Читать книгу Entmenschlicht - Huschke Mau - Страница 8

Einstiegshelfer. Bei mir: die Polizei, dein Freund und Zuhälter

Оглавление

Der Mann, der die Annonce geschaltet hat, antwortet innerhalb von zehn Minuten auf meine SMS. Er schreibt: „Okay, gleich klar und direkt: Handelt es sich um seriösen Escortservice, ohne dabei fest angestellt zu sein? Für zwei Stunden ‚Arbeit‘ circa 200 Euro für jeden, ohne Selbstkosten. Bin privat. Habe noch keine konkrete Vorstellung davon, möchte es aber herausfinden. Deine Überlegung/Entscheidung! Handelt sich keinesfalls um gewerbliche Prostitution, denn alles kann, nichts muss! Bei Interesse mehr!“ Wir treffen uns. Er nennt sich Mike und ist zehn Jahre älter als ich. Später bekomme ich mit, dass er eigentlich Sebastian heißt. Und dass er Polizist ist. Wir treffen uns ein paarmal und seine Überlegungen werden konkreter. Er hat Schulden, die er tilgen möchte. Und ich möchte gerne irgendwie überleben. Wir brauchen also beide Geld, das verbindet uns. Noch als ich in der Klinik bin, treffen wir uns abends einige Male. Er bringt auch den Vorschlag ein, Pornos zu drehen, aber das möchte ich nicht. Ich erinnere mich nämlich noch gut daran, dass es von mir bereits kinderpornografische Aufnahmen gibt und dass es sich furchtbar anfühlt zu wissen, keine Kontrolle über sie zu haben. Sind diese Aufnahmen einmal in der Welt, kann sich jeder darauf einen runterholen, das macht mir Angst. Escortservice klingt besser, denn da sind keine Kameras dabei und die Demütigung ist nur für diejenigen ersichtlich, die mit im Zimmer sind. Sie wird nicht ewig wiederholt wie beim Porno. Während ich also vormittags zur Körpertherapie in der Klinik gehe und zum wiederholten Mal beim Sozialarbeiter der Psychiatrie sitze, der mir allerdings auch nicht helfen kann, sitzen Mike und ich abends an seinem Küchentisch und planen meine Prostitution. Denn davon, dass er bei diesem „Escortservice“ mitmachen möchte, ist plötzlich keine Rede mehr. Weil er das gern so möchte, ziehe ich direkt nach der Entlassung aus der Psychiatrie zu ihm. Es ist nicht so, als hätte ich eine große Wahl gehabt, denn eine andere Bleibe habe ich nicht mehr.

Die Ereignisse, die ich dir nun schildere, umfassen einen gar nicht so langen Zeitraum: von März bis ungefähr Juni. Und länger hätte ich es auch gar nicht ausgehalten.

Ich wohne also bei Mike und wir gehen auch miteinander ins Bett. Er muss ja schließlich sehen, was ich kann, oder? Ich bin verzweifelt genug, das mitzumachen. Ich würde alles tun, um nicht wieder in der ergebnislosen, fruchtlosen Demütigungs- und Wartespirale zwischen Ämtern aufgerieben zu werden, zu hungern und von Obdachlosigkeit bedroht zu sein. Vielleicht fragst du dich, warum ich nicht „einfach“ einen Vollzeitjob angenommen habe. Das bekomme ich nämlich oft um die Ohren geknallt: „Warum hast du dich nicht einfach im Supermarkt an die Kasse gesetzt?“ Nun, das Erste ist, ich habe meinen Traum davon, studieren zu können – und damit eine Ausbildung zu haben –, noch nicht aufgegeben. Und mittlerweile glaube ich: Hätten die Basics (Geld, Wohnung, Möbel) gestimmt, hätte ich mich vielleicht trotz des Traumas in die für mich völlig unbekannte Welt eines Studiums reinfinden können. Aber so stimmt gar nichts mehr, ich bin de facto ohne eigenes Obdach, ich bin durch den Psychiatrieaufenthalt ein Semester in Verzug und völlig erschöpft und ausgelaugt von diesem Kampf um eine Lebensgrundlage. Zudem ist mein Selbstwert im Eimer. Ich traue mir nicht mal mehr zu, einen normalen Job anzunehmen. Mir ist so dermaßen deutlich klargemacht worden, dass ich „anders“ und „nichts wert“ bin, nichts kann und auch am besten gar nicht da sein sollte, dass ich es selbst glaube: Normale Jobs sind für normale Menschen. Ich aber bin augenscheinlich nicht normal. Und vielleicht auch gar kein Mensch. Ich bin anders – im negativen Sinne.

