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Die Sache mit dem Rücken

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Im Januar 2012 quälte uns ein Magen-Darm-Virus. Emma und Simon ging es nach einiger Zeit wieder besser. Bei mir hingegen wollte die Übelkeit nicht vergehen. Es dauerte eine Weile, bis wir feststellten, dass mein »Magenproblem« anderer Natur war: In meinem Bauch wuchs Superheld Nummer zwei, unser Miniheld, heran.

Als es mir endlich wieder besser ging, half Simon seinem besten Freund beim Umzug. Im Anschluss peinigten ihn starke Rücken- und Schulterschmerzen. Wie es sich für echte Heldenmänner gehört, tat er sie zunächst als Kleinigkeit ab.

»Ach, ich habe mich nur verhoben«, sagte er, wenn ich ihn darauf ansprach.

Die Wochen vergingen, die Schmerzen nicht. Irgendwann konnte er sich kaum noch bewegen, sodass ich ihn im März endlich zum Orthopäden schickte. Dieser tippte auf einen Bandscheibenvorfall und überwies Simon zum CT. Bis es so weit war, vergingen etwa fünf Wochen.

Im April feierte unsere Tochter ihren vierten Geburtstag. Zusammen mit vielen Freunden, meinem Babybauch, der inzwischen größer war als Simons, und den Schmerzen des Helden. Simon trug diverse Wärmepflaster, nahm Schmerzmittel und versuchte tapfer, den Tag zwischen vielen wuseligen und lauten Kindern zu überleben. Abends brach er völlig k. o. auf dem Sofa zusammen.

»Oh Mann«, sagte ich, als ich meinen Helden so geschlagen vor mir liegen sah. »Hoffentlich bestätigt sich der Verdacht auf Bandscheibenvorfall nicht.«

So kurz vor der Zeit mit zwei Kindern wären eine eventuelle Operation und die Maßnahmen danach ganz schön ungünstig gewesen. Simon wollte den Kinderwagen schieben, Windeln wechseln und das Baby in einem Tragetuch tragen. Dazu war ein gesunder Rücken unabdingbar.

»Das wird schon«, stöhnte er.

Wir versuchten, uns gegenseitig zu beruhigen, dass es nichts Schlimmes sei. Warum auch? Warum gerade jetzt? Vermutlich war es nur eine sehr hartnäckige Verspannung, ein eingeklemmter Nerv oder Ähnliches. Simon war noch nie zuvor wirklich krank, nie im Krankenhaus gewesen. Warum also sollte jetzt etwas Derartiges eintreten?

Zu diesem Zeitpunkt wohnten wir immer noch nicht zusammen. Obwohl wir uns häufig sahen, hatten wir uns bislang gegen diesen Schritt entschieden. Nun überlegten wir, ob es an der Zeit war, das endlich zu ändern. Zumal es für ein Familienleben das Praktischste war.

Während wir Pläne schmiedeten, freuten wir uns auf unseren Sohn, den kleinen Batman Leonard, der im September zur Welt kommen sollte. Nachdem ich ihn bereits seit dem ersten Ultraschallbild zum Minihelden erklärt hatte, benannte Simon ihn konsequent nach seinem persönlichen Lieblingshelden. Und analog zum Spitznamen unseres Babys forderte nun auch Emma ihren eigenen Superspitznamen ein und wurde so zur Einhornbändigerin. Sie konnte ihren kleinen Bruder kaum erwarten und versprach: »Wenn er in die Schule kommt, dann kann ich ihm schon helfen und mache das auch.«

Unser Held freute sich vor allem aufs Fußballspielen, auf männliche Verstärkung in der Familie. Er bekam glänzende Augen, wenn er daran dachte, dass wir schon ganz bald Ausflüge zu viert machen würden. Oft nahm er die Babysachen aus dem Schrank, um sie auf meinen Bauch zu legen. Simon roch an ihnen, seine Fingerspitzen strichen die zarten Nähte der winzigen Kleidung nach. Alle Zeichen standen auf Familie, die Weichen waren gestellt, und es sollte einfach nur Geradeaus weitergehen. Einen Plan B gab es nicht. Wozu auch?

