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1939 bis 1945 (Zweiter Weltkrieg)

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Bei Kriegsbeginn, am 1. September 1939, war Weizsäcker bereits zweifacher Familienvater. Knapp einen Monat zuvor hatte sich der emigrierte Albert Einstein durch Unterschrift auf einem brisanten Brief Leo Szilards an den amerikanischen Präsidenten gewandt. Der Briefschreiber drängte darauf, den Bau einer Atombombe zu veranlassen, um mit der sich abzeichnenden Bedrohung durch das Dritte Reich fertig zu werden. In Deutschland ahnte niemand etwas davon, schon gar nicht von den realen Konsequenzen dieses Appells. Selbstverständlich blieb das „Manhattan-Projekt“, wie man das forcierte atomare Forschungs- und Rüstungsprogramm der USA seit 1942 bezeichnete, streng geheim.

Weizsäcker wurde bereits im Herbst 1938 dem Heereswaffenamt in Berlin unterstellt, wie Heisenberg und andere Fachkollegen. Sein bisheriger Arbeitsplatz am ehrwürdigen Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik blieb bestehen, doch nun sollte hier die (militärische) Nutzbarmachung der Kernspaltung erforscht werden. Als Ziel wurde eine kontrollierte Kettenreaktion in einem Uranbrenner vorgegeben. Im Erfolgsfall hätte dies fraglos auch friedfertigen Zwecken dienen können, allerdings waren die näheren Umstände eindeutig: Man forderte von den Forschern ganz konkret, die Möglichkeiten zum Bau einer Kernwaffe abzuschätzen.

Außenstehende können kaum begreifen, dass ausgerechnet Weizsäcker, der philosophisch denkende, friedliebende und mit moralischem Feingespür begabte Wissenschaftler, sich daran beteiligte. Auch Werner Heisenberg, der bis 1942 in Leipzig tätig war, wirkte beim „Uran-Projekt“ mit. Otto Hahn wies eine Beteiligung 1939 schroff zurück. Er antwortete mit persönlicher Entrüstung, drohte gar mit Selbstmord, falls Hitler die Verfügungsgewalt über eine Atombombe erhielte. Er hätte diese Konsequenz als seine persönliche Schuld empfunden! Wie konnte ein moralisch empfindender Wissenschaftler 1939 reagieren? Welche Position war die vernünftige? Bei Weizsäcker war die Gemengelage aus rationalen und irrationalen Motiven offensichtlich komplex. Auswandern kam für ihn allerdings überhaupt nicht in Frage. Es gab sicher keine Absicht, die Atombombe zu bauen, aber auch keinen verschwörerischen Plan, es gegebenenfalls zu verhindern.

Einzelne Beweggründe herauszugreifen, wird der Komplexität der Lage nicht gerecht. Auffällig ist nur Weizsäckers Entschlossenheit, unter offenkundig militärischem Auftrag weiter zu forschen, sie ist eine unzweifelhafte Tatsache. Es bestand die erhebliche Gefahr, Hitler in den Besitz einer Atombombe zu bringen, und dies wurde von den Beteiligten anscheinend in Kauf genommen. Die wissenschaftliche Neugier war sicher ein gewichtiger Grund, aber es gab möglicherweise noch ein stärkeres, wenngleich nur halbbewusstes Motiv: Weizsäckers Vorstellung, mithilfe der künftigen Bombe, deren Entwicklung in Anbetracht des weltweiten wissenschaftlichen Fortschritts ohnehin nicht mehr zu verhindern war, könne die Menschheit schließlich die Institution des Krieges endgültig abschaffen, einfach deshalb, weil sie unter dieser immens zerstörerischen Bedrohung dazu gezwungen sein würde. Natürlich setzte dieses Gedankenspiel ein Obsiegen der Vernunft voraus, was angesichts der weltpolitischen Lage äußerst zweifelhaft erscheinen musste.

Carl Friedrich von Weizsäcker

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