Drachen glaubten ihm sofort. Einer von ihnen ergriff sofort die Flucht, wobei der andere überraschenderweise in die Richtung des Lindwurms lief. Man konnte ihn währenddessen schreien hören: „Lauft Brüder, der will euch fressen. Haut ab!“ Slykur dachte sich, dass es zulange dauern würde beide auf einmal zu fressen und dass auch mindestens einer entkommen müsste. Slykur schloss sich dem ersten Jungdrachen an und rannte aus dem Lager in die entgegengesetzte Richtung des Lindwurms. Er fühlte sich entsetzlich und schuldig an allem, was den kleinen Drachen gerade zustieß. Doch er hatte getan, was ihm möglich war. Jetzt galt es nur noch zu entkommen.
Der Lindwurm machte indessen kurzen Prozess mit den Jungdrachen. Den ersten der zwei hatte er gerade verschlungen und eben war er dabei, auch den zweiten zu fressen, als er plötzlich den anderen Drachen rufen hörte. „Verdammt, sie haben gemerkt, was los ist“, fluchte er. Doch er versuchte, sich nicht stören zu lassen und verschlang schnell auch noch Drache Nummer zwei.
Der Jungdrache, der seine Brüder vor dem warnen wollte, erkannte, dass er zu spät gekommen war. Er wusste, dass er nichts tun konnte und flüchtete so schnell er konnte. Anscheinend hatte er die Gefahr erkannt, die so ein Lindwurm darstellte. Währenddessen trug Slykur den einen Jungdrachen auf seinen Rücken und lief weiter davon. „Du darfst diesem Lindwurm nichts glauben! Ganz egal was er sagt.“ Zumindest diesen einen Drachen würde Slykur mit seinem Leben beschützen. Er hoffte, dass wenigstens einer oder zwei der restlichen Drachen, dem Lindwurm entkommen konnten. Als Slykur an die Stelle kam, an der er vorhin den ersten Drachen getroffen hatte, war dieser nicht mehr an der Stelle, an der ihn Slykur scheinbar niedergeschlagen hatte. Was der Lindwurm nicht wusste war: Slykur hatte ihm zwar eine verpasst, doch nicht um in bewusstlos zu schlagen, sondern um den Lindwurm zu täuschen. Er hatte den Jungdrachen kaum berührt und bewusstlos war er nicht eine Sekunde lang gewesen. Bevor Slykur ihn verlassen hatte konnte er noch : „Hau ab so schnell du kannst“, zu ihm flüstern. Zufrieden stellte Slykur fest, dass der Drache tatsächlich geflohen war. Dann gibt es mindestens zwei überlebende. Und mit etwas Glück vielleicht noch mehr, dachte sich Slykur.
Nachdem der Lindwurm nun insgesamt drei Jungdrachen gefressen hatte, war er bester Laune. Es störte ihn nicht weiter, dass die restlichen Drachen bemerkt hatten, was der Lindwurm getan hatte. Er war sich ziemlich sicher, sie nicht mehr in ihrem Nest vorzufinden, als er sich auf den Rückweg machte. Doch ihren Spuren würde er sicher folgen können, glaubte er. Auch wenn er jetzt keinen Hunger mehr hatte, konnte es nicht schaden, zu wissen, wo er vielleicht künftige Beute finden konnte.
Slykur blieb weiter entfernt stehen und wartete ab. Schließlich kam auch der zweite übrige Jungdrache zu ihm. Es war derjenige, der versucht hatte seine beiden Brüder zu warnen, aber zu spät gekommen war. „Es tut mir wirklich leid um eure drei Freunde, aber es gibt noch einen den er nicht erwischt hat. Ich hab ihm vor dem Lager getroffen und weggeschickt. Ihr zwei lauft jetzt sofort weiter. Ich gehe inzwischen zurück zum Lager, vielleicht hat es ja noch einer von denen geschafft zu Entkommen“, sagte Slykur.
Inzwischen hatte der Lindwurm das Lager wieder erreicht. Wie er erwartet hatte, war es leer. Doch die Spuren der Drachen waren nicht zu übersehen. Doch der Lindwurm sah auch noch eine andere, größere Spur, die er sofort erkannte.