Abends streichelte Simon oft meinen Bauch, er sprach mit dem kleinen Batman und eigentlich war alles perfekt, wenn da bloß diese schlimmen Rückenschmerzen nicht gewesen wären. Endlich kam der Tag der Computertomografie. In der Erwartung, nun endlich Gewissheit zu erlangen und etwas unternehmen zu können, ging Simon guten Mutes zu seinem Termin. Und kam ernüchtert zurück: Erst in einer Woche sollte er das Ergebnis erfahren.

»Sei’s drum«, brummte er, »auf die paar Tage kommt’s nun auch nicht mehr an.«

Die Woche verstrich, das Ergebnis kam. Aber anstatt Simon zu sagen, was los war, blieb der Arzt sehr verhalten. Der Mann in Weiß meinte, dass die Bilder nicht eindeutig seien und dass unser Held zu einer weiteren bildgebenden Untersuchung gehen müsse. Inzwischen war es Anfang Mai.

Emma und ich machten oft Ausflüge ins Grüne. Simon konnte nicht mitkommen, weil die Schmerzen inzwischen so schlimm geworden waren, dass er kaum noch laufen konnte. Arbeiten ging ebenfalls nicht; Simon hatte sich krankschreiben lassen. Unsere Tochter fragte regelmäßig, was Momo denn habe.

»Das müssen die Ärzte noch rausfinden«, sagte ich zu ihr, unzufrieden mit meiner eigenen Antwort. In mir machte sich langsam ein ungutes Gefühl breit. Mir war oft flau im Bauch, obwohl ich die Schwangerschaftsübelkeit doch bereits überwunden hatte. Das machte mir Angst, denn meinem Bauch konnte ich schon immer vertrauen. Irgendwas ging da vor sich, das nicht gut sein konnte. Nach wie vor hofften wir, dass es kein Bandscheibenvorfall war, irgendwas anderes, aber nicht das. Dass sich dieser Wunsch später als zynisch herausstellte, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.

Im Juni verfolgten wir die Fußball-EM im Fernsehen. Ich hasse Fußball, hatte aber Mitleid mit Simon, da es kaum etwas anderes gab, das er sonst machen konnte. An einem Freitagabend, zwei Tage, bevor Deutschland gegen Schweden spielen sollte, ging es unserem Helden immer schlechter. Er wusste nicht, ob er sitzen oder stehen sollte. Liegen ging auch nicht. Ich bat ihn, einen Rettungswagen zu rufen. Am Telefon wurde er jedoch abgewiesen mit dem Hinweis, er solle sich an einen Bereitschaftsarzt wenden.

Da ich eine Tendenz zur Panik habe und dann sehr hartnäckig werden kann, rief ich erneut die Notrufnummer an. Ich erzählte die gleiche Geschichte wie Simon, fügte allerdings hinzu, dass ich in der 23. Woche schwanger sei, mir große Sorgen mache und das bestimmt nicht gut für meine vorzeitige Wehentätigkeit sei. Keine zehn Minuten später stand der Rettungswagen vor unserer Tür.

Die Sanitäter entschieden, unseren Helden mitzunehmen, wobei sich die Treppen des Altbauhauses als fast unbezwingbar erwiesen. Drei Etagen mussten gemeistert werden. Es war ein furchtbarer Anblick.

Ich blieb zu Hause zurück, da ich tatsächlich leicht angeschlagen war. Unsere Tochter verbrachte das Wochenende bei ihrem Papa-Eins. Ich saß nervös im Wohnzimmer, starrte mein helles Kunstledersofa an und fragte mich, wie da schon wieder ein Kugelschreiberstrich hingekommen sein konnte. Ich putzte und versuchte alles, um diesen Fleck zu entfernen. Danach den Fußboden, dann die Küche, um dann wieder beim Sofa von vorn anzufangen. Gegen zwei Uhr nachts schrieb mir Simon eine Nachricht:

Die wissen noch nichts, komme jetzt erst mal auf die Krebsstation, woanders ist bestimmt kein Platz mehr.

