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2.5 Robert Marzano und sein Forschungsprojekt

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Bereits Ende der 1990er Jahre hat der US-amerikanische Forscher Robert J. Marzano eine sehr umfangreiche Studie mit dem Titel: A Theory-Based Meta-Analysis of Research on Instruction veröffentlicht (vgl. MARZANO 1998). Marzano ist Leiter des Mid-Continent Research for Education and Learning in Aurora, Colorado. Der Studie von 1998 sind zahlreiche Untersuchungen vorausgegangen und gefolgt (z.B. MARZANO 2000; 2003).

Die Ergebnisse von Marzano, auf die sich Hattie in größerem Umfang stützt, sind für uns aus folgenden Gründen bedenkenswert:

• Die Meta-Analysen von Marzano sind mit großer Sorgfalt erarbeitet.

• Der theoretische Ansatz von Marzano ist differenzierter als der von Hattie.

• Marzano konzentriert sich auf Unterrichtsstrategien, die Lehrpersonen und Lernende im Unterricht ohne Weiteres erproben und einführen können.

• Wie nach ihm viele Experten, die sich auf wissenschaftliche Belege stützen, misst er der engagierten Lehrperson große Bedeutung bei.

• Marzano transferiert seine Forschungsergebnisse in gut verständlicher Form auf die konkrete Unterrichtspraxis.

Classroom instruction that works: Research-based strategies for increasing student achievement ist der Titel des Buches, in dem Marzano zusammen mit zwei Mitarbeitern seinen Ansatz kurz erläutert, um anschließend die Ergebnisse seiner Meta-Analysen ausführlich in konkrete Unterrichtsvorschläge und Ratschläge für die Praxis zu integrieren (MARZANO ET AL. 2001).

Gleich im ersten Kapitel (Chap. 1: Applying the Research on Instruction: An Idea Whose Time Has Come) wird deutlich, dass evidenzbasiertes Lehren und Lernen für Marzano hohen Stellenwert hat: “With all of the limitations of this book acknowledged, we again affirm our belief that we are at the beginning of a new era in education – one in which research will provide strong, explicit guidance for the classroom teacher.”

Auch wenn Marzano mögliche Einschränkungen der dargestellten Forschung einräumt, ist er dennoch davon überzeugt, dass im Bereich der Erziehung eine neue Ära angebrochen ist – Lehrpersonen werden sich von einschlägigen, expliziten Forschungsergebnissen leiten lassen.

Anschließend erläutert er knapp, was man unter einer Meta-Analyse versteht und wie man Effektstärken berechnet (vgl. oben 1.7). Gestützt auf Jacob Cohen (1988) betrachtet er Effektstärken von 0.20 als klein, im mittleren Bereich liegen Effektstärken von 0.50, und als hoch werden Effektstärken von 0.80 gewertet. Wie in obiger Liste angedeutet, beschränkt sich Marzano auf Unterrichtsstrategien (Instructional Strategies). Zu lernwirksamem Unterricht gehören für ihn selbstverständlich auch Techniken der Klassenführung (Management Techniques) und die Ausgestaltung des Curriculums (Curriculum Design), die in weiteren Meta-Analysen berücksichtigt werden sollen (zur Angabe weiterer Effektstärken vgl. Kap. 6 bis 10).

Aus den vorliegenden Primärstudien haben Marzano und seine Mitautoren diejenigen Unterrichtsstrategien herausgefiltert und in Meta-Analysen zusammengefasst „that have a high probability on enhancing student achievement for all students in all subject areas at all grade levels“. Die neun Unterrichtstrategien (vgl. die ausführliche Darstellung von MARZANO ET AL. 2001 in Chap. 2 bis 10) sollen also für alle Lernenden, in allen Fächern und auf allen Klassenstufen lernwirksam sein. Es handelt sich weitgehend um Strategien, die wir auch unter Hatties 138 Faktoren finden, z.B. Visualisierungen (Nonlinguistic representations), kooperatives Lernen (Cooperative learning) und die Überprüfung der gesetzten Ziele durch Feedback (Setting objectives and providing feedback).

Wie Geoff Petty (vgl. Kap. 1) warnt auch Marzano (MARZANO et al. 2001: 8) an mehreren Stellen vor der unkritischen Übernahme der dargestellten Unterrichtsstrategien: “Instructional strategies are tools only. Although the strategies presented in this book are certainly good tools, they should not be expected to work equally well in all situations.”

Unterrichtsstrategien sind also lediglich Werkzeuge. Und auch wenn die in Marzanos Veröffentlichung von 1998 dargestellten Strategien sicher gute Werkzeuge sind, darf man nicht erwarten, dass sie in allen Situationen gleichermaßen gut funktionieren.

Was ist nun das Besondere an Marzanos theoretischem Ansatz? An dieser Stelle gehe ich nur auf zwei Aspekte ein. Weitere Einzelheiten integriere ich in die praxisbezogenen Kapitel des vorliegenden Buches (vgl. insbesondere Kap. 6 bis 10).

Zum einen haben Marzanos Forschungen ergeben, dass die ausgewählten Strategien zwar eine hohe Lernwirksamkeit aufweisen, dass sich die Effekte aber je nach den Fähigkeiten der Lernenden unterscheiden. Bei lernstarken Schülerinnen und Schülern weisen dieselben Strategien eine Effektstärke von 0.91 auf, Lernende im Mittelfeld verbessern ihre Leistungen um 0.70, während bei Lernschwächeren der Leistungszuwachs nur eine Effektstärke von 0.64 erreicht. Um zu verhindern, dass sich die Schere zwischen den Lernenden immer weiter öffnet, werden für die Anwendung einzelner Strategien bestimmte zusätzliche Maßnahmen empfohlen, die allen Schülerinnen und Schülern eine in etwa gleiche Steigerung ihrer Lernergebnisse ermöglichen sollen.

Zum anderen kategorisiert Marzano die Unterrichtsstrategien (und andere Interventionen) danach, was sie im Lernenden aktivieren:

1. Am wichtigsten sind die Auswirkungen auf das Selbst (self-system). Darunter fasst Marzano zusammen, wie Lernende ihre Fähigkeiten einschätzen, welche Bedeutung bzw. welchen Wert sie dem Lerngegenstand beimessen und wie wahrscheinlich der eigene Lernerfolg für sie ist.

2. Die Lernwirksamkeit hinsichtlich des meta-kognitiven Systems (meta-cognitive system) steht an zweiter Stelle. Es geht darum, wie Schülerinnen und Schüler für sich selbst Lernziele festlegen, wie sie ihre Lernprozesse in Richtung auf diese Ziele überwachen und wie sie mit auftauchenden Schwierigkeiten umgehen.

3. Zuletzt folgen die Auswirkungen auf das kognitive System, also auf das Denken und den veränderten gedanklichen Umgang mit dem vorliegenden Material, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Geoff Petty (22009: 73) gibt dazu folgenden Hinweis: “He [Marzano] argued that the self-system activates the meta-cognitive system, which activates the cognitive system, which creates learning! (No wonder teaching is so difficult!)” Vorrang räumt Marzano aufgrund seiner Meta-Analysen dem Selbst ein, welches das meta-kognitive System aktiviert. Letzteres setzt das kognitive System in Gang. Diese wechselseitige Aktivierung löst letztlich Lernprozesse aus. Dass Unterrichten wirklich nicht einfach ist, haben wir schon vorher gewusst!

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