Читать книгу Gut gebellt, Katze - Ilona Schmidt - Страница 7
3 Cody
ОглавлениеUrsprünglich hatte ich gedacht, Dirk würde sofort mit mir auf Streife gehen, aber nichts dergleichen geschah. Ben und die Frau verabschiedeten sich, Dirk stellte die Gläser weg und der Abend war gelaufen. Ich verkrümelte mich auf mein Hundebett, drehte mich einige Male um die eigene Achse und ließ mich schließlich genüsslich niederplumpsen. Mit meinem noch wachen Auge sah ich Dirk ins Bett wanken, um ihn kurz darauf schnarchen zu hören. Irgendwo im Haus wummerte Musik – wie die Menschen diesen Lärm nennen – aber nachdem davon keine Gefahr ausging, ignorierte ich ihn.
Am nächsten Morgen blieb Dirk einfach liegen. Ich ließ ihn solange schlafen, bis mein Magen sich rührte und die Blase unangenehm zu drücken begann. Gemächlich erhob ich mich von meiner Schlafstatt, drückte den Rücken durch und streckte dann alle Viere einzeln von mir. Ah! Jetzt wäre ein ordentliches Frühstück recht.
Dirk jedoch rührte sich nicht, atmete mit leicht geöffnetem Mund tief und gleichmäßig. Ich schnüffelte kurz daran, um festzustellen, ob er das Frühstück bereits ohne mich eingenommen hatte, konnte aber keinen Hinweis darauf entdecken. Da stand ich nun, mit leerem Magen und voller Blase, und der Boss schlief.
Aus Erfahrung wusste ich, dass Anstarren und leises Winseln kaum Erfolg versprechen würde – Dirk war so gut wie taub, wenn er schlief. Also ging ich direkt zum Angriff über. Einmal mit der Zunge quer übers Gesicht, dann an der Bettdecke gezogen, bis sie herunterglitt, und sofort hatte ich seine volle Aufmerksamkeit.
„Himmel, Arsch und Zwirn!“
Brav setzte ich mich auf meine Hinterpfoten. Diesen Befehl hatte ich selten gehört und bisher noch nicht herausgefunden, was er bedeutete. Sitz machen schien aber eine gute Antwort darauf zu sein.
Dirk griff zu dem flachen Kästchen, das er sehr gerne zu haben schien, weil er es streichelte und mit ihm sprach. Er nannte es „Scheiß Handy“, aber nur, wenn er es suchte. Jetzt starrte er wie gebannt darauf und atmete tief durch.
„Was? Acht Uhr durch? So spät schon?“
Was sollte spät sein? Es war Morgen und ich musste mein Geschäft erledigen, zudem schob ich einen riesigen Kohldampf. „Auf!“, bellte ich, um meine Bedürfnisse kundzutun.
Er richtete sich auf. „Dringend?“
„Auf-auf!“, bestätigte ich.
Zum Glück funktionierten Dirks Ohren wieder. Er kam auf die Füße und kurze Zeit später marschierten wir ins Freie. Es roch nach Regen, auf dem Gehweg glänzten Pfützen. Wie jeden Morgen begegneten wir nur wenigen Menschen, und auch auf der Straße waren kaum Blechkisten unterwegs. Dafür trafen wir den Dackel Egon, der seinen Hängebauch nur mit Mühe vom Fleck bewegen konnte. Sein Herrchen hatte er ebenfalls dabei.
„Die Straße ist aber ganz schön steil“, stöhnte die Rolle auf vier Beinen. Wenn man Egon hieß und fett war, kam einem sogar eine ebene Straße steil vor.
„Ist sie das wirklich?“ Leichtfüßig trabte ich zu ihm.
„Angeber“, schnaufte Egon.
Dirk grüßte dessen Besitzer, der an seinem Wanst nicht minder schwer zu tragen hatte.
„Guten Tag, Herr Kommissar“, grüßte der Dicke.