Mike erklärt mir alles, was Prostitution betrifft. Er weiß, wie das geht, weil er jahrelang Freier war. So unprofessionell, wie ich meinen ersten Freier – damals noch im Mädchenhaus – gemacht habe, darf das nicht mehr sein, sagt er. Er zeigt mir, wie es „richtig“ geht. Er kauft die Tageszeitung unserer Region, in der im hinteren Teil eine ganze Doppelseite voller Annoncen abgedruckt ist: alles Rotlichtmilieu. Prostituierte, die inserieren, auf der Suche nach Freiern. Die soll ich mir durchlesen, sagt er, und dann schreibt er mir eine, in dem Stil, in dem die anderen Annoncen auch sind: „Studentin, schlank & experimentierfreudig, ganz blank, willig & mit flinker Zunge, Französischliebhaberin, verwöhnt ihn und Paare. Nur H&H und Begleitung. Telefon: XYZ“. „H&H“ ist eine Abkürzung, sie steht für „Haus & Hotel“ und bedeutet, dass ich nicht besuchbar bin, sondern nur die Freier besuche. Er geht mit mir zu der Anzeigenannahme der Zeitung und setzt die Annonce auf, dann kauft er mir ein „Diensttelefon“ (das ich später abarbeiten muss). Bereits am ersten Tag der Erscheinung meiner Anzeige klingelt dieses Telefon dauerhaft. Ich bin völlig aufgeschmissen und weiß nicht, wie ich mit den Freiern reden soll, sie benutzen Abkürzungen und Verklausulierungen, die ich nicht verstehe – was soll das bitte sein, „französisch bis zum Schluss“? Was ist eine „Gesichtsbesamung“, und welcher Service wird erfragt, wenn sie von „pur“ oder „natur“ sprechen? Mike klärt mich auf: „Ohne Gummi“ und „Schlucken“ sind damit gemeint – und das will ich absolut nicht. Er zeigt mir, wie ich telefonieren muss, wie man mit Freiern spricht, sich selbst und seinen Service beschreibt, ein „Date“ mit dem Kunden ausmacht. Und irgendwie habe ich das Gefühl, mit mir in seiner Küche zu sitzen und zu hören, wie ich ans „Diensttelefon“ gehe, macht ihn an. Auch die Preise legt er fest: halbe Stunde soundso viel und da ist der und der Service dabei, ganze Stunde soundso viel usw.

Bevor es losgeht, geht er noch mit mir shoppen: Dessous und Strümpfe. Aber er kauft mir auch Armstulpen aus Spitze, damit die Freier meine völlig aufgeschnittenen Arme nicht sehen. Er gibt mir Alkohol und Poppers*, und wenn ein „Date“ reinkommt, bestellt er mir ein Taxi. Selbst hinfahren kann er mich nicht. Er hat wegen Fahren im betrunkenen Zustand ein Jahr lang keinen Führerschein mehr – und wohl auf der Arbeit auch Probleme, ein Disziplinarverfahren oder so.

Der Anfang ist holprig, ich bin eben keine Professionelle – noch nicht. Die Kunden finden das gut, denn Prostitution ist der einzige Beruf, in dem Unerfahrenheit (für sie!) ein Vorteil ist. Ständig wollen sie mich „privat kennenlernen“, weil ich so eine „Nette und Süße“ sei. Oder sie schauen einfach mal, wie weit man mich runterhandeln kann. Es ist unglaublich, wie viele Freier denken, sie müssten nicht den vollen Preis bezahlen, weil sie „gut lecken“ können, „da hast du ja dann auch was von!“ Als würde man diesen Job machen, weil man ganz unbedingt Sex bräuchte.

Mit dem Preis runtergehen ist also nicht, aber zu Beginn halte ich mich nicht ganz fest an das Diktum, nur Haus- und Hotelbesuche zu machen. Denn ich stehe unter Druck, Geld zu verdienen. Und so brüskiere ich einmal ein paar ältere Frauen in einem Wiener Kaffeehaus, als ich auf der dortigen Toilette einen Freier klarmache. Als wir zurückkommen, ist allen im Raum klar, was wir dort getan haben, und den Damen ist der Appetit auf ihre Schwarzwälder Kirschtorte sichtlich vergangen. Sie sind empört. Nur die Kellnerin ist schockresistent und hat den Nerv, uns pro forma 50 Cent für die Toilettenbenutzung abzuknöpfen. Was ich fast schon wieder bewundernswert finde.

