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Der Erzieher

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Der Mensch ist ein komplexes Wesen, wie wir nicht erst seit Freud, Jung und Adler wissen, sondern schon aus dem philosophischen Gedankengut der Antike. Er hat eine Seele, die verwundbar ist und im Falle eines schweren Angriffs irreparablen Schaden nehmen kann, der sich oft auch auf seine körperliche Gesundheit negativ auswirkt.

In hohem Maße empfindsam sind bekanntlich die Seelen der schreibenden Zunft, weshalb sie besonderen Schutzes bedürfen, erst recht, wenn es sich um die Gefühle blutjunger Anfänger handelt. Aber auch ältere Poeten können trotz ihrer Lebenserfahrung und so manchen weggesteckten Hiebs noch das Gleichgewicht verlieren, wenn ihr literarisches Werk mit hämischen Bemerkungen übergossen wird. Dann ist schnelle Reaktion angesagt und dem Angreifer ein Bollwerk entgegenzusetzen, das ihn daran erinnert, was gute Manieren, Taktgefühl und Respekt vor seinen Mitmenschen bedeuten.

Diese Aufgabe übernimmt der Erzieher. In einem ersten Schritt mahnt er den oder die Angreifer, auf ihre Tonart zu achten und in ihren Kommentaren nicht persönlich zu werden, denn es gehe um die Beurteilung des Textes, nicht des Autors. Natürlich stößt der Erzieher auf Unverständnis, denn schließlich habe man ja nichts anderes als den Text kommentiert und dem Autor lediglich ein paar gute Ratschläge gegeben, wie zum Beispiel, noch mal in die Schule zu gehen und erst dann wieder Texte einzustellen, wenn die Rechtschreibung besser sitzt. Außerdem solle sich der Erzieher aus der Sache heraushalten, wenn er selbst nichts über den Text zu schreiben wisse.

Doch jetzt kommt der Erzieher richtig in Fahrt, konzentriert sich auf den vermeintlichen Anführer der Kommentatoren und bezichtigt ihn der Niedertracht und Gefühllosigkeit: So könne man mit Menschen nicht umgehen, dem hämischen Kommentator gehe es in Wahrheit nur darum, sich auf Kosten des Autors zu profilieren, womit lediglich erreicht werde, dass dieser den Mut verliert und sich aus dem Forum zurückzieht.

Der Kommentator wehrt sich, indem er dem Erzieher rät, nicht zu übertreiben, sondern auf dem Teppich zu bleiben und sich um seine eigenen charakterlichen Unzulänglichkeiten zu kümmern, denn damit habe er für den Rest des Jahres genügend zu tun.

Der jetzt sichtlich beleidigte Erzieher greift zu seiner nächsten Waffe und unterstellt dem Kommentator Mobbing, worauf dieser, jetzt tatsächlich mit einer milden Häme gegenüber dem unwissenden Widersacher, eine ausführliche Definition des Begriffs „Mobbing“ abliefert, zumindest, wie er ihn versteht: Mobbing werde immer von einer Gruppe betrieben, käme niemals offen, sondern von hinten durch die Brust ins Auge, so dass der Gemobbte dies erst nach einiger Zeit bemerke, und habe zum Ziel, das Opfer zu vernichten. Er aber, der Kommentator, habe für sich alleine und völlig offen gesprochen und sich auf die Qualität des Textes beschränkt, die nun mal zu wünschen übriglasse.

Der Erzieher, nicht bereit, klein beizugeben, droht dem Kommentator, bis zum Tag des Weltuntergangs schützend seine Hände über den gemobbten Autor zu halten (der übrigens auf die Fehde bislang mit keinem Piep reagiert hat) und für den guten Umgang der Hobbydichter miteinander solange zu kämpfen, bis das Forum einer Neuauflage des „Knigge“ gleiche.

Tatsächlich hat der Erzieher die Nerven, seine Drohung wahrzumachen und einen Diskussionsfaden unter jenem Titel zu eröffnen, den einst das Buch des Freiherrn Knigge schmückte: „Über den Umgang mit Menschen.“ Um die Diskussion in seinem Sinne in Gang zu bringen, verdonnert der Erzieher seine Entourage, also Forenfreunde und Familienmitglieder, dazu, ihn kräftig mit ihren Beiträgen zu unterstützen, um endlich dem Anstand im Forum zum Sieg zu verhelfen. So entsteht eine hitzige Debatte, in der sich die gegnerischen Parteien, allen voran der Erzieher und der des Mobbings bezichtigte Kommentator, gegenseitig Psychogramme aufstellen, die nicht gerade ein günstiges Bild ihrer charakterlichen Ausstattung abgeben. Unter diesen Bedingungen ebbt der Streit selten von selbst ab, so dass sich der Administrator gezwungen sieht, den Diskussionsfaden zu löschen oder wenigstens zu schließen, um der Sache Einhalt zu gebieten.

Nicht schlecht ist das Staunen, wenn sich nach tagelangem Hin und Her der streitenden Parteien der Autor zu Wort meldet: Er bedanke sich für die guten Ratschläge, habe seinen Text nochmal überarbeitet und werde die verbesserte Version demnächst einstellen. Über die rege Teilnahme an seinem Werk habe er sich ehrlich gefreut, denn eigentlich habe er nicht damit gerechnet, dass sich jemand dafür interessiert.

Spätestens an diesem Punkt bittet der Erzieher samt seiner Entourage den Administrator, sie ehrenvoll aus dem Forum zu entlassen und ihre Accounts zu löschen.

Trolle, Rechthaber, Provokateure

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