Читать книгу Der perfekte Sündenbock - Irene Dorfner - Страница 11
6.
ОглавлениеStaatsanwalt Eberwein war außer sich, als ihm berichtet wurde, dass die Mühldorfer Kriminalbeamten entgegen seiner Anweisung doch im Fall Fuchs ermittelten. Zuerst wollte er den Leiter der Mühldorfer Polizei sofort anrufen, aber das war ihm nicht genug. Er musste in Krohmers Gesicht sehen, wenn er ihn mit den Vorwürfen konfrontierte. Krohmer widersetzte sich seinen Anweisungen und das konnte er nicht durchgehen lassen. Der würde sein blaues Wunder erleben! Wie lange sollte er sich noch von dem Mann auf der Nase herumtanzen lassen? Er hatte endgültig genug davon, und das musste er Krohmer direkt ins Gesicht sagen. Eberwein fuhr wütend los. Seit Wochen kursierte das Gerücht, dass sein Name ganz oben auf der Liste zur Berufung zum Oberlandesgericht stand. Oder ging es sogar um einen noch höheren Posten? Eberwein hatte versucht, an Informationen zu kommen, aber hier kam er nicht weiter. Wenn es so war, dass ein riesiger Karrieresprung kurz bevorstand, durfte das unter keinen Umständen gefährdet werden. Er musste Krohmer und seine Leute zurückpfeifen und sie dringlichst ermahnen, sich an seine Anweisungen zu halten. Ein negativer Bericht aus Mühldorf und er konnte sich seine Beförderung in die Haare schmieren.
Die neue Sekretärin, die fünfunddreißigjährige Maria Rettermaier, reagierte sehr resolut, als Eberwein versuchte, an ihr vorbei ins Büro des Chefs gehen zu wollen. Sie stellte sich ihm in den Weg und ließ sich auch nicht zur Seite schieben, als Eberwein das versuchte, indem er sie grob an den Schultern packte. Sie versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, was ihr nicht gelang. Eberwein kam ihr viel zu nahe, sie konnte seinen Atem spüren, was ihr sehr unangenehm war.
„Lassen Sie mich los und nehmen Sie die Finger weg!“, schrie sie laut. Das war überzogen, aber alle schreckten davor zurück, Kolleginnen zu nahe zu kommen. Zu frisch waren die Berichte in den Medien über sexuellen Missbrauch, die aus Amerika herüberschwappten und auch in Europa bereits um sich griffen. Eberwein war immer noch sehr wütend und gab der Frau einen Schubs, wodurch sie gegen das Regal stieß. Maria Rettermaier schrie laut auf; weniger aus Schmerz, sondern weil sie sich erschrak. Erst jetzt kam der Staatsanwalt zu sich.
„Entschuldigen Sie, Frau Rettermaier, ich wollte nicht…“, stammelte er. „Haben Sie sich wehgetan?“
„Was erlauben Sie sich! Sind Sie nicht ganz dicht? Reißen Sie sich gefälligst zusammen! Hier wird nicht gebrüllt! Und hier wird auch niemand tätlich angegriffen oder gar angefasst! Außerdem stürmt man hier nicht unangemeldet in Herrn Krohmers Büro! Wenn Sie ein Anliegen haben, formulieren Sie dieses in einem anständigen Ton und in angemessenem Auftreten, haben wir uns verstanden?“ Die etwas pummelige, kleine und unscheinbare Frau Rettermaier stemmte die Hände in die Hüften. Es war klar, dass hier nach ihren Regeln gespielt wurde.
„Entschuldigen Sie bitte mein Auftreten. Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten. Das wollte ich nicht. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an.“
„Naja…“, war Frau Rettermaiers Kommentar dazu, den sie mit einer hochgezogenen Augenbraue unterstützte. „Ob das noch ein Nachspiel geben wird, werde ich mir in aller Ruhe überlegen. Es geht nicht, dass Sie einfach versuchen, Ihren Willen durchzusetzen und sich aufführen wie ein Elefant im Porzellanladen. Ich bin enttäuscht, Herr Eberwein, von Ihnen hätte ich mehr erwartet. Warum sind Sie hier? Was wollen Sie? Ich sehe, dass Sie keinen Termin bei Herrn Krohmer haben. Das ist doch richtig, oder täusche ich mich etwa?“ Maria machte es riesigen Spaß, die Situation auszunutzen.
