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Inzwischen stand für die Kriegsstudenten des dritten Semesters fest, dass sie noch nicht an den Übungen bei Professor Schultze von Lasaulse teilnehmen konnten. Man würde also, um wenigstens einen Schein machen zu können, den zweifelhaften Versuch unternehmen, Übungen im Verwaltungsrecht zu belegen. Vielleicht mit Erfolg.

In der Scala sah er sich den Film Wildvögel mit Leni Marenbach an, die mit sechzehn Jahren bereits das Klärchen in Egmont und die Luise in Kabale und Liebe gespielt hatte. Im Anschluss an die Nachmittagsvorlesung Bummel mit Clairchen durch den Park.

Freitag musste er an der Uni die Beleggeschäfte für das neue Semester erledigen. Das geschah jetzt zum dritten Mal. Was alles in der Zwischenzeit passiert war, unerhört!

Sonnabend herrschte Matschwetter. Abends war er auf einige Stunden bei Clairchen in ihrer Unterkunft, ganz ungestört. Sie frischte mit einem geborgten Bügeleisen seinen Militärmantel auf. Ein kleines Fläschchen Johannisbeerwein aus Vaters eigener Erzeugung sorgte für einige Stimmung und erotische Atmosphäre. Den nächsten Tag füllte er mit Arbeit am Verwaltungsrecht.

Tags darauf war bis neunzehn Uhr Kolleg. Dann traf er sich mit Clairchen bei Hutmacher. Das Café wurde in den vorderen Räumen weiterhin betrieben, während der Rest mit immer mehr Verwundeten belegt war.

Die Vorlesung in Strafrecht hatte noch immer nicht begonnen, da die entsprechende Fachkraft fehlte. Nach Ansicht des Dekans gab es Probleme zwischen den Lehrkräften und den Fakultäten. Die aktuell so genannte Totalisierungsaktion, die Vereinfachung und Konzentration für den gesamten Hochschulbetrieb bringen sollte, ging wohl hauptsächlich zulasten der Lehrer. Nun hatten die Dekanate über das Ministerium gesiegt.

In Straßburg kam es jetzt angeblich zu Straßenkämpfen. Noch vor wenigen Tagen hatte man dort an der Universität um die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs gestritten. Hier aber, wo die Lehre ohne äußere Störung ablaufen könnte, fehlte es an Dozenten.

Das Wetter brachte jetzt Frost, aber endlich trockene Straßen und Wege. Manchmal meinte Helmut, nichts vom Krieg zu wissen und zu hören. Darauf aber erwachte das Zeitbewusstsein wieder umso stärker. Er stürzte sich auf Zeitungen und Landkarten, um zu erschrecken. Dann erwog er alle Chancen der Wehrmacht, soweit eben seine Einsicht und Übersicht reichten. Es folgten aber auch wieder Stunden, wo nur die Paragrafen wichtig waren und nichts sonst. Oder auch Clairchen und ganz besonders Edith. Clairchen war etwas Selbstverständliches, Nahes, Greifbares geworden. Edith eine Verheißung, wie ein fernes Geschenk, das er doch schon halb besaß und noch nicht ganz besitzen wollte.

Vier Tage in der Woche bedeuteten nun viel unerquickliche Hetzerei, weil auch nachmittags Kolleg war und die Bahn weiterhin unzuverlässig fuhr. Am Freitag besuchte er das Schauspielhaus: Der gebieterische Ruf, mit Clairchen. Wie sie so im Parkett saßen und in der Tiefe der Bühne auf die weiße Leinwand sahen, wurde er melancholisch. Wehmütig dachte er an die vielen Stunden zurück, wo hier auf der Bühne noch echtes Leben herrschte und sich nicht nur Schattenbilder im Spiel bewegten. Die Ahnung ließ dunkle Wolken aufziehen. Wie lange würde ein einigermaßen normales Leben hier in der Stadt noch möglich sein? Nach der Vorstellung gingen sie noch für eine Stunde ins Soldatenheim.

