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4 Cleo

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Ich sah dem devoten Köter noch lange hinterher, wie er mit eingeklemmtem Schwanz seinem Menschen folgte. Und so einer wollte ein Polizeihund sein? Lächerlich. Allerdings hatte ich bisher noch keinen Hund getroffen, der lügen konnte. Dazu waren sie einfach nicht fähig. Ihnen sieht man auf den ersten Blick an, was sie denken, im Gegensatz zu uns, die wir unsere Emotionen besser kontrollieren können. Wir wiegen unsere Feinde in Sicherheit, während wir insgeheim bereits einen Angriffsplan schmieden. In Anbetracht der Ehrlichkeit der Hunde war es also durchaus möglich, dass er tatsächlich ein Polizeihund war, was ich mir zunutze machen könnte.

Plötzlich raschelte es unter mir. Dem Geräusch nach zu urteilen, war der Verursacher deutlich größer als eine Maus. Womöglich eine andere Katze, und mir schwante auch schon welche. Ein Blick nach unten auf den massigen, schwarzen Katzenkörper bestätigte meine Befürchtung. Ausgerechnet dieser Angeber Cat Capone. Offenbar war er heute ohne seine Bandenmitglieder unterwegs, was selten vorkam. Großspurig hatte er sich – in Anlehnung an eine ganz üble Kralle aus einem fernen Land – den Namen selbst gegeben. Was natürlich lächerlich war, denn wir Katzen brauchten keine Vorbilder und vor allem keine, die ständig in einem Käfig eingesperrt waren. Anscheinend war ihm die Zeit bei den Menschen nicht gut bekommen. Wahrscheinlich hatten sie ihm irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt.

Ich seufzte innerlich. Seine Anwesenheit war mir unangenehm. Dabei sollte ich ihm dankbar sein, denn er hatte mich einmal vor den Angriffen zweier Beagles beschützt und das, obwohl Cat Capone nur ein Auge besaß.

Er richtete seinen einäugigen Blick auf mich. „Suchst du da oben was Bestimmtes, meine Liebe?“

„Ich bewundere nur die schöne Aussicht.“

Seine rosa Zunge fuhr über seine Lippen. „Ich dachte schon, du wolltest dich auf die faule Haut legen.“

„Aber nein. Wo denkst du hin?“

„Hast du was zum Futtern gefunden?“

Bei Cat Capone drehte sich alles nur ums Fressen. Seitdem er herausgefunden hatte, dass manche Menschen – vor allem die weiblichen – uns Katzen gerne fütterten, selbst wenn wir nicht mit ihnen unter einem Dach wohnten, musste ich für ihn betteln gehen. Eine gertenschlanke Siamkatze war dazu wesentlich besser geeignet als ein fetter Kampfkater.

„Bis jetzt noch nicht“, erwiderte ich. „Ein Köter ist mir in die Quere gekommen.“

„Was? In meinem Revier?“

„Er hält es für seines.“

„Frechheit! Was denkt sich der Kerl?“

„Vermutlich, dass er der Herrscher über den Park ist.“

Cat Capone fing zu sabbern an. Das tat er immer, wenn er besonders erregt war – meistens vor dem Fressen.

„Ist dir nicht gut?“, fragte ich scheinheilig.

„Dem werde ich zeigen, wer hier der Herr ist.“

„Gute Idee. Vertreibe ihn oder noch besser, jage ihn in den See.“ Die Vorstellung amüsierte mich, denn Cat Capone ging sicher von einem Hundchen seiner Größe aus. Davon gab es hier etliche, große Hunde waren eher die Ausnahme. Stadtmenschen bevorzugten die Taschenausgabe von Hunden, was uns Katzen nur recht sein konnte.

Je länger ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Idee, Cat Capone auf den Polizeihund – wenn er denn einer war – zu hetzen. Das könnte die Lösung meines Problems sein. Der Hund bräuchte ihm nur einen ordentlichen Schrecken einjagen. Der Kater würde dann das Weite suchen und ich wäre endlich wieder frei. Schöne Vorstellung, aber kaum realisierbar, weil Cat Capone die Aufgabe an seine Schergen delegieren würde. Wo steckten die überhaupt?