„Nein, ich habe keinen Termin. Trotzdem muss ich unverzüglich Herrn Krohmer sprechen, es ist sehr dringend.“
„Ich sehe zu, was ich machen kann. Setzen Sie sich!“ Frau Rettermaier rief ihren Chef an, wie sie es tat, seit sie am ersten Januar ihre Stelle angetreten hatte. Krohmer hatte sie mehrfach gebeten, in sein Büro zu kommen und persönlich mit ihm zu sprechen, aber das lehnte sie ab. Wenn sie ihn anrief, blieb eine Distanz zwischen ihr und dem Chef, was ihr sehr lieb war. Ihren vorigen Job hatte sie gekündigt, da sie ihren damaligen Chef mit dessen neuer Assistentin in einer eindeutigen Situation überrascht hatte – und das war ihr eine Lehre. Nie wieder wollte sie in eine solch pikante Situation geraten, das war ihr zu peinlich und daran hatte sie immer noch zu nagen.
Krohmer hatte hinter der Tür den Streit mit angehört. Anfangs wollte er einschreiten, aber dann hörte er, dass die anfangs sehr zurückhaltende, schüchtern wirkende Maria Rettermaier alles im Griff hatte. Er war inzwischen sehr zufrieden mit der neuen Sekretärin, die er auf Empfehlung seiner Frau notgedrungen eingestellt hatte, nachdem sich diejenigen, die sich auf die Stelle beworben hatten, allesamt als indiskutabel herausstellten. Frau Rettermaier gefiel ihm eigentlich überhaupt nicht, was vor allem an ihrem ruhigen, fast unterwürfigem Verhalten lag. Er befürchtete, dass sie sich nicht durchsetzen könnte, was ab und zu notwendig war. Schon allein die Kollegen waren oft nicht zimperlich in ihrem Auftreten und der Wortwahl, was ein zartes Gemüt schnell aus der Fassung bringen konnte. Dazu kamen die zahlreichen Anrufe und ungebetenen Besuche, die sie abzuwimmeln hatte. Noch bis vor wenigen Tagen war Krohmer davon überzeugt, dass Maria Rettermaier nicht die Richtige für den Job war, aber dann wurde er eines Besseren belehrt. Bestimmt wies sie einen Kollegen zurecht, der ihr gegenüber pampig geworden war. Und noch am selben Tag konnte sie einen aufdringlichen, übermotivierten Journalisten mit wenigen Worten davon überzeugen, nur mit einem vorab vereinbarten Termin mit dem Chef reden zu können. Als er nun hörte, wie sie den Staatsanwalt zusammenstauchte, der wirklich kein leichter Brocken war, war er schwer beeindruckt. Seine Frau hatte wieder einmal Recht behalten, dass Frau Rettermaier genau die Richtige war. Mit einem Lächeln lehnte er sich zurück und nahm den Hörer in die Hand, nachdem er es sehr lange klingeln lassen hatte.
„Respekt, Frau Rettermaier, gut gemacht. Hat sich der Staatsanwalt ungebührlich verhalten?“
„Ja, aber das werde ich mit ihm klären, damit müssen Sie sich nicht befassen.“ Sie sah dabei den Staatsanwalt an, der immer mehr in sich zusammensackte. Er schämte sich dafür, dass er sich hatte so gehen lassen. Wie konnte ihm das nur passieren?
„In Ordnung. Ich hoffe, er hat seinen Fehler eingesehen?“
„Und ob. Möchten Sie mit dem Staatsanwalt sprechen?“
„Schicken Sie ihn rein, wir wollen ihn nicht länger quälen.“
Maria Rettermaier stand auf und öffnete die Tür zum Büro des Chefs.
„Bitte sehr, Herr Krohmer lässt bitten.“
Eberwein war bemüht, so viel Abstand wie möglich zwischen ihm und der üppigen Blondine zu lassen.
„Ihre neue Sekretärin hat mein Verhalten völlig missverstanden, das müssen Sie mir glauben. Ich würde doch niemals eine Frau unsittlich anfassen, beleidigen oder gar verletzen. Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Sie kennen mich, Herr Krohmer, das ist nicht meine Art.“
„Zunächst einmal: Guten Morgen, setzen Sie sich. Wie ich Frau Rettermaier verstanden habe, wird der Vorfall zwischen ihr und Ihnen geklärt. Was nicht heißt, dass mir die Geschichte nicht im Gedächtnis bleibt.“
„Ja, das ist mir bewusst.“ Eberwein kannte den Mühldorfer Polizeichef sehr gut. Der hatte nicht nur ein sehr gutes Gedächtnis, sondern brachte unschöne Vorkommnisse oder Gefallen immer auf den Tisch, wenn es gerade passte. Dass er sich sein Auftreten noch mehrfach anhören und vorhalten lassen musste, war ihm klar.
