Читать книгу Der perfekte Sündenbock - Irene Dorfner - Страница 8

3.

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Der Staatsanwalt war endlich weg und Krohmer atmete erleichtert auf. Warum hatte Eberwein gerade heute so viel Zeit und textete ihn zu?

Krohmer griff zum Telefon und rief Dr. Wilhelm Grössert an, den Vater von Werner Grössert und seines Zeichens Anwalt in Mühldorf. Er erklärte dem Mann ausführlich, was vorgefallen war. Auch Krohmer hatte die Vermutung, dass die Unterlagen, die ihm vorlagen, nicht vollständigen waren, was er Dr. Grössert auch mitteilte.

„Ich spreche mit Herrn Fuchs. Wenn er nicht möchte, dass ich ihn vertrete, kann ich leider nicht mehr tun.“

„Ich habe erfahren, dass Fuchs jeglichen juristischen Beistand ablehnt. Der Sturschädel ist sich offensichtlich nicht bewusst, in welcher Lage er sich befindet. Machen Sie ihm klar, dass es sehr schlecht um ihn steht.“

„Ich werde mein Möglichstes tun, versprochen. Wer sagten Sie, leitet die Ermittlungen?“

„Sebastian Wild.“

„Mit ihm spreche ich zuerst und lasse mir die aktuellen und hoffentlich vollständigen Unterlagen aushändigen, wovon Sie selbstverständlich Kopien bekommen, Herr Krohmer. Erst, wenn ich auf dem aktuellen Stand der Ermittlungen bin, gehe ich zu Herrn Fuchs und versuche, ihn als Mandanten zu gewinnen.“

„Vielen Dank, Dr. Grössert. Sie tun mir damit einen persönlichen Gefallen.“

„Merken Sie sich das für die Zukunft, Herr Krohmer, ich komme gelegentlich darauf zurück.“

Dann rief Krohmer Tatjana Struck an, die immer noch die diversen Anzeigen sortierte, um sich einen Überblick zu verschaffen.

„Haben Sie Neuigkeiten für mich?“

„Noch nicht, Chef. Wir sind dabei, Informationen über die Opfer und das Verhältnis zu Fuchs zu sammeln.“

„Und?“

„Das sieht nicht gut aus. Die drei haben sich nicht gemocht, das beweisen diverse Anzeigen von beiden Seiten. Wegen jedem kleinen Mist haben die sich gestritten. Könnte es nicht sein, dass die Sache doch eskaliert ist?“

„Nein, auf keinen Fall. Fuchs ist unschuldig und damit basta!“ Krohmer knallte den Hörer auf. Er wollte nicht hören, dass man an der Unschuld seines langjährigen Mitarbeiters zweifelte. Er schätzte Fuchs sehr und wollte einfach nicht glauben, dass er zum Verbrecher wurde.

Der Tag war für Krohmer gelaufen, als ihn der Anruf Eberweins erreichte. Er hatte sich nach einem ausgiebigen Frühstück gerade von seiner Frau verabschiedet und war auf dem Weg ins Büro. Fassungslos hatte Krohmer mit anhören müssen, was Fuchs vorgeworfen wurde und dass es der Mühldorfer Kriminalpolizei untersagt war, in dem Fall zu ermitteln. Verdammter Eberwein! Warum hatte sich der Mann in die Sache eingemischt? Hätte er seine Finger rausgelassen, wären sie für den Fall zuständig gewesen und alles wäre sehr viel leichter. Jetzt mussten seine Leute verdeckt ermitteln, was vermutlich früher oder später Probleme mit sich brachte. Aber darum würde er sich kümmern, wenn es so weit war. Viel mehr ärgerte ihn, dass er sich darum bemühen musste, an die erforderlichen Unterlagen den Fall betreffend zu kommen. Das war nicht leicht. Er traute Eberwein nicht über den Weg. Schon lange hatte er den Eindruck, dass ihn der Staatsanwalt auf dem Kieker hatte. Warum, war ihm noch nicht klar.

Krohmer musste aktiv werden, auch wenn das dem Staatsanwalt nicht schmeckte. Davon musste der ja nichts erfahren. Sebastian Wild leitete die Landshuter Mordkommission. Ein kompetenter und verdienter Kollege, der in Krohmers Augen immer korrekt arbeitete. An ihn musste er sich halten. Dessen Kollegen Habermas, Ackermann und Liebl kannte er nur flüchtig.

Krohmer zögerte nicht, sondern rief Wild an.

„Ja?“, meldete der sich knapp. Als Wild verstand, wer ihn anrief, veränderte sich dessen schlechte Laune schlagartig. „Herr Krohmer? Sie rufen persönlich an? Welche Ehre!“

Krohmer war einen Moment irritiert. War das sarkastisch gemeint oder wie musste er das verstehen?