Nachdem ich diese Zeilen gelesen hatte, schrubbte ich erneut das Sofa. Der Kugelschreiberfleck war irgendwann tatsächlich verschwunden, das Kunstleder vom Sofa aber leider auch. Ich schrie das Sofa an, warum es denn jetzt kaputtgegangen sei. Dass das nicht richtig sein könne und es ein Fehler in der Produktion sein müsse. Dieses blöde Sofa! Irgendwann trat ich dagegen und verletzte mir dabei leicht den Fuß. Ich schrie meinen Fuß an.

Ich schrie alles an, schließlich auch mein Spiegelbild, weil ich einfach nicht wahrhaben wollte, was Simon mir geschrieben hatte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man ihn nur deshalb auf der onkologischen Station untergebracht hatte, weil woanders kein Platz mehr war.

Irgendwann setzte ich mich auf das breite Fensterbrett in der Küche, atmete die dreckige Großstadtluft ein und fragte mich, was ich eigentlich an einem Bandscheibenvorfall so schlimm gefunden hätte. Plötzlich erschien das gar nicht mehr so dramatisch.

Am Samstag fuhr ich ins Krankenhaus. Simon hatte geistesgegenwärtig seine CT-Bilder mitgenommen. Mein kluger Mann dachte selbst in solchen Momenten immer noch mit. Ich schrie nur das Sofa an. Die Ärzte hatten Simon Blut abgenommen und wollten die Ergebnisse abwarten, bevor sie mit uns sprachen. Es dauerte bis Sonntag. Man bat uns in ein Ärztezimmer, wir sollten uns setzen. Vor uns nahmen drei Menschen in weißen Kitteln Platz. Einer reichte Simon und mir je ein Glas Wasser. Der Heldensohn in meinem Bauch stoppte mit dem Strampeln. Es war ruhig, viel zu ruhig.

Plötzlich holte einer der Menschen vor uns tief Luft und redete. Er erzählte von etwas, das er Multiples Myelom nannte, einer bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems im Knochenmark. Der zweite Mensch in Weiß sprach über Knochenfraß, der die Schmerzen verursache, von Löchern in den Wirbeln der Wirbelsäule. Der Dritte zog uns schließlich den Boden unter den Füßen weg. Er redete lang, wirklich lang; von einer eingeschränkten Lebenserwartung, von Stadium drei, weit fortgeschritten, ungünstige Zytogenetik und der Prognose von drei bis vier Jahren.

Ich atmete ein und atmete aus. In meinem Bauch war es immer noch ruhig, und ich überlegte, aufzustehen und wortlos den Raum, die Klinik und das Land zu verlassen. Ich wandte Simon den Kopf zu, Simon rutschte in seinen Stuhl und trank sein Wasser, alles auf einmal.

Am nächsten Tag sollte der Beckenknochen punktiert werden, um möglichst schnell mit der ersten Chemotherapie zu beginnen.

Chemotherapie. Das war ein Wort, das ich nur aus schlechten amerikanischen Arztserien kannte. Wir verließen den Raum und weinten. Ewig und so doll, dass ich fast das Atmen vergaß. Das konnte alles gar nicht sein, die mussten sich irren, den Patienten verwechselt haben. Simon war zu diesem Zeitpunkt 31 Jahre alt, ich 27. Wir hatten eine vierjährige Tochter, und im September sollte unser Sohn zur Welt kommen. Wir redeten doch schon davon, wie es sein würde, wenn er in die Schule käme. Und plötzlich wussten wir noch nicht einmal, ob Simon an Leos Einschulung überhaupt dabei sein würde.

Mit Feststellung der Schwangerschaft hatte mir mein Frauenarzt Beschäftigungsverbot erteilt. Damit war es mir möglich, vormittags, wenn unsere Tochter in der Kita war, zu Simon in die Klinik zu fahren. Wenigstens etwas. Im Flur der Station begegneten wir anderen Patienten, ohne Haare, mit einem Zugang im Hals und einer seltsamen Hautfarbe. Das war gruselig, sehr gruselig.

