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Einleitung

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Welcher Hobbylyriker kennt nicht das bedrückende Gefühl, wieder einmal etwas Großartiges auf ein Stück Papier oder in ein Word-Dokument gebracht zu haben, das, wie alle seine genialen Werke zuvor, von niemandem außer ihm selbst wiederholt gelesen werden, ehe es auf immer in einer Schublande verschwindet?

Wer jemals auf den verrückten Gedanken gekommen ist, seine Gedichte an einen Verlag zu senden, wird beim Durchlesen der Vertragsbedingungen abzuwägen haben, ob ihm die Eitelkeit, sich offiziell Lyriker nennen zu dürfen, einen vierstelligen Betrag im mittleren bis oberen Segment wert ist – wenn er so viel Geld überhaupt aufbringen kann; denn die meisten Verlage, die mit Werbeanzeigen wie „Autoren gesucht“ oder „Schreiben Sie?“ locken, wollen selbst kein finanzielles Risiko eingehen. Zwar wird in regelmäßigen Abständen das Gerücht gepflegt, Lyrik sei wieder im Kommen, doch ein Rundgang durch die großen Buchhandlungen liefert nach wie vor das nüchterne Ergebnis: Das Regal mit den Lyrikbänden gehört zu den schmalsten im Laden und fristet meistens ein Nischendasein. Neue, moderne Autoren sind selten vertreten, nämlich erst, wenn sie von namhaften Zeitungen wie DIE ZEIT oder FAZ lobend besprochen worden sind oder einen Literaturpreis erhalten haben. Ansonsten sind die Buchhändler mit den Klassikern – Goethe, Schiller, Heine, Rilke, George – auf der sichereren Seite.

Das verkannte Genie sucht also nach anderen Wegen, klickt mit verzweifelter Ausdauer im Internet herum und stößt – siehe da! – auf eine Reihe von Lyrik-Foren. Die Welt erstrahlt in neuem Licht, denn er ist nicht allein. Hier findet er Leidensgenossen und kann endlich seine Werke vor ihnen ausbreiten.

So erging es auch mir vor etwa zehn Jahren. Ich entschied mich für ein Forum namens „Poezio“, aus dem ich jedoch nach einem halben Jahr genervt ausschied. Gründe: Eifersüchteleien, Überempfindlichkeiten, Seilschaften, rüde Kommentare bis hin zu Beleidigungen und endlosen Streitereien. Mein Ausscheiden musste ich nicht bereuen, denn das Forum wurde nicht lange danach aus dem Netz genommen.

Ich suchte mir also eine neue Heimat und entschied mich für ein anderes, weitaus größeres Forum. In diesem Forum war die Struktur differenzierter, und die Regeln waren strenger. Doch schon bald merkte ich, dass auch hier etliche User die gleichen Nickligkeiten, Intrigen, Mogeleien, Gehässigkeiten und was sonst noch an den Tag legten, die ich bereits gut kannte und die mir eine längst etablierte Erkenntnis bestätigten: Menschen sind überall gleich. Weshalb auch sollten sie in der virtuellen Welt anders sein als im wirklichen Leben?

Die Konsequenz dieser Erfahrung war für mich, nicht noch einmal das Handtuch zu werfen, sondern eisern durchzuhalten. Ich wollte meine Lyrik präsentieren, mich mit Gleichgesinnten austauschen, ihre Beiträge lesen und kommentieren und mich nicht mehr beeindrucken lassen von Usern, die Genugtuung darin finden, sich nicht auf Kritik an einem lyrischen Text oder an einer Erzählung zu beschränken, sondern einen Autor persönlich anzugreifen und kübelweise Häme über ihn auszuschütten.

In diesem Forum, das inzwischen mein Forum geworden ist, bin ich seit nunmehr neun Jahren aktiv und habe mit den unterschiedlichsten User-Typen zu tun gehabt, wie z.B. mit Alpha-Tieren, die ihren Führungsanspruch aus fundiertem lyriktechnischem Wissen und virtuosem Umgang mit Sprache herleiten; mit Psychoanalytikern, die aus jedem Text Rückschlüsse auf die seelische Befindlichkeit des Autors ziehen und ihm entsprechende Ratschläge verordnen; auf Protegés, die ihre Verwandten und Freunde ins Forum locken und zu wohlwollenden Kommentaren verpflichten; auf Egozentriker, denen weniger an eigenen Texten als an Kommentaren zwecks Selbstinszenierung gelegen ist; leider auch auf Ignoranten, die es mit Stil, Grammatik und Rechtschreibung nicht ernst nehmen, sowie auf viele weitere User mit ganz besonderen Haltungen und Meinungen, die manchmal hitzige Kontroversen auslösen.

Mit diesem Buch will ich versuchen, die unterschiedlichen Typen in alphabetischer Reihenfolge so vorzustellen, wie ich sie sehe, wobei die eine oder andere Beschreibung ein wenig zugespitzt erscheinen mag und deshalb vom Leser nicht zu ernst genommen werden sollte.

Ilka-Maria Hohe-Dorst, Sommer 2018

Trolle, Rechthaber, Provokateure

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