Читать книгу ...und am Ende war nur noch ohnmächtige Wut ! 1. Teil - Ingeborg Schob - Страница 5
Kapitel 03 Der gefürchtete Schulweg
ОглавлениеDen Schulweg gingen Freddie und ich sehr oft gemeinsam, denn der Unterricht begann für uns meistens um acht Uhr morgens. Bis auf die Zeit im Winter, hatten wir fast täglich Probleme am Bahnübergang. Der Bahnwärter hielt eine Hühnerschar mit einem sehr aggressiven Hahn. Fast jedes Mal, wenn wir dort vorbei gingen, regte sich der Hahn mit viel Geschrei fürchterlich auf. Er kam von der tiefer gelegenen Kuhweide, die durch einen Graben mit viel Gebüsch zur Straße abgegrenzt war, auf den Gehweg gerast und griff uns an. Er hackte auf uns ein und kratzte uns. Es war oft so schlimm, dass wir unseren Tornister von der Schulter nehmen mussten und diesen an den Riemen haltend gegen das Tier schleuderten, bis es endlich von uns abließ. Wenn wir uns zu Hause darüber beklagten, kamen meine Eltern nicht auf die Idee, irgend etwas dagegen zu unternehmen.
Der Hahn war aber für mich nicht die einzige Hürde, um zur Schule zu kommen. Direkt in Groden stand ein altes, mit Stroh gedecktes Bauernhaus. Vor diesem Haus saß bei gutem Wetter eine Frau mit Dreiecksumhang. Sie sah aus wie eine alte Hexe. Wenn sie mich sah, rief sie immer, ich solle doch kommen und lockte mich, wie es mir schien, mit ausgestrecktem Arm und gekrümmtem Zeigefinger zu sich.
Das machte mir Angst, und durch die Geschichten aus Grimms Märchen gewarnt, rannte ich jedes Mal mit heftig klopfendem Herzen weg. Vielleicht brauchte die Frau Hilfe, aber ich war sehr misstrauisch und dachte nicht an so etwas. Erst in der Schule fühlte ich mich wieder sicher. Später machte ich es so, dass ich von vornherein schnell an dem Haus vorbei rannte, um der Alten keine Gelegenheit zu geben, mich zu rufen.
Auf dem Schulweg konnte man den Elbdeich aus der Nähe sehen. Eines Tages gegen Mittag, als ich nach Hause ging, sah ich ein gewaltiges Schiff auf der Elbe Richtung Hamburg fahren, dessen Aufbauten und riesige Schornsteine hoch über den Deich hinweg ragten. Ich staunte sehr, denn so ein schönes großes Schiff hatte ich noch nie gesehen. Es war die MS Bremen.
Ach, was war das für ein Ereignis!
Die MS Bremen war das berühmte Flaggschiff des Norddeutschen Lloyd, dass das Blaue Band gewonnen hatte. Bei ihrer letzten Atlantiküberquerung Richtung Deutschland gleich nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, hatte sie zur Sicherheit zunächst Murmansk in Russland angesteuert, um später den Heimathafen in Deutschland anzulaufen.