„Lassen Sie sich etwas einfallen, womit sie sich gebührend bei meiner Sekretärin entschuldigen. Frau Rettermaier ist neu hier und macht sich ganz gut. Ich möchte nicht riskieren, dass es ihr nicht gefällt und sie sich nicht wohlfühlt. Schaffen Sie das aus der Welt. Ich habe sehr viel Arbeit, Herr Eberwein. Kommen wir gleich zur Sache: Was führt Sie zu mir?“
Der Staatsanwalt, dem vorhin nichts wichtiger war, als Krohmer mit seiner Beschwerde zu konfrontieren und ihm Vorwürfe zu machen, war jetzt sehr kleinlaut. Jede Wut war verraucht.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihre Leute trotz Ihrer Ansage im Fall Fuchs ermitteln. Das geht nicht.“
„Was sagen Sie da? Das kann nicht sein, da müssen Sie sich irren. Ich habe nichts dergleichen gehört. Von wem haben Sie die Information?“
„Die stammt offensichtlich von einem Nachbarn des Kollegen Fuchs, ich erfuhr davon durch Dritte. Anscheinend haben Ihre Leute die Nachbarn befragt, ohne dass sie dazu befugt waren.“
„Meine Leute? Das waren sicher die Kollegen aus Landshut. Hat Ihr Informant Namen genannt?“
Eberwein war immer noch völlig durcheinander. Sind Namen gefallen?
„Herr Eberwein? Hören Sie mir zu?“
„Bitte entschuldigen Sie. Namen der Polizisten sind keine gefallen. Es wurde mir nur zugetragen, dass es Beamte der Mühldorfer Polizei waren. Den Beschreibungen zufolge müssten es Hiebler und Schwartz gewesen sein.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Beide um die fünfzig und recht groß. Einer sah adrett aus, einer trug Cowboystiefel, Lederjacke und ein buntes T-Shirt. Die Beschreibung passt genau auf Hiebler und Schwartz.“
„Für mich passen die auf viele Personen“, log Krohmer, der sich innerlich sehr darüber aufregte, dass seine Leute wohl jetzt schon aufgeflogen sind. Sobald Hiebler und Schwartz zurück waren, mussten sie gemeinsam besprechen, wie es weitergehen sollte.
Krohmer nahm einen Stift und einen Notizzettel.
„Wir gehen der Sache selbstverständlich nach, auch wenn ich am Wahrheitsgehalt meine Zweifel habe. Trotzdem wollen wir vermeiden, dass die Polizei Mühldorf irgendwie negativ auffällt. Wie ist der Name Ihres Informanten?“
„Der Name ist…“ Eberwein sprang erschrocken auf. Jetzt hätte er fast den Namen verraten, obwohl er versprochen hatte, den herauszuhalten. Der Staatsanwalt ging, ohne sich umzudrehen. Er rauschte an Frau Rettermaier vorbei.
„Was ist denn mit dem los? Haben Sie ihn auch geärgert?“, fragte sie ihren Chef durch die offene Tür.
„Ich habe ihn nach einem Namen gefragt. Offenbar wollte er ihn mir nicht geben. Seltsam. Sonst ist der Staatsanwalt sehr viel mitteilungsbedürftiger.“
Im Wagen atmete Eberwein tief durch. Er hatte sich einer Frau gegenüber gehen lassen, was ihm noch niemals passiert war. Ja, er konnte ungehalten werden und hatte auch kein Problem damit, andere bloßzustellen. Aber er war noch nie handgreiflich geworden, vor allem nicht gegen eine Frau. Was war nur los? Lag ihm seine Karriere so sehr am Herzen, dass er sich deshalb völlig vergaß? Nein, das wollte er nicht, so wichtig war die Beförderung nicht, dass sich sein Charakter so sehr veränderte. Eberwein schämte sich und würde am liebsten alles ungeschehen machen, aber dafür war es zu spät. Das Klingeln seines Handys ließ ihn aufschrecken. Als er die Nummer erkannte, wurde ihm übel.
„Und? Wie ist das Gespräch mit Krohmer verlaufen?“ Dr. Paul Wendel war bester Laune, eine Begrüßung hielt er offenbar für überflüssig.