Mit einem anderen Mann treffe ich mich in einer Kaffeebar, er heißt Sascha, ist 36 und sieht ein bisschen aus wie Schweinchen Babe. Er ist verheiratet, hat drei kleine Kinder, verkloppt Versicherungen und Immobilien und war gerade bei einer erotischen Massage, sagt aber hinterher, ich sei besser gewesen. Er meint, seine Frau sei asexuell. Sascha ist ein Anzugträger mit Hemd von Mutti, homoerotischen Neigungen, steht ansonsten auf lecken, und irgendwann während des Kaffeetrinkens lenke ich ihn auf die Schiene, was der verrückteste Ort war, an dem er schon mal Sex hatte. Er weiß es nicht, hat keine Erfahrungen mit so was, und ich erzähle, dass ich neulich jemandem in der Tram einen geblasen hätte – denn ich weiß genau, das macht diesen Typen hier an, unausgelebt wie er ist, und ich kombiniere das alles gleich mit dem Angebot, ihm hier, auf der Toilette, einen zu blasen – er wird ziemlich heiß und sagt zu. Wir gehen runter, ich zieh mich bis auf Strümpfe und Stiefel aus, er wird gleich total geil, fängt an, was über meine Brüste zu sagen und über meinen Arsch, und stellt mich aufs Klo, damit er mich lecken kann. Er leckt mit ganz breiter Zunge und saugt mich fast aus, ich fühl nicht viel dabei außer Schmerz, aber ich überspiele das. Nachdem er mich von unten, von hinten und von vorne geleckt hat, pack ich seinen Schwanz aus, er zieht sich aus, während ich an ihm rumfinger, mein Gott, so einen kleinen Schwanz hab ich noch nie gesehen, er streift sich das Gummi selbst rüber, zum Glück, dann dreht er mich um, ich frag noch, ob er ficken will, war so nicht ausgemacht, aber was solls, er ist eh gleich so weit, und so beuge ich meinen Oberkörper nach vorne-unten und stütze mich auf dem Klodeckel ab, während er von hinten in mich eindringt, was ich gar nicht so richtig spüre. Er hoppelt da eine Weile rum, zwei, drei, vier Stöße und er ist fertig, was gibts da noch zu sagen – wenn das nur immer so einfach klarzumachen wäre! Er ist begeistert, der kommt garantiert wieder, gut so, ein relativ anspruchsloser Kunde, das waren nicht mal sieben Minuten Action, das ist doch perfekt. Er zieht sich an, ich mich auch, er holt seine Geldbörse raus, ich steck mir in Ermangelung einer Tasche die Kohle in den BH, Klischee, Klischee. Wir gehen wieder hoch ins Café, wo erneut alle wissen, was wir gerade getan haben, egal. Ich lasse mich noch eine Viertelstunde belabern und zeige viel Verständnis. Dann geh ich nach Hause, zu müde, um mich dreckig zu fühlen.

Aber bald fahre ich nur noch zu den Kunden nach Hause. Oder eben ins Hotelzimmer. Und ich merke schnell, dass „Hure sein“ wenig damit zu tun hat, einfach nur irgendeinen Typen rüberrutschen zu lassen oder „mal eben die Beine breit zu machen“. Hure sein ist anstrengend. Sechzig Minuten Hausbesuch bedeuten, sechzig Minuten schauspielern zu müssen. Es bedeutet, zuvor auf die Telefonanfragen so reagiert zu haben, dass der Freier einen buchen will. Es bedeutet, den Körper so herzurichten, wie man es den Wünschen des Freiers angemessen empfindet. Das anzuziehen, was der Freier sehen will (oder auch nicht). Dass Frauen in der Prostitution einen „Arbeitsnamen“ haben, hat nicht nur den Grund, sich vor allzu zudringlichen Freiern zu schützen, die „privat“ gerne mehr möchten. Es erleichtert auch den Umstieg, der Rolle, in die man schlüpft, einen Namen zu geben: Ich arbeite unter dem Namen Svenja. Und wenn Kunden mich mit „Svenja“ ansprechen, muss ich mich nicht persönlich gemeint fühlen. „Svenja“ ist eine Kunstfigur.

„Svenja“ ist die, hinter der ich mich verstecken kann, die Schutzmauer, hinter der mein Ich sich verkrümelt, sich einrollt und zu schützen versucht, während die Freier in mich eindringen und mich ficken. Ich sage mir die ganze Zeit: Das passiert nicht mir. Das hier, das passiert „Svenja“. Und ich bin ja nicht Svenja. Svenja trägt Kleidung, die ich nicht trage, sie spricht Worte aus, die ich nicht aussprechen würde, sie legt ein Verhalten an den Tag, das nicht zu mir passt, und benimmt sich anders, als ich es je könnte. Dafür gibt es sie. Sie soll tun, was ich nicht tun kann, weil es mir zu weh tun würde. Sie soll aushalten, was ich nicht ertragen kann. Und wenn ich Angst habe oder Schmerzen oder wenn ich Ekel empfinde oder Antipathie, dann ist Svenja immer noch in der Lage zu handeln.

Svenja ist alles, was der Freier haben will. Eine Projektionsfläche für seine Wünsche. Er möchte gerne ein schüchternes, unerfahrenes Mädchen haben? Svenja ist genau das. Er möchte eine kluge, belesene Studentin, die mit ihm plaudert, bevor sie ihm gepflegt einen bläst? Svenja kann das. Er möchte eine „völlig versaute Schlampe“ im Bett, die „genießt“? Kriegt er. Svenja regelt. Svenja liefert.