„Slykur“, sagte er nur. „Er hat sie also doch gewarnt.“
Slykur änderte spontan seinen Kurs. „Hm, es ist wohl doch besser nicht den direkten Weg zu nehmen. Die Kleinen sind vorerst sicher, denn sie sind ziemlich flink und kennen sich hier auch perfekt aus.“ Slykur änderte seinen Weg und ging in eine komplett andere Richtung, aber weder in die der Drachen noch in die des Lagers. „Es ist wohl besser, wenn ich nicht zufällig auf den Lindwurm treffe. Sonst habe ich ihn womöglich wieder am Hals. Und das riskiere ich nicht noch einmal“, fauchte Slykur.
Nachdem sich der Lindwurm eine Weile in dem Nest der Drachen ausgeruht hatte, erhob er sich wieder und folgte eine Weile den Spuren, doch bald schon merkte er, dass Slykur und die Kleinen nicht in die gleiche Richtung gegangen waren und er überlegte, in welche Richtung er zuerst gehen sollte. Schließlich folgte er zuerst der Spur eines der kleinen Drachen. Slykur hinterließ tiefere Spuren, die leichter zu finden waren, auch wenn sie schon älter waren, dachte sich der Lindwurm.
Slykur ging weiter in die Richtung, die er eingeschlagen hatte. Plötzlich erfasste ihn was von hinten. Er wollte schon mit seinen Klauen zuschlagen, als er merkte, dass es einer der zwei Jungdrachen war, von denen er sich vorhin getrennt hatte. „Nanu? was machst du denn hier?“, fragte Slykur.
„Ich hatte zu viel Angst und außerdem kann ich noch nicht fliegen. Denn der zweite der mit mir mitgegangen ist, ist in die Luft geflogen. Und ich wollte nicht alleine zurückbleiben. Kann ich nicht eine Weile bei dir bleiben? Mein Bruder hat gesagt ich soll zu dir gehen. Du könntest mich beschützen.“ Slykur willigte ein, dass der Kleine ein Stück mitgehen durfte. Schließlich erreichten sie einen kleinen Fluss. Komm, Kleiner. Wir schwimmen hindurch. Falls uns der Lindwurm folgen sollte, kann er die Spuren nicht mehr lesen und er ist sicher noch zu weit weg um uns hier sehen zu können. Ich kenne ihn, der lässt nicht locker. Wenn wir ein Stück im Fluss marschieren, dann hinterlassen wir keine so offensichtlichen Spuren. Wir müssen nur vorsichtig sein, wenn wir den Fluss wieder verlassen und unsere Spuren dort gut verwischen“, schlug Slykur vor.
Der Lindwurm kam bald an die Stelle, an der der eine Jungdrache losgeflogen war. Hier hörten die Spuren plötzlich auf und damit war es dem Lindwurm nicht mehr möglich zu erkennen, in welche Richtung der Jungdrache geflohen war. Ärgerlich fluchte er. „Verdammt noch mal. Ich hätte nicht gedacht, dass der schon fliegen kann.“ Dem Lindwurm blieb nichts anderes Übrig als umzukehren und dann der Spur des anderen Drachen zu folgen. Bald schon traf er wieder auf Slykurs Spur. „So so, ihr seid also zusammen“, murmelte der Lindwurm lächelnd vor sich hin und erreichte bald den Fluss. Es war eindeutig zu sehen, dass die Drachen in den Fluss gegangen waren. Schnell kroch auch der Lindwurm ins Wasser. Irgendwo mussten sie wieder an Land gegangen sein, dachte er sich. Wahrscheinlich am gegenüberliegenden Ufer. Dort musste er ihre Spuren nur wiederfinden. Der Fluss war kein kleiner Bach, sondern breit und tief genug, dass auch ein Drache schwimmen musste, um ihn überqueren zu können. Zumindest wenn der Drache nicht fliegen konnte.
