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1.2 Evidenz durch experimentelle Forschung

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Um nicht auf Mutmaßungen angewiesen zu sein und die Wirkung einer Maßnahme numerisch benennen zu können, stützen sich Forscher bzw. Forschergruppen bei solchen systematischen Zusammenfassungen also in erster Linie auf experimentelle Studien. Unterrichtsexperimente ermöglichen konkrete Aussagen über die Wirksamkeit einer Unterrichtsmaßnahme. Wie lernwirksam sind beispielsweise zusätzliche veranschaulichende Hilfen wie das Erstellen von Begriffslandkarten (concept mapping) zur Verdeutlichung bestimmter Inhalte?

Um Lerneffekte des concept mapping nachzuweisen, reicht es nicht, den Einsatz dieser visualisierenden Hilfe im Unterricht zu beobachten und/oder Lehrende und Lernende nach ihren Einschätzungen zu befragen. Will man verlässliche Angaben zur Wirkung des concept mapping machen, muss man ein Experiment durchführen.

Aber Experiment ist nicht gleich Experiment, selbst wenn es im Unterricht oder unter unterrichtsähnlichen Bedingungen erfolgt. Im Rahmen des evidenzbasierten Lehrens und Lernens gelten sogenannte randomisierte Kontrollgruppenexperimente als besonders aussagekräftig und zuverlässig. Was bedeutet ‚randomisiert‘? Unter Randomisierung versteht man die Verteilung der Versuchspersonen auf verschiedene Untersuchungsgruppen auf der Grundlage eines Zufallsmechanismus.

Ein randomisiertes Experiment verläuft in der Regel in folgenden Schritten: Nachdem man den Forschungsgegenstand konkretisiert hat (z.B. Welche Form des concept mapping? In welchen Fächern? Auf welcher Schulstufe? Wie oft in welchem Zeitraum? Von der Lehrperson oder von den Lernenden selbst erstellte concept maps?), wird eine angemessen große Zahl von Schülerinnen und Schülern auf zwei Gruppen, nämlich die Versuchsgruppen (= Experimentalgruppen) und die Kontrollgruppen, nach dem Zufallsprinzip (Randomisierung) verteilt. Warum ist es wichtig, dass wir uns mit diesen Einzelheiten beschäftigen? Auch randomisierte Kontrollgruppenexperimente können Einschränkungen unterliegen (vgl. unten). Zum einen sind immer Messfehler einzukalkulieren, die man kaum beeinflussen kann. Zum anderen müssen wir im Großen und Ganzen nachvollziehen können, wie der Forscher bzw. die Forschergruppe bei einem bestimmten Experiment vorgegangen ist, damit wir die allgemeine Aussagekraft und die Relevanz für unseren speziellen Lernkontext und für Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichem Lernverhalten einschätzen können.


Abb. 1: Randomisiertes Kontrollgruppenexperiment

Zu Beginn des eigentlichen Experiments wird sowohl in den Versuchs- als auch in den Kontrollgruppen derselbe Vortest (pretest) durchgeführt. Anschließend kommt in den Versuchsgruppen das concept mapping nach vorher festgelegten Kriterien zum Einsatz, während die Kontrollgruppen den herkömmlichen Unterricht erhalten. Die Intervention, in unserem Fall das concept mapping, wird die unabhängige Variable genannt. Sie ist eine wählbare Einflussgröße. Statt des concept mapping könnte man auch die Wirkung von advance organizers untersuchen. Geprüft werden soll der Einfluss der unabhängigen Variablen (wenn …) auf die Lernleistung, die abhängige Variable (dann …). Nach Abschluss der Experimentalphase werden die Leistungen beider Gruppen durch einen Nachtest (posttest) ermittelt und miteinander verglichen. Bisweilen kommt auch das after-only-Design zum Einsatz, bei dem auf den Vortest verzichtet wird. Nach dem posttest zeigt sich, ob das concept mapping in der vorgegebenen Form überhaupt lernwirksam ist und vor allem wie groß die Lerneffekte sind.

Es ist nicht immer möglich, bei der Bildung der Versuchs- und Kontrollgruppen nach dem Zufallsprinzip zu verfahren. In solchen Fällen bietet sich eine Parallelisierung an: Es werden Paare von Lernenden gebildet, die hinsichtlich möglichst vieler Merkmale weitgehend identisch sind und dann getrennt der Versuchs- bzw. der Kontrollgruppe zugeordnet. Solche quasi-experimentellen Studien können bei sorgfältiger Planung einen hohen Aussagewert erreichen. Sie sind aber randomisierten Experimenten nicht gleichgestellt.

Warum aber gilt experimentelle Forschung als Goldstandard? Warum haben beispielsweise Querschnitt- oder Längsschnittuntersuchungen nicht den gleichen Stellenwert? Das liegt am sogenannten Kausalzusammenhang. Durch Experimente ist es am ehesten möglich, den Effekt einer Versuchsbedingung zu prüfen. Dennoch sind auch randomisierte Kontrollgruppenexperimente sowie Quasi-Experimente nicht immer frei von Verfälschungen.

Nehmen wir einmal an, ein Forscher sei sehr daran interessiert, concept mapping als besonders lernwirksam herauszustellen. Er wird sich folglich alle Mühe geben, besonders gute Begriffslandkarten zu erstellen bzw. erstellen zu lassen. Möglicherweise wird er finanzielle Mittel in die graphische Gestaltung der concept maps investieren. Vor allem aber wird er die Lehrpersonen, die in den Versuchsgruppen unterrichten, auf das Experiment einstimmen und ihnen die zu erwartenden positiven Effekte vor Augen führen. Oft müssen die Lehrpersonen auch vor der Untersuchung ein entsprechendes Training absolvieren. Wichtig ist, dass der Unterricht in der Kontrollgruppe wie üblich geplant und durchgeführt wird. Es gilt als Kunstfehler, wenn die Lernbedingungen in der Kontrollgruppe bewusst so gestaltet werden, dass möglichst wenig gelernt wird. Man erhält dann zwar einen starken Effekt, dieser ist aber wenig glaubwürdig (vgl. WELLENREUTHER: 2004; 22010; Neubearbeitung 2013).

In den meisten Fällen werden solche Verzerrungen von anderen Wissenschaftlern aufgedeckt und in den Rezensionen kritisch besprochen. Es kommt häufig vor, dass Forscher bestimmte Untersuchungen oder Teiluntersuchungen wiederholen, wenn sie Zweifel am Forschungsdesign haben.

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