Deshalb muss ich manchmal innerlich fast lachen, wenn Kunden mich so toll finden, dass sie mich privat kennenlernen möchten. Denn was wissen die schon von mir? Gar nichts. Sie kennen nur Svenja, aber ich bin nicht Svenja. Sie lernen ihre Traumfrau kennen, weil sie sie dafür bezahlen, für eine gewisse Zeitspanne genau diese Traumfrau zu sein. Ob sie wissen oder zumindest ahnen, dass ich privat nicht mal einen Kaffee mit ihnen trinken, geschweige denn mit ihnen ins Bett gehen würde?

Einer der Kunden, die meinen, in mich verliebt zu sein, ist Lennart. Lennart bestellt mich oft, wir haben stundenlange Termine.

Lennart ist ein ehemaliger Bodybuilder, und bevor wir miteinander ins Bett gehen, höre ich mir noch an, was er gerade für eine Ausbildung macht (irgendwas mit Kfz-Mechaniker-Meister und dualem Studium) und warum das Sexleben mit seinen Ex-Freundinnen ihn gefrustet hat. Wieder habe ich hier den Part inne, viel Verständnis zeigen zu müssen. Aber was solls, Lennart hat Kohle, ich brauche Kohle, also trinken wir noch was und gehen dann in sein Bett. Dabei fällt mir zum ersten Mal auf, dass ich es mag, wenn Spiegel im Raum sind, während ich „arbeite“. Denn das hier, das ist spielen, schauspielern, ich besetze eine Rolle, und die Spiegel geben mir die Möglichkeit, mich noch mehr von außen zu sehen als ohnehin schon, und das ist gut. Es hilft mir, mich noch mehr von mir zu entfernen, und ermöglicht mir eine gewisse Selbstkontrolle. Während wir ficken, schaue ich immer wieder in den Spiegel. Habe ich meine Mimik unter Kontrolle? Schaue ich etwa gelangweilt aus oder sieht man mir an, dass mir das, was er gerade tut, in Wirklichkeit Schmerzen bereitet? Nein? Bestens. Wir vögeln eine ganze Stunde, und es ist Schwerstarbeit, ihm vorzuspielen, ich würde dabei „abgehen“, denn natürlich geht da überhaupt rein gar nichts ab bei mir, aber die Kunden wollen es so. Es ist gut für ihr Ego. Sie kommen, um sich selbst zu beweisen, dass sie einfach mal richtig gute Ficker sind. Niemand geht zu einer Hure, die Kritik äußert, die das Ego angreift. Also lasse ich ein paar Komplimente über sein Durchhaltevermögen fallen und Lennart ist glücklich. Meine Lieblingsstellung, so sage ich es ihm zumindest, ist, wenn er mich von hinten nimmt. Das ist mir am liebsten, denn dann können sie mir nicht ins Gesicht sehen und ich muss nicht gänzlich schauspielern. Manchmal sage ich das auch nicht, dann brauche ich es, komplett zu schauspielern, alles, alles zu faken, den Sex, meine Mimik, meine Orgasmen, die ich vortäusche – dann kann ich mir einreden, aus mir rausgerutscht zu sein, völlig von der Rolle, die ich spiele, ausgefüllt zu sein. Dann bin ich nicht mehr in mir drin, und wenn ich nicht mehr in mir drin bin, passiert mir auch nichts. Was geschieht, hat mit mir nichts mehr zu tun, und ich bin gar nicht die, die gerade benutzt wird, und je mehr man so tut, als würde man es genießen, desto eher kommen sie. Freier buchen vor allem eins: Selbstbestätigung.

Dafür, dass vom Gegenüber eine Reaktion kommt, tun sie alles. Sie wollen flirten, sie wollen geil gefunden werden, sie wollen, dass man irgendeine Reaktion zeigt. Bleibt man kalt und arbeitet mechanisch ab, was an Service ausgemacht war, kann es passieren, dass sie wütend werden, weil sie sich in ihrem Ego angegriffen fühlen. Dann passiert es schon mal, dass sie härtere Maßnahmen ergreifen, um irgendeine Reaktion zu sehen – und wenn es Schmerz ist. Dann packen sie fester zu, reißen an den Haaren, halten mir die Hände fest und ficken mich so hart, dass ich mir die Unterlippe blutig beiße. Aber das sage ich nicht, denn ich weiß: Wenn ich jetzt auch noch Unmut äußere, eskaliert die Sache hier. Um einen Freier zu befriedigen, seinem Ego Futter zu geben, sein Selbstbild zu bestätigen, muss man die Masche fahren, immer völlig „überraschenderweise“ genau die Neigungen zu haben, die er gerade jetzt auszuleben gedenkt. Das gilt vor allem für die Kunden, die übergriffig werden. Er beschimpft gerne Frauen als Schlampe, während er eine Vergewaltigung nachspielt? Steh ich drauf! Mach ich sofort mit! Ich liebe es hart! Ich brauche das! Sage ich. Während ich schauspielere und fühle: Das hier, das ist nicht nur ein Rape-Play. Das ist wirklich ein Übergriff. Aber wenn ich jetzt zeige, dass ich das bemerke, gerät die Gewalt völlig außer Kontrolle. Außerdem habe ich Ja gesagt – und dann ist es eigentlich gar keine Vergewaltigung. Oder?