Slykur und der kleine Jungdrache hatten einen deutlichen Vorsprung vor dem Lindwurm und deshalb rechneten sie sich gute Chancen aus, den Lindwurm hier am Fluss endgültig überlisten und abhängen zu können. Sicher wird der Lindwurm sich mächtig ärgern sobald er das Ufer erreichte, glaubte Slykur.
„Du Slykur wieso sind wir nachdem wir den Fluss überquert haben in verschiedene Richtungen gegangen um dann wieder zurück zum Fluss zu gehen und dann wieder hin und her und warum sind wir schlussendlich ins Wasser um an der gleichen Seite den Fluss wieder zu verlassen an dem wir ihn erst betreten haben? Jetzt haben wir den Fluss doch gar nicht überquert und sind noch immer auf der gleichen Seite vie zuvor." „Um den Lindwurm zu verwirren. Ich kenne diesen Kerl mittlerweile ziemlich gut. Und der folgt sicher unseren Spuren, wie er es bei mir schon des öfteren gemacht hat. Und da wir jetzt unzählige Spuren hinterlassen haben, wünsch ich ihm viel Spaß. Er wird es schwer haben, herauszufinden, welche Spur die neueste ist. Dadurch gewinnen wir Zeit und können unseren Vorsprung vergrößern. Vielleicht können wir ihn auch ganz abhängen. Denn jetzt achten wir sehr gut darauf, dass wir keine Spuren mehr hinterlassen. Aber sicher sind wir trotzdem nicht. Er ist ziemlich geduldig und hartnäckig was die Jagd angeht.“
Der Boden wurde immer steiniger was Slykur sehr gut fand, denn auf so hartem Boden hinterließen selbst Drachen keine Spuren mehr. Allerdings wurde das Gelände auch immer schwieriger und schließlich kamen die beiden Drachen an eine enge Schlucht. Vor ihnen ging es fast Senkrecht in die Tiefe. Doch diese Schlucht war nur wenige Meter breit und die andere Seite lag ein paar Meter tiefer als diese.
Grummelnd versuchte der Lindwurm irgendwie den Spuren zu folgen, was gar nicht leicht war. „Dieser verdammte Slykur. Du scheinst cleverer zu sein, als ich dachte“, fluchte er nach einer Weile, als er ziemlich viel Zeit am Flussufer verbracht hatte bis er endlich glaubte, die richtige Spur gefunden zu haben. Nun musste er sich aber ziemlich beeilen, damit die beiden Drachen keinen zu großen Vorsprung bekommen konnten.
„Hier trennen sich für kurze Zeit unsere Wege, Kleiner. Es wird nun Zeit das auch du das Fliegen lernst. Diese Schlucht ist unsere beste Chance, dem Lindwurm endgültig zu entkommen. „I... ich soll über die Schlucht da fliegen? Bist du verrückt?" antwortete der kleine Drache. „Verrückt nicht. Aber Lindwürmer können nicht fliegen und zum Springen ist es zu weit. Du erinnerst mich sehr an meinen kleinen Bruder... und ich will das du überlebst. Auf keinen Fall kann ich zulassen, dass der Lindwurm dich erwischt. Mit einem Stoß schuppste Slykur den kleinen Drachen über den Abhang. Und siehe da: flügelschlagend konnte der Kleine sich gerade noch an die andere Seite bringen. „So ich laufe noch mal zum Lager und dann komme ich nach. Keine Angst. Auf deiner Seite der Schlucht bist du sicher. Und gehe dort drüben in Deckung, damit dich der Lindwurm von hier aus nicht sehen kann. Dann wird er auch gar nicht erst versuchen, die Schlucht zu überqueren. Ich sehe zwar nirgends eine Möglichkeit dazu, aber man weiß ja nie." Mit diesen Worten verabschiedete sich Slykur von dem Jungdrachen und lief so schnell wie er konnte in eine andere Richtung weiter.
