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2.

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Friedrich Fuchs saß in einer kargen Zelle und verstand die Welt nicht mehr. Er wurde in aller Herrgottsfrühe von der Polizei aus dem Bett geklingelt und dann hatte man ihn mit Vorwürfen konfrontiert, die völlig an den Haaren herbeigezogen waren. Er hätte den alten Zimmermann getötet und dessen Sohn schwer verletzt. Schwachsinn! Wie einen Schwerverbrecher hatte man ihn abgeführt. Von Landshuter Kollegen, die in Mühldorf in seinen Augen überhaupt nicht zuständig waren. Wo waren seine hiesigen Kollegen? Und warum hatte man ihn bis nach Landshut verfrachtet, wo Mühldorf doch eine sehr angesehene JVA hatte?

Für Fuchs stand fest, dass sich das Ganze als Irrtum herausstellte und dass man ihn zeitnah freilassen würde. Fuchs war wütend und verschränkte die Arme. Wer sich bei ihm entschuldigen musste, stand noch nicht fest. Aber das würden viele, sehr viele sein.

Fuchs behielt die Tür im Auge. Jeden Moment musste jemand kommen und ihn freilassen. Aber nichts geschah. Wie lange musste er noch warten? War es klug, auf einen Anwalt zu verzichten? Ja, denn er hatte sich nichts vorzuwerfen.

Er mochte die beiden Zimmermanns nicht, die ihn ständig mit irgendwelchen Vorwürfen überhäuften. Ja, er selbst stand darin in nichts nach und reagierte seit zwei Jahren auf die vielen unberechtigten und geradezu lächerlichen Anzeigen, die beinahe jeden Monat ins Haus flatterten, mit Gegenanzeigen. Das war zwar nicht die feine Art, aber er fühlte sich bei seinen Anzeigen im Recht.

Wie kamen die Landshuter Kollegen nur auf die völlig absurde Idee, ihn des Mordes und der Körperverletzung zu bezichtigen?

Die Zeit verging und seine Wut stieg. Wie lange musste er denn noch auf seine Freilassung warten? Wo waren seine Kollegen, wenn man sie brauchte? Konnte es sein, dass sie ihn im Stich ließen? Nein, daran wollte er nicht glauben. Es dauerte sicher nicht mehr lange, und er konnte endlich in ein bekanntes Gesicht blicken.

Tatjana stöhnte, als sie auf die Berge von gegenseitigen Anzeigen sah, die sich vor ihr auf dem Tisch türmten. Seit Jahren tobte ein Nachbarschaftskrieg zwischen Fuchs und den Zimmermanns, der weit zurückging und der sich in den letzten Monaten verschärft hatte.

„Wahrscheinlich wissen die nicht mehr, wie der Streit überhaupt angefangen hat“, schüttelte Werner fassungslos den Kopf. „Ich verstehe nicht, wie es so weit kommen kann, dass man nur noch so miteinander kommuniziert. Unfassbar!“

„Das geht schneller als du denkst“, sagte Tatjana, der die Ursache hübsch egal war. Hier prallten Charaktere aufeinander, die sich offensichtlich nicht ausstehen konnten. Sie ärgerte sich nur darüber, dass sich Gerichte damit beschäftigen mussten. Aber das war nicht ihr Problem, das ging sie nichts an.

Leo und Hans waren überrascht, als sie vor Fuchs‘ Haus in der Brechtstraße standen.

„Hast du diesen Pomp erwartet?“, fragte Leo fassungslos. „Ich habe mir Fuchs immer in einem kleinen, dunklen Hexenhaus vorgestellt. Aber das hier ist ja eine Luxusimmobilie in sehr privilegierter Lage.“

„Die Lage hier ist echt top, keine Frage. Eine Zufahrtsstraße und nur sechs Häuser, die man eher als Anwesen bezeichnen könnte. Und ringsherum nichts außer Natur - echt klasse. Ich habe gehört, dass Fuchs nicht zu den ärmeren Mitbürgern gehört. Er stammt aus reichem Hause, er hat von mehreren Seiten geerbt. Diese Wohnlage ist echt der Wahnsinn und entspricht nicht unserer Gehaltsklasse.“

„Hör doch auf, der von Fuchs aber auch nicht. Wenn er wirklich geerbt hat, dann muss das jede Menge gewesen sein. Von einem Beamtengehalt schaffst du das zu Lebzeiten nie und nimmer. Lebt Fuchs allein hier?“

„Keine Ahnung. Sehen wir uns auf dem Grundstück um, danach befragen wir die Nachbarn.“

„Machen wir. Obwohl es mich reizen würde, mich auch innen umzusehen.“

„Mich auch, aber das vergessen wir lieber. Nicht am helllichten Tag.“ Leo lächelte. Es war klar, dass sie damit warten mussten, bis es dunkel war und die Nachbarn schliefen.

„Schönes Grundstück, toll angelegt“, bemerkte Hans. Dann sah er die Absperrbänder der Polizei. Ein großes Loch klaffte vor einem Minibagger. Weit und breit war kein Arbeiter zu sehen.

„Hier wurde die Tatwaffe gefunden, das ist klar. Und wo soll der Mord passiert sein?“

„Auf der Terrasse.“

„Auf welcher? Von hier aus sehe ich zwei.“ Leo sah sich um, während Hans vor dem Baggerloch kauerte. Irgendetwas gefiel ihm nicht. Die Erde war aufgelockert, das kam sicher nicht von dem Bagger.

„Hans! Komm her!“, rief Leo, der auf der kleinsten der insgesamt drei Terrassen Blutflecken und Kreidezeichnungen entdeckt hatte.

„Das ist alles? Hier soll ein Mord passiert sein? Mit einer Axt? Müsste da nicht die Terrasse mit Blut vollgetränkt sein? Und wo wurde der Sohn niedergeschlagen? Auch hier? Das ist viel zu wenig Blut.“

„Das denke ich auch. Wenn hier der Tatort ist und dort hinten die Axt gefunden wurde, müsste sie von hier bis dahin gelangt sein.“ Leo ging den Weg langsam ab. „Ich sehe nichts. Es könnte sein, dass Spuren bereits gesichert wurden, wovon aber nichts in den Unterlagen zu lesen war. Die Informationen sind nicht vollständig. Du weißt, was das heißt?“

„Ich nehme an, dass Krohmer und der Staatsanwalt nicht umfassend informiert wurden.“

„Wir müssen irgendwie an die Tatortfotos kommen, mit Mutmaßungen kommen wir hier nicht weit.“

„Befragen wir die Nachbarn, vielleicht können die uns weiterhelfen. Siehst du die Gardine, die sich dort bewegt? Mit dem Haus fangen wir an.“

Der perfekte Sündenbock

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