Eberwein wurde wütend. Er musste die Sache beenden und wollte nichts mehr damit zu tun haben. Dieser selbstgefällige Wendel hatte ihm die ganze Suppe eingebrockt. Er musste jegliche Beziehung zu dem Mann abbrechen, und zwar so schnell wie möglich.
„Ich möchte Sie bitten, mich in dieser Angelegenheit nicht mehr zu belästigen, Dr. Wendel.“
„Was ist denn mit dir los? Siezen wir uns jetzt wieder? Was ist passiert?“
„Bitte lassen Sie mich in Ruhe.“
„Du liebe Güte! Ich wollte dir doch nur einen Gefallen tun, als ich hörte, dass die Mühldorfer nun doch ermitteln. Du weißt doch, was für dich damit auf dem Spiel steht. Deine Karriere ist in Gefahr!“
„Meine Karriere geht Sie überhaupt nichts an. Und ich möchte Sie nochmals bitten, sich nicht mehr in meine Arbeit einzumischen. Lassen Sie mich in Zukunft einfach in Ruhe!“
„Was ist denn nur los mit dir?“
„Ich habe dem nichts hinzuzufügen.“ Eberwein musste standhaft bleiben.
„Soll das heißen, dass du bei unserem gemeinsamen Vorhaben auch nicht mehr dabei bist?“
„Ja, das heißt es. Und ich möchte Sie nochmals bitten, mich nicht mehr zu duzen, Dr. Wendel, unterlassen Sie das!“ Eberwein hatte aufgelegt und stöhnte auf. Dieser Mann war an allem schuld. Nur auf dessen Drängen hin hatte er sich dazu hinreißen lassen, den Fall Fuchs den Landshuter Kollegen zu übergeben. Wie hatte er das nur zulassen können? Dr. Wendel hatte gute Kontakte zum Justizministerium. Durch ihn hatte er von der bevorstehenden Beförderung erfahren, die ihm vorher auch durch andere Stellen zu Ohren gekommen war. Nichts Konkretes, nur vage Andeutungen, mehr nicht. Trotzdem hätte sich Wendel nicht in seine Arbeit einmischen dürfen, das ging zu weit. Die Argumentationen seines neuen und nun ehemaligen Freundes waren überzeugend gewesen. Ja, mit der bevorstehenden Beförderung konnte er sich keinen Skandal leisten, auch wenn dieser von der Mühldorfer Mordkommission verursacht werden sollte. Er war schließlich der zuständige Staatsanwalt und sein Name würde automatisch auch auftauchen. Das hatte ihn schließlich überzeugt. Dr. Wendel war sehr geschickt darin, Menschen für sich zu gewinnen und zu manipulieren, was ihm offenbar in seinem Fall gelungen war. Eberwein war jetzt sehr wütend. Auf sich selbst und auf den sauberen Dr. Wendel. Warum hatte er sich nur auf den Mann eingelassen? Eberwein nahm einen Flachmann aus dem Handschuhfach und trank einen Schluck, was er nur tat, wenn er verzweifelt war. Wie konnte es nur so weit kommen? Der Fabrikant und Mühldorfer Stadtrat Dr. Wendel und er kannten sich aus dem Tennisclub. Eberwein war kein sehr aktiver Sportler, seine Frau hingegen schon. Er begleitete sie manchmal zu Vereinsmeisterschaften, bei denen er sie anfeuerte. Dabei unterhielt er sich notgedrungen mit anderen Vereinsmitgliedern, was er nur seiner Frau zuliebe machte. Dr. Wendel lernte er vor wenigen Monaten kennen. Sie verstanden sich auf Anhieb, was beim Staatsanwalt nicht oft vorkam. Seitdem pflegten die beiden, gemeinsam mit ihren Ehefrauen, einen regen Umgang, den man auch als Freundschaft bezeichnen konnte. Vor vier Wochen wurde das Verhältnis zwischen den beiden auf eine andere Ebene gesetzt, und zwar auf eine geschäftliche, die dem Staatsanwalt gut gefiel. Es ging um eine Grundstücks- und Immobilieninvestition, wozu offensichtlich noch keine genauen Pläne vorlagen. Aber die Rendite im zweistelligen Bereich, die ihm versprochen wurde, war sehr verlockend.