Und bitte nicht vergessen, ihm am Ende noch zu sagen, wie sehr du von seinen Qualitäten von den Socken bist und dass du total baff darüber bist, dass es mit ihm „so überhaupt nicht wie mit einem Kunden“ war.

Das ist, wofür Freier zahlen.

Irgendwann dreht sich in meinem Alltag alles nur noch um Geld und Ficken. Und Mike tut alles dafür, dass es auch so bleibt. Das hier scheint ihm nicht nur finanziell weiterzuhelfen, es macht ihn anscheinend auch an. Immer wieder drängt er mich, mit ihm ins Bett zu gehen. Schließlich muss er ja wissen, ob ich immer noch gut genug bin, um mich zu verkaufen. Er spielt demütigende Rollenspiele mit mir, in denen ich ihm vorspielen muss, er hätte mich gerade als Prostituierte gekauft. Dann korrigiert er mich. „Mit deinen Kunden geht das aber nicht so“, sagt er dann, „das und das muss anders werden“, oder: „Du bläst so gut, allein dafür müssen wir bei dir eigentlich einen Hunderter mehr nehmen.“ Manchmal rutscht er über mich rüber, wenn ich betrunken oder verkatert bin oder sichtlich keinen Bock habe. Ich lasse es zu – schließlich bin ich nur noch eine Nutte und da rutscht man halt rüber, oder nicht?

Mike demütigt mich, wo er nur kann. Fahren wir durch die Stadt, zeigt er mir, in welchen Wohnungen Prostitution betrieben wird und wo er schon überall als Kunde war. Setzt er eine neue Annonce für mich auf, zeigt er mir alle Anzeigen, die er schon mal zum Anlass genommen hat, einen Termin auszumachen. Gehen wir die Straße entlang, schaut er anderen Frauen hinterher und bewertet sie, vergleicht sie mit mir.

Und er isoliert mich. Da ich mein Privathandy verloren habe, habe ich keinen Kontakt mehr zu den meisten meiner FreundInnen oder Bekannten. Als mich eine von ihnen dennoch besucht, besteht er darauf, bei dem Treffen dabei zu sein, und erklärt ihr, was ich im Bett gut kann und was sich noch verbessern ließe. Ich fühle mich gedemütigt und beschämt, meine Freundin ist entsetzt. „Was denn“, sagt er, „ist doch ihr Job und da muss das hinhauen!“

Immer wieder streiten wir uns. Es sind laute, wahnsinnige Streits, in denen andauernd Schluss gemacht wird. Er verlässt mich permanent, beschimpft mich, droht mir, mich rauszuwerfen. Das geschieht vor allem, wenn ich nicht genug verdiene. Kommt er vom Polizeidienst und ich habe keinen Kunden klargemacht, gehen wir miteinander ins Bett, wo er an mir rumkritisiert und mich demütigt, und danach wird es laut. Wage ich Widerworte und sehe nicht ein, etwas „falsch“ gemacht zu haben oder „schuld“ an etwas zu sein, eskaliert die Situation. Frieden gibt es nur, wenn ich einsehe, dass ich Dreck bin, und wenn ich tue, was er sagt. Dann kommt er irgendwann wieder an und erzählt mir, es tue ihm leid und er liebe mich doch. Das kaufe ich ihm zwar nicht ab – zugegeben, ich habe auch keine Ahnung, wie Personen handeln, die andere lieben, denn das habe ich bisher nirgendwo gesehen; so jedoch, vermute ich, eher nicht –, aber ich habe, wenn ich nicht auf der Straße landen will, keine andere Chance, als mitzumachen. Diese ständigen Streits und Nähe-Distanz-Spielchen zermürben mich zunehmend. Verdiene ich nicht genug oder liefere ich ihm nicht genug Sex ab, ernte ich tagelanges Strafschweigen. Alles dreht sich bei ihm nur noch um Sex. Er nimmt mein Geld und gibt es bei anderen Prostituierten aus, und wenn ich anmerke, dass ich das schräg finde, bezeichnet er mich als „verrückt“. Ohne Sex bin ich wertlos für ihn, er drängt mich zu Terminen mit Kunden und zu ihm ins Bett, und ich lasse es mit mir machen, weil ich keine Ahnung davon habe, was ich wert bin und welche Rechte ich als Mensch überhaupt habe. Ich kenne es nur so: Frauen sind nur was wert, wenn sie ficken. Er macht mich zu der von Männern definierten Art von Nutte, die angeschrien werden darf, wenn sie weint. Dadurch fühle ich mich auch wie so eine Nutte. Wann war ich das letzte Mal in einer Bibliothek? Wann war ich das letzte Mal mit einem Menschen unterwegs, der nicht einen von mir geblasen haben wollte? Wann habe ich das letzte Mal einfach nur so in der Sonne gelegen? Ich weiß es nicht mehr. Es ist alles nur noch Geld und Ficken, Ficken und Geld. Dass mich das unglücklich macht, kann er nicht verstehen. Eigentlich wollte ich das hier doch nur kurz machen, um rauszukommen aus der Misere, in der ich gesteckt habe. Eigentlich hatte ich doch Ziele. Aber wenn ich sie weiterverfolgen will, werde ich daran gehindert, beschimpft oder sabotiert. Und es wird zunehmend wahnsinniger. Äußere ich, dass ich nicht mehr kann, kriege ich zur Antwort, meine Wahrnehmung stimme nicht, es sei doch alles in Ordnung, alles, wie es sein soll. Es komme mir nur komisch vor, weil ich „psychisch krank“ sei, schließlich habe er mich ja auch aus der Psychiatrie geholt und das sei doch der Beweis dafür. Sein Kontrollwahn wird immer wahnsinniger, teilweise ist er für mich entgegen der Abmachung nicht mehr erreichbar, wenn Freier mir gegenüber gewalttätig werden. Bleibe ich aber auch nur fünf Minuten länger bei einem Freier, dreht er völlig durch, ist eifersüchtig. Alles ist so verdreht und verschwimmt, ich habe keine Ahnung, was ich tun, ja, nicht mal mehr, was ich fühlen soll.

