Читать книгу Karo - Die Reise - Ingo Boltshauser - Страница 7

4

Оглавление

Als sie das Dorf endlich erreicht hatten, war es früher Nachmittag, und die Versammlung noch immer in vollem Gang. Boro, der Dorfälteste, stand sofort auf, als sie das Nordtor passierten, und wollte sie wieder wegschicken, denn abgemacht war, dass sie erst kurz vor dem Eindunkeln heimkehren sollten. Doch dann bemerkte er, dass die Jungen eine improvisierte Bahre aus den Stämmchen junger Tannen zwischen sich trugen, und hielt inne.

Neugierig trat er näher. Karo, Matu und die beiden anderen Jungen, die den Verletzten das letzte Wegstück geschleppt hatten, setzten die Bahre entkräftet ab. Boro beugte sich tief über den verletzten Mann und musterte ihn von oben bis unten.

„Ein Fremder“, sagte er, mehr zu sich als zu den anderen Erwachsenen, die inzwischen ebenfalls näher gekommen waren. „Wo habt ihr ihn gefunden?“

Karo erzählte seine ganze Geschichte: Die Kaninchenjagd, die Geräusche vom anderen Flussufer, seine vergeblichen Versuche, mit dem Fremden zu reden, der anstrengende Weg zurück. Als er geendet hatte, blickte er Boro erwartungsvoll an. Dieser schwieg lange. Dann sagte er so laut, dass alle es hören konnten: „Du hast richtig gehandelt.“

Jetzt drängte sich Nala durch die dicht stehende Menge und kniete sich neben dem immer noch Bewusstlosen nieder. Nala war die Heilerin des Dorfes. Sie war weder jung noch alt und lebte seit dem Tod ihres Mannes allein in ihrer Hütte. Die beiden Töchter die ihr geblieben waren, hatten schon längst eigene Familien gegründet. Solange sie den Blick abgewendet hielt, war sie keine eindrucksvolle Erscheinung. Eher kleingewachsen, die Schultern schmal und hängend, die Haare meist zu einem langen Zopf geflochten. Doch wenn sie einen ansah, schlug sie jeden sofort in ihren Bann. Ihre Augen waren reine Güte und reines Verstehen.

Sie legte die Hand auf die Stirn des Fremden, um seine Temperatur zu fühlen. Danach suchte sie an seinem Hals nach dem Puls und legte ihr Ohr an seinen Mund, um die Atmung abzuhören. Schliesslich wandte sie sich dem verletzten Bein zu. Ganz lange besah sie sich die Wunde nur. Dann roch sie daran, drückte vorsichtig auf die aufgeschwollenen Ränder und zog schliesslich ganz leicht am abgebrochenen Pfeil, was dem Fremden sofort ein leises Stöhnen entlockte. Offenbar befriedigt erhob sie sich und sagte: „Bringt ihn in meine Hütte.“ Dann, als sie bemerkte, dass alle Dorfbewohner sie neugierig musterten, fügte sie hinzu: „Ich glaube, er wird überleben.“

Sie nahmen die Bahre wieder auf und trugen sie zu Nalas Hütte. Da Nala allein lebte, hatte sie die Trennwände, die bei Familien normalerweise die Schlafkojen abtrennten, herausgenommen, was die Hütte grösser wirken liess. Ihre Bettstatt stand nahe beim Ofen. Direkt daneben, im dämmrigen Zwielicht kaum zu erkennen, gab es einen Durchbruch, der in einen Anbau führte. Dort befand sich das Krankenlager. Das Bett war direkt an die Rückwand des Steinofens gestellt, so dass Kranke und Verletzte auch im tiefen Winter nicht frieren mussten. Eine Ecke des Raumes war durch eine Holzwand abgetrennt. Dahinter, wusste Karo, befanden sich die Heilmittel: lange Regalreihen, voll mit getrockneten Kräutern, Salben, Ölen und Tinkturen. Schon oft hatte er hier gestanden und gewartet, bis ihm Nala ein Mittel gegen Fieber, Prellungen, Schnittwunden oder was immer ihn plagte zusammengestellt hatte.

