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Wie meine Eltern sich kennenlernten

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Meine Mutter Claire stammte aus einer pommerschen Großstadt. Sie war klein und zierlich mit dunklen Haaren und schwarzen, lebendigen Augen. Die von den durchlebten Ereignissen verängstigte und unsichere junge Frau erwartete mich, das Kind, das in ihr heranwuchs, voller Freude und Erschrecken. Lähmende Gefühle waren durch die Verluste entstanden, aber auch Zwiespalt, denn nichts war mehr wie vorher.

Ihr Vater war bei der Deutschen Bundesbahn als Wagenmeister tätig und konnte die Familie gut versorgen. Er hatte mit seiner Frau schon ein kleines Haus am Rande der Großstadt Stettin. Im Kreise einer frohen Familie wuchs meine Mutter mit ihren beiden Schwestern – einer älteren und einer jüngeren und alle bildhübsch mit schwarzen Augen und Haaren – heran. Der Opa und die Mutter waren Schneidermeister. Sie hatten viele gute Kunden in Stettin und erfreuten sich großer Beliebtheit. Auch die Familie wurde stets mit stilvoller und moderner Kleidung versorgt. Es mangelte an nichts.

So konnten alle drei Mädchen unbesorgt zu jungen Frauen herangewachsen. Gern gingen sie in das bekannte Stadtcafé Ufa, in dem Tanzveranstaltungen stattfanden. Mutter und die älteste Schwester machten eine Ausbildung in Büros und die jüngste wurde Friseurin.

In Stettin lernte Claire ihren späteren Mann kennen: Edwin, der dort als Soldat stationiert war. Die Soldaten amüsierten sich in der Freizeit und besuchten die Lokale, in denen sie junge Frauen trafen. Der junge Edwin war schon in seiner schlesischen Heimat in Vereinen, bei denen Schauspielstücke vorgetragen wurden, tätig. Es wurde viel musiziert und gesungen und er spielte manchmal Schifferklavier. Außerdem imitierte er als Conférencier alte, bekannte Schauspieler. Die Leute mochten ihn und vergnügten sich gern dort.

Claire und Edwin verliebten sich und erlebten zueinander eine große Faszination und Lebendigkeit. Sie beschlossen zu heiraten.

Inmitten einer unruhigen Kriegszeit, in der die Menschlichkeit in einem Chaos versank, richteten die Brauteltern der Braut für Claire 1942 ein wundervolles Hochzeitsfest in der Heimatstadt Stettin aus.

Das hübsche Brautkleid und der Schleier mit einer langen Schleppe wurde vom Opa selbst geschneidert. Die Trauung fand in einer evangelischen Kirche statt und alle Familienangehörigen nahmen teil. Man war fröhlich und guter Dinge und hoffte, das Glück begleite die beiden Vermählten in allen Zeiten. Der Krieg war in den Momenten vergessen. Geschossen wurde woanders!

An diesem Tag begegneten sich beide Familien zum ersten Mal: die Familie der Braut aus der Stadt und die Familie des Bräutigams vom Lande. An Gegensätzen kaum zu überbieten.

Die eine stammte aus der ländlichen niederschlesischen Idylle mit kleinen Gebirgsketten sowie Bächen und Flüssen, in denen es Fische zum Angeln gab, die danach zu leckeren Gerichten verarbeitet wurden. Viel Obst hing an den Bäumen und genug Vieh stand in den Ställen. Das Leben spielte sich in der Natur ab. Die Kinder tollten am Bach neben dem Familienbesitz herum und in den stets schneereichen Wintern schnallten sie sich sogar selbst gebaute Skier unter die Füße und fuhren die Hänge hinab.

Demgegenüber war Claire, die Braut, ein Kind der Großstadt in damaliger Zeit. Claire mit ihren beiden Schwestern bewegten sich als Stadtkinder in ihrer Umgebung und kannten weniger natürliche Freiheit. Sonntags spazierten die Eltern mit ihren Töchtern auf der wundervoll angelegten, sogenannten Hakenterrasse. Ihr Name stammte vom Bauherrn Hermann Haken. Die gesamte Anlage ist aus Sandsteinblöcken gemauert. Rechts und links der Treppenaufgänge befinden sich die als Lampenträger stilisierten Leuchttürme und oben zwei große Pavillons als Flankenbegrenzung. Unten steht eine Plattform mit der Springbrunnengrotte darunter. Der Spaziergang wurde immer von gemütlichem Kaffeetrinken unterbrochen. Von den Lokalitäten konnten die im Hafen liegenden oder auslaufenden Schiffe betrachtet werden, was den Kindern Spaß machte.

Flüchtlingsdrama eines Drillings

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