Der Anruf heute Morgen zu einer unchristlichen Zeit hatte Eberwein überrascht. Paul berichtete ausführlich, was zwischen Fuchs und den Zimmermanns vorgefallen war. Woher Paul die Informationen hatte, hinterfragte Eberwein nicht. Das war ein Versäumnis, das er jetzt bereute. Wendel war ein Typ, der einen zutexten und gleichzeitig überzeugen konnte. Es dauerte nicht lange und Eberwein wurde von seinem neuen Freund und künftigen Geschäftspartner dazu überredet, den Fall Fuchs abzugeben, auch wenn Paul das überhaupt nichts anging. Trotzdem klangen die Argumente für Eberwein überzeugend und er hatte darauf reagiert. Jetzt schämte er sich dafür, dass er sich von einem Außenstehenden hatte reinquatschen und überreden lassen. Nein, das hätte er nicht machen dürfen. Das war ein Fehler, den er jetzt schnellstens bereinigen musste. Er trank einen weiteren Schluck, stieg aus und betrat erneut das Gebäude der Polizeiinspektion Mühldorf am Inn. Eberwein musste vor Krohmer zu Kreuze kriechen und alles beichten. Das war ein unangenehmer Gang, aber den musste er beschreiten, wenn er noch rechtzeitig die Reißleine ziehen wollte, bevor noch auf ihn selbst ein schlechtes Licht geworfen wurde.
Dr. Paul Wendel war irritiert. Der Staatsanwalt hatte einfach aufgelegt, nachdem er ihm die Freundschaft und die geplante Zusammenarbeit gekündigt hatte. Wendel wurde wütend. Was fiel diesem windigen Staatsdiener eigentlich ein, so mit ihm umzugehen? Viele andere würden sich die Hände reiben, wenn er sie als Freund bezeichnen würde und ihnen eine Zusammenarbeit anböte. Er goss sich einen Wodka ein, auch wenn es dafür eigentlich noch viel zu früh war. Es klopfte und seine Sekretärin trat ein.
„Jetzt nicht!“, herrschte er sie an, woraufhin sie umgehend verschwand. Sie kannte die Launen des Chefs und wusste, wie sie damit umzugehen hatte. Für die nächsten Stunden war es besser, ihm nicht zu begegnen.
Dr. Wendels Wut auf Eberwein stieg. Das hatte der Staatsanwalt nicht umsonst gemacht! Er würde seine Kontakte spielen lassen und versuchen, Eberwein ans Bein zu pinkeln. Wie er das machen würde, wusste er noch nicht, aber dazu fiel ihm ganz sicher noch etwas ein. Die Beförderung konnte sich der Typ auf jeden Fall in die Haare schmieren, dafür würde er sorgen!
Dr. Wendel wählte nach einem weiteren Wodka die Nummer in seinem Privathandy, mit der er in den letzten Monaten regen Kontakt pflegte.
„Wir müssen damit rechnen, dass sich die Polizei Mühldorf vermutlich nun doch in den Mordfall Zimmermann einmischen wird. Noch ist nichts spruchreif, aber ich rechne fest damit.“
„Warum denn das? Hattest du nicht vollmundig damit geprahlt, dass du das klären wirst?“
„Ja, das habe ich. Was soll ich machen? Es ist, wie es ist.“
„Du hast hoffentlich meinen Namen aus der Sache rausgehalten!“
„Selbstverständlich, ich bin doch kein Idiot. Der Staatsanwalt hat nicht einmal wissen wollen, woher ich meine Informationen habe. Den habe ich so belabert, dass er gar nicht erst auf die Idee kam, mich zu fragen. Auf mich kannst du dich verlassen, das weißt du doch. Also bleib locker und reg dich nicht auf. Wie weit bist du mit deiner Arbeit?“
„Mach dir um mich keine Sorgen, bei mir läuft alles wie geschmiert.“
„Es gibt noch etwas: Eberwein ist abgesprungen, er ist nicht mehr dabei.“
„Endgültig?“
„Ja.“
„Verdammter Mist! Der Staatsanwalt hätte als Investor sehr gut gepasst. Mit ihm und seinen Kontakten hätten wir es leichter gehabt. Warum ist er abgesprungen? Was hast du getan?“
„Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Ich kümmere mich um einen adäquaten Ersatz.“
„Soll ich das nicht übernehmen?“
„Nein, ich mache das schon“, brummte Wendel, der noch keinen blassen Schimmer hatte, wer dafür in Frage käme. Er kannte zwar jede Menge Leute, war aber in der Auswahl seiner Geschäftspartner sehr wählerisch.
„Vermassele die Sache nicht, hörst du?“
„Halt die Klappe und kümmere dich um deine Angelegenheiten.“