Am Mittwoch folgte das nächste größere Arztgespräch. Die Ärzte hatten auf mich gewartet. Das konnte kein gutes Zeichen sein. Sie redeten von einer Hochdosis-Chemo, die noch dieses Jahr stattfinden sollte. Die, bei der unser Held in ein Isolationszimmer müsse, weil er kein Immunsystem mehr haben werde. Später werde man ihm seine eigenen Stammzellen zurücktransplantieren, die er zuvor für sich selbst spenden werde.

»Das nennt sich autologe Stammzelltransplantation«, erklärte uns einer der Ärzte, und in meinem Kopf rauschte es. »Später wird dann eine fremde Stammzellspende nötig sein.«

Wir hörten, dass zuvor vier Zyklen einer anderen Chemotherapie durchgeführt werden sollten, als eine Art Vorbereitung. Im Herbst dann die Hochdosis.

Moment, im Herbst sollte doch unser Sohn geboren werden. Das ging doch nicht! Was ist eigentlich aus dem Bandscheibenvorfall geworden, wo ist der hin?

Wieder verließen wir heulend das Arztzimmer, ein Desaster nach dem nächsten. Als wir den Gang der Station entlangschlichen, hörte ich plötzlich ein Geräusch, dass ich nie wieder vergessen werde. Da knackte etwas, relativ laut und so seltsam, dass ich es mit nichts anderem vergleichen konnte. Zeitgleich rutschte Simons Hand aus meiner, er ging zu Boden und schrie auf. Er schrie, wie ich noch nie jemanden habe schreien hören, und krümmte sich vor Schmerzen. Ich dachte an mein furchtbar hässliches Sofa und schrie ebenfalls. Die Schwestern kamen angerannt, die Ärzte auch. Simon wurde auf ein Bett gelagert und sofort ins MRT gefahren. Drei Wirbel der Wirbelsäule, die vom Myelom bereits angefressen waren, waren gebrochen. Ein weiterer angebrochen. Die Bilder zeigten weiterhin, dass die betroffenen Stellen am Beckenknochen größer geworden waren. Simon wurde in den OP geschoben, die Brüche wurden versorgt, der angebrochene Wirbel mit Knochenzement aufgespritzt. Am Folgetag hatte unser Held nach wie vor starke Schmerzen und bekam Morphin, jede Menge davon.

Er lag in seinem Bett, Gitter an beiden Seiten, und über ihm hing ein riesiger Infusionsbeutel. Simon sah mich kurz an, begrüßte mich mit »Hallo Krankenschwester« und schlief wieder ein. Ich schob meinen Stuhl, auf den ich mich eigentlich gerade setzen wollte, zur Seite, verließ das Zimmer und machte mich auf die Suche nach einem Arzt.

Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet, was es manchmal schwierig machte, Auskunft zu bekommen. An diesem Tag hatte ich Glück und fand jemanden, der mit mir sprach. Der angebrochene Wirbel schmerzte stark, das angeknabberte Becken auch. Zusätzlich waren in der Nacht zuvor zwei Rippen gebrochen. Mein Held stand unter starken Schmerzmitteln, die ihn benommen machten, zum Teil orientierungslos.

Okay, er durfte also so sein.

Als ich in Simons Zimmer zurückkehrte, begrüßte er mich abermals als Krankenschwester. Ich nickte und meinte, dass ich mit den Kollegen abgesprochen habe, ihn etwas frisch zu machen. Ich habe schon viele Menschen gewaschen, allerdings waren sie meist unter einem Meter groß und gingen noch in die Kita. Das hier war etwas anderes. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht in Tränen auszubrechen.

Mein Held dämmerte immer wieder weg, und jedes Mal, wenn er aufwachte, freute er sich, dass ich, die nette Krankenschwester, noch da war. Irgendwann entdeckte er meinen dicken Bauch, und ich hoffte, dass ihm dadurch bewusst würde, wer ich war.