Es folgte ein kurzer Plausch, wie ihn Menschen hielten, die sich sonst nichts zu sagen hatten, während Egon sich ächzend auf dem Gehweg niederließ. Neugierig beschnüffelte ich sein Hinterteil, doch zu einem weiteren Austausch von Höflichkeiten kam es nicht, weil wir weiterzogen.
„Wie kann man seinen Hund nur so fett füttern“, murmelte Dirk. „Auch eine Art von Tierquälerei. Dem würde ich die Hälfte seiner Ration streichen.“
Wen meinte er damit? Den Mann oder den Hund? Oder sprach er von mir? Ich war doch normal gebaut. Warum drohte er dann mit solch drakonischen Maßnahmen? Verstört sah zu meinem Boss hoch, aber der zwinkerte mir vergnügt zu. Alles halb so wild. Ich war beruhigt.
Endlich erreichten wir unseren Park. Bäume, Wege, Wiesen, Parkbänke – alles war an seinem Platz. Ich ließ keine Gelegenheit aus, nach Gerüchen anderer Hunde zu suchen. Wer war wann dagewesen und war dann wohin gegangen? Auch Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand konnte ich erschnüffeln. Dirk war ein guter Boss und ließ mich gewähren, solange ich Lust hatte, nur leider ließ er mich heute nicht von der Leine. Auch gut.
Auf dem See trieben zwei Schwäne, die ich in Frieden lassen musste, genauso wie die Enten. Eine Jagd auf sie würde sowieso nichts bringen, weil das Federvieh über eine Fluchtmöglichkeit durch die Lüfte verfügte. Keinen Strich besser waren die Eichhörnchen, die immer einen Baum in der Nähe hatten, auf den sie sich retten konnten. Und nicht zu vergessen – die Katzen.
Halt! Da war eine Katzenspur, und wenn mich nicht alles täuschte, von der demselben Mäusefänger wie gestern. Wie hieß sie doch gleich wieder? Ach ja, Cleo. Was für ein alberner Name. Ordentliche Katzen hatten Namen wie Miezi oder Muschi. Ich schnupperte nach: Die Fährte roch frisch. Also musste Cleo in der Nähe sein. Ich wusste, Katzen kamen gern an den Ort ihrer Missetaten zurück. Ich spitzte die Ohren, hielt mein Riechorgan in den Wind und spähte nach ihr.
Tatsächlich, dort drüben hockte das Katzenvieh mitten auf der Wiese und starrte frech zu mir her. Ich rannte los. Der kurze Ruck an meinem Hals bremste mich kaum, dafür schlackerte mir jetzt die Leine zwischen den Beinen.
„Cody! Hierher!“, hörte ich Dirk hinter mir rufen.
Meinte er mich? Ich warf einen kurzen Blick zurück. Dirk war viel zu weit entfernt, um mich einholen zu können und ich wusste genau, wie weit er seinen Schlüssel werfen konnte.
Cleo musste mich entdeckt haben, denn sie warf sich herum und beschleunigte, während ihr brauner Schwanz vor mir kreiste. Ich streckte mich. Nur noch wenige Sprünge und ich würde sie eingeholt haben. Die wilde Hatz ging auf eine Buschreihe zu, hinter der eine Mauer aufragte. Jetzt saß sie in der Falle, denn von dort gab es kein Entrinnen.
Dachte ich zumindest. Mit einem mächtigen Satz erreichte sie einen kleinen Mauervorsprung und kletterte von dort bis auf den Sims. Mit aller Kraft sprang ich an der Mauer hoch, aber es reichte nicht. Ihre blauen Augen fixierten mich feindselig. Seit wann hatten Katzen blaue Augen? Nach einer Weile legte sie ihren Kopf auf die Vorderpfoten und begann sich zu putzen. Unter dem Gebüsch roch es stark nach anderen Katzen.