Wie er erst jetzt per Brief erfuhr, war Edith vor einer Woche allein und ohne Vorankündigung bei seinen Eltern gewesen. Das hatte sie bestimmt einige Überwindung gekostet, da man sich ja noch nicht sehr lange kannte, wenn sie auch einen sehr materialistischen Grund vorhalten konnte. Sie hatte nämlich eine Gans mitgebracht. Den Besuch wertete er als ein neuerliches offenes Bekenntnis zu ihm. Jeder Brief von Edith bedeutete für Helmut so etwas wie Entscheidungszwang. Vielleicht sollte er nun doch hart sein, dachte er, und mit Clairchen brechen, ohne Rücksicht auf ihre Seelenverfassung. Aber er fürchtete sich vor dem Krach und Ärger, der dann unweigerlich folgen musste.

Am Sonntag zeigte sich das Wetter von der besten Seite, fast wie im Vorfrühling. Abends war er wieder bei Clairchen. Zwei Gläschen „Kakao mit Nuss“ und etwas Pfefferkuchen entspannten die beiden und erzeugten das Gefühl einer gewissen behaglichen Wohnlichkeit. Das Radio spielte leise. Es war der zweite Akt aus Fidelio. Clairchen bügelte seine Feldhose, so verband sich das Nützliche mit dem Angenehmen. Für sie war das eine recht familiäre Situation, sie war glücklich.

Die neue Woche an der Uni begann mit Verwaltungsübungen bei Professor Richter. Für die Studenten war er noch ein etwas problematischer Mann. Nach der ersten Klausur würde man sich ein besseres Bild von ihm machen können. Um neunzehn Uhr war das letzte Kolleg beendet. Zehn vor neun fuhr der Zug zurück, also ging er so lange zu Hutmacher. Das Café war wegen seiner geschmackvollen Ausstattung immer noch ein Anziehungspunkt.

Dienstag hatte Helmut Zeit und konnte mittags im Gloria-Palast Das war mein Leben sehen, mit Leni Marenbach und Karl Raddatz. Ein bemerkenswerter Film mit viel Milieu, kulturell geradezu eine Fundgrube, meinte er. Abends holte Clairchen ihn vom Bahnhof ab. Ihre Treue und Anhänglichkeit bedrückte ihn jetzt. Sie war für ihn ein fabelhafter Mensch und lieber Kamerad. Sie verbrachten nur kurze Zeit miteinander, denn er war so müde, dass er schon um neun ins Bett ging.

Sechster Dezember neunzehnhundertvierundvierzig, ein folgenschweres Datum jährte sich für Helmut zum zweiten Mal: 5. Inf. Rgt. (mot) 51, bei Michalkin am Ilmensee. Ein Schuss fiel. Er war unzweifelhaft in der Absicht abgegeben worden, ihn tödlich zu treffen. Der russische Schütze jedenfalls wollte dies, davon war er überzeugt. Es erwischte die rechte Hand.

Ihm kamen nun die Verse von Alfred Scholz in den Sinn, die er um diese Zeit in Starija Russa aufgeschrieben hatte: „Am verfluchten Ilmensee“. Ich aber lebe noch, dachte Helmut. Zwar bin ich seither im Lazarett, nach zwei Jahren noch immer. Aber diese Jahre darf ich wohl auf der Plusseite meines Daseins buchen, eine wundervolle Zeit. Vielleicht die bisher beste meines Lebens. Dabei findet um mich herum der ärgste Existenzkampf eines Volkes statt.

Helmut war nur wenige Wochen als Soldat an der Ostfront gewesen. Dann war der Schuss gefallen, ein paar Tage Fieber und Wundmattigkeit. Doch darauf begann das Leben erstaunlicherweise schöner und üppiger als je zuvor. Noch war die Rechte ziemlich unbrauchbar, aber das machte sich bisher nicht als großes Hindernis bemerkbar. Nicht einmal das Selbstbewusstsein hatte darunter gelitten. Immerhin hatte ihn die Verwundung zwei Jahre aus dem blutigen Ringen der Zeit herausgenommen. Zwei Jahre aufgehoben. Wofür, konnte er nicht sagen. Vielleicht zurückgehalten für das Leben, wer wusste das schon. Bereitgehalten für eine Aufgabe, mag sein. Er wollte hoffen und vertrauen.