Als der Lindwurm wenig später die Schlucht erreichte, wusste er, dass er da sicher nicht drüber kommen konnte. Und die Spuren des kleinen Drachen waren verschwunden. Nur Slykurs Spur war noch zu erkennen. Da er nicht wusste, was er sonst machen konnte, folgte der Lindwurm nun eben nur noch Slykurs Spur. Der würde es noch bereuen, dem Lindwurm in die Quere gekommen zu sein. „Niemand nimmt mir ungestraft meine Beute weg“, grummelte er. Zwar war er nicht mehr hungrig, doch er konnte es trotzdem nicht ertragen, sich diese Jungdrachen einfach so von Slykur wegnehmen zu lassen.
Slykur lief noch immer was seine Lungen so hergaben. Noch nie in seinem Leben war er so lange und so weit gelaufen, doch durch den ständigen Drang verfolgt zu werden, blieb seine Ausdauer konstant hoch. Hin und wieder wechselte er auch spontan die Richtung um den Lindwurm eventuell zu täuschen. „Gerade Wege sind ab jetzt zu gefährlich“, murmelte er. Nach einigem Laufen kam der Drache wieder bei dem Fluss an. Doch hier war er ein ganzes Stück weiter flussaufwärts, und sicher weit genug von der Stelle entfernt, an der er vorhin noch mit dem Jungdrachen absichtlich so viele falsche Spuren hinterlassen hatte. Er stieg ins Wasser und lief ein Stück flussaufwärts. Da der Fluss hier keine nennenswerte Strömung hatte, war es nicht schwer, sich auch Flussaufwärts zu bewegen. Flussabwärts wäre zwar weniger anstrengend gewesen, doch es war ja möglich, dass er dort irgendwo durch Zufall auf den Lindwurm treffen konnte. Vielleicht suchte der ja noch immer nach den richtigen Spuren, dachte sich Slykur. Da war es auf alle Fälle besser, sich möglichst fern zu halten.
Langsam verlor der Lindwurm die Geduld. Er ärgerte sich, dass er diesen Slykur einfach nicht erwischen konnte. Er fragte sich, ob sich dieser Aufwand überhaupt lohnte, oder ob er sich besser mit den drei Jungdrachen zufrieden geben sollte. Denn diese drei Jungdrachen waren ziemlich schwer und der Lindwurm hätte sich am liebsten einfach irgendwo in die Sonne gelegt, um sie in Ruhe verdauen zu können. Doch seine Gier und seine Rachegelüste waren größer und so blieb er hartnäckig weiter auf Slykurs Spur. „Der muss doch irgendwann mal müde werden“, dachte er sich. Der Lindwurm hatte das Gefühl, dass Slykurs Vorsprung immer größer wurde und er dachte inzwischen schon ernsthaft daran, aufzugeben und sich endlich ein wenig zu entspannen, wie er es am liebsten nach einer Mahlzeit tat.
Slykur war jedoch noch voller Energie und Kraft. Er hatte zusehen müssen, wie der Lindwurm einen seiner Drachenkameraden lebendig verschluckt hatte. Dieser Schock hatte ihm einen gewaltigen Adrenalinstoß gegeben, der durch Angst und Hoffnung auf weitere Jungdrachen, die entkommen konnten, aufrecht erhalten wurde. Er verließ den Fluss und lief noch weiter. Wenn er in diese Richtung weitermarschierte, würde er wahrscheinlich irgendwann wieder das Lager erreichen. Der Lindwurm rechnete sicher nicht damit, dass Slykur ausgerechnet dorthin gehen würde.
Der Lindwurm war jedoch nicht dumm. Und schon bald merkte er, dass Slykur keinesfalls geradeaus lief. Wenn er es geschickt anstellte, würde er sicher einiges an Wegstrecke einsparen können. Am Fluss hatte der Lindwurm wieder Zeit verloren, doch es war ihm einigermaßen schnell gelungen, die Stelle zu entdecken, an der Slykur den Fluss verlassen hatte. „Will er etwa zu dem Drachennest zurück?“ fragte er sich, als er die Richtung der Spuren sah. Doch auch hier verliefen die Spuren alles andere, als auf dem kürzesten Weg. Slykur legte einen ziemlichen Zickzackkurs hin. Glaubte er etwa, sich dadurch einen Vorteil verschaffen zu können? Der Lindwurm war sich ziemlich sicher, dass der Gründrache zurück zum Drachennest wollte und er beschloss, das Risiko einzugehen und nicht mehr Slykurs Spur zu folgen, sondern auf direktem Weg dorthin zu kriechen, in der Hoffnung, vielleicht sogar vor Slykur dort einzutreffen.