„Kannst du Tollpatsch nicht höher springen?“, fragte Cleo, offensichtlich amüsiert über meine vergeblichen Versuche. „Hat gestern schon nicht funktioniert.“
„Können schon, aber wollen nicht“, behauptete ich fest.
„Was willst du von mir?“
„Wissen, was du hier zu suchen hast.“
„Warum sollte ich einem Hund gegenüber Rechenschaft ablegen?“
„Weil ich ein Polizeihund bin.“
Cleo schwieg, maß mich aus schmalen Augen. „Polizeihund? Du? Du trägst ja nicht mal ein Geschirr.“
Sie hatte recht. Wie peinlich. „Ich bin in Zivil unterwegs“, erwiderte ich, weil Dirk dies in einer ähnlichen Situation auch einmal gesagt hatte.
Sie warf mir einen skeptischen Blick zu. „Seit wann geben Hunde vor, etwas Anderes zu sein, als sie sind? Ich dachte, das machen nur Menschen.“
„Trotzdem bin ich ein Polizeihund.“
„Interessant. Der Mann dort hinten, der mit dem grimmigen Gesicht, ist das dein Führer?“
„Mein Partner, um genau zu sein“, sagte ich stolz. „Ich bin derjenige, der ihn zu den Verbrechern führt.“
„Momentan sieht er aber nicht gerade erfreut aus.“ Sie streckte sich. „Ich bin aber auch eine gute Mieze.“
„Katzen sind von Natur aus böse und hinterhältig.“
„Wer sagt das?“
„Meine Mama.“ Ich dachte kurz darüber nach. „Wenn du keine böse Katze bist, welche sind es dann?“
„Das kann ich dir nicht verraten. Viel zu gefährlich.“
„Für mich ist nichts zu gefährlich.“ Ich machte mich groß. „Ich bin Cody von Tresko, und mein Vorfahre war der berühmte Edor von Tresko.“
Sie blinzelte. „Muss ich den kennen?“
Gute Frage, zumal man von einer Katze keine Bildung erwarten konnte. „Rückst du jetzt endlich mit der Sprache raus?“
„Worüber denn?“
„Was du vorhast. Du hast dich gestern schon hier herumgetrieben, und das ist höchst verdächtig.“
„Es wäre viel zu gefährlich für mich, wenn ich dir das sagen würde.“
Das war verwirrend. Wieso gefährlich? Vielleicht wusste sie etwas über ein Verbrechen.
„Ich würde dir beistehen.“
Sie lachte auf. „Du? Mir beistehen? Hilf dir selbst erst einmal. Wenn ich mich nicht täusche, ist dein Partner gerade nicht besonders gut auf dich zu sprechen.“
Ich schaute zu Dirk. Seine Augenbrauen trafen sich, sein Mund war verkniffen. Sie hatte recht, das sah nicht gut aus. Mein vorheriger Führer hatte mich einst in die Mangel genommen, wie er es nannte, und das hatte wehgetan – vor allem in meinem Herzen. Ich klemmte den Schwanz ein und machte mich vorsorglich ganz klein.
Doch Dirk packte nur meine Leine und zerrte daran. „Wirst du wohl folgen?“
„Ciao, Süßer“, schnurrte die Katze. „War schön, mit dir geplaudert zu haben, aber ich fürchte, du hast jetzt ein Problem. Bis zum nächsten Mal.“
Ich wollte dem Boss von unserem Gespräch berichten, aber der rief nur: „Aus! Genug für heute!“
Traurig lief ich neben ihm her. Manchmal verstanden wir uns einfach nicht, obwohl ich mich redlich mühte. Unterwürfig sah ich an ihm hoch, die Ohren flach an meinen Kopf gelegt.
„Schon gut. Aber du siehst ein, dass das so nicht weitergehen kann, nicht wahr?“
Natürlich. Der Boss musste endlich lernen, mich zu verstehen, sonst würden wir nie einen Fall zusammen lösen. Und das war wichtig, denn schließlich musste die Futterschüssel stets gefüllt sein.