Denn während sich Prostitution am Anfang wenigstens wie etwas angefühlt hat, das mich handlungsfähig macht, zahle ich jetzt mehr und mehr den Preis dafür. Zu Beginn dachte ich noch, Prostitution sei ein Ausweg aus dem Chaos und dem Fallen durch das soziale Netz. Und vor allem dachte ich, es sei temporär. Für viele Frauen, die Missbrauch erlebt haben und zusätzlich wissen, was Armut ist, kann sich Prostitution anfangs anfühlen wie eine Selbstermächtigung: Denn statt zu warten, nimmt man sein Schicksal jetzt selbst in die Hand. Man handelt, man ist nicht ausgeliefert, so die Annahme. Dass die Handlung darin besteht, sich selbst auszuliefern, merkt man zunächst nicht. Denn gerade Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, fühlen sich schutzlos. Vor allem für sie, und auch für mich, kann sich Prostitution anfühlen wie etwas, das den Missbrauch zwar nicht beendet, aber zumindest begrenzt. Frauen, die missbraucht worden sind, haben eine Lektion bekommen: Über dich darf jeder rüber, egal ob du das willst oder nicht. Prostitution reglementiert das zumindest. Plötzlich darf eben nicht mehr jeder rüber, sondern nur noch die, die zahlen. Und oh, vielleicht ist man ja gar nicht so ein hässliches, nutzloses Stück Dreck, wie man immer eingeredet bekommen hat? Denn die Männer zahlen ja immerhin etwas dafür! Dann ist man also doch etwas wert. 50, 100 oder 250 Euro die Stunde. Für Menschen, die eine intakte, noch nie angegriffene Würde haben, ist das wenig Geld. Aber von ganz unten, mit einem Start aus dem selbstwerttechnischen Minus, ist das immerhin besser als nichts. Am Anfang habe ich ihn gefühlt, den Hurenstolz: Ja, ich bin eine gesellschaftliche Paria, die Gesellschaft will mich nicht haben – aber ich bin wenigstens handlungsfähig und: Die Gesellschaft fickt mich eh – ich nehme dafür wenigstens noch Geld.

Obwohl die Freier diejenigen sind, die das Geld geben, bin ich die, die den Preis zahlt. Während dieses halben Jahres bei Mike reißt es mich seelisch wie körperlich völlig runter. Ich bin depressiv, sehe überhaupt keinen Ausweg mehr. Ich fühle mich wie ein Wegwerfartikel, den man nach dem Ficken, dem Benutzen, entsorgt. Ich habe fürchterliche Angst davor, mir eine Krankheit einzufangen, und fühle mich permanent dreckig. Dass ich immer nur mit Kondom anschaffe, ändert daran nichts. Ich putze in Mikes Wohnung hinter mir her, weil ich mir einrede, alles, was ich berühre, würde sofort schmutzig werden, und leide an permanenter Kreislaufschwäche. Ich bin einfach völlig runter, ich kann nicht mehr. Und da ist kein Hoffnungsschimmer, nur geistige Ödnis. In der Früh bade und rasiere ich mich, dann mache ich Telefondienst, warte, bis Mike vom Polizeidienst kommt, gehe mit ihm ins Bett, weil ich sonst Stress bekomme, und abends gehe ich anschaffen. Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Und noch mal. Und noch mal. Das hier, das ist nicht, was ich wollte. Ich fühle mich dreckig, abgespalten – und verletzt.