Vorsichtig legten sie Walda aufs Bett. Er stöhnte leise, wachte aber noch immer nicht auf. „So, und jetzt raus hier“, sagte Nala.

Karo warf noch einen letzten Blick auf den Verletzten und wandte sich ab, da spürte er Nalas Hand auf seiner Schulter. „Du nicht“, sagte sie. „Du hast ihn zu uns gebracht, also kannst du mir auch helfen.“

Nala holte eine Schere und schnitt damit vorsichtig die Hose rund um die Beinwunde auf. Dann betrachtete sie die Verletzung eingehend. „Wir brauchen Wasser“, sagte sie. „Viel heisses Wasser.“

Karo ging in den vorderen Raum und öffnete die Ofenklappe. Die Glut war vollständig heruntergebrannt. Bis wieder ein Feuer brannte und genügend Wasser kochte, würde viel Zeit vergehen. Also trat er vor die Hütte. Die Versammlung hatte sich inzwischen aufgelöst, aber noch immer standen viele Dorfbewohner in Gruppen beieinander und diskutierten die Ereignisse dieses aufregenden Tages. Karo sprach mit ihnen. Sofort gingen einige Leute los mit dem Versprechen, ihm so viel kochendes Wasser zu bringen, wie er brauchte.

Als er zurück in die Hütte kam, war Nala nirgends zu sehen. Dann hörte er sie hinter der Bretterwand hantieren, und kurz darauf kam sie mit Töpfchen und Büscheln getrockneter Kräuter zurück. Er nahm ihr die Sachen ab, legte sie auf einen kleinen Tisch und kniete dann neben ihr am Bett nieder.

„Was machen wir nun?“, fragte er. Er glaubte schon, sie habe ihn nicht gehört, denn sie konzentrierte sich wieder ganz auf die Beinwunde, doch dann sagte sie: „Zuerst einmal muss der Pfeil raus. Wo bleibt das Wasser?“

„Kommt gleich“

„Gut.“ Sie holte im Nebenraum verschiedene Krüge und Becken. In ein breites Becken gab sie feine Holzschnitzel und grosszügig bemessene Mengen verschiedener Kräuter. „Beinwell, Taubnessel, Wundklee und Thymian“, erklärte sie dazu. „Mit dem Sud werden wir die Wunde auswaschen.“ In einen hohen Krug gab sie Brennnessel, Hauhechel und ein wenig Johanniskraut. „Das hilft ihm, das Gift aus dem Blut zu spülen“, sagte sie. Karo hörte nur halb hin. Wenn die Jungen unter sich waren, lachten sie oft über Nalas Schrulle, jede ihrer Handlungen mit einem Vortrag zu begleiten.

Schliesslich setzte sie in einem dritten Gefäss Lindenblüten an. „Und wogegen helfen die?“, fragte Karo der Höflichkeit halber. Nala lächelte. „Gegen den Durst. Den wird er sicher haben, wenn er alles überstanden hat.“

Dann trug sie ihm auf, getrocknete Sanddornbeeren zu zerstossen und mit ein wenig kaltem Wasser anzusetzen. Hier brauchte er keine Erklärung. Sanddorn war Nalas Lieblingsarznei, denn die Beeren halfen, nach einer Erkrankung oder Verletzung, schnell wieder zu Kräften zu kommen.

Er war gerade fertig damit, als Nalas ältere Tochter als erste einen Topf kochendes Wasser brachte. Sie übergossen die Beinwellmischung und warteten, bis sie gezogen hatte. Dann schöpfte Nala mit einem Sieb sorgfältig sämtliche Kräuter und Holzschnitzel ab, tränkte ein sauberes Tuch im Sud, wartete, bis es nicht mehr ganz so heiss war und reinigte damit das Bein rund um die Wunde. Aus einem weiteren Tuch drehte sie einen dicken Knebel. „Steck ihm den zwischen die Zähne. Er wird ihn brauchen, damit er sich nicht die Zunge abbeisst“, sagte sie.

Langsam wurde Karo nervös. So ernst und konzentriert hatte er Nala noch nie erlebt. „Wird es gefährlich?“, fragte er.

