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1.4 Auf dem Weg zur empirischen Wende

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Warum konnte sich evidenzbasiertes Lehren und Lernen bisher in Deutschland (und im deutschsprachigen Raum) nicht in gleicher Weise durchsetzen wie in Skandinavien und den angelsächsischen Ländern? Darüber ist schon viel spekuliert worden. Mit einiger Sicherheit kann man sagen, dass die geisteswissenschaftliche Ausrichtung der deutschsprachigen Pädagogik sowie die mangelnde Kenntnis statistischer Verfahren eine größere Akzeptanz empirisch-quantitativer Forschung in den letzten Jahrzehnten verhindert haben. Erst durch die internationalen Vergleichsstudien wie TIMSS (Third International Mathematics and Science Study) und PISA (Programme for International Student Assessment) ist empirische Bildungsforschung ins Blickfeld eines größeren Personenkreises gelangt. Das mittelmäßige Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei diesen Vergleichsuntersuchungen und die sich daraus ergebenden Debatten haben die Kritik an empirischer Forschung mit Sicherheit nicht verringert. Inzwischen wird aber auch in der Bundesrepublik von einer „empirischen Wende“ gesprochen (vgl. z.B. HELMKE 42012: 14f.).

Zu Unrecht wird evidenzbasiertes Lehren und Lernen von einigen Wissenschaftlern als technokratisch abqualifiziert (vgl. BELLMANN & MÜLLER 2011). Empirisch-quantitative Forschung, insbesondere experimentelle Forschung, zergliedere Lehr-/Lernprozesse in unzulässiger Weise (ibid.). Außerdem sei es auch bei hochwertigen Kontrollgruppenexperimenten nicht möglich, die Wirkung anderer Faktoren auszuschließen. In keiner Untersuchung könne beispielsweise der Effekt der Lehrperson ausgeschlossen werden. Das ist unbestritten. Deshalb müssen Experimente sorgfältig geplant, transparent beschrieben und kritisch reflektiert werden. Sie gänzlich abzulehnen, käme einer unverantwortlichen Reduktion wissenschaftlicher Unterrichtsforschung gleich.

Auch Evidenz selbst gerät aus philosophischer Sicht in die Kritik (vgl. BELLMANN & MÜLLER 2011). Ob man einem Sachverhalt oder einer Erscheinung Evidenz zuschreibe, hänge von subjektiven Voreinstellungen und Wertungen ab. Als Alternative wird dann häufig die ganzheitliche Sicht auf Lehr- und Lernprozesse empfohlen, die freilich drängende Fragen von Lehrpersonen außer Acht lässt. Soll man Alice W. antworten, dass es letzte Wahrheiten ohnehin nicht geben kann? Dass sie das bereits weiß, wird an ihren Fragestellungen deutlich.

Ein weiteres Argument der Kritiker „naturwissenschaftlicher“ Forschungsmethoden lautet: „Man kann nicht alles messen!“ Auch das ist ohne Zweifel richtig, aber man kann weit mehr messen, als viele annehmen. Und das Messen kann, wie wir im Verlauf der folgenden Kapitel sehen werden, zu größeren Lerneffekten führen. Was spricht also gegen die kritische Prüfung der Lernwirksamkeit ausgewählter Verfahren und Strategien? Warum sollten Lehrende und Lernende nachweislich effektivere Methoden nicht in ihrem Lernkontext ausprobieren und durch Adaptionen zu verbesserten Alternativen gelangen?

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