Von der Mutter kam heute ein Brief. Ihm war ein Zeitungsausschnitt beigelegt, eine Todesanzeige für Studienrat Papenfus:

Statt besonderer Anzeige. - Nach kurzer schwerer Krankheit verschied am Sonnabend, dem 25. November, mein lieber Sohn, guter Vater, unvergeßlicher Verlobter - Studienrat Dr. Franz Papenfus - im Alter von 56 Jahren, wohlvorbereitet für die Ewigkeit.

Das ehemalige „Korridorgespenst“ lebte also nicht mehr. Der Schrecken ungezählter Mathematik- und Physikstunden war dahingegangen. Kein Schüler würde mehr vor ihm bangen müssen. Helmut hatte ihn gehasst und gefürchtet wie nie einen Pauker zuvor oder danach. Sein Zynismus war ihm unvergesslich geblieben. Jeder Malariaanfall, der Papenfus für Tage oder gar Wochen vom Unterricht fernhielt, wurde von den Schülern mit diabolischer Freude begrüßt. Privat aber war er wohl ein umgänglicher Mensch gewesen, vielleicht sogar sehr hilfsbereit. Er war kein Nationalsozialist, was man in dieser Zeit vermuten sollte, sondern er gehörte zum schwärzesten Zentrum. Gegen Helmut hatte er sich nie schlecht oder gehässig gezeigt. Mit anderen dagegen befand er sich oft im Kleinkrieg. Vielleicht war er nur ein Opfer seines Kriegsleidens. Helmut sah wieder die kleine hagere Gestalt vor sich. Gelbledern die Gesichtshaut, schwarz das Haar und der Bart auf der Oberlippe. Die Schultern immer wie im Krampf hochgezogen. Die Eckigkeit seiner Armbewegungen erinnerte irgendwie an eine Maschine. Im Sommer trug er einen weißen Leinenanzug, dazu einen Binder wie ein Schnürsenkel. Die Socken hatte er meist mit Leukoplast an die Beine geklebt. Für Helmut blieb Papenfus eine ständige Schulerinnerung, der typische Pauker.

Jetzt, wo die Zietenschule weit hinter ihm lag, dachte er oft mit einem leisen Lächeln an diese Zeit zurück. Mit dem Augenblick, als er die Schule verließ, waren auch aller Hass und alle Liebe erloschen, soweit sie Papenfus betrafen. In diesem Sommer, während seines achtwöchigen Urlaubs zuhause, hatte er Papenfus einmal gesehen. Ein müder Mann mit eingezogenem Kopf und den unvermeidlich hochgezogenen Schultern. In der Hand hatte er ein Milchkännchen gehalten. Bemerkenswert war übrigens die Tatsache seiner Verlobung mit Fräulein Hallmann, einer von Helmut hochverehrten Lehrerin am Lyzeum. Wenn er manchmal gemeint hatte, nur Papenfus‘ Zynismus halte ihn noch am Leben, so schien wohl das doch nicht so gewesen zu sein. Eigentlich wäre ihm ein schönes Alter in seiner Gartenvilla zu wünschen gewesen.

Am siebten Dezember hatte die Mutter Geburtstag. Zufällig trafen gerade zu diesem Datum zwei Pakete mit Nachschub von daheim ein, sodass er fast glauben mochte, auch er oder nur er habe Geburtstag. Äpfel und Nüsse aus dem schönen heimischen Garten, eine willkommene Pracht. Wie gut es war, Eltern und eine Heimat zu haben.

Nachmittags hielt er vor der Lazarettbelegschaft den befohlenen Vortrag zu dem Thema Der Staat als Lebensform des deutschen Volkes. Es wurde ein voller Erfolg. Immerhin beachtlich, wenn er daran dachte, dass er seit seiner Einberufung zur Wehrmacht keinerlei Übung in derartigen Dingen mehr hatte. Er konnte seine Zuhörer fesseln. Das gerade trotz, oder wegen, der Sturheit des Lazarettbetriebs feststellen zu können, schien ihm selbst schon erstaunlich. Der Stoff hatte ihm ja keine Schwierigkeiten bereitet, aber ungewiss war die Resonanz bei den Kameraden gewesen.