Sie lächelte gezwungen. „Ich kann es dir nicht sagen. Wenn wir beim Herausziehen des Pfeils keine wichtige Blutbahn verletzen, wird es keine grosse Sache sein. Sonst…“

„Sonst?“

„Es wird schon gut gehen. Halt sein Bein.“

Karo gehorchte und fixierte das Bein beidseits der Wunde mit den Händen.

„Nicht so, du musst es richtig fest halten.“

Er überlegte, dann schob er das gesunde Bein auf die Seite und setzte sich rittlings auf den Unterschenkel des verletzten. Mit seinem ganzen Gewicht drückte er Waldas Knie nach unten.

„Gut so. Halt fest.“ Sie packte den Pfeil. Zuerst zog sie nur vorsichtig daran, doch dann riss sie ihn mit ganzer Kraft aus der Wunde. Die Widerhaken rissen Fleisch und Haut mit. Waldas Oberkörper bäumte sich auf. Seine Augen waren weit aufgerissen, und trotz des Knebels hallte ein entsetzlicher Schmerzenslaut durch das kleine Krankenzimmer. Auf seiner Stirn standen Schweisstropfen, und sein Atem ging stossweise. Sein Bein zuckte spastisch und Karo wäre um ein Haar abgeworfen worden.

Dann sackte er kraftlos in sich zusammen. Karo glaubte schon, er sei tot, doch Nala beruhigte ihn. „Er ist nur wieder besinnungslos.“

Karo spürte etwas Feuchtes an den Händen und schaute nach unten. Aus der Wunde quoll das Blut über den Oberschenkel. Die Tücher unter dem Bein waren schon ganz rot. Seltsamerweise lächelte Nala zufrieden. „Keine Sorge“, sagte sie. „Wenn die Verletzung schlimm wäre, dann würde das Blut nicht fliessen, sondern spritzen. Es ist sogar gut, wenn es blutet. So wird der Dreck aus der Wunde gespült.“

Nach einigen Augenblicken legte Nala aber doch eine kleine Stoffkompresse auf die Wunde und hielt Karo an, diese festzudrücken. Sie selbst begann, die Wundränder mit der Beinwelltinktur gründlich zu reinigen. Anschliessend entfernte sie vorsichtig den Schorf, was Walda immer wieder ein Stöhnen entlockte. Sein Bein zuckte, und Karo versuchte, es mit der freien Hand zu fixieren. Schliesslich sagte ihm Nala, er solle die Kompresse von der Wunde nehmen. Die Blutung war noch nicht restlos gestillt, aber schon stark verlangsamt.

Nala setzte ihre Reinigungsarbeit fort. Sie stiess auf eine eitrige Beule, die sie mit einem spitzen, scharf geschliffenen Messer aufschnitt. Den Ausfluss tupfte sie vorsichtig ab, dann kratzte sie das entzündete Gewebe mit dem Messer weg. Zuletzt tröpfelte sie Johanniskraut-Öl auf die Wundränder, legte eine frische Kompresse auf und verband das Bein. „Fertig“, sagte sie und lächelte breit. „Es war einfacher als ich dachte.“

Karo erhob sich. Ihm zitterten die Beine, und wenn Nala ihn nicht gestützt hätte, wäre er hingefallen. Er atmete tief durch. Als er sich wieder einigermassen im Griff hatte, ging er in den vorderen Raum. Dort standen inzwischen zahlreiche Krüge mit heissem Wasser, und jemand hatte unbemerkt ein Feuer im Ofen entfacht. Er goss die Tees an und fragte dann: „Gibt es noch etwas zu tun?“ Er brauchte dringend frische Luft.

„Geh nur, ich komme jetzt gut alleine klar.“, sagte Nala. Sie wusste genau, wie ihm zumute war, und er wusste, dass sie es wusste.

Als er vor die Tür trat, war dort keine Menschenseele zu sehen. Die Sonne stand nur noch zwei Fingerbreit über dem Horizont. Ohne dass ihm das bewusst geworden wäre, hatten er und Nala den halben Nachmittag gebraucht, um Walda zu verarzten. Er ging über den Hof zur Hütte seiner Familie, doch auch dort war niemand.