„Soll ich ihm eine Falle stellen?“ Ich streckte mich genüsslich, denn es tat unheimlich gut, gemein zu sein. „Ich opfere mich gerne für dich.“

„Was heißt opfern? Es ist deine verdammte Pflicht. Schließlich schuldest du mir noch was.“

Aus dem Augenwinkel sah ich El Zappo, einen graugetigerten Allerweltskater, mit seinem Bruder El Popez im Schlepptau, anmarschiert kommen. Die beiden gingen keinem Kampf aus dem Weg und waren Cat Capones ständige Begleiter. Ihr Auftauchen konnte unangenehm für mich werden. Zeit, sich aus dem Staub zu machen. „Das ist längst abgegolten. Ich muss jetzt weiter, wenn du nichts dagegen hast. Vielleicht habe ich morgen mehr Glück. Bis dahin habt ihr noch genügend Fressalien von dem Raubzug in der Kleingartenkolonie. Oder habt ihr schon alles aufgefressen?“

Cat Capone spuckte aus. „Sind nur noch Dosen übrig. Keine Ahnung, wie wir die aufkriegen sollen.“

„Nehmt euch einen Menschen.“

Cat Capone fauchte. „Soweit kommt’s noch!“

Inzwischen hatten uns die beiden Brüder erreicht. „Hallo, Süße“, schnurrte El Zappo. „Magst nicht runterkommen?“

„Fällt mir im Traum nicht ein.“ Alles in mir sträubte sich. Um meiner Abneigung Nachdruck zu verleihen, fauchte ich in ihre Richtung.

Cat Capone schärfte seine Krallen am nächsten Baumstamm. „Halt dich zurück, El Zappo. Wir brauchen sie noch.“

„Aber nicht jetzt. Ciao, mein Bester. Man sieht sich.“ Damit sprang ich an der anderen Seite der Mauer hinunter und flitzte sofort davon, um zu vermeiden, dass sich der Dreierclub an meine Fersen heftete. Die meisten seiner Gangmitglieder waren nur Profiteure, die sich zwar an den regelmäßigen Fressorgien beteiligten, aber bei den Raubzügen feige den Schwanz einzogen. Von denen ging keine große Gefahr aus, aber vor den beiden Els sollte man auf der Hut sein.

Da El Zappo ziemlich schnell auf seinen Pfoten unterwegs sein konnte, machte ich einen kleinen Umweg, um mein Versteck nicht preiszugeben.

Zu Hause angekommen fiel mir sofort auf, dass der alte Mann sich nicht mehr auf der Liege sonnte, wie er es bei schönem Wetter meistens getan hatte. Sollte das Leben aus ihm gewichen sein? Das wäre in diesem Haushalt nichts Ungewöhnliches. Ich trabte um das Haus zum Gartentor. Es stand offen und ein kastenförmiges Gefährt, dessen blaue Lichter aufgeregt blinkten, stand direkt davor. Ich folgte den Stimmen im Haus, die weit geschwungene Treppe in den ersten Stock hinauf. Der Alte lag auf dem großen Bett. Neben ihm standen Anette sowie drei Männer, von denen einer in einem geöffneten Koffer wühlte, während die beiden anderen ein schmales Bett trugen.

Ich kannte dieses Szenario bereits. Der mit dem Koffer war sicher ein Menschenarzt, der versuchte, den Alten am Leben zu erhalten. Wie schon bei den beiden letzten Männern, würde es auch bei diesem hier vergeblich sein.

„Versuchen Sie bitte alles“, flehte Anette mit verschränkten Armen.

„Zu spät“, erwiderte der Menschenarzt. „Tut mir leid, aber da ist nichts mehr zu machen. Wie alt war ihr Mann?“

„Oh, mein Gott! Einund … Einundsiebzig. Eigentlich noch zu jung zum … Aber mit dem Herzleiden …“ Sie schluchzte laut auf. „Wir haben uns so geliebt!“

Auf der Stirn des Menschenarztes bildeten sich zwei tiefe Furchen. „Bitte rufen Sie Ihren Hausarzt an, damit er den Totenschein ausstellt.“

Sie stutzte. „Das können Sie doch tun?“

„Natürlich, aber ich müsste die Todesursache offenlassen, weil ich seine Krankengeschichte nicht kenne.“

„Was würde das bedeuten?“

„Dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird.“

Anette rollte mit den Augen. „Gut, ich rufe seinen Hausarzt an. Kein Problem.“

Ich wusste genau, was hier ablief. Wieder einmal hatte sie ein Gefährte für immer verlassen. Sie hatte einfach Pech mit ihren Männern. Nicht lange, und wir würden wieder umziehen. Dieses Mal hoffentlich an einen Ort, an dem wir länger bleiben würden, und wo es keinen Cat Capone, keinen El Zappo und keinen El Popez gab. Falls nicht, müsste ich mir etwas ausdenken, um die drei loszuwerden. Sonst würde ich hier nie meinen Frieden finden.

Gut gebellt, Katze

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