Zu schaffen machte ihm die seit Wochen katastrophale Nervenlage. Es war einfach unglaublich. Dazu kamen seit einigen Wochen Beschwerden mit der Prostata. Er erinnerte sich an die Zeit vor einem Jahr, an den Beginn des ersten Semesters, da ging es ihm nicht besser als heute. Das war nun Trost und Schreck zugleich. Er frage sich, ob es irgendwann eine endgültige Besserung geben würde, vielleicht nach dem Krieg. Damit verband sich natürlich die Frage nach seiner männlichen Leistungsfähigkeit, was ihm doch allerhand zu denken gab.

Freitag fühlte er sich müde und war in diesem Zustand auch fähig, Clairchen ungerecht und verletzend zu behandeln. Sie war vormittags zu einer Impfung in Breslau gewesen und hatte ohnehin an den Folgen schon genug zu leiden.

Tags drauf versuche er vergeblich, etwas für Weihnachten zu ergattern, das als Geschenk geeignet wäre. Aber es zeigte sich als fast aussichtslos. Für den Vater und Schwager Erhard allerdings hatte er schon lange Tabakmarken gespart und dafür mehr als zweihundert Zigaretten erstanden. Immerhin kostete der Spaß immer noch vierzehn Reichsmark. Dabei wurde ihm klar, was er als Nichtraucher einsparte und wie viel Geld seine Kameraden in blauen Dunst verwandelten.

Edith teilte mit, dass sie ihre erstrebte Reisegenehmigung für eine Fahrt zu ihrer Mutter in die Nähe von Hannover erhalten habe. Sie werde dieses Weihnachtsfest daheim verbringen. Helmut sah sie nur ungern in das Bombengebiet fahren, wenn allerdings auch das Dominium Kobelwitz in letzter Zeit unter Bombern leiden musste. Natürlich hatte er ein wenig gehofft, zusammen mit ihr Weihnachten feiern zu können, entweder bei seinen Eltern zuhause, oder, falls er keinen Urlaub erhalten würde, hier in Kattern. Aber er achtete natürlich ihren Wunsch, das Fest mit Mutter und Schwester zu verleben, zumal die Mutter dringend nach ihr verlangt hatte. Edith würde also am Donnerstag die Reise antreten, aber auf einige Stunden in Breslau unterbrechen. Diese Zeit sollte ihnen beiden gehören.

Die neue Woche begann wie gewöhnlich. Es war etwas wärmer geworden, für Mitte Dezember fabelhaftes Wetter. Helmut war bis neunzehn Uhr an der Uni. Clairchen holt ihn ab und sie gingen bis zur Abfahrt des Zuges nach Kattern noch ins Café Hutmacher. Sie hatte sich frische Dauerwellen legen lassen.

Bis Donnerstag hörte er nichts von Edith. Das war ärgerlich. Als er dann gegen zehn, in der Uni, aus einem Flurfenster schaute, erblickte er sie unverhofft draußen. Sie war also schon da, sein Mädel war gekommen! Bedenkenlos schwänzte er den langweiligen Professor Hesse und eilte zu ihr. Sie blieben den ganzen langen Tag zusammen in der Stadt, obwohl es wieder kälter geworden war. Edith sah gesund aus und war recht munter. Da sie nun erst am nächsten Abend weiterreisen und zuvor ihre Verwandten in Kraftborn, einem Ort in der Nähe, besuchen wollte, fuhren beide um acht dort hin. In Kraftborn gab es eine Kaserne und Kommandobehörden. Er ließ sie jetzt allein, wenn auch ungern. Sie hatte nämlich einen unangenehmen Onkel, der aus unerfindlichen Gründen zürnen würde, wenn er von Ediths Verbindung mit ihm erführe. Sie wollten sich am folgenden Tag um siebzehn Uhr wieder auf dem Bahnhof Kattern treffen.

Am Freitag hatte Helmut bis dreizehn Uhr Vorlesungen. Alle Züge verspäteten sich, denn es hatte geschneit. Das Land war über Nacht weiß geworden. So traf er erst um drei in Kattern ein, von wo aus er Edith anrufen konnte. Unterwegs begegnete ihm Clairchen und er schützte Arbeit vor, um den Nachmittag für Edith freihalten zu können. Eine heikle Situation.

