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Neue Helden

Achilleus hat uns gut dabei gedient, die vorstaatliche Welt der eisenzeitlichen, achäischen „Häuptlinge“ und ihrer Wikingfahrten zu verstehen. Er ist ihr Vertreter in Reinkultur: brutal, kriegerisch, beutegierig und dünnhäutig. Die Epen aber wurden in der Form, die wir heute kennen, zu einer Zeit niedergeschrieben, als dieses Zeitalter bereits vorbei war. Eine neue Form des Zusammenlebens, die Stadt und die Polis, war entstanden. Eine neue Moralität hatte sich etabliert. Diese brauchte eine neue Art Held. Es ist kein Zufall, dass der große Gegner des Achill der Verteidiger der Stadt Troja und der eigentliche Sympathieträger im Epos ist: Hektor. Hektor steht für einen neuen Menschen, der die alten Werte – Beute, Ruhm und selbst die Familie – neuen Idealen opfert: Verantwortungsgefühl für das Gemeinwesen, Bürgerehre und Vaterlandsliebe. In seinem Abschied von Frau und Kind hat der Dichter zum ersten Mal in der abendländischen Literatur die Rechtfertigung formuliert, die noch viele Ehemänner und Väter vorbringen werden, in den Kriegen, die noch kommen. Andromache: „Liebster, dein Mut wird dich ins Verderben stürzen. Du nimmst keine Rücksicht auf unser Kind, das gerade mal sprechen kann, und auch nicht auf mich. Du wirst mich zur Witwe machen! Bleib doch dieses eine Mal in der Burg. Lass die anderen kämpfen.“ Doch Hektor kann nicht anders: „Mir liegt das auch am Herzen, du und der Kleine. Aber ich schäme mich vor unseren Mitbürgern, wenn ich andere kämpfen lasse und selbst der Gefahr ausweiche.“

Der neue Held opfert sich. Er sucht im Krieg nicht mehr den Ruhm, sondern findet den Tod in Erfüllung seiner Pflicht. Hektor wird ihn in Gestalt des Achill finden. Einmal noch siegt die alte Welt über die neue, was auch richtig so ist, denn Hektor, der Schirmer der Stadt, muss, um Held zu sein, für die sterben, die er liebt – für seine Stadt, für seine Frau und seinen Sohn: „Nachdem er das gesagt hatte, streckte Hektor seine Hände nach dem Kind aus. Der Kleine aber schmiegte sich weinend an die Brust seiner Amme. Er fürchtete Hektors Helm mit dem hohen Rosshaarbusch, hinter dem er nicht das liebende Gesicht seines Vaters erkannte. Da lachte Hektor und nahm den Helm ab, legte ihn auf die Erde und wiegte seinen Sohn in den Armen, bis er zu weinen aufhörte.“

Nachlese

Gute deutsche Übersetzungen der epischen Dichtung sind nicht leicht zu bekommen. Die meisten sind schon eher älteren Datums und durch ihre altertümliche Sprache, die sich dann auch noch bewusst archaisierend ausdrückt, für den heutigen Leser schwer erträglich. Zu populären „Nacherzählungen“ ist nur bedingt zu raten, da sie, wie im Text angemerkt, durchwegs die Elemente der epischen Dichtung aussparen, die unter unserem Gesichtspunkt am interessantesten sind. Für die Ilias und Odyssee ist die deutsche Übersetzung von Roland Hampe bei Reclam (beide 1986) zu empfehlen. Das Hildebrandsliedfindet man in: „Althochdeutsche poetische Texte“ von Karl A. Wipf (Reclam, Stuttgart 1992). Für den Ulster-Zyklus muss man wohl oder übel auf die englische Übersetzung zurückgreifen: John T. Koch und John Carey „The Celtic Heroic Age: Literary Sources for Ancient Celtic Europe & Early Ireland & Wales“ (Celtic Studies Publications, 4. Auflage, Aberystwyth 2003).

Es gibt keine komplette Übersetzung des Mahabharata ins Deutsche. Als klassische Übersetzung ins Englische gilt: Kisari Mohan Ganguli „The Mahabharata of Krishna-Dwaipayana Vyasa“ (Indien 1883–1896, zuletzt als 4-bändige Taschenbuchausgabe: Munshiram Manoharlal, New Delhi 2004). Eine deutsche Teilübersetzung ist: Biren Roy (Hrsg.) „Mahabharata. Indiens großes Epos“ (10. Auflage. Diederichs, Köln 1998, erstmals 1958 auf Englisch veröffentlicht).

Für das homerische Griechenland ist Moses I. Finleys „Die Welt des Odysseus“ (1. Auflage, englisch 1954, deutsch im Campus-Verlag, Frankfurt 2005) immer noch eine vortreffliche Einführung. Wer eine ernsthafte Beschäftigung mit der keltische Welt anstrebt, kommt um Helmut Birkhans monumentales „Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur“ (Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997) nicht herum. Vor den ebenso zahlreichen wie irreführenden Keltendarstellungen auf dem populären Buchmarkt sei gewarnt. Die Wikingerzeit hat zuletzt Rudolf Simek kompakt in „Die Wikinger“ bei C. H. Beck, München 1998, beschrieben. Von ihm stammt auch eine Einführung in „Die Edda“ (C. H. Beck, München 2007). Das sozialanthropologische Konzept des „Chiefdom“ findet sich gut und lesbar erklärt in: Marvin Harris „Kannibalen und Könige“ (Klett-Cotta, 1998).

Der Krieg

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