„Ich nehme an, Sie wissen, warum ich anrufe.“

„Klar. Jeder weiß, dass Ihnen Ihre Leute am Herzen liegen. Wir würden uns über einen solch fürsorglichen Chef auch freuen, sind aber mit unserem auch so zufrieden. Sie wollen Informationen den Fall Fuchs betreffend? Sie wissen, dass ich Ihnen eigentlich nichts sagen darf.“

„Das ist mir bekannt. Trotzdem wollte ich es zumindest versuchen. Ich kenne den Kollegen Fuchs schon sehr viele Jahre und schätze ihn sehr. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er einen Mann verletzt haben soll, von einem Mord oder Totschlag ganz zu schweigen. Ich habe hier nur wenige Informationen vorliegen…“

„Woher stammen die?“

„Sie können sich vorstellen, dass ich meine Quellen habe.“

Sebastian Wild stöhnte laut. Es stimmte also, was man über Krohmer sagte – und er musste sich jetzt mit ihm herumschlagen. Wild war nicht scharf drauf gewesen, diesen Fall zu übernehmen. Er konnte riechen, dass das nur Ärger mit sich bringen würde und darauf konnte er gerne verzichten. Seit heute früh bearbeitete er den Fall und schon liefen Dinge hinter seinem Rücken ab, was er absolut nicht mochte. Wer hatte dem Mühldorfer Polizeichef die Unterlagen gegeben? Und wie sollte er jetzt auf die Anfrage reagieren?

Krohmer wurde nervös. Wie würde Wild sich entscheiden? Die Tatsache, dass er bereits im Besitz einiger Informationen war, gefiel Wild nicht, das konnte Krohmer verstehen. Aber persönliche Befindlichkeiten waren fehl am Platz. Es war klar, dass Krohmer jeden seiner Kontakte nutzen würde, der ihm irgendwie helfen konnte. Er hatte die wenigen Informationen von einem Freund aus der Abteilung für Drogendelikte in Landshut bekommen, der ihm noch einen Gefallen schuldig war. Als die losen Seiten per Fax eintrafen, war Krohmer enttäuscht gewesen, aber diese spärlichen Informationen waren besser als nichts. Eberwein hatte sich nicht für die Mappe interessiert, die er bei der kurzen Besprechung mit den Kollegen bei sich hatte. Zum Glück.

Wild sagte kein Wort, es entstand eine lange Pause.

„Herr Wild? Sind Sie noch da?“

„Selbstverständlich. Sie haben gewonnen, Herr Krohmer. Da Sie ja sowieso keine Ruhe geben und ich befürchte, dass Sie ohne mein Entgegenkommen jede Menge Unruhe stiften, werde ich Ihnen gegenüber mit offenen Karten spielen.“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Das bedeutet, dass ich Sie auf dem Laufenden halten werde, womit ich gegen meine Anweisungen handele. Allerdings habe ich Bedingungen, die Sie dafür erfüllen müssen, sonst erfahren Sie von mir nichts.“

„Wie lauten Ihre Bedingungen?“

„Kein Wort darüber, woher Sie Ihre Informationen haben.“

„Das versteht sich von selbst, ich kann schweigen.“

„Jede Information den Fall betreffend, die auf Ihrem Tisch landet, wird umgehend an mich weitergeleitet. Dabei ist es irrelevant, ob der Kollege Fuchs be- oder entlastet wird.“

„Einverstanden.“

„Außerdem wird sich die Mühldorfer Polizei aus dem ganzen Fall raushalten. Sollte ich mitbekommen, dass da irgendetwas läuft, werde ich ungemütlich.“

„Völlig klar“, log Krohmer, der längst wusste, dass seine Kollegen ermittelten. „Ich habe meine Leute dahingehend heute Morgen instruiert. Hierzu können Sie gerne den Staatsanwalt Eberwein befragen, er war dabei.“

„Das werde ich, Herr Krohmer, darauf können Sie sich verlassen.“

„Noch eine Bedingung?“

„Nein. Wenn Sie sich daran halten, versorge ich Sie mit allem, was den Fall betrifft. Ich frage besser nicht, welche Informationen Sie bereits haben. Gehen wir davon aus, Sie wissen bisher nichts. Geben Sie mir Ihre Mailadresse, dann bekommen Sie, was wir bis jetzt haben.“

„Sie sind sehr kooperativ, Kollege Wild. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht damit gerechnet.“

„Das glaube ich Ihnen gerne. Sie halten sich an unsere Vereinbarungen, ich verlasse mich auf Sie.“ Noch während Wild sprach, wusste er, dass sich Krohmer nicht daran halten würde. Er an seiner Stelle würde das vermutlich auch nicht tun.

Sebastian Wild scannte die Unterlagen ein. Er kannte Krohmer nicht persönlich, dafür aber Hans Hiebler, der eine sehr hohe Meinung von seinem Chef hatte. Hans und er hatten sich während einer Fortbildung kennengelernt und sich auf Anhieb verstanden. Eine schöne Erinnerung, die durch dieses schreckliche Verbrechen getrübt wurde. Wild wollte nicht in Krohmers Haut stecken, sobald dieser die Unterlagen auf dem Tisch haben würde.

Rudolf Krohmer hatte kein schlechtes Gewissen. Ja, er hatte gelogen, was die hiesigen Ermittlungen betraf. Allerdings stand für Fuchs sehr viel auf dem Spiel. Er sah es als seine Pflicht an, alles zu versuchen, um ihm zu helfen.

Die Informationen erreichten ihn nur zwanzig Minuten später. Was Krohmer da las, verschlug ihm die Sprache.

Der perfekte Sündenbock

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