Simon lächelte, zeigte mit seiner von Zugängen zerstochenen Hand auf meinen Bauch und sagte: »Oh, das ist ja schön, freut sich denn der Papa auch so sehr?«

Ich ließ das Handtuch fallen, setzte mich, atmete ein und atmete aus. Nur das Atmen nicht vergessen. Atmen. Ich biss mir erneut auf die Lippe, um die Fassung zu wahren. Ich versuchte zu lächeln und nickte. Ich nahm Simons Hand und meinte, dass ich mir ganz sicher sei, dass der Papa vom Bauchjungen sich freue und dass ich glaubte, dass er ein großartiger Papa für unseren Sohn sein werde.

Simon beglückwünschte mich zu so einem tollen Partner und schlief erneut ein. Das Timing war gut, wir waren fertig mit waschen. Ein Praktikant holte die Schüssel ab, und ich fragte, ob Simon heute schon etwas gegessen habe. Er verneinte und brachte mir Wassermelone. »Sobald Ihr Mann aufwacht, können Sie versuchen, ihm etwas davon anzubieten.«

Ich stockte kurz, sagte aber nichts. Mir wurde in diesem Moment bewusst, dass das alles einfach nicht richtig sein konnte. Das, was ich hier tat, war falsch. Auch wenn mich mein Held mehrfach mit »Hallo Krankenschwester« begrüßt hatte und es im Laufe des Tages weitere Male wiederholte – ich war nicht seine Krankenschwester, denn eigentlich hätte er keine brauchen dürfen, verdammt noch mal. Ich verließ das Zimmer und setzte mich vor der Klinik auf eine niedrige Mauer, wo ich fassungslos in den Himmel starrte, an mein beiges Sofa dachte und heulte. Ich schrie nach oben, dass es noch nicht so weit war, dass ich das allein nicht schaffen würde und Simon hier noch nicht fertig sei.

Am Nachmittag versuchte ich, unseren Helden in seinen wachen Momenten von den Vorzügen der Wassermelone zu überzeugen. Das Problem war nur, dass er während des Kauens immer wieder einschlief und ich Angst bekam, dass er sich verschlucken könnte. Unzählige Male musste ich ihn anstupsen, damit er wenigstens kurz wach blieb.

An diesem Tag war ich insgesamt 13 Stunden bei Simon. Als ich nach Hause fuhr, konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Ich war ein Mensch mit einem starken Sicherheitsbedürfnis, ich hatte Pläne für mein Leben und hielt mich für viel zu schwach, um die aktuelle Situation zu überstehen.

Zu Hause holte ich meinen Koffer aus der hintersten Ecke des Schlafzimmers. Neben mir stand ein neues Babybett, in dem Emmas Lieblingspuppe schon mal zur Probe lag. Ich starrte auf sie hinab und hatte keine Ahnung, wie das alles funktionieren sollte. Ich öffnete den Koffer und verstaute meine und Emmas Kleider darin, Zahnbürsten, Lieblingskuscheltiere und ein Buch mit Gute-Nacht-Geschichten. Ich wollte einfach nur weg, ganz weit, egal wohin. Einfach nur weg.

Aber wohin sollte ich denn? Und warum eigentlich? Ich wollte Simon nicht verlassen, nur die Situation, in der wir uns befanden.

»Allerdings wird sich diese Situation auch nicht verändern, wenn ich flüchte«, sagte ich zu der Puppe im Babybett und packte unseren Koffer wieder aus. Stattdessen füllte ich ihn mit Dingen, die ich Simon am nächsten Tag in die Klinik bringen wollte. Ich legte Zettel dazu, auf denen ich Worte wie »Zuversicht«, »Hoffnung«, »Optimismus« und »Kraft« schrieb. Ich wollte meinem Helden etwas mitgeben, zu dem ich gerade selbst nicht in der Lage war.

Als ich ihn am nächsten Tag besuchte, war er tatsächlich ansprechbar. An den Vortag konnte er sich nicht erinnern, zum Glück eigentlich. Heute sollte der erste Zyklus der ersten Chemotherapie starten. Mein Held war nervös, ich war es auch. Wir hatten keine Ahnung, was da auf uns zukam.

Rock den Himmel, mein Held

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