Ob einer von den beiden letzten Opfern entkommen konnte? fragte sich Slykur dauernd. Schließlich konnte er das Lager schon erkennen. Slykur ging äußerst vorsichtig vor und kroch langsam in Richtung Drachennest. Außerdem befand er sich in einem dichten Dickicht was seine Tarnung verbesserte. Als grüner Drache war er hier recht gut getarnt. Slykur bewegte sich immer weiter fort ohne Geräusche zu erzeugen oder Äste knicken zu lassen. Doch als er an dem Punkt ankam, wo er das Nest überblicken konnte, traute er seinen Augen kaum. Er sah den Lindwurm, wie er sich gerade in das Nest legte. Er scheint ziemlich verärgert und verschwitzt zu sein, dachte sich Slykur. Er war sich sicher, dass der Lindwurm sie verfolgt hatte, jedoch wie es schien ohne Erfolg. Slykur grinste und beobachtet vorsichtig das Verhalten des Lindwurms.
Da der Lindwurm bei seinem Eintreffen noch keine Spur von Slykur gefunden hatte, machte er es sich erst mal in dem Drachennest bequem. Er wollte etwas Kraft tanken und in Ruhe seine drei Opfer verdauen, während er auf Slykur wartete. Dabei beobachtete er aufmerksam seine Umgebung, weil er Slykur auch rechtzeitig bemerken wollte. Das Slykur ihn schon gesehen hatte, hatte er noch nicht bemerkt.
Slykur sah gespannt zu und merkte, dass der Lindwurm sich ausruhte. Er konnte drei Ausbeulungen am Bauch des Lindwurms erkennen. Das hieß dann wohl, dass keiner der beiden letzten Opfer dem gierigen Lindwurm entkommen konnte, dachte er sich traurig. Enttäuscht drehte er sich um und machte sich leise auf den Weg zurück zu der Stelle, an der er sich von dem Kleinen getrennt hatte. „Wie erkläre ich das nur dem Kleinen?", flüsterte er ganz leise während er langsam und traurig weiter ging. Inzwischen hatte ihm sein Gewissen schon so gequält das eine einzelne Träne über sein Gesicht lief. „Es ist alles meine Schuld“, schniefte er.
langsam wurde der Lindwurm unruhig. Wo blieb der nur so lange? Ob er mich schon bemerkt hat und heimlich abgehauen ist, dachte er sich und verließ das Drachennest. Er kroch auf ein Gebüsch in der Nähe zu. Dort konnte er riechen, dass Slykur ganz in der Nähe sein musste. Doch diesmal hatte er keine Lust noch einmal hinter ihm herzulaufen. Er rief nur laut nach ihm. „Slykur, ich weiß dass du ganz in der Nähe bist. Komm raus, damit ich mit dir reden kann. Ich schlage dir einen Waffenstillstand vor.“
Slykur wurde in diesem Moment komplett bange. Der Lindwurm wusste, dass er hier war. Auch wenn er ihn anscheinend noch nicht gesehen hatte. Ich werde nicht antworten, dachte er sich. Lindwürmer sind nie ehrlich und nach den Aktionen die ich in letzter Zeit geliefert habe, will er sicher keinen Waffenstillstand, darauf würde ich wetten. Er begann sich immer schneller fortzubewegen aber versuchte dennoch dabei möglichst kein Geräusch zu verursachen.
„Du kannst ruhig rauskommen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich selten einen Gegner hatte, der mich so auf Trab gehalten hat. Du bist wirklich gut. Aber nicht gut genug, um mir entkommen zu können. Aber ich will mal nicht so sein. Mir reichen vorerst diese drei Jungdrachen. Du musst dir also keine Sorgen mehr machen.“ Der Lindwurm war sich sicher, dass Slykur ihn hören konnte, doch er rechnete nicht wirklich damit, dass er ihm auch antwortete.