Mike merkt immer stärker, dass ich nicht will. Je mehr ich versuche, mich aus dieser Abhängigkeit zu befreien, desto heftiger werden die Streits, desto härter wird der Sex, desto häufiger droht er mir, mich rauszuschmeißen, jetzt sofort. Ich habe, das gibt er mir zu verstehen, gefälligst das Geld zusammenzukriegen. Denn er nimmt mir anfangs 30 Prozent, später 50 Prozent meines Hurenlohns ab – und obendrauf zahle ich noch: meinen Anteil an Miete, Essen und Nebenkosten und natürlich das Anzeigengeld und die Taxifahrten zu den Freiern.

Nach einem halben Jahr setze ich ihn vor vollendete Tatsachen: Ich habe keinen Bock mehr auf jemanden, der nicht mit mir zusammenarbeitet. Der mich ausnimmt wie eine Weihnachtsgans und mich damit daran hindert, meine Ziele zu erreichen. Ich habe auf eine der Annoncen geantwortet, wie ich sie immer schalte. „Kollegin gesucht“, stand da drunter. Ich habe angerufen und mich vorgestellt in diesem Wohnungsbordell und schwupps, arbeite ich nicht mehr für Mike. Kein Sex mehr, kein Geld mehr: Und Mike rastet aus. Es folgt der letzte, sehr schlimme, bedrohliche und handgreifliche Streit – dann packe ich meine Sachen und bin draußen. Und mit draußen meine ich: erst mal wieder obdachlos.

Dass das, was der Polizist Mike mit mir gemacht hat, nicht rechtens war, das habe ich erst zehn Jahre später kapiert. Schuld und Scham sind in mir so fest verankert, dass ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen bin, dass hier nicht gut gehandelt worden ist (denn schließlich habe ich schmutziges Stück ja nichts Besseres verdient) oder dass ich ausgenutzt worden bin (schließlich habe ich ja „mitgemacht“). Genau diese Skripte – Schuld, Scham, Mittäterschaft und Selberdranschuldsein, Mitgemachthaben – werden durch Täterhandeln in Bezug auf sexuelle Gewalt immer wieder in Opfern herangezüchtet. Erst mit Ende zwanzig werde ich in einem Vortrag sitzen, den ein anderer Polizist hält und in dem in Bezug auf Menschenhandel die Worte „unter 21“ und „Ausnutzen einer Notlage“ fallen. Nach dem Vortrag werde ich zu dem Polizisten gehen und ihn fragen, wie er meine Situation sieht. „Straftatbestand“, wird der mir sagen, „Sie waren unter 21. Wer Personen unter 21 in die Prostitution verbringt oder sie dazu anhält, sie weiterzubetreiben, der macht sich des Menschenhandels schuldig – und dann noch diese Notsituation, die Sie mir da schildern. Dachten Sie etwa, das wäre in Ordnung, ein junges Mädchen so auszunutzen?“

Ja. Ja, das dachte ich. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, dass hier auch noch gegen Gesetze verstoßen worden sein könnte. Und erst jetzt, mit Ende dreißig, kapiere ich ganz langsam, dass ein Mann, dazu noch ein Polizist, der ein unterernährtes, sich selbst verletzendes, traumatisiertes und obdachloses Mädchen aus der Psychiatrie kennenlernt, vielleicht auch andere Wege hätte einschlagen können, als sie zu prostituieren. „Er hätte Ihnen ja auch helfen können“, hat mir neulich meine Therapeutin gesagt. Und von außen betrachtet – wenn ich mir mal einen Moment vorstelle, dass es sich hier nicht um mich, sondern um ein anderes Mädchen gehandelt hätte, muss ich dem zustimmen. Nur bei mir selbst, da bin ich mir immer noch nicht sicher. Wäre ich denn wirklich wert gewesen, mir zu helfen? Oder hat er mich nicht einfach nur für das benutzt, für das ich eben da bin? Und war das „Zuhälterspiel“ nicht eben genau das – nur ein Spiel?

Dass ich so daran zweifle, immer noch, hat auch mit unseren Bildern von „Zuhältern“ und „Menschenhandel“ zu tun. Ein „Zuhälter“, das ist, wenn man sich umhört, für viele Menschen jemand, der eine Frau zur Prostitution zwingt. Und zwar mit körperlicher Gewalt, mit einsperren und vielleicht Waffenandrohung. Alles andere ist für unsere Gesellschaft „freiwillig“ – denn die Frau hätte ja „jederzeit gehen können“. Nur, wohin? Wohin hätte sie gehen können? Eben nirgendwohin, in den meisten Fällen. Zuhälter, das sind für unsere Gesellschaft große, schwere, volltätowierte Typen mit Kutten. Es sind ganz sicher keine Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft, und erst recht keine Polizisten.

