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1957 bis 1969

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Die Jahre zwischen 1957 und 1969 verlebt Weizsäcker als Professor für Philosophie an der Universität Hamburg. Da diese Berufstätigkeit seinen Neigungen sehr entspricht und eher als „geistiges Vergnügen“ denn als Arbeit empfunden wird, ist dieser Lebensabschnitt eine besonders freudvolle Zeit. Indessen ist auch der politische Denker aktiv, und die Kritik an der Gesellschaft, am herrschenden System, wächst stetig an. Auf theoretischer Ebene setzt sich Weizsäcker intensiv mit globalen Problemen auseinander. Daneben arbeitet er praktische Themen konkret aus, die ihm persönlich besonders am Herzen liegen, so z.B. „die politische Verantwortung des Nichtpolitikers“ und die „Bedingungen des Friedens“.12

Seine „Gedanken über die Zukunft des technischen Zeitalters“ bringt er bei einem Festvortrag in der Hamburger Handelskammer zu Gehör (1965). Der Ton wird kritischer, bleibt aber gemäßigt. Von einer ausgesprochenen Protesthaltung ist trotz aller Seitenhiebe auf einige Fehlentwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kaum etwas zu spüren. Als seriöser Wissenschaftler will und muss er glaubhaft bleiben. Es geht darum, mit kompetenten, sachlichen Äußerungen ohne Emotionen möglichst gute Wirkungen zu erzielen.

Weizsäcker genießt bereits in den späten Fünfzigerjahren ein hohes Ansehen im In- und Ausland. Die zahlreichen Ehrungen, die ihm seit 1957 zuteil werden, bestätigen dies eindrucksvoll. 1959 erhält er das Große Bundesverdienstkreuz, 1961 den Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste. 1963 ist eine traditionell besonders öffentlichkeitswirksame Auszeichnung an der Reihe – der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Dann bricht die 68er-Bewegung über Deutschland herein. Die Studenten gehen auf die Barrikaden und fordern basisdemokratische Reformen. Ihr gewaltsamer Aufruhr erschüttert das Land, zerschmettert aber neben Mobiliar und sonstigen Sachgütern auch einige Verkrustungen, die der bürgerliche Konservatismus mit seinem bequemen Obrigkeitsgehorsam erzeugt hatte. Obwohl der neue Drang nach individueller Freiheit bald nachlässt und die heftigen Proteste wirkungslos zu verpuffen scheinen, setzt die Bewegung doch ein markantes Mahnzeichen für die gesamte Kultur. Weizsäcker sieht sich allerdings mit Verhaltensweisen konfrontiert, die ihm nur mit äußerster Selbstbeherrschung erträglich sind. Wie er als Vertreter des „Establishments“ attackiert wird, obwohl er in ausgeprägt liberaler Haltung wirklich gesprächsbereit ist, raubt ihm fast den Atem. Als die Sowjetunion im August 1968 die Tschechoslowakei besetzt, kommt zu diesen Unannehmlichkeiten noch ein stärkeres, politisches „Todeserlebnis“. Jetzt ist er fest davon überzeugt, dass ein Dritter Weltkrieg kommen wird, vermutlich unter Einsatz atomarer Waffen.

Nach diesen Ereignissen kann die Gesellschaft nicht mehr so einfach zur gewohnten politischen Sorglosigkeit übergehen. Viel zu lange war die reale Gefahr des Militarismus und der Rüstungswettläufe aus dem Blickwinkel geraten. Als ausgezeichneter Kenner der politischen Strukturen und Mechanismen, auch der einseitigen militärischen Denkweisen, empfindet Carl Friedrich von Weizsäcker sehr deutlich die enorme Bedrohung. Er ist also durchaus pessimistisch gestimmt, hält es aber für seine erste Pflicht, daran mitzuwirken, die Katastrophe zu verhindern.

1969 übernimmt Weizsäcker den Vorsitz im Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes. Er hat klar erkannt, welche Verantwortung westliche Wissenschaft und Technik gerade für die Dritte Welt tragen, und möchte direkte Erfahrungen sammeln. So reist er im November 1969 für fünf Wochen nach Indien, wo er am Ende sogar ein außergewöhnliches religiöses Erlebnis hat. Außerhalb des Protokolls besucht Weizsäcker auch drei Ashrams und das Grab von Ramana Maharshi, einem von den Hindus hoch verehrten Heiligen. An diesem Ort erlebt er eine blitzartig hereinbrechende Bewusstseinsveränderung, die sich mit Worten kaum beschreiben lässt. In diesem Moment sind alle seine Fragen beantwortet.

Carl Friedrich von Weizsäcker

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