Читать книгу Taugenixen - Isabel Rohner - Страница 10
ОглавлениеKüchengespräche
Die Kürbiscremesuppe blubberte. Gedankenversunken rührte Daphne von Zeit zu Zeit die orangefarbene Masse um. Ihr kinnlanges lockiges Haar hatte sie sorgfältig frisiert. Ihre weiße Bluse spannte über kleinen, festen Brüsten. Der kurze Rock ließ den Blick frei auf makellos schlanke Beine. Mit gerade vierzig war sie ohne Zweifel eine sehr attraktive Frau und entsprach den gängigen Vorstellungen von Schönheit und Weiblichkeit wie kaum eine andere: Sie war zierlich und mittelgroß, hatte leicht schräg stehende Augen mit auffallend dichten, langen Wimpern. Wie immer war sie auch heute sorgfältig geschminkt. Das einzige, was aus dem Rahmen fiel, war ihr Mund, der etwas zu breit war. Dafür besaß sie absolut makellose Zähne. Sie war eine Schönheit und dazu auch noch eine wahre Künstlerin in der Küche.
Mit der Rechten die Suppe umrührend, griff sie mit der anderen zu ihrem Handy und wählte. Nach wenigen Sekunden meldete sich jemand. Die schöne Köchin dämpfte ihre Stimme, als sie zu sprechen begann: »Daphne hier. … Jetzt hör sofort auf. Deine blöden Sprüche kannst du dir sparen … Ist doch egal, wie es mir geht. Darum rufe ich dich nicht an! … Nein, schnapp nicht gleich ein. Und hör auf, mich Schätzchen zu nennen! Hör zu: Ich muss dir was erzählen. … Vinzent ist hier, schon seit drei Tagen. Tom hat ihn mitgebracht … Wenn ich auffliege, war alles umsonst! … Meinst du, ich soll es jetzt selber in die Hand nehmen? … Nein, als Köchin und Dienstmädchen achtet man nicht auf mich. … Aber wie? … Ein Messer aus der Küche? Meinst du nicht, das würde auffallen? … Ich muss Schluss machen, da kommt jemand.«
Kaum hatte sie den letzten Satz ausgesprochen, ging auch schon die Tür zur Küche auf. Ein glatzköpfiger, dicklicher Mann mit Brille, breitem Lächeln und einem offensichtlich selbstgepflückten Blumenstrauß trat ein. Daphne wandte sich erstaunt um und wollte etwas sagen, als ihr der unerwartete Gast zuvorkam.
»Ich weiß, ich weiß, mein schönes Fräulein Daphne, Sie wollen nicht, dass Gäste in Ihr Refugium eindringen. Aber ich wollte mich doch so gern einmal persönlich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich heute so lieb um Fernando gekümmert haben. Seine Migräne ist in den letzten Tagen wirklich furchtbar.« Und strahlend setzte er hinzu: »Ich hoffe also, Sie verzeihen mir diesen Überfall. Diese hier sind für Sie.« Er reichte ihr den Blumenstrauß. »Mögen Sie Bougainvillea?«
Daphne sah ihn erstaunt an. Sie zupfte ihre Bluse zurecht, dann hatte sie ihre Fassung wieder.
»Natürlich, die wachsen hier ja überall. Welche Frau mag die nicht? Aber nötig wäre das nicht gewesen.«
»Ich weiß, ich weiß, meine Liebe«, unterbrach sie Leo Schmitz. »Es ist Ihr Job, sich um die Gäste zu kümmern. Aber glauben Sie mir, es ist trotzdem nicht selbstverständlich.«
»Ja, aber …«
»Kein aber, Fräulein Daphne! Also wenn ich Ihnen im Gegenzug vielleicht irgendwie behilflich sein könnte, würde ich das gerne tun. Habe ich schon erzählt, dass ich bei der Commerzbank arbeite? Ich könnte Ihnen ein paar gute Tipps geben, zu Anlagen, Vorsorge, Krediten …«
»Ja, aber …« Daphne rang die Hände, doch gegen die Verve von Leo Schmitz hatte sie keine Chance.
»Nein, nein, Fräulein Daphne! Das sind alles wichtige Bereiche, mit denen man sich befassen muss. Am besten unter fachmännischer Beratung. Sie können es sich ja mal durch den Kopf gehen lassen, hier ist meine Karte. Ich würde Ihnen gute Konditionen verschaffen können. Das versteht sich von selbst.«
»Herr Schmitz, ich …« Doch da war die Atempause ihres unerwünschten Gastes auch schon zu Ende.
»Nichts zu danken, Sie wunderbares Geschöpf. Und sagen Sie doch Leo zu mir. Wie gesagt, ich finde es nicht selbstverständlich, was Sie für Fernando tun. Und auch wenn Sie nun in Spanien leben – leben Sie eigentlich immer hier oder haben Sie auch noch ein Domizil in Deutschland? –, na, egal, jedenfalls sehe ich es als meine Pflicht, Ihnen zu helfen. Und so eine Finanzberatung tut manchmal Wunder, das sage ich Ihnen. Was riecht hier eigentlich so?«
Daphne blickte sich verwirrt um. Aus dem Kürbissuppentopf dampfte es verdächtig.
»Oh Gott, die Suppe! Herr Schmitz – ich meine: Leo! – Ich muss jetzt wirklich weiterarbeiten. Sie wollen doch, dass Sie und die anderen Gäste heute Abend etwas zu essen bekommen, nicht wahr?« Noch einmal zupfte sie sich die Bluse zurecht, noch einmal setzte sie ihr charmantestes Lächeln auf. Dann versuchte sie, Schmitz langsam, aber bestimmt aus der Küche zu schieben.
»Immer tut sie ihre Pflicht!«, lobte Schmitz onkelhaft. »Dann lasse ich Sie mal. Wir haben in den nächsten Tagen bestimmt noch einmal Gelegenheit für ein Schwätzchen! Und nicht vergessen: Geld kommt zu den Menschen, die es lieben! Aber man muss die Grundlagen dafür schaffen. Das vergessen Frauen wie Sie ja gerne. Ja, ja, vor allem die Frauen sind hierbei ganz schön schüchtern. Aber ich helfe Ihnen gerne! Sie haben so etwas Besonderes an sich, Daphne. Ich finde Sie wirklich ganz wunderbar. Also, wenn ich meinen Nando nicht hätte – und wenn ich zehn Jahre jünger wäre …«
»Sie sind ja ein richtiger Schmeichler!« Damit hatte Daphne den dicklichen Leo aus der Küche geschoben und konnte endlich Luft holen.