Edith traf dann, wie ausgemacht, auf dem Bahnhof ein, sie war schon vor Helmut da. Freudig berichtete sie von dem völligen Sinneswandel ihres Onkels ihm gegenüber und dass sie erst am Sonnabend spätabends mit ihrer Cousine zusammen nach Hannover fahren werde. So gehörte den beiden der Abend ganz allein, ungetrübt von dem Gedanken, der Onkel könne Ediths Ausbleiben krummnehmen. Die „Braunschweiger Tante“, die Edith schon immer sehr unterstützt hatte, schien sich mächtig für sie eingesetzt zu haben. Leider kannte Helmut sie noch nicht von Angesicht, also freuten sie sich einfach so über die unverhoffte Gelegenheit. Ein kleiner, mehr scherzhafter Streit über das Tragen der falschen Verlobungsringe konnte dem nichts anhaben. Es war nämlich so, dass Edith ihren Ring beständig trug, um die Notlüge ihrer beider Verlobung vor der Herrschaft auf dem Gut glaubwürdig aufrechterhalten zu können. Nun hätte sie wohl gern gesehen, dass Helmut wenigstens dann den Ring trug, wenn sie bei ihm war. Das aber suchte er zu vermeiden, weil ihm das Wissen aus dem Studium sagte, dass es hier auch so etwas wie eine conkludente Handlung gebe, also eine stillschweigende Zustimmung zu der so angezeigten Verbindung. Das aber lag vorläufig noch nicht in seiner Absicht.

Am nächsten Morgen begleitete ihn Clairchen zum Bahnhof. Sie war ahnungslos. Das Gegenteil wäre ihm angenehmer gewesen, redete er sich ein. Er verfolgte den Gedanken aber lieber nicht weiter. Er lenkte sich im Capitol ab: Die goldene Spinne. Dadurch verfehlte er dann Edith, die vormittags mit ihrer Tante in Breslau war. Zurück im Kloster, erhielt er einen Anruf von ihr. Sie werde ihn nochmals besuchen. Um vier dann sahen sie sich. Später, als sie sich wieder verabschieden mussten, standen schon die Sterne am klaren Winterhimmel. Am zehnten Januar fünfundvierzig wollten sie sich wiedersehen, so Gott wolle. Hoffentlich kommt sie ohne Schaden durch alle Fliegerangriffe, betete er, obwohl ihm der Kirchenglaube eigentlich fern war. Er wollte die Zeit jetzt nutzen, seine Verwaltungsarbeit zu Ende zu schreiben.

Am Sonntag war er dann abends bei Clairchen. Sie schien nach wie vor ohne Argwohn zu sein. Was sollte er tun, er konnte, er wollte sich noch nicht entscheiden. Seine komplizierte Lage beschäftigte ihn ohne Unterlass: Wenn ich Edith herzlich gern habe, so schätze ich doch andererseits Clairchens liebe Art und ihr Temperament. Ich kann beide nicht entbehren. Möge mir die eine die Stunden bei der anderen nicht übelnehmen.

Nach Mitternacht gab es Alarm. Durch die klare Winterluft hörte man in der Ferne sehr eindringlich das Donnern und Poltern von Bomben, etwa aus der Richtung Brieg - Oppeln.

Am nächsten Mittag, zwölf bis sechzehn Uhr, war wieder Alarm. Ein Massenansturm auf die Bahn hatte eingesetzt. Hoffentlich war Edith inzwischen wohlbehalten bei ihrer Mutter und Schwester eingetroffen, dachte Helmut. Berichten von Studenten aus Bonn zufolge, deren Universität völlig zerschlagen worden war und die mehrere Tage auf der Bahn hatten zubringen müssen, um Breslau zu erreichen, wurden die Züge bis weit ins Hinterland von Tieffliegern verfolgt. Und es gab Meldungen über den begonnenen deutschen Gegenangriff im Westen. Eine Nachricht, die bei manchem unbestimmte Hoffnungen weckte.

Der Regenbogen ohne Himmel

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