Читать книгу Mika liebt … - I. Tame - Страница 9

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Vorsichtig schiebt sich John auf dem Bett an Keno heran. Der liegt – wie immer – auf dem Bauch, hat jedoch seinen Kopf abgewandt.

„Hi, Baby! Ich bin wieder da. Schläfst du?“

Keine Antwort, nur regelmäßige Atemzüge.

„Tut mir Leid, dass es schon wieder so spät geworden ist.“ John haucht ihm einen zarten Kuss auf den Oberarm. Keno reagiert immer noch nicht. „Schlaf gut“, flüstert er noch, bevor er seinen Körper wegschiebt und sich gähnend die Klamotten vom Leib reißt.

Die Tage sind lang für John. Neben der Fürsorge für seine Schwester, trifft er sich jeden Tag mit seinem Kompagnon, um Programmieraufträge zu besprechen und natürlich mit zu bearbeiten. Hätte er sich über Kenos Körper gebeugt, dann hätte er gesehen, dass dieser die ganze Zeit mit offenen Augen daliegt.

Keno geht es nicht gut. Ihm geht's sogar ziemlich beschissen. Es passt ihm nicht, dass John sich so ins Zeug wirft, als wäre klar, dass sie hier bleiben. Er hätte selbst nie gedacht, dass es möglich wäre, doch Keno hat krasses Heimweh. Deutschland ist sein neues Zuhause und er vermisst es wie ein verwundetes Tier ein sicheres Lager. Sein gemütliches Haus, sein Auto, die kleine übersichtliche Stadt, in der er wohnt. Ja, sogar das zeitweise echt beschissene Wetter vermisst er. Und seine Perle Rosaria, samt ihrer Kochkunst. Und natürlich seine Treffen mit Edwina, ihre gemeinsamen Hilfsprojekte für die armen Schweine, die sonst niemanden haben, der ihnen aus ähnlichen Situationen hilft, in denen Keno sich ebenfalls befand. Beim Gedanken an Edwinas Tee-Orgien schleicht sich ein wehmütiges Lächeln auf sein Gesicht.


Und Mika! Ach, Mika! Keno seufzt tief. An ihn denkt er so ziemlich jede Sekunde an jedem weiteren ätzenden Tag in diesem Land, das ihm so fremd geworden ist. Mika hat ihn abserviert. Das kann Keno einfach nicht glauben. „Ich müsste nur Gelegenheit haben, ihn persönlich zu sehen. Dann biege ich schon alles wieder hin“, redet er sich selbst gut zu. „Aber dass Mika meine Anrufe total ignoriert …“ Ein Ziehen in der Magengegend bestätigt Keno in seinem unguten Gefühl. Diesmal hat er Mika zu viel zugemutet. „Ich will ihn doch nur beschützen“, rechtfertigt er sich vor sich selbst. „Aber wie soll er verstehen, was in deinem Kopf vorgeht, wenn er keine Fakten kennt?“, hält ihm eine zweite Stimme entgegen. „Er ist vielleicht gar nicht so hilflos wie du denkst. Und wahrscheinlich hat er sich schon den nächsten geilen Typen gesucht oder er fickt die nächste läufige Bitch.“

Keno ballt seine Hände zu Fäusten. „Ich muss ihn einfach seh'n. Ich muss, ich muss!“ Und wieder steigen ihm Tränen in die Augen. „Er darf aber nicht hierhin kommen! Unter keinen Umständen! Johns Familie wohnt lediglich 20 Minuten entfernt. Bis jetzt ist George noch nicht aufgetaucht, doch das wird nur eine Frage der Zeit sein.“

Ein inneres Zittern durchzieht Kenos Körper bei dem Gedanken daran, seinem Peiniger zufällig über den Weg zu laufen. John hat ihm versichert, dass er sich darum kümmern würde, doch Keno kann nicht glauben, dass ein einziges Gespräch die Lösung für alles bedeuten soll.


Am nächsten Morgen sitzen sich John und Keno in der winzigen Küche ihrer kleinen Übergangswohnung am Tisch gegenüber. Gemütlich ist es hier nicht gerade. Auf die Schnelle hatten sie nichts Besseres in der Nähe der Uniklinik finden können, um Darleen jederzeit besuchen zu können. Keno sieht aus wie der wandelnde Tod. Blass, struppige Haare, Dreitagebart und dunkle Ringe unter den Augen. Er gähnt herzhaft und trinkt einen Schluck schwarzen Kaffee. John sieht ihn nachdenklich an.

„Du siehst vielleicht scheiße aus“, stellt er trocken fest. Keno kämmt sich mit beiden Händen durch seine filzige Mähne.

„Kann dir doch egal sein.“, ranzt er müde zurück.

„Willst du dir nicht mal die Haare schneiden lassen?“, bohrt John weiter nach. „Du siehst aus wie ein Heavy-Metal-Rocker aus der Hölle.“

„Ich fühl' mich auch wie in der Hölle.“, murmelt Keno in seinen Kaffeebecher. John seufzt laut auf.

„Da sind wir also wieder beim Thema. Warum kannst du dir nicht vorstellen, mit mir hier zu leben? Also, natürlich nicht in dieser Bude, Gott bewahre. – Nichts wird dir hier passieren, das schwör‘ ich dir ... reiß' dich ein bisschen zusammen, Mann! Du hängst nur hier in dieser verschlissenen Ferienwohnung rum. Das kann ja nicht gesund sein!“

„Du hast doch keine Ahnung!“, fährt Keno ihn ruppig an. „Wenn mich auch nur einer von diesen ... perversen Arschlöchern sieht, dann ...“

„Was dann?!“, hakt John nach, als Keno mitten im Satz inne hält und hart die Lippen aufeinander presst.

„Die machen keine halben Sachen! Und ich weiß nicht, wie die ganze Scheiße damals ausging. Vielleicht hab' ich den Chef um die Ecke gebracht, was weiß ich. Dein Dad wird's genauer wissen. Aber verzeih' mir, wenn ich allein bei dem Gedanken an ihn einen Kotzkrampf kriege.“

John nickt nachdenklich. „Ich glaube dir alles, was du mir erzählt hast. Das weißt du ganz genau.“, versucht John ihn zu beruhigen. Aber ...“, er sieht Keno flehentlich an, „Darleen ... ich kann sie nicht allein lassen. Das geht jetzt einfach noch nicht. Nur noch zwei Tage bis zu den Weihnachtsfeiertagen und auch noch Silvester. Wenn ich jetzt gehe, kann ich ihr direkt ein Messer in den Bauch stoßen. Das verstehst du doch, oder?“ Keno erwidert eine Weile stumm Johns verzweifelten Blick.

Der streckt seine Hand aus und greift über den Tisch.

„Bitte!“, redet er leise auf Keno ein, während er über dessen Handrücken streichelt. „Es geht ihr doch schon viel besser. Bald kommt sie wieder nach Hause. Doch bis dahin …“ Er seufzt. „Hältst du noch durch?“, fragt er vorsichtig nach.

„Klar!“, stößt Keno mit rauer Stimme hervor. „Ich lass‘ mir auch die Haare schneiden. Aber Weihnachten kannst du vergessen. Da bleib‘ ich hier, wenn du einen auf Familie machst.“

„Ach, Cat ...“, setzt John an. „Wahrscheinlich ist der Alte gar nicht dabei. Dann kannst du doch mitkommen, oder?“

Keno schüttelt eigensinnig den Kopf.

„Eher friert die Hölle zu, als dass ich mich im Haus deines Vaters an einen Tisch setze und esse, selbst wenn er nicht dabei sein sollte.“


Mika liebt …

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