Der Paragraf zu Zuhälterei lautet wie folgt:

§ 181a Zuhälterei

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder

2.seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben, und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.“12

Die eigentliche Definition von Zuhälterei, die historische, ist aber gar nicht „jemand, der eine Frau zur Prostitution zwingt“ – sondern: Jemand, der von der Prostitution einer Frau profitiert. Der von ihr lebt, der von ihr Geld bekommt, das sie aus und mittels Prostitution erlangt hat. Das war in Deutschland lange per se strafbar. Inzwischen ist Zuhälterei in Deutschland also nur noch strafbar, wenn sie „ausbeuterisch“ oder „dirigistisch“ ist: das heißt, wenn die Frau ihrem Zuhälter mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen abgeben muss13 oder wenn eine bestimmende Einflussnahme auf die Ausübung der Prostitution vorliegt, die aus einem deutlichen Abhängigkeitsverhältnis hervorgeht und die Entscheidungsfreiheit der Prostituierten massiv beschneidet – was allerdings dann schon nicht mehr strafrechtlich relevant ist, wenn die Prostituierte sich „freiwillig“ (und das wird eben nicht definiert) in die Organisationsstruktur begibt.14 Erst dann greift das Gesetz ein. Alles, was mit Zwang, Gewalt, Bedrohung oder Ausbeutung zu tun hat, ist aber gesetzlich nicht genau definiert. Jede Frau, die der Meinung ist, von ihrem Zuhälter bedroht oder gezwungen worden zu sein, muss selbst darlegen, was sie als Zwang empfunden hat. Denn objektive Kriterien dafür sieht das deutsche Recht nicht vor. Und dann kommt es vor Gericht auch immer auf die Definition an, die der Richter oder die Richterin für „Zwang“ oder „Gewalt“ anlegt.

Dasselbe gilt für den Tatbestand des Menschenhandels: Wenn wir von „Menschenhandel“ hören, haben wir immer Bilder von Frauen vor Augen, die nicht deutsch sind, die aus dem Ausland und gegen ihren Willen nach Deutschland verschafft wurden, manchmal auch unter falschen Versprechungen, und die dann hier in den Bordellen leben müssen, geschlagen und vergewaltigt, am besten angekettet im Heizungskeller. Das entspricht nicht immer der Realität, es gibt auch andere Formen von Menschenhandel, die auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen sind – und ein Grenzübertritt ist dafür auch gar nicht nötig. Mit Menschen zum Zweck der Ausbeutung in der Prostitution handelt, wer nach § 232a StGB eine andere Person in die Prostitution verbringt „unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder ihrer wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist“.15 Strafbar macht sich auch, wer eine Person unter 21 Jahren dazu veranlasst, die Prostitution aufzunehmen oder fortzuführen oder aber sexuelle Handlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, durch die die Person ausgebeutet wird.16

Das ist Zuhälterei und so kann Menschenhandel aussehen. Im Jahr 2012 hat die Fondation Scelles einen Bericht veröffentlicht, in dem es heißt, dass weltweit 40 bis 42 Millionen Menschen, meistens Frauen, im Prostitutionsmilieu arbeiten (oder sollte man vielleicht besser sagen: ausgebeutet werden?). Drei Viertel von ihnen sind zwischen 13 und 25 Jahre alt und 90 Prozent von ihnen haben einen Zuhälter.17 Und das ist kein Wunder, denn Frauenhandel ist ein florierendes und einfaches Geschäft: Es sind keinerlei Vorkenntnisse erforderlich, es reicht, einen weiblichen Körper zu haben. Und dieser kann wieder und wieder und wieder verkauft werden. Das lohnt sich mal so richtig für alle, die an der Prostitution von Frauen und Mädchen verdienen wollen. Aber lass uns in einem anderen Kapitel über Menschenhandel und Zuhälterei sprechen – erst mal gehen wir ins Wohnungsbordell. Dort bin ich nämlich jetzt – es ist meine neue Arbeits- und, ja, erst mal auch Wohnstätte.

*„Shell shock“ ist eine Bezeichnung, die ursprünglich aus dem Krieg kommt. Gemeint ist damit eine spezielle Ausdrucksform einer posttraumatischen Belastungsstörung, die vor allem dadurch entsteht, dass man für längere Zeit Kriegshandlungen erlebt oder plötzlichem Bombardement oder Granatbeschuss ausgesetzt ist. Die psychische Überlastung zeigt sich äußerlich vor allem in einer Art Versteinerung der Mimik.

*Mir hat folgendes Buch geholfen, seelische Gewalt als solche zu erkennen und einzuordnen: Hirigoyen, Marie-France: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann, München 2002.

*Falls du es auch nicht bist, sondern Gewalt erlebst, wende dich an das Hilfetelefon für Frauen: 08000 116 016 – der Anruf ist kostenfrei und die Hotline 24 Stunden am Tag erreichbar!

*Als Dissoziation wird eine gewisse Aufspaltung der Persönlichkeit beziehungsweise die Fähigkeit bezeichnet, etwas aus dem Alltagsbewusstsein abzuspalten.

*An dieser Stelle von Herzen Danke schön an die Mädchenzuflucht – und an alle Mädchen- und Frauenhausmitarbeiterinnen!

*Poppers sind Dämpfe, die inhaliert einen Rausch auslösen.

Entmenschlicht

Подняться наверх