Langsam ging er zum Südtor und schaute in jede Hütte, ob er jemanden fand. Dafür musste er nur quer über den Platz gehen und links und rechts durch die offenen Türen in die Hütten schauen, denn ihr Dorf hatte einen seltsamen, strengen Aufbau. Rundherum war eine hohe Mauer aus Gusssteinen gezogen, über 200 Schritte lang, 50 Schritte breit und hoch wie zwei Männer. Sämtliche Hütten waren von innen an diese Mauer angebaut. Die Mauer war ein Erbe der Vormenschen, und auch in diesem Fall mochte Karo die Erklärung der Alten, es handle sich dabei um die Fundamentmauern einer riesigen Halle, nicht recht glauben.

Im Norden und im Süden waren breite Durchlässe in die Mauer gelassen, und in weniger friedvollen Zeiten hatten die Ahnen dort Tore angebracht, die aber seit bald einem Leben nicht mehr geschlossen worden waren.

Als Karo das Tor erreicht hatte, hörte er Stimmen aus dem Langhaus dringen, das dort ausserhalb des Dorfes stand. Er näherte sich, und Leo erhob sich von der Treppe, die zum Eingang führte. Neben ihm hatte sich auch sein Hund erhoben, ein riesiges Tier mit zottigem, grauschwarz geflecktem Fell. Das heisst: eigentlich war es nicht Leos Hund. Wie alle Tiere gehörte er der Gemeinschaft. Aber die beiden waren unzertrennlich, und niemand wollte ihm den Hund streitig machen, zumal er trotz seiner Grösse zu nichts nütze war. Er konnte keine Spuren lesen, und für die Arbeit als Hütehund war er viel zu zutraulich und verspielt. Auch jetzt wedelte er mit dem Schwanz und trabte zu Karo, um sich streicheln zu lassen. Einen Namen hatte er nicht. Für alle im Dorf war er schlicht Leos Hund.

Irgendwie passten die beiden perfekt zusammen. Auch Leo war ein Hüne. Stark wie ein Bär und den Alten treu ergeben. Aber seit einem Unfall beim Bäumefällen klappte es mit dem Denken nicht mehr so richtig.

„Du musst gehen“, sagte Leo. „Nur die Erwachsenen dürfen hier sein.“

„Aber ich habe etwas Wichtiges mitzuteilen. Der Fremde wird wieder gesund“, widersprach Karo. Er bezweifelte allerdings, dass er Leo damit umstimmen konnte, und so war es denn auch.

„Geh jetzt. Die Alten haben gesagt, dass ich keine Jungen reinlassen darf. Geh.“

„Kannst du mir wenigstens sagen, wo ich die anderen Jungen finde?“

Leo richtete sich bedrohlich auf. „Geh, hab ich gesagt!“ Sein Hund blickte ratlos von einem zum andern und entschied dann, dass es das Beste sei, sich am Boden zusammenzurollen.

Karo zuckte resigniert die Schultern. Mit Leo zu diskutieren war sinnlos. Unschlüssig blieb er vor dem Tor stehen. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Er hatte da so eine Ahnung, wo er die anderen Jungen finden würde.

Er wandte sich nach links. Hier an der Ostmauer hatte der Wald einst fast bis ans Dorf herangereicht, doch jetzt standen hier nur noch kleine Bäume. Birken und Ebereschen zumeist, vereinzelt Föhren. Der richtige Wald begann erst viele hundert Schritte vom Dorf entfernt. Es war schon verrückt: Obwohl sie immer weniger wurden, mussten sie jedes Jahr weiter gehen, um Holz zu schlagen. Vor allem die hoch gewachsenen Eichen und Weisstannen, die das beste Bauholz lieferten, wurden immer rarer und waren immer weiter entfernt. Schuld daran, sagten die Alten, waren die immer längeren Winter und die immer kühleren Sommer. Das Holz wuchs ganz einfach langsamer, als sie es verbrauchten.

