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Meine Geburt

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Am 1. September des Jahres 1945 war es dann endlich soweit: Die Wehen hatten eingesetzt.

Frau Burre, die Hebamme, hatte die ganze Zeit warmes Wasser auf dem Ofen gewärmt und den Mutterbauch mit dem schönen warmen Wasser übergossen. Sie wollte mir wohl die neue Welt schmackhaft machen. Sie sollte nicht so erschütternd sein wie der vergangene Krieg. Frau Burre hatte begriffen, worum es bei Menschen geht: Wärme und angenehmes Streicheln. Wahrscheinlich löste sie damit bereits damals schon meine Liebe zum Saunieren und dem Baden im warmen Wasser aus.

Ich wurde am frühen Morgen, um 9:10 Uhr, in die neue Umgebung geschubst. Verschmiert und schreiend begrüßte ich diese Welt und brachte mich gleich voll ein. Munter blickte ich in das Geschehen, Lebendigkeit und Neugier pulsierte in meinen Adern. So kam ich als drittes Kind – wie ein Drilling – auf diese Erde.

Die junge Mutter staunte, dass ich nur ein Mädchen war. Noch dazu viel kleiner und zierlicher, als ihre vorher geborenen zwei Mädchen. Sie erwartete anscheinend wieder den Satz der Hebamme: Da kommt ja noch eins! Aber es kam kein zweites Kind. Ich war allein in diese Welt geboren worden.

Mutter war froh, alles gut überstanden zu haben.

Ich war jedoch von einer Mutter geboren worden, die den Geruch des Todes noch um sich hatte. Sie dachte sich, dass ihr dieses neue Kind alles Leid, alle ihre Verluste nehmen könnte, doch sie konnte das neue Leben nicht spüren, nicht wirklich wahrnehmen, so sehr war sie in ihrer abstrakten Vorstellungswelt gefangen.

Vater Edwin kam sofort von seiner Arbeitsstätte bei der Ufa-Filmgesellschaft in Vlotho, 15 Kilometer entfernt, mit dem Fahrrad herbeigefahren. Er stellte hocherfreut fest, dass der neue Erdenbürger gesund krähte und fröhlich ausschaute.

Mit dem Geschenk neuen Lebens beflügelt, kam Edwins Hoffnung, den Krieg zu vergessen. Er wollte das Kind erziehen, dass es – falls irgendwann wieder ein Krieg kommt – dieses Leben bestehen kann.

Meine Eltern hatten zuerst den Namen Sylvia gewählt. Ein Name, der ihnen sehr gefiel. Nun meldeten sich aber die Frauen des Dorfes Werste zu Wort. Sie hatten die schwangere Frau bei sich aufgenommen und meinten, nun mitsprechen zu können. Der Name Sylvia war ihnen fast unbekannt und sie mochten ihn deshalb nicht. So bestanden sie darauf, dass ich auf den Namen Kristel getauft werden sollte. Da die Eltern einfach nur froh waren, dass sie den Krieg hinter sich hatten und freundlich aufgenommen worden waren, stimmten sie zu und nannten mich Kristel.

Flüchtlingsdrama eines Drillings

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