Er hat also doch alle Drei erwischt, dachte sich Slykur. Jetzt habe ich wenigstens Gewissheit. Aber er wollte auf keinen Fall antworten. Den Worten eines Lindwurms durfte man keinen Glauben schenken. Er wollte nicht noch einmal den heißen, gierigen Atem des Lindwurms im Nacken spüren. Dieses kaltblütige Monster hätte gewiss auch mich verschlungen, wenn es die Gelegenheit dazu gehabt hätte. „Bevor ich einem Lindwurm noch mal etwas glaube, ernähre ich mich nur noch von Pflanzen", grummelte er leise.
Der Lindwurm hatte das leise grummeln allerdings gehört und kroch sofort in diese Richtung. „Aha, da bist du also. Ich habe es doch gewusst. Wie kommst du eigentlich dazu, mir meine leckeren Jungdrachen zu stehlen? Du hattest mir fünf versprochen.“
Slykur war jedoch bereits ein Stück entfernt und somit außerhalb der Reichweite des Lindwurms. Slykur ergriff sofort wieder die Flucht „Ha! Du hast dich nicht an die Abmachung gehalten und ich hab es auch nicht. Wir sind quitt, mein Freund“, schnauzte Slykur während er schnell losrannte.
Der Lindwurm fluchte laut vor sich hin, denn er hatte nicht die geringste Lust, erneut den Drachen verfolgen zu müssen. Durch die lange Verfolgung von eben, war es nun der Lindwurm, der ziemlich müde war. Zudem bewegte sich der Lindwurm ohnehin nicht so gerne, wenn er vollgefressen war und drei so Jungdrachen hatten schon ein ziemliches Gewicht. „Bleib stehen. Du könntest mir wenigstens sagen wo du die kleinen Drachen hingebracht hast. Dann lasse ich dich auch in Ruhe.“
Diese Aussage des Lindwurms erweckte den Sarkasmus in Slykur. „Ja klar, sonst noch irgendwelche Extrawünsche? Soll ich mich dann vielleicht auch noch dazulegen oder was?“ „Du hast mich verraten, und du hast drei Jungdrachen... das muss dir reichen!“ Slykur merkte, dass der Lindwurm durch seinen vollen Bauch nicht so schnell laufen konnte. Der wird mich niemals einholen können, dachte er.
Der Lindwurm wusste, dass er Slykur nicht mehr folgen konnte und er ärgerte sich ungemein darüber, so einen Drachen entkommen lassen zu müssen. „Irgendwann erwisch ich dich schon, und wenn ich dich bis ans Ende der Welt verfolgen müsste“, brüllte er ihm hinterher. Doch es war eine leere Drohung. Diesmal hatte er verloren. Dennoch war er mit den drei Jungdrachen vorerst eigentlich ganz zufrieden.
Slykur lief immer weiter, er konnte sehen, dass der Lindwurm die Verfolgung abgebrochen hatte. Schlussendlich schien es, als ob er entkommen wäre. Als Slykur bei der Schlucht ankam konnte er die drei glücklichen Gesichter der Jungdrachen erkennen. Sie haben sich anscheinend dort getroffen und treu auf ihn gewartet, obwohl Slykur die Hauptschuld hatte, dass die drei anderen gefressen wurden. „Komm du schaffst es!“, konnte er von der anderen Seite hören. Er machte einen Satz und spannte die Flügeln. Obwohl einer davon derzeit kaum zu gebrauchen war, konnte er gerade noch so hinübergleiten. Die Kleinen sprangen ihn voller Freude an. Die vier machten sich auf den Weg um eine neue Heimat zu finden. Doch Slykur drehte sich noch mal um. „Ich werde meine Freunde rächen, das verspreche ich dir!“, knurrte er entschlossen. Er setzte schließlich seinen Weg fort ohne nochmals zurückzuschauen.