Jetzt sah er die anderen Jungen auf der flachen Wiese nahe beim Bach. Sie spielten ein albernes Spiel, das „Wolf und Reh“ hiess und das ihm schon seit Jahren zu kindisch war. Plötzlich verging ihm die Lust, sich zu ihnen zu gesellen, und er schlich unbemerkt zurück ins Dorf.

Aus der Hütte von Nala stieg ihm ein verführerischer Duft in die Nase. Zwar nur nach Lauchsuppe mit ein wenig Gerste, dem Gericht, das die Dorfbewohner während der langen Wintermonde fast täglich assen, aber er erinnerte ihn daran, dass er seit dem Mittag nichts mehr gegessen hatte.

Er zögerte einen Moment, dann trat er ein. Nala sass im vorderen Raum am Tisch, tief über einen Teller gebeugt. Als sie ihn eintreten sah, lächelte sie ihn an. „Hungrig?“, fragte sie.

Er nickte.

Sie stand auf, schöpfte ihm aus dem Topf auf dem Herd eine grosszügige Portion der aufgewärmten Suppe in eine Schüssel und lud ihn mit einer Handbewegung ein, zu ihr an den Tisch zu sitzen. Eine Weile schaute sie ihm zu, wie er die Suppe gierig in sich hineinlöffelte, dann sagte sie: „Du hast dich gut geschlagen heute Nachmittag.“

Karo errötete. Mit einem Kompliment hätte er nach seiner ungeschickten Vorstellung zuletzt gerechnet.

„Ich hatte Angst“, gab er schliesslich zu.

„Ich auch.“

„Du?“, wunderte er sich. „Du wirktest so gelassen. Du wirkst immer gelassen.“

Sie lachte freudlos. „Weisst du, wie viele Menschen schon unter meinen Händen gestorben sind? Irgendwann habe ich gelernt, dass es nichts bringt, wenn ich nervös werde. Ich kann nichts tun ausser mein Bestes zu geben, und das kann ich nur geben, wenn ich ruhig bleibe. Der Rest liegt nicht mehr in meiner Macht.“ Ihr Blick verlor sich im flackernden Licht der Kerze, und Karo bemerkte einen feuchten Glanz in ihren Augen. Das erschütterte ihn mehr als alles andere, was er heute erlebt hatte. Nala, die starke, gütige Nala weinte? Er suchte nach tröstenden Worten, doch ihm fielen nur Banalitäten ein. „Du bist die beste Heilerin, die das Dorf je hatte. Das sagen alle, sogar die Ältesten der Alten“, sagte er schliesslich

„Und ihr seid das beste Dorf, das eine Heilerin sich wünschen kann. Ich habe auch keine Angst davor, dass ihr mir einen Vorwurf macht. Sieh nur dich an. Vor zwei Monden starb dein kleiner Bruder unter meiner Hand, und du sitzt mit mir an einem Tisch und versuchst mich zu trösten.“

Karo bekam einen Kloss im Hals. Keinen Augenblick hatte er daran gedacht, Nala die Schuld am Tod seines Bruders zu geben. Er wollte ihr das erklären, doch Nala winkte ab. „Ich bin es selbst, die sich Vorwürfe macht. Jedes Mal, wenn meine Heilkunst versagt und im Ahnenwald ein neues Grab ausgehoben wird, liege ich nächtelang wach und frage mich, ob ich wirklich das Menschenmögliche gemacht habe.“ Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, setzte eine gezwungen fröhliche Miene auf und sagte: „Weisst du was? Bei Walda hat unsere Heilkunst nicht versagt. Kurz bevor du kamst, ist er für einen Moment aufgewacht. Er hat tüchtig getrunken und gegessen. Er wird es schaffen.“

Sie stand auf. „Ich sollte mich wohl noch auf der Versammlung zeigen. Kannst du hier die Nachtwache übernehmen?“ Dann ging sie zur Tür. Kurz bevor sie ins Freie trat, drehte sie sich noch einmal um und sagte. „Wehe, du erzählst jemandem, dass ich geweint habe. Das ist ein Geheimnis, das nur uns etwas angeht.“

Karo - Die Reise

Подняться наверх